WERFTSTRASSE IN BARTH

Die Werftstraßeist ist eine der kürzeren Straßen in der Stadt Barth. Deren Bewohner mussten sich im Laufe der Zeit mehrmals an einen neuen Straßennamen gewöhnen. Was auch jedes Mal eine andere Hausnummer mit sich brachte. Bis 1909 hieß sie noch Trienseestraße und reichte von der Dorfstellenstraße bis zur einstigen Barther Aktienmöbelfabrik, dem neben dem ehemaligen Schlachthof gelegenen Grundstück. 1910 benannte man sie in Hafenstraße um und diese reichte jetzt von der Dorfstellenstraße bis zum Trebin. In der Zeit nach 1930 erfolgte die bislang letzte Umbenennung. Seitdem hat sie den Namen, den wir heute kennen: Werftstraße. Auf der südlichen Seite stehen gerade mal drei Wohnhäuser, Werftstraße 1, 3 und 5, auf der nördlichen Seite waren es bis in die 1990er Jahre zwei Wohnhäuser, mit den Nummern 2 und 4. Die Nummer 4 gibt es allerdings nicht mehr.

 

Werftstraße 1

Eigentümer des Eckhauses war 1919 der Maurer Friedrich Holm. Er beabsichtigte seinerzeit den Schweinestall auf seinem Grundstück Hafenstraße 25 baulich zu verändern. In den dem Bauantrag beigefügten Zeichnungen wird das Vorhandensein eines Abortes hervorgehoben.


 

Solche gesondert erwähnte Aborte findet man auch in vielen anderen Bauanträgen jener Jahre. Vermutlich resultiert das aus den Erkenntnissen der Cholera-Epidemie des Jahres 1850 in Barth, als innerhalb von nur 18 Tagen 164 Bürger aufgrund verunreinigten Trinkwassers ihr Leben verloren hatten. Holm´s westliche Nachbar war der Maurermeister Gustav Wiegels.

Werftstraße 3

Die Villa ließ der am 19. November 1872 geborene Maurermeister und Sägewerkbesitzer Gustav Wiegels erbauen. Die vorliegenden Zeichnungen tragen leider kein Datum. Da hier aber bereits von der Hafenstraße die Rede ist, muss die Genehmigung zum Bau 1910 erfolgt sein. 1912 war der Bau vollendet, und Wiegels zog in seine Villa in der Hafenstraße 27. Offensichtlich bewohnte Wiegels das Haus mit seiner Familie anfänglich alleine. Doch in den 30er Jahren weisen die Adressbücher dann weitere Bewohner der inzwischen in Werftstraße 3 umbenannten Adresse aus. Außer Wiegels wohnten hier nun auch der Amtsgerichtsrat Hans Langner mit Gemahlin und drei Töchtern, sowie eine Hausgehilfin Grete Alpers. Zu wessen Haushalt Alpers gehörte, ist unklar.Der kostspielige, schöne Zaun, der einst das Grundstück zur Straßenseite hin abgrenzte, ist heute leider nicht mehr vorhanden. Die von 1910 stammende Grafik zeigt aber, welcher Aufwand für die Herstellung dieses 28,50 Meter lange Kunstwerkes betrieben wurde.




 

Wiegels war Mitglied der Barther Freimaurer-Loge „Zum Anker“.

 Werftstraße 5



Gustav Wiegels kaufte im Jahr 1908 für 38.000 Mark vom Maurermeister Carl Fründt, zwei Jahre vor dessen Tod, das Baugeschäft in der Triensseestraße 666aa, wozu auch ein Dampfsägewerk gehörte. Das gegenüber liegende, ehemals Wittesche Wohnhaus in der Trienseestraße 663, wollte er gleich mitkaufen. Doch daraus wurde nichts, das Haus war bereits 1893 an den Fischer Wilhelm Miedbrodt verkauft worden. Ab 1909 ist Christoph Miedbrodt als Hauseigentümer verzeichnet. Außer Miedbrodt wohnten 1910 hier noch ein Zimmermann und zwei Arbeiter. Einer Insassin des damaligen Barther Fräuleinstifts ist es zu verdanken, dass es eine Darstellung des Hauses gibt. Die Stiftsdame und Malerin Ursula von Stumpfeld hat es als Motiv in einem ihrer Bilder gemalt.

Welchen Bezug Ursula von Stumpfeld zu dem Haus oder den Bewohnern hatte, ist nicht bekannt. Vielleicht wurde sie von dem Gebäude und dessen Umfeld lediglich dazu inspiriert, zu Palette, Pinsel und Farbe zu greifen. Im Vergleich mit dem Bild von damals und der Ansicht von heute fallen natürlich ein paar Veränderungen sofort ins Auge. Damals hatte das Haus ein Krüppelwalmdach und eine Fledermausgaube. Die Dachform ist inzwischen verändert worden. Statt Krüppelwalm hat das Haus heute ein Satteldach. Und auch die schöne Fledermausgaube ist nicht mehr vorhanden, man hat sie durch eine Schleppgaube ersetzt. Wies die Straßenfront damals vier kleinere Fenster auf, so sind es jetzt zwei größere.Ursula von Stumpfeld starb 1973. Ihr mit einer Grabplatte versehenes Grab befindet sich auf dem Barther Friedhof auf dem gemeinsamen Gräberfeld für Stiftsdamen. 

  Werftstraße 2


 

Hausnummer 2 (ehemals Trienseestraße 666a,dann Hafenstraß30) ist das ehemalige Wohnhaus des Schiffbaumeisters und Werftbesitzers Carl Holzerland. Errichtet hat es vor 1900 die Firma "Gebr. Wendt". Veränderungen am Haus gab es dann mehrfach, die in Holzerlands Auftrag dessen Grundstücksnachbar, der Baumeister Gustav Wiegels vornahm. 1921 erfuhr das Haus einen Anbau, der Wohnzwecken diente. Bauausführender war auch hier die Firma Gustav Wiegels. Vergleicht man die damaligen Bauentwürfe mit der heutigen Werftstraße 2, ist augenfällig, dass sich die Gebäudeansicht nicht, oder so gut wie nicht verändert hat.


Werftstraße 2A BIS 2C

Anbau eines Seitengebäudes für den Schiffbaumeister Carl Holzerland auf dem Grundstück Trienseestraße 666 in Barth“. So ist die Bauzeichnung für ein größeres, zweistöckiges Gebäude bebannt, das Holzerland um 1907 zwischen seinem Wohnhaus und dem des Nachbarn Wiegels direkt an dessen Grundstücksgrenze bauen ließ. An der Südseite des "Seitengebäudes" entstand dabei eine über beide Etagen reichende Wohnung für den Werftkutscher Joachim Lange. Neben der Wohnung hatten der Pferdestall, die Remise und die Futterkammer ihre neuen Räumlichkeiten.

Eigentlicher Anlass dürften wohl die veränderten Anforderungen im Schiffbau gewesen sein. Holzerland musste sich weitere Geschäftsfelder erschließen. In einem Inserat in den 1920er Jahren wirbt er nicht nur mit dem Bau von Schiffen und Booten, sondern auch mit dem Handel von Nutzholz und Eisenwaren. Im neuen Gebäude wurde ein Eisenlager, eine Leutestube mit Küche, ein Teerlager sowie ein Bootsschuppen eingerichtet. Die obere Etage nahmen nördlich der Wohnung über die gesamte Gebäudelänge ausschließlich Bodenräume ein.

Obwohl der Kutscher Lange mit seiner Familie eine Wohnung innehatte, gab es hierfür über Jahrzehnte keine eigene Hausnummer. Heute haben hier mehrere Firmen ihren Sitz, zu finden als Werftstraße 2A bis 2C.


Werftstraße 4


Vom Gebäude der Werftstraße 4 steht leider kein Foto zur Verfügung. Daher kann ich lediglich die von mir angefertigte Grafik zeigen, die nach einer Bauzeichnung von 1909 entstand.

Bauplatz und Dampfsägewerk des Baumeisters Gustav Wiegels Anno 1909

Auf diesem Grundstück in der Trienseestraße 666aa befand sich einst der Bauplatz und das Dampfsägewerk des Maurermeisters Gustav Wiegels. Auch ein Wohnhaus für mehrere Familien stand dort. Es fiel in den 1990er Jahren im Zuge der Erweiterung der Schiffswerft der Abrissbirne zum Opfer.
Bevor Gustav Wiegels 1912 seine schräg gegenüber liegende neue Villa beziehen konnte, wohnte er in diesem Haus. Aus unerfindlichen Gründen wohnte Wiegels von 1910 bis 1912 vorübergehend in der Dammstraße 17.
In dem Mehrfamilienhaus wohnten außer Wiegels noch der Buchhalter Erich Garke, der Werkmeister Otto Wilke, der Kraftfahrer Fritz Lange sowie der Zimmerpolier Heinrich Ehlert. Sie waren wohl alle bei Wiegels beschäftigt, und hatten das Privileg, hier eine Werkwohnung zur Verfügung gestellt bekommen zu haben.
Aus Trienseestraße 666aa wurde 1910 Hafenstraße 34 und in den 30er Jahren dann Werftstraße 4.
Die Nummer 4 musste nach 1990 für die Erweiterung der Schiffswerft GmbH weichen. Hier wohnte anfänglich der am 19. November 1872 geborene Baumeister und Sägewerkbetreibers Gustav Wiegels und der bei ihm beschäftigte Zimmerpolier Heinrich Ehlert.

Wer bei Gustav Wiegels im Sägewerk in Diensten stand, hatte eine körperlich schwere und nicht ungefährliche Arbeit zu verrichten. Die Bezahlung war dennoch nicht üppig. Ein Beispiel sei dazu angeführt, welches einem Dokument aus jener Zeit entnommen ist: Ein im Sägewerk Wiegels beschäftigter Treckerfahrer bekam um 1940 herum für eine Sechstagewoche mit 48 Stunden Arbeitszeit einen Nettolohn von etwa 35 Mark. Eventuell konnten noch Wege- und Trennungsgeld hinzukommen

Es sei mir gestattet, an dieser Stelle ein paar persönliche Erinnerungen an das Sägewerk anzufügen: Es kann so etwa 1956 gewesen sein, da war ich zum ersten Mal in dem Sägewerk, jetzt wohl ein Volkseigener Betrieb. Der Mitarbeiter dort war sehr aufgeschlossen, er ließ mich in den Werkräumen stöbern. Er nahm mich mit zum Holzhafenbecken, wenn er einen Baumstamm über die Slip aus dem Waser holte. Von dem Becken des Holzhafens ist heute nicht mehr viel zu sehen, die WOBAU, Wohnungsbaugesellschaft mbH der Stadt Barth, hat es zum größten Teil zuschütten lassen.

Lag der Stamm dann vor den Sägeblättern, und der Maschinist schaltete das Gatter ein, überkam mich eine kindliche Furcht. Welch ein lautes Zischen und Rattern! Und die Sägeblätter bewegten sich in unglaublich raschem Tempo auf und nieder und fraßen sich durch den Baumstamm. Kurz danach lagen auf der anderen Seite des Gatters die fertigen Bretter, Balken oder Kanthölzer. Alles ging recht schnell vor sich. Diese Arbeitsgänge waren für mich Zwölf- oder Dreizehnjähringen einerseite interessant, doch andererseits wirkten die heftig arbeitenden Sägeblätter auf mich beängstigend.

 

Den Arbeitsbeginn im Sägewerk, die Frühstücks- und Mittagspause sowie den Feierabend verkündete mit grellem Ton eine dampfbetriebene Signalpfeife.

 

Das Sägewerk ist Geschichte. An seiner Stelle befinden sich heute Gebäude und Anlagen der Werft, die sich bis an den Borgwall-Weg ausgedehnt hat. Doch es gibt in Barth zum Glück Dampfmaschinen-Enthusiasten. Auf dem Gelände der früheren Zukerfabrik haben diese Männer ein Dampfmaschinenmuseum etabliert, und sorgen in ehrenamtlichem Engagement für dessen Bestehen. Sie haben dafür gesorgt, dass das Lokomobil von der Verschrottung bewahrt blieb.
Im Zusammenhang mitvdem Abbruch der Gebäude wurde die Lokomobile von der Schiffswerft Barth an undern Verein als Spende übergeben, [...] Zuletzt (bis 2002) war die WOBAU Barth Nutzer und Betreiber der Anlage. Danach gehörte es zum Werftgelände."

(www.barther-dampfmaschinen.de.)

Dierk Ower