1916 - DIE SCHLACHT BEI VERDUN

Die Schlacht um Verdun war eine der längsten und verlustreichsten Schlachten des Ersten Weltkrieges an der Westfront zwischen Deutschland und Frankreich. Sie begann am 21. Februar 1916 mit einem Angriff deutscher Truppen auf den Festen Platz Verdun und endete am 19. Dezember 1916 ohne Erfolg der Deutschen.


Pommersche Regimenter stürmen die Höhe 304 bei Verdun

Der Heeresbericht vom 9.5.1916 meldete: „Die in den letzten Tagen auf dem linken Maasufer in der Hauptsache durch tapfere Pommern unter großen Schwierigkeiten durchgeführten Operationen haben Erfolg gehabt. Trotz hartnäckiger Gegenwehr und wütender Gegenstöße des Feindes wurde das ganzue Grabensystem am Nordhang der Höhe 304 genommen. Der Gegner hat außerordentlich schwere blutige Verluste erlitten, so dass an unverwundeten Gefangenen nur 40 Offiziere und 1280 Mann in unsere Hände fielen“ Die Heimatstandorte der beteiligten Truppenteile in Pommern und Nord-Posen mussten auf höheren Befehl flaggen.
Die fortschreitenden Erfolge am östlichen Maasufer im Februar 1916 zwangen die Oberste Heeresleitung, auch link der Maas anzugreifen und damit die mehr als unangenehme flankierende Feuerwirkung der Franzosen von dieser Seite zu unterbinden.
Am schlimmsten wirkten sich die Artillerie- und Beobachtungsstellen des Feindes vom „Toten Mann“ und der „Höhe 304“ aus. Diese Höhen sind beherrschende Bodenerhebungen am linken Maasufer. Daraus erklärt sich ihre überragende Bedeutung. Die Franzosen hatten denn auch das vorgeschobene Bollwerk mit allen Mitteln der Befestigungskunst zu einem außerordentlich starken Stützpunkt ausgebaut. Erhöht wurde die Verteidigungsmöglichkeit durch die landschaftlichen Verhältnsse: Die Höhe selbst fast kahl und nur an den oberen Hängen reicher Baumwuchs, vn dem im Mai 1916 aber nichts mehr stand. Für den Angreifer fand sich nirgends Deckung. Der Verteidiger hatte unmittelbar hinter sich äußerst starke Befestigungen, von den die Forts Marre und Bois Bourrus die bekanntesten sind. In diesem Fortgürtel hatte er seine Menschen- und Materialreserven. Sie boten den Franzosen eine ausgezeichnete Rückendeckung.
Schlesische Truppen hatten schon gut vorgearbeitet: Raabenwald, Bethinkourt, Forges-Bach, Haukourt, Malankourt waren genommen. Die Gräber der dort gebliebenen Feldgrauen redeten eine ernste Sprache. Die Höhen selbst spiien jedoch Tod und Verderben in die Reihen der Stürmer und waren trotz allen Heldenmutes nicht niederzuzwingen.
Aber die deutsche Heeresleitung musste die Höhe 304 haben, sollte der Angriff auf Verdun erfolgreich fortschreiten können. Divisionen auf Divisionen verbluteten sich vergeblich. Nun sollte die sieggewohnte 4. pommersche Division den Schlesiern zu Hilfe eilen und die scheinbar unüberwindliche Höhe bezwingen. Aus unserer Stellung bei Reims wurden wir abgelöst, und kurze Zeit in der Etappe mit allen Kniffen der neuesten Angriffskunst, der sogenannten „Verdun-Taktik“ bekannt gemacht. Ein Gelände wurde ausgesucht, das ganz ähnlich dem der Höhe 304 war. Jeden Tag wurde „Sturm auf Höhe 304“ geübt. In der vom Krieg fast unberührten, landschaftlich wunderschönen Gegend zwischen Mouzon und Sedan verlebten wir herrliche Tage. Vielen lachte hier der liebliche Frühling mit seiner verschwenderischen Pracht zum allerletzten Male.
Anfang Mai wurden wir allmählich an der Nähe des Gefechtsfeldes zusammengezogen. Die Franzosen schickten Papierballone mit anhängenden Hetzschriften unter dem Motto: „Durchhalten, durchleiden, durchhungern“ hinüber. Damals hatten sie noch keine Wirkung. Am 5. Mai gegen Abend wurde das I. R. 49, in dessen Verbande ich eine Kompagnie führte, im Lager Etanche bei Brieulles versammelt. Ein ungemein heftiger Wirbelsturm brach los. Der Himmel nachtschwarz. Viele feindliche Fesselballone rissen sich los und trieben mit wild schwankenden Gondeln über uns hinweg und wurden alle eine Beute der Deutschen.
Bei Sturm und Regen geht es am Abend des 6. Mai auf ungangbaren Wegen in die beföhlenen Stellungen. Ein fürchterlicher Weg. Granatloch an Granatloch. Alte zusammengeschossene Gräben, zerfetztes Drahtverhau. Die den Kompagnien gestellten Führer verlaufen sich in dieser grauenhaften Wüste mehrfach. Es geht querfeldein, da die Straßen unter Feuer liegen. Die Fahrzeuge der Maschinengewehre bleiben im Schlamm, in den Gräben und in den Verhauen stecken. Endlich treffen die nach vorn eingesetzten Truppenteile beim Regimentsgefechtsstand ein, der in der alten französischen Stellung liegt. Ein Stückchen Annäherungsweg führt in das Forges-Bachtal hinunter. Der kleine Brückensteg liegt dauernd unter Feuer. Aber auch unsere Artillerie redet eine deutliche Sprache. Jenseitsdes Forges-Baches geht es auf die Bärentatze mit den beiden alten französischen Stützpunkten „Alsace“ und „Loraine“ zu. Die früheren Gräben sind zerschossen, die Reste liegen voller Toter und stöhnender Verwundeter. Alle Unterstände bis auf einen sind vernichtet. Dieser liegt, da den Franzosen ja genau bekannt war, besonders unter Feuer. Weiter geht es jenseits der Bärentatze über einen schmalen Wiesenstreifen hinweg im heftigsten Sperrfeuer bis an den Fuß der Höhe 304. Hier brodelt die Hölle [...]
Um 6 Uhr abends begann der Sturm von neuem, nachdem unsere brave Schwesterwaffe, die Artillerie aller Kaliber, die letzten Stunden einen Orkan von Eisen auf die Höhe 304 hatte niederprasseln lassen, Schlesier und Pommern traten nun Seite an Seite den blutigen Weg an. Diesmal gelang der Sturm glatt. Die wenigen noch lebenden tapferen Franzosen leifen über, die Gesichter verzerrt, die Uniformen zerfetzt, mit Blut und Erde besudelt. […]
Die Höhe 304 war in unserem Besitz! Die Beute betrug 400 Franzosen, ein Geschütz, 5 Maschinengewehre. Auch die Nachbarregimenter waren fast durchweg vorwärts gekommen.
(Auszugsweise nach der Regimentsgeschichte desJ.R.49 und dem Kriegstagebuch des Oberstleutnant d.R. a.D. Eisermann)