7 - DIE HALBINSEL FDZ

DIE BÖRLING IN ZINGST
Bei Recherchen für meinen Beitrag zum Feldflugplatz Sundische Wiese erhielt ich auch Einblicke in das Wohngebiet beim Goetheplatz. Diese etwa 50 Wohnungen gehörten einst als Wehrmachtssiedlung zur Zingster Flak-Garnison. Errichtet wurde sie zwischen 1937 und 1939 auf einem bis dahin nahezu unbebauten Gelände. Mit dem Rückzug des Militärs aus Zingst bei Kriegsende verließen die Wehrmachtsoldaten mit ihren Familien die Siedlung. Nur vereinzelt blieben zivile Angestellte der Kaserne zurück. In die Wohnungen wurden zu einem großen Teil Heimatvertriebene eingewiesen.

Durch eine Gemeindeverordnung wurde diese Siedlung mit Wirkung vom 30. Januar 2005 zu einem Denkmalbereich erklärt („Siedlung am Goetheplatz“ ).
Der Denkmalbereich im Sinne des § 2 Abs. 3 DSchG M-V (Denkmalschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern) umfasst die Straßenzüge Goetheplatz, Koppelstraße, Börlingstraße, Lindenstraße, Liebknechtstraße, Kehr Wieder, Am Ende sowie das Reihenhaus zwischen Rämel und Dünenstraße. Die Grenzen ergeben sich aus der historisch gewachsenen Bebauung, wie sie in § 3 der genannten Verordnung vorgestellt wird.
Nun habe ich in einer alten Barther Zeitung einen höchst interessanten Beitrag über Zingst gefunden. Darin beschreibt der Autor, ein gewisser R.S., genau jene Zeit, in welcher vermutlich der Bau der heutigen „Siedlung am Goetheplatz“, begonnen hatte. Von der Börling ist da die Rede, und es gibt in dem Bereich Goetheplatz eine Börlingstraße. Sie findet man, wenn man vom Hafen kommend, die Hafenstraße rauf in Richtung Jordanstraße geht, dort rechts rum bis zur Koppelstraße, dort abbiegt und in Richtung Goetheplatz geht. Links des Platzes stößt man auf die Börlingstraße.
Hier nun der erwähnte Zeitungsartikel aus dem Jahre 1936.

Etwas vom Zingster „Börling“
Seit dem Frühjar 1937 hat sich das Bild unseres sonst so stillen Ortes vollständig verändert. Im Osten ist ein ganz neues Viertel entstanden. Wo früher der Pflug seine Furchen zog, und die Lerche trillernd in den blauen Aether stieg, erheben sich mächtige Bauten und Baracken. Auch die südliche Seite der Lindenstraße hat ein anderes Aussehen bekommen. Ein ganzer Häuserblock erhebt sich auf dem früher unbebauten Teil. Ein altes Bauernhaus mußte der Spitzhacke zum Opfer fallen. Auch der Teich neben dem Hause wird teilweise zugeschüttet. Dieses kleine Gewässer -Börling- war früher für Kinder ein Paradies. Zu jeder Jahreszeit übte es seine Anziehungskraft aus. Sobald sich im Winter eine Eisdecke bildete, war sie der Sammelpunkt einer fröhlichen Kinderschar bis Stern an Stern am Himmel stand. Morgens auf dem Schulweg wurde stets die Güte des Eises untersucht, und mancher war nicht eher zufrieden, bis er sich nasse Füße geholt oder ein kaltes Bad genommen hatte. Viele Zingster Kinder haben sich hier in den ersten Anfängen des Schlittschuhlaufens geübt. Im Frühjahr, wenn das Eis verschwunden war, ließen die Kinder ihre selbstgefertigten Schiffe treiben und wurden nicht müde, die Schnelligkeit der kleinen Fahrzeuge zu bewundern. Sogar ergraute Seeleute gaben sich mit Leidenschaft diesem Sport hin. Anfang Mai, wenn das Wasser erwärmte, ließen die Frösche ihre Stimme erschallen. Dieses Froschkonzert dauerte bis Mitte Juni. An windstillen Abenden waren die Frösche im ganzen Dorf zu hören, und kein Naturfreund hat dies unangenehm empfunden. Im Herbst, wenn grauer Nebel übers Land zog, lag die Börling verlassen da, nur einige Gänse der Nachbarn tummelten sich im Wasser. Mit dieser Börling war übrigens eine Sage verknüpft. Wir Kinder erzählten uns, daß in ihren Fluten in grauer Vorzeit eine Kirche versunken sein sollte. Ein in der Nähe liegendes Ackerstück hieß im Volksmunde „Der Karkhof“. Nun ist die Poesie dieses kleinen Gewässers dahin, und ich glaube sicher, daß mancher noch oft an die hier verbrachten glücklichen Kinderjahre zurückdenkt. Tempi passati! Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit. R.S.“
So wie die hier beschriebene Zingster „Börling“ gab es vor vielen Jahren auch in Barth bei der damaligen Klosterkoppel ein kleines Gewässer, das „Die Börning“ genannt wurde.“

Sundische Wiese

Vom Bau des Fliegerhorstes berichtete im Sommer des Jahres 1936 eine Zeitung im Kreis Franzburg-Barth, dass
am 5. April, dem Jahrestage des ersten Spatenstiches, die Richtfeier für den Flughafen Barth stattgefunden habe.

Das Blatt schreibt in diesem Zusammenhang u. a.: „... Zahlreiche Ehrengäste von Provinz, Behörden, Partei und Wehrmacht hatten sich auf dem noch mitten im Aufbau begriffenen Flugplatz Barth auf Einladung der Bauleitung mit den auf dem Flugplatz beschäftigten Arbeitern aus allen Gauen Deutschlands zu einer von bester Kameradschaft getragenen Feier zusammengefunden. Bauleiter Becker hieß die Mitarbeiter und die zahlreichen Ehrengäste, unter denen man u. a. Kreisleiter Kieckhöfer und Standartenführer Hopp sah, herzlich willkommen. Sein besonderer Gruß galt dem Landrat Hopf, der sich um die Anlage eines Flugplatzes bei Barth und um dessen Förderung hervorragend verdient gemacht hat. Bauleiter Becker gab dann in fesselnder und oft auch humorvoller Weise einen Rückblick auf die einjährige Baugeschichte.

Stehend gedachte die Festversammlung unter den Klängen des Liedes vom guten Kameraden eines Arbeitskameraden der ungeheuren Arbeitsschlacht auf dem Flughafen Barth, der auf dem Heimwege im August 1935 vermutlich infolge Überanstrengung in einen Wassergraben fiel und ertrank. Ein Gruß zum Führer wurde mit den Liedern der Nation besiegelt.

Dann dankte der Kommandant des Fliegerhorstes Barth. Major Seywald, der Bauleitung und den Arbeitern des Platzes für die geleistete, erstaunliche Arbeit, die nur durch aufopfernde Tätigkeit aller möglich gewesen sei. An diesem ersten Jahrestag des Fliegerhorstes Barth wollte die Luftwaffe einen kleinen Dank an die Arbeiterschaft durch 130 Flüge abstatten, die ausgelost werden sollen, und die einmal den Arbeitskameraden die Stätte ihrer unermüdlichen Arbeit von oben zeigen und dann auch das Verständnis für die Aufgaben der Luftwaffe vertiefen sollen.

Bürgermeister Dr. Wendt dankte namens der Stadt Barth für den Aufbau des Flugplatzes, der der Stadt in den Zeiten höchster wirtschaftliche Not neues Leben und neue Kraft gegeben habe. Ein Dank der Stadt Barth komme darin zum Ausdruck, dass man noch im Herbst dieses Jahres mit dem Bau von 70 Arbeiterwohnungen beginnen werde...“

Das Festprogramm wies folgende Programmpunkte auf:
Einladung zum Richtfest und Jahrestag des ersten Spatenstichs auf dem Flughafen Barth am Mittwoch, dem 5. April 1936 durch die Bauleitung
Festfolge
11-12 Uhr Feier mit Ansprachen vor der Terasse des Wirtschaftsgebäudes unter Mitwirkung des Musikkorps der Fliegerhorstkommandantur Barth
12-13 Uhr Besichtigung des Platzes; Führung durch den Bauleiter
13-14 Uhr Gemeinsames Mittagessen der Arbeiter- und Angestelltenschaft des Platzes,in Halle III; Musikvorträge
14-16 Uhr Rundflüge für die Arbeiterschaft nach Auslosung
Abends Tanz in verschiedenen Sälen der Stadt

Der Fliegerhorst in Barth
1935 waren für den Bau eines Fliegerhorstes bei der Stadt Barth 175 Hektar Wiesengelände angekauft worden. Gebaut wurde er von 1935-1938. Am 1. Juni 1936 konnte er feierlich in Dienst gestellt werden. Er gehörte zum Wehrkreis II.
Zur Versorgung der Maschinen wurde am Nordwestrand des Platzes ein Treibstofflager gebaut. Des weiteren errichtete man außer einer großen Flugzeughalle sechs weitere, mittelgroße Hallen. Die erste Flugeinheit für Barth wurde am1. April 1936 aufgebaut und kurz darauf zum Fliegerhorst Barth verlegt.Hierbei handelte es sich um das Kampfgeschwader 152.
Im Laufe des Krieges folgten bis zum 9. Juni 1940 als Fronttruppenteile noch weitere drei Kampfgeschwader (30, 54, sowie 77). Die Lehrgeschwader I., II und III. kamen am 1. November 1938 dazu. Die Küstenfliegergruppen 106 mit dem Stab folgten im Oktober 1940 bzw. im April 1941. Auch Zerstörungsgeschwader und Jagdgeschwader waren in Barth stationiert.
Die 1. Gruppe des Lehrgeschwaders I verlegte man am 12. August 1939 nach Königsberg, da der Überfall auf Polen bereits geplant war.
Als die Rostocker Heinkel-Flugzeugwerke im Februar 1942 bei Bombardements durch die britische Luftwaffe stark beschädigt worden waren, verlegte man Teile der Produktionsstätten nach Barth. Hier, am Rande des Fliegerhorstes wurde dafür
1942 am südlichen Ende des Rollfeldes eine 1,2 Kilometer lange Start- und Landebahn gebaut. Für die Heinelwerke errichtete man im nördlichen Bereich Flugzeughallen. In fünf freigezogenen Kasernen quartierte man mehrere Tausend KZ-Häftlinge ein. Diese wurden als Zwangsarbeiter bei der Fertigung von Flugzeugbauteilen eingesetzt.
Im März 1945 kamen die Reste der 6. / Jagdgeschwader 103 nach Barth, bis die Staffel Ende März 1945 aufgelöst wurde. Am 28. April1 945 kam noch die III. / Schlachtgeschwader 1 auf den Platz, um gegen die Rote Armee eingesetzt zu werden. Am 12. April 1945 verlegten Teile des II. / Lehrgeschwader 1 auf den Platz. Am 1. Mai 1945 wurde der Fliegerhorst schließlich von der Luftwaffe geräumt. Am 2. Mai 1945 rückte die Rote Armee auf dem Platz ein.

Die Feld-Flakartillerie-Schule (F-FAS) in Zingst
Aufgestellt in Barth in Pommern als Luftgau-Flakartillerie-Schule XI. 1942 wurde sie in Feld-Flakartillerie-Schule 11 (Mitte) umbenannt. Das Barther Stadtbauamt erstellte am 25. Januar 1947 je einen Bericht über das Lager Barth-Holz, über das Lager Barth-Stein sowie zum Flakübungsplatz in Zingst. Der Flakübungsplatz ist Gegenstand dieser Recherche: "Er liegt auf der Insel Zingst östlich der Gemeinde Zingst an der Straße nach Müggenburg. Die Gesamtfläche des Platzes beträgt 0,48 km².
Es sind noch folgende Gebäude vorhanden:
4 Kasernenblocks
1 Wirtschaftsgebäude
1 Kommandanturgebäude
3 Garagen
3 Beamtenwohnhäuser.
Der gesamte umbaute Raum beträgt ca. 32.000 m³. Die Gebäude sind massiv in Ziegelsteinmauerwerk errichtet mit Holzkonstruktion und Ziegelsteineindeckung, eingeschossig mit ausgebautem Dachgeschoss und nicht unterkellert. Es fehlen jedoch Fenster, Türen, Öfen, sanitäre Einrichtungen, usw. Teilweise ist sogar mit der Abdeckung einzelner Gebäude schon begonnen. Lediglich die 3 Beamtenwohnhäuser sind inzwischen hergerichtet und werden als Wohnungen verwendet." So weit der erwähnte Bericht vom 25. Februar des Jahres 1947.
Am 14. Juli 1936 brachte das „Marlower Tageblatt“ eine Reportage zu einem feierlichen Ereignis, das mit reichlich Pomp und viel nationalsozialistischer Politprominenz aufwändig inszeniert worden war. Man darf diesem Zeitungsbeitrag wohl Glauben schenken. Die Einwohner der Kleinstadt Barth empfanden ehrlichen Stolz, als sie in dem Blatt die folgende Lobeshymne lasen:
Barth wird Fliegergarnison – Einzug der Truppen unter dem Jubel der Bevölkerung. Kein Haus und fast kein Fenster ohne Fahne […] Der 10. Juli 1936 wird für immer mit goldenen Lettern in der Stadtgeschichte unserer benachbarten Kreisstadt Barth eingetragen sein. Unter dem Jubel der Bevölkerung zogen gestern Vormittag 10.30 Uhr die Truppen des Fliegerhorstes Barth in die Stadt als ihrer neuen Garnisonsstadt ein und wurden von der gesamten Bevölkerung in der über und über festlich geschmückten Stadt jubelnd empfangen […] Zahlreiche Ehrengäste von Provinz, Behörden, Partei und Wehrmacht hatten sich auf dem noch mitten im Aufbau begriffenen Flugplatz Barth auf Einladung der Bauleitung mit den auf dem Flugplatz beschäftigten Arbeitern aus allen Gauen Deutschlands zu einer von bester Kameradschaft getragenen Feier zusammengefunden.“ (1)
Es dauerte nicht lange, da kam eine weitere Garnison hinzu. 1938 begann in Barth-Vogelsang der Bau einer Flak-Kaserne. Ein Jahr später, im Mai 1939 wurde die II. Abteilung des Flak-Lehrregiment aus Tutow nach Barth verlegt und als Flak-] formiert. Zum Flakregiment gehörte auch das I. Flak-Lehrregiment Zingst. 1940 entstanden die Basis-Nebenstände in Barth sowie in Pruchten. Die Nebenstände östlich der Barthe zwischen Vogelsang und den Hintersten Bergen, sowie jene an der heutigen Zeltplatzstraße in Pruchten sind bis in die Gegenwart noch als Ruinen vorhanden. Nun also war Barth eine zweifache Garnisonstadt. In der Folge nahm die pommersche Kleinstadt eine rasante Entwicklung, sowohl in der Einwohnerzahl, als auch im wirtschaftlichen Bereich.
Am13. August 1938 besuchte Adolf Hitler mit großem Gefolge Barth. Nach seinem Aufenthalt auf dem Fliegerhorst fuhr der Tross weiter nach Zingst zum dortigen Feldflugplatz und Flak-Übungsplatz in der Sundischen Wiese.
Schon die alten Preußen hatten erkannt, dass sich das Gebiet östlich des Ortes Zingst hervorragend für militärische Spielchen eignet. Die gottverlassene Abgeschiedenheit dieser Gegend bot sich geradezu an für einen solchen Zweck. Auch konnten bei Schießübungen die Dünen als natürlicher Kugelfang dienen. So kam es bereits 1895 zur militärischen Nutzung der Sundischen Wiese. Doch dann schien eine friedvollere Zeit für die Landschaft nördlich des Barher Boddens möglich zu werden.
Ende der Zwanziger Jahre versuchte der Leiter des Darßer Forstamtes, die Sundischen Wiesen in einen zu schaffenden Nationalpark Darß-Zingst mit einzubeziehen. Es gelang 1934 sogar, den damaligen Reichsforst- und Reichsjägermeister Hermann Göring von der Idee zu begeistern. Doch der neu aufgebauten Luftwaffe fehlte ein Bombenabwurf- und Schießgelände. Das ursprünglich vorgesehene Gebiet bei Parow und Hohendorf war erstklassiges Ackerland, und so fiel die Wahl auf die Sundischen Wiesen. Am 30. Juni 1937 wurden die Bewohner zwangsumgesiedelt. In Zingst entstand ein Militärstandort und in den Wiesen ein Flakschießstand, ein Flugplatz und ein Bombenabwurfsgelände. Die leeren Bauernhöfe in den Sundischen Wiesen dienten als Abwurfziel.“ (2)
Die Absicht, das östlich von Zingst gelegene Areal „Sundische Wiese“ in den Status eines Nationalparks zu erheben, war somit also vom Tisch, denn den militärischen Aktivitäten der Reichsregierung hinsichtlich der Vorbereitungen eines Krieges wurde absolute Priorität eingeräumt. Zu günstig ist die geografische Lage der Halbinsel. Sie bot ideale Voraussetzungen zum Ausbau eines Wehrmachtstandortes für die Flak-Artillerie.
Die Menschen, die bislang hier wohnten und vor allem von der Landwirtschaft lebten, waren, wie oben beschrieben, kurzerhand enteignet worden. Es kam zwar zu Protesten, denen jedoch kein Erfolg beschieden war. Als Ausgleich zu den Enteignungen gab es für die Bewohner Entschädigungen in Form von Geld oder Land. Als rechtliche Grundlage für solche Maßnahmen diente das 1935 erlassene „Gesetz über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht“, wodurch die Voraussetzungen für das Vorgehen gegeben waren.
In Zingst selbst entstand im Osten der Gemeinde eine Garnison für die Flaklehreinheit und in den Sundischen Wiesen ein Flakschießstand. Es wurde ein Feldflugplatz gebaut und ein Gelände für Bombenabwürfe hergerichtet.
Planungen für einen Siedlungsbau in Zingst gab es bereits im Jahre 1935, und im Folgejahr wurde der Ort endgültig zum Wohnsiedlungsgebiet erklärt. Im Sommer 1937, nach der Umsiedlung der Bewohner von Sundische Wiese, konnte nun mit dem Ausbau Zingsts zum Garnisonsstandort für die Luftwaffe begonnen werden.
Auf dem östlich von Zingst gelegenen weiträumigen Gelände der „Sundischen Wiese" ist der benötigte Luftwaffenübungsplatz entstanden, obwohl für dieses Gebiet jene von Hermann Göring favorisierte Idee zur Einrichtung eines Nationalparks verwirklicht werden sollte. Der Gedanke dafür stammte bereits aus der Zeit der Zwanzigerjahre. Der damalige Leiter des Darßer Forstamtes wollte die Sundischen Wiesen in einen zu schaffenden Nationalpark Darß-Zingst mit einzubeziehen.
Es gelang 1934 sogar, den Reichsforst- und Reichsjägermeister Hermann Göring von dieser Idee zu begeistern. Doch der neu aufgebauten Luftwaffe fehlte ein Bombenabwurf- und Schießgelände. Das ursprünglich vorgesehene Gebiet bei Parow und Hohendorf war erstklassiges Ackerland, und so fiel die Wahl auf die Sundischen Wiesen […]. Am 30. Juni 1937 wurden die Bewohner zwangsumgesiedelt. In Zingst entstand ein Militärstandort und in den Wiesen ein Flakschießstand, ein Flugplatz und ein Bombenabwurfsgelände. Die leeren Bauernhöfe in den Sundischen Wiesen dienten als Abwurfziel.“ (3)
Neben dem Ort Zingst gab es auf der gleichnamigen Halbinsel (bis zum Jahr 1874 noch eine Insel) weitere bewohnte Dorfstellen. Bis 1625 lag östlich des Hauptortes das Dorf Straminke. Ein Sturmhochwasser zerstörte hier in jenem Jahr fast alle Häuser. Ein noch bis in unsere Tage bewohnter ist Müggenburg. Von hier aus werden Kühe des Gutes Darß im Frühjahr mit einer Viehfähre zur Weide auf die Insel Kirr, und im Herbst wieder zurück auf das Festland transportiert. Dafür existiert im Zingster Ortsteil Müggenburg eine Anlegestelle, die mit einer Schutzhütte auch Wanderern und Radlern die Möglichkeit zur Rast bietet. Nach Wikipedia gibt es auf der Insel Kirr seit den 1990er Jahren die sogenannte Inselbahn, deren Streckenlänge 400 Meter beträgt und eine Spurweite von 600 mm hat. Sie verbindet den Schiffsanleger der Insel Kirr mit Kleiner Kirr, der einzigen hier befindlichen Siedlung.
Auf der Halbinsel befand sich an deren östlichem Rand ein weiterer Wohnort, der aber nicht mehr als solcher vorhanden ist. Es war die Gemeinde Sundische Wiese. Dazu konnte aber leider nur wenig in Erfahrung gebracht werden: Die Gemeinde Sundische Wiese war bis zum 30. Juni 1937 eine Landgemeinde im ehemaligen Kreis Franzburg-Barth. Ihr stand ein Gemeindevorsteher vor, der keinen eigentlichen Sitz hatte. Die Gemeinde war eine Gebietskörperschaft mit einer Flächengröße von 25 km². Innerhalb der Gemeindegrenzen gab es 21 Wohnstellen, die jeweils ihre eigene Bezeichnung hatten: Deichwärtergehöft zu Holzkoppel, Dünenhof, Eichhof, Feldhof, Forsthaus Sundische Wiese, Fährhaus, Grashof, Holzkoppelhof, Kavelhof, Mittelhof, Mühle, Pramort, Rehhof, Stakenhof, Sundische Wiese, Südhof, Waldesheim, Waldhof, Westhof, Wiesenhof; ,sowie Sundische Wiese. Die letztere Hofstelle war gleichzeitig auch namensgebend für die Bezeichnung dieser Landgemeinde, in welcher insgesamt 36 bewohnte Wohnhäuser standen.
Die Bevölkerungszahl wird laut Volkszählung vom 16. Juni 1925 mit 211 Einwohner angegeben, von denen 110 männlich (52,1%) und 101 weiblich (47,9%) waren. Es lebten somit im Durchschnitt 5,9 Einwohner je Haus bzw. 8,4 Einwohner auf einem km². Die Bevölkerung in der Gemeinde Sundische Wiese wohnte in 41 Haushaltungen (5,1 Einwohner im Haushalt bzw. 1,1 Haushaltungen je Wohnhaus).
Die Namen einiger Bewohner des Ortes Sundische Wiese: Baruschke (1902), Burmeister (1913), Bülow (1913), Tabbert (1913), zu Eulenburg-Hertefeld (1913).
Mit 190 Protestanten (90%) war 1925 die große Mehrheit der Einwohner in der Gemeinde evangelischen Glaubens. Darüber hinaus gab es 3 Katholiken (1,4%) aber keine Juden. (Für die restlichen 18 Einwohner gibt es keine Angaben zur Konfession).
Die Protestanten (Angehörige der Landeskirche) gehörten zum evangelischen Kirchspiel Zingst. Die Katholiken gehörten zum katholischen Kirchspiel Barth. Mit der Gründung der Standesämter 1874 übernahmen diese die Beurkundung des Personenstandswesens. Das zuständige Standesamt war in Zingst. 

Literatur:
Gemeindelexikon für den Freistaat Preußen. Provinz Pommern. Nach dem endgültigen Ergebnis der Volkszählung vom 16. Juni 1925 und anderen amtlichen Quellen unter Zugrundelegung des Gebietsstandes vom 1. Oktober 1932. Berlin: Preußisches Statistisches Landesamt, 1932., S. 22
Quelle: "Gemeindelexikon für das KönigreichPreußen Auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1905"
Pommernakte

 Die neuen militärischen Anlagen auf der Halbinsel Zingst betreffend, berichtet Martin Kaule in „Ostseeküste 1933-1945 - Der historische Reiseführer“ unter Anderem: „Zudem befand sich auf dem Schießplatz von 1940 bis 1945 ein Kriegsgefangenen- und ein Zwangsarbeiterlager, deren Insassen für die Heinkelwerke in Barth Zwangsarbeit verrichten haben […] Vor Ort erinnert kein Gedenkstein an das Lager...“ (4)
Zum Flak-Platz gehörte auch eine Siedlung, bestehend aus etwa 50 Wohnhäusern. Die Siedlung war auf einem bis dahin nahezu unbebauten Gelände zwischen den Straßenzügen Lindenstraße, Wasserweg (heute Martha-Müller-Grählert-Weg), Boddenhörn und Ludendorffstraße (heute Jordanstraße ) errichtet worden.
Mit dem Rückzug des Militärs aus Zingst bei Kriegsende verließen die Wehrmachtsoldaten mit ihren Familien die Siedlung. Nur vereinzelt blieben zivile Angestellte der Kaserne zurück. In die Wohnungen wurden zu einem großen Teil Heimatvertriebene eingewiesen. Diese Siedlung ist seit dem 13. Januar 2005 ein Denkmalbereich, welcher die Straßenzüge mit den heutigen Straßennamen Goetheplatz, Koppelstraße, Börlingstraße, Lindenstraße, Liebknechtstraße, Kehr Wieder, Am Ende sowie das Reihenhaus zwischen Rämel und Dünenstraße umfasst. In unmittelbarer Nähe der Kaserne liegt am Müggenburger Weg das ehemalige Wohnhaus des Generals, ebenso das benachbarte Wohnhaus des damaligen Oberinspektors.
In einer Gemeindeverordnung wurde im Einvernehmen mit dem Landesamt für Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern und mit der Gemeinde Zingst die Ausweisung des Denkmalbereiches „Siedlung am Goetheplatz“ verordnet. Darin heißt es unter Anderem
Der in §1 vorliegender Verordnung bezeichnete Denkmalbereich „Siedlung am Goetheplatz“ in Zingst wird unter Schutz gestellt, weil er ein wichtiges bauhistorisches Zeugnis der nationalsozialistischen Siedlungsarchitektur darstellt und darüber hinaus die historische und städtebauliche Entwicklung des Ortes Zingst als Wehrmachtstandort dokumentiert.
Der besondere Wert der ehemaligen Wehrmachtsiedlung liegt in der zwischen 1937 und 1939 fast unverändert überkommenen äußeren Gestalt. Siedlungsbild und -struktur mit den Wohnhäusern, den Grünbereichen und der charakteristischen Wegeausformung entsprechen noch heute weitgehend dem originalen Zustand. Das Ensemble stellt ein anschauliches architektonisches Beispiel einer im „Dritten Reich“ errichteten Militärsiedlung dar, die sich im Sinne des von den Nationalsozialisten für den Wohnbau propagierten Heimatschutzstils an die regionale Bauweise anpasst, dabei formal aber auch Ideen der Gartenstadtbewegung aufnimmt.
Mit ihrem städtebaulich gelungenen und schlüssig umgesetzten Gesamtkonzept ordnet sich die Anlage gut in das historisch gewachsene Ortsbild ein. (5)
Als der Zweite Weltkrieg nach sechs schrecklichen Jahren endlich vorbei war, begann auch in Barth die Mühsal eines Neubeginns. So erfolgte auch eine Bestandsaufnahme zu den militärischen Hinterlassenschaften bei Zingst. Zu Beginn des Jahres 1947 legte das Barther Stadtbauamt dazu einen Bericht vor mit einer Auflistung zu den noch vorhandenen Immobilien und deren baulichem Zustand auf dem dortigen Gelände des ehemaligen Flak-Übungsplatzes. Von einer Siedlung am Goetheplatz ist darin allerdings nicht die Rede.
Der Flakübungsplatz in Zingst liegt auf der Insel Zingst* östlich der Gemeinde Zingst an der Straße nach Müggenburg. Die Gesamtfläche des Platzes beträgt 0,48 km².
Es sind noch folgende Gebäude vorhanden:
4 Kasernenblocks
1 Wirtschaftsgebäude
1 Kommandanturgebäude
3 Garagen
3 Beamtenwohnhäuser.
Der gesamte umbaute Raum beträgt ca. 32.000 m³. Die Gebäude sind massiv in Ziegelsteinmauerwerk errichtet mit Holzkonstruktion und Ziegelsteineindeckung, eingeschossig mit ausgebautem Dachgeschoss und nicht unterkellert. Es fehlen jedoch Fenster, Türen, Öfen, sanitäre Einrichtungen, usw. Teilweise ist sogar mit der Abdeckung einzelner Gebäude schon begonnen. Lediglich die 3 Beamtenwohnhäuser sind inzwischen hergerichtet und werden als Wohnungen verwendet.“ (6)
Quellen:
(1) Marlower Tageblatt vom 14. Juli 1936
(2) (3) Wikipedia – „Sundische Wiese“
(4) Martin Kaule
Ostseeküste 1933-1945 Der historische Reiseführer“, erschienen September 2018 im Ch. Links Verlag, Auflage 5, Erstveröffentlichung März 2009
(5) Gemeindeverordnung über die Ausweisung des Denkmalbereiches „Siedlung am Goetheplatz“ in Zingst, am 13. Januar 2005 in Kraft gesetzt
(6) Archiv der Stadt Barth
Bericht über den ehem. Flakübungsplatz in Zingst“, Stadtbauamt vom 25. Januar 1947

Feldflugplatz und Flak-Übungsplatz Zingst (2)
Dass die Gegend zwischen Wustrow und Pramort als Deutschlands schönste Halbinsel gepriesen wird, ist wohl nicht so völlig aus der Luft gegriffen. Das hatte sich auch unter Polit-Größen des Dritten Reiches rasch herumgesprochen. Besonders Hermann Göring lag diese imponierende Landschaft zwischen Bodden und Ostsee am Herzen. Und zwar aus unterschiedlichen Gründen. Er war zum einen ein passionierter Weidmann,
für den die Natur folgerichtig von einiger Bedeutung ist. Seine Ernennung zum Reichsforstmeister und Obersten Beauftragten für den Naturschutz erfolgte im Juli 1934. Im gleichen Jahr erließ Göring das Reichsjagdgesetz. Er führte den zuvor ungebräuchlichen Titel „Jägermeister“ ein und ernannte sich selbst zum „Reichsjägermeister“. Für den Jäger Göring bot der Darß und der Zingst mit einem hohen Wildbesatz reichlich Gelegenheit um seine Jagdleidenschaft auszuleben.
Görings ursprüngliche Idee war es, das weiträumige Gelände der Sundischen Wiese, das östlich des Ortes Zingst liegt, zu einem Nationalpark zu machen, nachdem ihn 1934 der damalige Leiter des Darßer Forstamtes mit einem bereits aus den Zwanzigerjahren stammenden Plan eines Darß-Zingster Nationalparks vertraut gemacht hatte. Göring war begeistert. Und trotzdem wurde nichts daraus. Vor allem der Halbinsel Zingst wurde in den Jahrzehnten mit Kaiser, Führer und Generalsekretär viel Schlimmes zugemutet.

Auf eben jenem Areal, das Teil eines Nationalparks werden sollte, ließ Göring weitläufige militärische Anlagen errichten. Ein Feldflugplatz entstand und dann musste es noch ein Luftwaffenübungsplatz sein, auf welchem der Bombenzielabwurf geübt werden sollte. Da hatte der Gedanke des Nationalparks natürlich nicht die geringste Chance, der war nicht nur überflüssig, sondern geradezu ein störender Faktor. Göring war zwar einerseits der Reichsforstmeister und Oberster Beauftragter für den Naturschutz, andererseits aber auch ein Mitglied der Reichsregierung in exponierter militärischer Position. Bei Hitlers Vorbereitungen eines Ostfeldzuges, der in den Zweiten Weltkrieg und letztendlich in die Katastrophe führte, standen Rüstungsprojekte und die Belange der Wehrmacht an vorderster Stelle.

Schon 1933 wurde Göring das Amt eines Luftfahrtministers übertragen, und noch im gleichen Jahr von Generalfeldmarschall und Reichspräsident Hindenburg zum General ernannt. Zwei Jahre darauf übernahm er im März den Oberbefehl über die neu gegründete Luftwaffe. Beim weiteren Aufbau der Luftstreitkräfte setzte er zu Lasten der Luftabwehr auf den Bau von Offensivflugzeugen. Schließlich erfolgte am 8. Februar 1938 die Ernennung zum Generalfeldmarschall der Wehrmacht, und ab dem 19. Juli 1940, Göring befand sich auf dem Höhepunkt seiner militärischen Laufbahn, durfte er sich mit dem Dienstgrad "Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches" schmücken. Dieser Dienstgrad war eigens für ihn geschaffen worden.

Göring hatte aber auch einen starken Hang zu Protz und zu Pomp. Nördlich von Berlin ließ er sich ein monumentales Jagdschloss bauen. Zum Andenken an seine 1931 verstorbene, aus Schweden stammende, Frau Carin gab er dem Schloss in der Schorfheide den Namen "Carinhall". Auch seine große Motoryacht trug den Namen seiner Frau.

Im Jahr 1938 hielt sich Hermann Göring in seiner Eigenschaft als frisch gebackener Generalfeldmarschall mehrere Male in Barth und auf der Halbinsel auf, insbesondere in Zingst und Sundische Wiese, aber auch in Born. In diesem Kontext ist ein Zeitungsartikel interessant, der daüber berichtet, dass am 13. August 1938 ein Tag war, an dem die Einwohner der Garnisonstadt Barth wieder hohen Gästen zujubeln durften. So traf an diesem Tag Adolf Hitler in Barth ein. Der „Führer“ wollte sich über die militärischen Anlagen und das handwerkliche Können seiner Soldaten ein Bild machen. In seinem Gefolge befanden sich Generalfeldmarschall Göring sowie die Generäle Keitel, Milch und Stumpf. Auch Italo Balbo und Vuillemin hatten sich eingefunden.

An diesem 13. Juni besichtigten Hitler und Göring im Beisein von Balbo und Vuillemin die Luftwaffen-Lehrdivision und beobachteten anschließend ein Spiegelbildschießen sowie eine vorgetragene Angriffsübung als kombinierten Angriff der II., III. und IV. Lehrgeschwader gegen den durch das I. Flak-Lehrregiment verteidigten Barther Fliegerhorst. In Anwesenheit des Kommandeurs der Zingster Lehr-Division, General Schröter, verfolgten sie, wie eine Staffel Do 17 einen Tiefangriff flogen. Die Do 17 (Dornier 17) war ein zweimotoriges Kampfflugzeug. Ursprünglich als Schnellverkehrsflugzeug konzipiert, diente es im Zweiten Weltkrieg bei der Luftwaffe als Bomber und Aufklärer.

„Italo Balbo war ein italienischer faschistischer Politiker und Luftfahrtpionier. Als Luftwaffenminister und Luftmarschall war er eine zentrale Figur beim Aufbau der italienischen Luftwaffe, der Regia Aeronautica“, ist bei Wikipedia zu erfahren. In seinen Bewertungen über das von den deutschen Soldaten Gezeigte ließ sich Balbo in den höchsten Tönen lobend aus, nachdem

Hitler und Göring nach den Kampfvorführungen eine Abordnung der Offiziere, Unteroffiziere sowie der Mannschaften zu einer gemeinsamen Teestunde gebeten hatten. Generalfeldmarschall Göring und Luftmarschall Balbo begaben sich später in das Offiziersheim in Barth zurückgezogen hatten, um in kleinem Kreise ein Frühstück einzunehmen.

Der Höhere Kommandeur der Lehrtruppen, Generalmajor Förster, gab in seiner Begrüßungsansprache seiner Freude über den Besuch Ausdruck. Es sei für die Lehrtruppen eine hohe Ehre und eine besondere Auszeichnung, vor dem Marschall der italienischen Luftwaffe den Leistungsstand der deutschen Luftwaffe gezeigt zu haben. Marschall Balbo dankte dem Feldnarschall dafür, dass er nicht nur den Vorführungen beiwohnen, sondern auch eine Stunde im Kreise der Fliegerkameraden von der deutschen Luftwaffe verbringen konnte. Er gab dabei seiner Bewunderung für die deutsche Luftwaffe beredten Ausdruck, die ihm als alten Freund Deutschlands und vor allem als Freund des Generalfeldmarschalls Göring besonders ans Herz gewachsen sei.

Der französische Luftwaffengeneral Vuillemin war im Ersten Weltkrieg ein erfolgreicher Pilot in den französischen Streitkräften. Hier in Sundische Wiese verfolgte er das Schießen. Die Einladung hierzu seitens der Luftwaffenführung zum Besuch der Vorführungen auf der Halbinsel diente allerdings lediglich der Täuschung Frankreichs über die Stärke der deutschen Luftwaffe.

Eine Zeitung brachte über den 13. August 1938 eine detaillierte Reportage unter dem Titel „Unsere Flieger vor Göring und Balbo“. Ein größeres Foto zu dem Beitrag zeigt, wie der deutsche Generalmajor Foerster dem italienischen Gast, Luftmarschall Balbo, die Vorführungen der Luftwaffen-Lehr-Division auf dem Übungsplatz bei Zingst erklärt. Zwischen Balbo und Generalmajor Foerster ist Hermann Göring zu sehen. Rechts im Bildbereich feuert die Flak-Abteilung. Weiße Wölkchen der platzenden Granaten am strahlend blauen Augusthimmel über der Zingster Ostsee dokumentieren die Treffsicherheit der deutschen Schützen.

Der Verfasser des erwähnten Zeitungsartikels schildert in der für damalige Reportagen üblichen Euphorie das Geschehen des Tages.

„Während der Fahrt nach Zingst wurden Generalfeldmarschall Göring und seine italienischen Gäste von der pommerschen Bevölkerung herzlich begrüßt. Die Stadt Barth hatte reichen Flaggenschmuck angelegt und die Bürgersteige der Straßen waren trotz des Werktages dicht umsäumt von Menschen, die von den Absperrposten nur mühsam von den Kraftwagen zurückgehalten werden konnten. Auch an den Landstraßen und in jedem Dorf hatten sich die Einwohner und Sommergäste zusammengefunden, um Generalfeldmarschall Göring und seinen Gast zu begrüßen.

Auf dem Luftwaffenübungsplatz bei Zingst begannen dann 11.15 Uhr die Vorführungen der Luftwaffen-Lehr-Division Greifswald, über die sich die italienischen Gäste in begeistertenden Worten aussprachen. Von einem Beobachtungsturm konnte man die einzelnen Uebungen in ihrer Entwicklung genau verfolgen. Ein Schleppscheibenschießen eröffnete die Vorführung und gab Zeugnis von der Einsatzbereitschaft und Treffsicherheit unserer Flak-Abteilungen. Dann wechselten zahlreiche Hoch- Tiefangriffe mit einander ab, während in der Ferne Bombenabwürfe gezeigt wurden. Luftkämpfe aller Art und Sturzbombenfliegen beschlossen die eindrucksstarken Vorführungen.“

Besuch des Naturschutzgebietes

Im Barther Hafen hatte eine luxuriöse Motoryacht mit dem Namen „Carin II“ festgemacht. Sie gehörte keinem Geringeren als dem Generalfeldmarschall Hermann Göring. Im Hafen von Barth bat Göring seine Gäste, unter ihnen auch der italienische Marschall Balbo, an Bord und schipperte über den Barther Bodden. Nach dem Zingster Strom passierte die Yacht die Meiningenbrücke, über die damals noch die Darßbahn fuhr. Nach dem Durchqueren des Bodstedter Boddens erreichte die Reisegesellschaft das Ziel, den kleinen Hafen in Born, am westlichen Ausgang des Koppelstroms gelegen.

Der Reisegesellschaft auf der „Carin II“ wurde am Borner Hafen durch Angehörige des BDM (Bund Deutscher Mädel) aus dem Freizeitlager des Obergaues Thüringen und die ganze Jugend Borns ein jubelnder Empfang bereitet. „Eines der Mädchen überreichte Marschall Balbo einen prächtigen Feldblumenstrauß, für den er sichtlich erfreut dankte. Unter den Feriengästen, die die Marschälle begrüßten, befand sich auch der Reichssportführer, der durch den Feldmarschall Balbo vorgestellt wurde. Im Kaftwagen ging es dann durch das romantische Waldgebiet des Naturschutzgebietes zu dem unmittelbar am Meer gelegenen Forsthaus Darß, von dem aus man einen wundervollen Blick über die Ostsee hat.

Balbo gewährte hier ein Treffen für die Presse eine Unterredung. Um den Eindruck, den die Vorführungen der deutschen Luftwaffe auf ihn gemacht hätten, wiederzugeben erklärte der Marschall, genüge ein einziges Wort: den besten. Er hob dabei besonders die erstaunlichen Fortschritte der Flakartillerie hervor, die ein ganz ausgezeichnet gelungenes Schießen vorgeführt habe, und die sofort mit ihren Treffern im Ziel gelegen und dabei die die Ziele in kürzester Zeit zerstört habe. Die jungen deutschen Flieger hätten nicht nur eine prächtige Berufsauffassung, sondern besten fliegerischen Geist bewiesen. Ein Sonderlob endlich verdiene die ausgezeichnete Durchführung der einzelnen Vorführungen und das Zusammenwirken aller Teile, das einen außerordentlich hohen Grad der Ausbildung voraussetze. Eine Feststellung, erklärte Marschall Balbo, die deshalb nicht weiter wunder nehme, weil er wisse,, daß die ganze Arbeit des Generalfeldmarschalls dahinterstecke, die auch die schwierigsten Probleme einer so raschen Lösung zuzuführen vermocht habe.

Als das tiefste Erlebnis seines jetzigen Aufenthaltes in Deutschland aber bezeichnete Marschall Balbo die einmütige und einheitliche Begeisterung des ganzen Volkes für die Ideen Adolf Hitlers und die völlige Durchdringung der deutschen Nation mit dem nationalsozialistischen Gedankengut.“

Das wird Göring gerne vernommen haben. Für Schmeicheleien war er empfänglich. Ob er den Ausführungen wohl Glauben geschenkt hat, oder dessen Wahrhaftigkeit bezweifelte?

Wie dem auch sei, die Herrschaften nahmen ein erfrischendes Bad in der Ostsee, deren Wasser damals noch nicht mit Plastpartikelchen verschmutzt war..

Nach einer abschließenden Rundfahrt „durch den Tierpark verabschiedete Generalfeldmarschall Göring den italienischen Marschall und seine Begleitung, die auf Einladung unseres Reichsministers der Luftfahrt und Obersten Befehlshabers der Luftwaffe nach Deutschland gekommen waren. Am Abend startete Italo Balbo wieder vom Flugplatz Barth nach Berlin, wo er sich zum Hotel „Kaiserhof“ begab, in dem der italienische Luftmarschall für die Dauer seines Aufenthaltes in Deutschland“ wohnte.

„Auf dem Fliegerhorst Barth ist, wie beim Empfang, eine Ehrenkompanie mit Spielmanns- und Musikzug angetreten. Dann besteigt der Marschall mit seiner Begleitung die Sonderflugzeuge, um in den frühen Abendstunden unter den Klängen der italienischen und deutschen Hymnen in die Reichshauptstadt zurückzukehren.“

Der italienische Luftmarschall Balbo wurde mit seiner Begleitung bereits in Rechlin am Müritzsee

(Einige Textstellen sind wörtliche Wiedergaben)

Gemeindeverordnung über die Ausweisung des Denkmalbereiches „Siedlung am Goetheplatz“ in Zingst

Auf Grund des § 5 Absatz 3 des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmale im Lande Mecklenburg-Vorpommern (Denkmalschutzgesetz DSchG M-V) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Januar 1998 (GVOBl. M-V S. 12, 247) geändert durch § 4 des Artikels 4 des Gesetzes vom 21. Juli 1998 (GVOBl. M-V S. 647) und auf Grund des § 17 Abs. 1 und 2 des Landesgesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (SOG M-V) wird im Einvernehmen mit dem Landesamt für Denkmalpflege MecklenburgVorpommern und im Einvernehmen mit der Gemeinde Zingst die Ausweisung des Denkmalbereiches „Siedlung am Goetheplatz“ verordnet.

§ 1

Räumlicher Geltungsbereich

1)

Der Denkmalbereich im Sinne des § 2 Abs. 3 DSchG M-V umfasst die Straßenzüge Goetheplatz, Koppelstraße, Börlingstraße, Lindenstraße, Liebknechtstraße, Kehr Wieder, Am Ende sowie das Reihenhaus zwischen Rämel und Dünenstraße.

Die Grenzen ergeben sich aus der historisch gewachsenen Bebauung, wie sie in § 3 vorliegender Verordnung vorgestellt wird.

Die Grenzen des Denkmalbereiches sind in dem als Anlage beigefügten Plan eingetragen.

Die Anlage ist Bestandteil der Verordnung.

2)

Der Denkmalbereich umfasst in der Gemarkung 132552/Zingst aus der Flur 6 die Flurstücke:

43/3, 43/5, 43/7, 43/8, 43/10, 43/12, 45/2, 45%3, 45/4, 45/5, 45/6, 45/9, 45/11, 45/15, 45/17, 46, 51/1, 51/2, 51/3, 51/4, 65/1, 65/2, 65/3, 65/4, 65/5, 65/6, 73/1, 73/2, 73/3, 73/4, 73/5, 73/6, 73/10, 76/1, 76/2, 76/ 3, 76/4, 76/5, 76/6, 76/7, 78/1 und aus der Flur 4 195/5, 195/10, 195/12.

§ 2

Begründung und Ziel der Unterschutzstellung Denkmale im Sinne des Denkmalschutzgesetzes „sind Sachen, Mehrheiten von Sachen, an deren Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht, wenn die Sachen bedeutend für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlungen oder für die Entwicklung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen sind und für die Erhaltung und Nutzung künstlerische, wissenschaftliche, geschichtliche, volkskundliche oder städtebauliche Gründe vorliegen“ (DSchG M-V, § 2 Abs. 1).

Ziel

Ziel der Unterschutzstellung ist die Erhaltung des städtebaulichen Grundrisses des in § 1 definierten Bereiches und des Erscheinungsbildes seiner baulichen Anlagen und Strukturen, das durch ihre historische Substanz geprägt wird. Soweit eine Erneuerung von Bauteilen, Gruppen von Bauteilen oder ganze Gebäuden wegen irreparabler Schädigung der Bausubstanz unumgänglich ist, ist unter Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen zu erneuernder und zu erhaltener originaler Substanz abzuwägen, inwieweit eine originalgetreue oder freiere Gestaltung umgesetzt werden kann. Die Fläche, das Straßensystem, die

Platzräume und die Baufluchten sowie die Silhouette, die Maßstäblichkeit der Bebauung, die stadträumlichen Bezüge und die Frei- und Verkehrsflächen, wie in § 3 dieser Verordnung beschrieben, sind zu erhalten.

2)

Begründung

Der in § 1 vorliegender Verordnung bezeichnete Denkmalbereich „Siedlung am Goetheplatz“ in Zingst wird unter Schutz gestellt, weil er ein wichtiges bauhistorisches Zeugnis der nationalsozialistischen Siedlungsarchitektur darstellt und darüber hinaus die historische und städtebauliche Entwicklung des

Ortes Zingst als Wehrmachtsstandort dokumentiert.

Der besondere Wert der ehemaligen Wehrmachtssiedlung liegt in ihrer seit der Entstehungszeit zwischen 1937 und 1939 fast unverändert überkommenen äußeren Gestalt.

Siedlungsbild und –struktur mit den Wohnhäusern, den Grünbereichen und der charakteristischen Wegeausformung entsprechen noch heute weitgehend dem

originalen Zustand.

Das Ensemble stellt ein anschauliches architektonisches Beispiel einer im „Dritten Reich“ errichteten Militärsiedlung dar, die sich im Sinne des von den Nationalsozialisten für den Wohnbau propagierten Heimatschutzstils an die

regionale Bauweise anpasst, dabei formal aber auch Ideen der Gartenstadtbewegung aufnimmt.

Mit ihrem städtebaulich gelungenen und schlüssig umgesetzten Gesamtkonzept ordnet sich die Anlage gut in das historisch gewachsene Ortsbild ein.

Trotz des unleugbaren städtebaulichen Reizes, den die Siedlung gerade heute vor dem Hintergrund stark baulicher Verdichtung ausübt, sollte der ideologische Kontext ihrer Entstehungszeit nicht außer Acht gelassen werden.

3)

Historische Entwicklung

Die Bestimmungen des Versailler Vertrages, die Deutschland die militärische Luftfahrt verboten, unterlief die NS-Regierung schon bald nach der Machtübernahme. Die Luftwaffe wurde ein eigenständiger Bestandteil der Wehrmacht, zu deren Hauptwaffengattungen u. a. die Fliegertruppe und

die Flak-Artillerie zählten. Hermann Göring war ab 1933 „Reichskommissar für den Luftverkehr“, ab 1935 gleichzeitig Oberbefehlshaber der Luftwaffe.

Entlang der Ostseeküste entstand in der Folgezeit eine Reihe von Seefliegerhorsten und Ausbildungsstätten für Marineflieger, die der Verteidigung der Küstenregion dienen sollten (PZ, 5.11.1937). Auf Grund seiner geographisch günstigen Lage auf der Halbinsel Darß bot auch Zingst ideale Voraussetzungen zum Ausbau eines Wehrmachtsstandortes für die Flak-Artillerie. Auf dem östlich von Zingst gelegenen weiträumigen Gelände der „Sundischen Wiese“ entstand ein Luftwaffenübungsplatz, nachdem die für dieses Gebiet lange geplante, insbesondere von Göring favorisierte Idee zur Einrichtung eines Nationalparks fallen gelassen worden war. Die dort lebenden Bauern wurden trotz Protesten ab Juli 1937 enteignet und umgesiedelt (Knopf, 2002, S. 54), was das 1935 erlassene „Gesetz über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht“ ermöglichte (Bauwelt, 16/1935, S. 384). Die Besitzer entschädigte man mit Geld oder Land.

Planungen für den Siedlungsbau gab es bereits im Jahre 1935, als Zingst für die nächste Verordnung zur „Wohnsiedlungsgebietserklärung“ vorgeschlagen wurde, ein Planungsinstrument, das als „erste gesetzliche Regelung für die Ordnung des deutschen Lebensraumes“ die Wohnbautätigkeit, vor allem im Umfeld militärischer Bauanlagen, regeln sollte (BuArchivBln, R 390/21.168). 1936 fand eine Besichtigung Zingsts statt „zwecks Besprechung von Aufschließungsplänen“ (BuArchivBln, R 3901, 21.235), ein Jahr später wurde der Ort endgültig zum Wohnsiedlungsgebiet erklärt (BuArchivBln, R3901/21.168).

Im Sommer 1937 begann der Ausbau Zingsts zum Garnisonsstandort für die Luftwaffe.

Die ersten Baumaßnahmen, über die in den Lokalzeitungen häufig und ausführlich berichtet wurde, betreffen fast ausschließlich Straßenbauarbeiten. Daneben gibt es immer wieder Hinweise auf nicht näher benannte umfangreiche Bauvorhaben, bei denen es sich wahrscheinlich um Kasernenbauten handelte. In der Haushaltssatzung des Kreises Franzburg-Barth für das Jahr 1937 (LaArchiv Greifswald, Rep. 66a, Nr. 209) findet sich der erste schriftliche Nachweis über die Errichtung militärischer Anlagen in Zingst.

Auftraggeber der Wehrmachtssiedlung war die Luftwaffe (Reichsluftfahrministerium).

Die Planungen fanden anscheinend in enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Arbeits-front (PZ, 12.07.1937), die üblicherweise mit einer Wohnungsbaugesellschaft (evtl. die „Pommersche Heimstätte“, die z. B. in Barth eine Wehrmachtssiedlung baute) die Ausführung realisierte.

Die Siedlung wurde auf einem nahezu unbebauten Gelände zwischen den Straßenzügen Lindenstraße, Wasserweg (heute Martha-Müller-Grählert-Weg), Boddenhörn und Luden-dorffstraße (heute Jordanstraße) errichtet. Die nahe gelegene Kaserne war über die kurz zuvor ausgebauten Straßen gut erreichbar. Möglicherweise war ursprünglich geplant, die Siedlung in östlicher und nördlicher Richtung zu erweitern. Der kopfbauartig auf die Siedlung bezogene, etwas abseits stehende Gebäudekomplex am Rämel legt die Vermutung nahe, dass auf dem dazwischen liegenden Gelände weitere Siedlungshäuser entstehen sollten, ebenso wie auf den östlich an die Siedlung grenzenden Grundstücken, die die Luftwaffe angekauft hatte (Katasteramt Ribnitz-Damgarten, Flurkarte von 1941).

Grundstückskauf und Bauausführung wurden aus Mitteln des „Reichsfiskus Luftfahrt“ mitfinanziert. Wohnungsbaugesellschaften, die im Rahmen des sog. „Wehrprogramms“ Siedlungsbauten für Wehrmachtsangehörige errichteten, erhielten zudem Sonderdarlehen (Peltz-Dreckman, 1978, S. 142f.).

Der Bau von Kaserne und Siedlung lässt sich an Hand schriftlicher und mündlicher Quellen zeitlich auf die Jahre 1937 bis 1939 begrenzen. Zu Beginn es Jahres 1939 muss die Kaserne bereits in Betrieb gewesen sein, mehrfach wird das hier stationierte Flaklehrregiment sowie der „Platz“ (in der Bevölkerung damals wie heute Synonym für die Kaserne) erwähnt. Die Arbeiten zum Ausbau Zingsts liefen bis zum Ausbruch des Krieges anscheinend noch auf Hochtouren, bei einer Volkszählung im Mai 1939 wurden 248 auswärtige Bauarbeiter registriert (PZ, 31.05.1939). Im Juli 1939 war die Siedlung, die für Offiziere, Unteroffiziere und Zivilangestellte der Flakkaserne konzipiert war, fertig gestellt und konnte bezogen werden.

Die Siedlungsbauten entsprachen einem landesweit gängigen Typus, dem durch Variationen architektonischer Details ein regionaltypischer Charakter verliehen wurde (Vgl. Siedlung am Hubertzgut, Krefeld-Oppum, Architekt: Prinzen, Krefeld, Bauwelt 29/1939; Wettbewerb „Siedlungshäuser“, Hamburg 1935). Gestaltungselemente wie die hohen Krüppelwalmdächer, Fledermaus- oder stehenden Dachgaupen, vorkragenden Dachbalken, der grobe Putz, die (eh. überall) stichbogigen Fensteröffnungen und Fensterläden gehörten zu den üblichen formalen Bestandteilen des im „Dritten Reich“ propagierten Heimatstils, die Auflockerung durch private und halböffentliche Grünbereiche entstammte Ideen der Gartenstadtbewegung.

Während das äußere Erscheinungsbild von großer Einheitlichkeit geprägt war, unterschieden sich die Wohnungen in Hinblick auf Größe und Komfort entsprechend dem Dienstgrad der Bewohner. So hatten die Wohnungen in der Koppelstraße beispielsweise größere Wohnräume, Innentoiletten mit Wasserklosetts, Durchfahrten für Autos, während auf Ställe in den Wirtschaftsbauten verzichtet wurde. Die übrigen Siedlungsbauten waren demgegenüber von geringerer Größe, hatten Wirtschaftsgebäude mit Stallraum, Waschküche mit Waschkessel und Badewanne, Trockenklosetts, dafür aber größere Wohnküchen.

Eine Sonderstellung nimmt – schon auf Grund ihrer Lage – die Reihenhausgruppe am Rämel ein, die aus drei Gebäudeeinheiten besteht und ehemals von höherrangigen Militärs bewohnt wurde. Der Gebäudekomplex steht an einem im Ortsbild prägnanten Kreuzungspunkt zweier gewachsener Straßenzüge allseitig frei auf einem großen Grundstück. Die Wohnhäuser haben eine nach Süden orientierte Terrasse, statt der Fledermausgaupen wurden hier stehende Dachgaupen eingebaut. Die aufwändig gearbeiteten Haustüren sowie die schmiedeeisernen Gitter vor den Fenstern und Türen sollten den höheren Dienstrang der ehemaligen Bewohner unterstreichen. Die Wirtschaftsgebäude sind nicht wie bei den Siedlungsbauten als verbindende Glieder zwischen die höheren Wohnhäuser gebaut, sondern stehen frei auf dem Grundstück.

Inwieweit die seit 1936 auf Grund des Metallbedarfs in der Rüstungsindustrie verordnete Materialkontingentierung auch die Bauausführung der Siedlungshäuser beeinflusste, kann nur vermutet werden. Fest steht, dass der hier entstandene Haustyp in seiner Ausformung der Verpflichtung zur „äußersten Eisenersparnis“ (Bauwelt 7/1938, S. 135) in jeder Hinsicht nachkam. Es gab keine vorkragenden Bauteile wie Balkone, Erker etc. und auch die stichbogigen Fensteröffnungen entsprachen durchaus den Vorgaben, da man hierfür kein Profileisen brauchte. Ebenso wurde auf eine metallene Einfriedung der Grundstücke verzichtet.

Mit einer kleinteiligen, gartenstadtartigen Struktur fügte sich die Siedlung gut in die historische Bebauung des Ortes ein. Der fast dörflich anmutende Charakter steht dabei in Kontrast zur militärischen Zweckbestimmung der Siedlung, deren ideologischer Gehalt durch folgendes – auf der Barther Siedlung bezogene– Zitat deutlicher wird: „(...) Wir bauen für die junge Wehrmacht, bereiten den heimischen Herd der jungen Familien, aus denen die Kraft unserer Zukunft strömen soll und die die Gewähr bieten, dass Deutschland sich auch nach uns gegen alle Feinde wird behaupten können“ (PZ, 29.06.1936).

Mit dem Rückzug des Militärs aus Zingst bei Kriegsende verließen die Wehrmachtssoldaten mit ihren Familien die Siedlung. Nur vereinzelt blieben zivile Angestellte in der Kaserne zurück. Die Siedlung wurde nun von der Gemeinde verwaltet. Schnell fanden sich neue Mieter für die begehrten Wohnhäuser, zudem wurde durch Umbau der Wohnungen und der Wirtschaftsgebäude Wohnraum für Flüchtlinge geschaffen. Da die Gemeinde auf Dauer nicht für die Werterhaltung der Siedlung aufkommen konnte, bot sie die Häuser ab 1963 den Bewohnern zum Kauf an. Die Grundstücke wurden weiterhin von der Gemeinde verwaltet und konnten erst in den 1990er Jahren von den Hauseigentümern angekauft werden.

Die Siedlung ist in ihrer historischen Struktur weitgehend erhalten. Die Anbauten in den Hofbereichen, die Veränderungen der Fensteröffnungen (eh. stichbogigen Öffnungen in rechteckige umgebaut) sowie moderne Tür- und Fenstereinbauten aus Kunststoff stellen allerdings Eingriffe in das überkommene Erscheinungsbild dar, die den Gesamtcharakter des Ensembles nachhaltig beeinträchtigen.

Ebenfalls unpassend sind Einfriedungen, soweit sie nicht an den die Siedlung begrenzenden Straßen (z. B. Übergang zur Lindenstraße) liegen, da sie den konzipierten fließenden Übergang von öffentlichem und privatem Raum stören.

Mit der 1990er Jahren wurde im Rahmen von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen in der Börlingstraße, Koppelstraße und Kehr Wieder Grünstreifen zwischen Fußgängerweg und Straße angelegt, die sich strukturell gut in den Straßenraum einfügen.

Auf Grund ihrer Geschlossenheit, der zentralen, ruhigen Lage und der Durchgrünung weist die Siedlung auch heute noch eine besondere Wohnqualität auf und erfreut sich dadurch in der Bevölkerung anhaltender Beliebtheit.

§ 3

Sachlicher Geltungsbereich (Schutzgegenstand)

1)

Im Geltungsbereich dieser Verordnung sind geschützt

a)

der historische Grundriss.

b)

das überlieferte historische Erscheinungsbild.

2)

Der historische Grundriss wird bestimmt durch

a)

die Fläche des Untersuchungsgebietes „Siedlung am Goetheplatz“, deren Begrenzung in § 1 beschrieben ist.

b)

das innerhalb dieser Fläche überlieferte Straßen und Wegesystem.

Es besteht aus den um den zentralen Goetheplatz herum angelegten Straßenzügen Koppelstraße, Börlingstraße, Lindenstraße, Liebknechtstraß

e, Kehr Wieder, Am Ende.

Die Koppelstraße verläuft in Nord-Süd-Richtung zwischen Goetheplatz und Jordanstraße und bildet somit die Verbindung zwischen dem Zentrum der Siedlung und der im Süden in West-Ost-Richtung verlaufenden Hauptstraße, der ehemaligen Zubringerstraße zur Kaserne. Mit der nördlich der Siedlung in West-Nordost-Richtung verlaufenden Lindenstraße ist der Goetheplatz durch die beiden Straßenzüge Liebknechtstraße und Kehr Wieder verbunden, wobei die Straße Kehr Wieder sehr viel länger ist, da sich die Lindenstraße durch ihre Nordbiegung hier bereits weiter vom Goetheplatz entfernt hat. Die Börlingstraße geht von der westlichen Schmalseite des Goetheplatzes ab und mündet nach einer leichten Biegung ebenfalls in die Lindenstraße. Genau gegenüber der Börlingstraße geht an der östlichen Schmalseite des Goetheplatzes der Straßenzug Am Ende ab.

In baulichem Zusammenhang mit dieser Siedlung, aber räumlich etwas entfernt in Richtung Norden steht eine einzelne Reihenhauszeile. Sie ist städtebaulich prägnant an der historischen Straßengabelung Dünenstraße/Rämel gelegen und steht genau parallel zur Gebäudezeile Goetheplatz 1 – 4 und in der Verlängerung der Achse Koppelstraße/Goetheplatz, so dass sie wie ein kopfbauartiger Abschluss der Siedlung wirkt.

Im räumlichen Geltungsbereich liegen außerdem ein unbefestigter Weg, der von der Lindenstraße Richtung Süden abgeht und die Grundstücke Goetheplatz (Nordseite), Liebknechtstraße (Ostseite) und Kehr Wieder (Westseite) von der Rückseite erschließt.

Betrachtet man das Straßensystem der Siedlung, so fällt der Gegensatz auf zwischen dem südlichen Bereich mit der schnurgerade verlaufenden, im rechtem Winkel in den Goetheplatz mündenden Koppelstraße sowie dem streng symmetrisch angelegten Goetheplatz auf der einen Seite und dem nördlichen Bereich mit den leicht geschwungen verlaufenden Straßenzügen, die nach Norden und Westen vom Goetheplatz abzweigen.

c) die Platzräume

Das Zentrum der Siedlung bildet der weiträumige, streng symmetrische, in West-Ost-Richtung querrechteckig angelegte Goetheplatz. Von besonderer Bedeutung sind die unterschiedlichen Lösungen für die Straßenmündungsbereiche. Die Straßenzüge Liebknechtstraße und Kehr Wieder haben in der Einmündung Richtung Goetheplatz taschenartige Aufweitungen. Im Mündungsbereich Richtung Lindenstraße zeigen die beiden Straßenzügen geschwungene Aufweitungen.

Der Mündungsbereich Grüne Siedlung/Börlingstraße ist mittlerweile durch eine Neubebauung (seit Anfang 2003) verunklärt. Der Bereich, an dem sie die beiden, in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Straßenzüge Rämel und Dünenstraße kreuzen, ist platzartig aufgeweitet.

d) die überlieferte Parzellenstruktur mit ihrer Bebauung

Im Gegensatz zu der großflächigen und unregelmäßigen Parzellierung der Fläche auf der Flurkarte von 1941 haben die einzelnen Grundstücke der Siedlung heute annähernd die gleiche Größe und eine relativ regelmäßige Form. Es handelt sich um längliche Rechtecke, deren Schmalseite an der jeweiligen Straße liegt. Die massive Bebauung des einzelnen Grundstückes besteht jeweils aus der Hälfte eines Doppelwohnhauses und dem dazugehörigen, seitlich angefügten Wirtschaftsflügel, der schmaler als das Wohnhaus ist und an der Hofseite zurückspringt.

Zwischen der straßenseitigen Grundstücksgrenze und der Baureihe liegt der Vorgarten, der in seiner Tiefe variiert, in der Regel jedoch weniger tief ist als der rückwärtige Hofbereich. Eine auffallend geringe Tiefe zeichnet die Vorgärten des Gebäuderiegels Lindenstraße 23/25 aus; überdurchschnittlich tief sind dagegen die Vorgärten der östlichen Baureihe in der Straße Kehr Wieder sowie diejenigen der Baureihe am Goetheplatz. Der rückwärtige Teil des Grundstückes, der zum Wohnhaus gehörige Hofbereich, wies ursprünglich keine massive Bebauung auf. Heute sind die meisten Grundstücke mit nachträglich errichteten ein-, teilweise sogar zweigeschossigen Gebäudeerweiterungen, mit Verandavorbauten, Garagen und Schuppen bestanden.

Das Grundstücksgefüge am Rämel weicht von diesem Schema insofern ab, als die drei Grundstücke unregelmäßig geformt sind und die zu den Wohnhäusern gehörigen Wirtschaftsgebäude frei auf dem nördlich des Reihenhauses gelegenen Grundstücksteil liegen.

e) historische Baufluchten, welche die Platz- und Straßenräume begrenzen

Die Reihenhausbebauung, die beidseitig ohne Unterbrechung die Straßenzüge flankiert, verfügt in ihrem Grundprinzip über schnurgerade Baufluchtlinien, da die sich abwechselnden höheren Doppelwohnhäuser und die niedrigeren Wirtschaftsbauten an der Straßenseite in einer durchgehenden Bauflucht liegen, während an der Hofseite der schmalere Wirtschaftsflügel stets zurückspringt. Von diesem Prinzip abweichend gibt es in der straßenraumbildenden Bebauung einige Vor-und Rücksprünge sowie teilweise damit verbundene leichte Richtungsänderungen, die wesentlich zur spezifischen Raumwirkung des jeweiligen Straßenzuges beitragen.

In der Koppelstraße verlaufen die Baufluchtlinien schnurgerade und parallel zueinander und sind lediglich an einer Stelle aufgebrochen: An den Häusern Nr. 6 und 7, die gleichsam die südlichen Kopfbauten für den aus der Jordanstraße in die Siedlung Kommenden darstellen, springen die Wirtschaftsflügel erheblich hinter die Baufluchtlinie zurück. Der dadurch erzielte Effekt ist eine Aufweitung des strengen Straßenzuges an der Stelle, die den Hauptzugang zur Siedlung darstellte.

Im Falle der Börlingstraße hat die gezielte Veränderung der Baufluchtlinien eine entgegengesetzte Wirkung: Der Straßenbeginn am Goetheplatz zeigt gerade, parallel zueinander verlaufende Baufluchtlinien, die pro Straßenseite das erste Doppelwohnhaus (Nr. 7/8 und Nr. 9/10) einschließlich der beidseitig ansetzenden Wirtschaftsflügel sowie den Wirtschaftsflügel des nächsten Doppelwohnhauses (Nr. 6 und Nr. 11) umfassen. Die Baukörper der Doppelwohnhäuser Nr. 5/6 und Nr. 11/12 dagegen springen beide in den Straßenraum vor. Durch die beidseitige Verengung des Straßenzugs wirkt die Börlingstraße vom Goetheplatz aus betrachtet wie eine Behaglichkeit vermittelnde Verlängerung des Platzraumes. Die mit dem Vorsprung einhergehende leichte Verschwenkung der Baufluchtlinie, die die nördliche Krümmung der Börlingstraße einleitet, bewirkt zusätzlich den Eindruck des Malerischen und erinnert an gewachsene historische Ortskerne mit geschwungenen Straßenzügen.

Eine ähnliche Wirkung wie die Börlingstraße hat auch der längere Straßenzug Kehr Wieder. Die westliche Baureihe verfügt an einer Stelle, die östliche an zwei Stellen über einen Vorsprung in den Straßenraum, so dass in insgesamt drei versetzten Schritten eine Verengung des Straßenraums erreicht wird. Gemeinsam mit der in der östlichen Baureihe vorliegenden Verschwenkung

der Baufluchtlinie und der leichten Krümmung des Straßenzuges sorgt diese Verengung wieder für den Eindruck von Wohnlichkeit und einer gewissen Abgeschlossenheit nach außen.

Die Bebauung der Liebknechtstraße, der Lindenstraße und der Straße Am Ende besteht jeweils nur aus einem Doppelwohnhaus mit dazugehörigen Wirtschaftsflügeln, wobei dieser Baukomplex in allen drei Fällen an einer geraden Baufluchtlinie liegt. Diese Gebäude haben auf der gegenüberliege

nden Seite keine bauliche Entsprechung.

Ebenfalls an einer geraden Baufluchtlinie liegend und ohne direktes Gegenüber ist die nördliche Baureihe am Goetheplatz. Hier handelt es sich jedoch im Gegensatz zu den zuvor genannten drei Riegeln um eine längere Baureihe, die aus insgesamt vier gleich hohen Wohnhäusern und zwei flankierenden Wirtschaftsflügeln besteht. Diese strenge Gerade bildet die nördliche Begrenzung des Goetheplatzes; sie ist die einzige diesem Platz direkt zugewandete Baureihe und korrespondiert mit der ebenfalls schnurgerade angelegten und genau in rechtem Winkel auf ihre Mitte orientierten Koppelstraße.

Das als kompakter Baukörper ohne Vor- und Rücksprünge konzipierte Reihenhaus am Rämel wirkt mit seiner geraden Bauflucht nicht in den Straßenraum, da es von der Seite 8 von 13 Kreuzung Dünenstraße/Rämel zurückgesetzt ist und in dem so entstandenen Zwischenraum die Wirtschaftsgebäude angeordnet sind.

3)

Das historische Erscheinungsbild wird getragen von der überlieferten historischen Substanz, deren konkrete Gestalt jeweils die Zeit ihrer Entstehung und bauhistorischen Veränderung authentisch bezeugt und es wird bestimmt durch:

a) die baulichen Anlagen

Die im Folgenden aufgeführten Beispiele haben erläuternden Charakter; sie sollen den Schutzgegenstand weder umfassend darstellen noch sollen die Wertigkeiten in der Bedeutung der Gebäude bezeichnen.

Bei den Siedlungsbauten handelt es sich um Typenentwürfe, wie sie reichsweit gebaut wurden. Kennzeichen der Siedlung ist daher eine einheitliche Gestaltung der Wohnhäuser, deren Homogenität mittlerweile allerdings durch individuelle Veränderungen beeinträchtigt ist. Architektonisch sind sie an dem im „Dritten Reich“ für den Wohnungsbau propagierten Heimatstil orientiert, mit dem eine Anpassung an regionale Bauformen bewirkt werden sollte.

Die Siedlung wurde in halboffener Bauweise mit beidseitig oder auch nur einseitig der Straßenzüge gelegenen Reihenhäusern angelegt, die traufständig zur Straße orientiert sind. Es handelt sich um eine durchgehend eingeschossige Bebauung; lediglich durch den bereits erwähnten Höhenunterschied zwischen den Doppelhäusern und den Wirtschaftstrakten ergeben sich Abstufungen. Alle Gegenstände sind in massiver Bauweise ausgeführt und mit einem einheitlichen Grobputz versehen.

Bei den Dächern handelt es sich ausnahmslos um tief hinuntergezogene Krüppelwalmdächer, die mit den straßenseitig angelegten Fledermausgaupen eine prägnante Dachlandschaft ergeben.

Die eingeschossigen Gebäudezellen bestehen aus einer unterschiedlichen Anzahl von Wohneinheiten, wobei eine Wohneinheit die Hälfte eines Doppelwohnhauses und den seitlich an dieses angefügten niedrigeren Wirtschaftsflügel (Kettenhaus) umfasst. Die aus lediglich zwei Wohneinheiten bestehenden Reihenhäuser (Liebknechtstraße 1/2; Am Ende 1/2; Lindenstraße 23/25) zeigen sich somit als höheres Doppelwohnhaus mit beidseitigem Flügelanbau; bei den längeren Gebäudezellen ergibt sich ein regelmäßiger Wechsel von höherem Doppelwohnhaus und dazwischen liegendem niedrigeren, aus zwei Wirtschaftsflügeln bestehenden Gebäudetrakt. Die längeren Gebäudezellen weisen zwei oder drei, in diesem Fall (Kehr Wieder, Ostseite) vier Doppelwohnhäuser auf.

Eine Ausnahme von diesem Bebauungsprinzip bildet die Baureihe Goetheplatz

1/2/3/4, die aus einem Vierfachwohnhaus mit einheitlicher Gebäudehöhe und zwei seitlichen Flügelanbauten besteht. Ganz ohne Flügelanbauten wurde das nördlich der Siedlung gelegene Dreifachhaus am Rämel errichtet. Die Wirtschaftsbauten des kompakten Wohnhauses stehen separat auf dem Grundstück.

Eine Hierarchisierung entsprechend der Dienstgrade der Bewohner lässt sich innerhalb der Siedlung an der Lage der Gebäude, der unterschiedlichen Gebäudegröße und der Ausformung der baulichen Details ablesen. So weisen die Wohnhäuser an der Koppelstraße und die beiden mittleren Gebäude

am Goetheplatz einen großzügigeren Wohnungszuschnitt auf, der sich nach außen in einer größeren Gebäudebreite zeigt. Die nur in der Koppelstraße vorhandenen Hofdurchfahrten waren für die Privat - Pkw der hier wohnenden höhergestellten Wehrmachtsangehörigen von vornherein mitgeplant.

Eine Sonderstellung nahm – schon auf Grund ihrer Lage – die Reihenhausgruppe am Rämel ein, die aus drei Gebäudeeinheiten bestand und ebenfalls von höherrangigen Militärs bewohnt wurde. Die Gebäude entsprechen zwar dem Schema der Siedlungsbauten, sind aber größer und in den Details aufwändiger gearbeitet und unterstreichen dadurch den höheren Dienstrang der ehemaligen Bewohner.

Das in unmittelbarer Nähe der Kaserne liegende ehemalige Wohnhaus des Generals (am Müggenburger Weg) steht – ebenso wie das benachbarte Wohnhaus des Oberinspektors – nicht in baulichem Kontext zur Siedlung, sondern ist als eigenständiger, villenartiger Typus mit Ziegelfassade ausgebildet.

Zwischen dem Kernbereich der Siedlung und den Bauten am Rämel gibt es keine historisch relevanten Bebauungsstrukturen, es handelt sich hier zumeist um Neubauten, einzelne Gebäude stammen aus den 1950er Jahren.

Ein gravierender Eingriff in die Siedlungsstruktur ist der Neubau eines von der Lindenstraße zu erschließenden Wohnhauses im Hofbereich zwischen Kehr Wieder, Goetheplatz und Liebknechtstraße, der die ursprüngliche Hofsituation verunklärt. Unpassend ist auch das am Anfang der Hauptzugangsachse liegende Gebäude Koppelstraße 7a.

Die Neubebauung am Kreuzungsbereich Börlingstraße/Lindenstraße (seit Anfang 2003) ist als störender Eingriff in das räumliche Gefüge der Siedlung zu werten.

b) die Maßstäblichkeit der Bebauung

Da es sich um eine einheitlich konzipierte Siedlung handelt, sind Höhe und Volumen der einzelnen Bauteile sehr ausgewogen. Lediglich das in einiger Entfernung errichtete Gebäude am Rämel weicht in seiner Proportionierung von den homogenen Gebäudezeilen um den Goetheplatz ab. Das Dreifachhaus verfügt über eine größere Gebäudebreite, -tiefe und -höhe und erhält nicht zuletzt durch sein Volumen den Charakter eines Kopfbaus für die in einiger Entfernung gelegene Siedlung. Die Siedlung ist in Zusammenhang mit ihren aufeinander abgestimmten Baumassen, dem Wechsel von bebauter und unbebauter Fläche, den Straßenbreiten und Baumbeständen durch eine harmonische Raumgliederung gekennzeichnet.

c) die stadträumlichen Bezüge

Die Lage, Anordnung und Proportionierung der Gebäude führen gemeinsam mit der spezifischen Topographie, dem Straßennetz und der Vegetation innerhalb der Siedlung zu Raumbildungen, die untereinander in einem durch Sichtbeziehungen erlebbaren Zusammenhang stehen und in ihrer Gesamtheit wesentlich zum Charakter des Denkmalbereichs beitragen. Insbesondere durch den spezifischen Verlauf der einzelnen Straßenzüge und die mit diesem jeweils in Zusammenhang stehenden Baufluchten (vgl. § 3 (2) e) kommt es zu Raumbeziehungen und –eindrücken, die je nach Standort innerhalb der Siedlung variieren. Diese wechselnden Raumeindrücke kann man in dem Gegensatz zwischen malerisch, behaglich, historisch gewachsen wirkenden und strengen, übersichtlichen, künstlerisch angelegt wirkenden Räumen fassen.

Die leicht geschwungenen Straßenzüge von Börlingstraße und Kehr Wieder bewirken gemeinsam mit den Vorsprüngen in der Bauflucht eine Verengung des Straßenraums von Siedlungszentrum zu den Siedlungsbereichen, welche ihrerseits an die historische Ortsstruktur grenzen. Der Raumeindruck in diesen Straßen ist durch die scheinbare Abgeschlossenheit und Abgeschirmtheit charakterisiert. Die Häuser insbesondere in der Straße Kehr Wieder nehmen auf Grund der drei versetzten Vorsprünge unregelmäßig aufeinander Bezug; je nach Standort ergeben sich immer neue Staffelungen und Raumbeziehungen.

Im Gegensatz dazu ist der südliche Bereich der Siedlung, d. h. Koppelstraße und Goetheplatz, mit seiner achsialsymmetrischen Gliederung des Straßenraums und den schnurgeraden Baufluchten von allen Standpunkten aus bestens zu überblicken. Die Häuserzeile am Goetheplatz wirkt als abschließender Blickpunkt von der Jordanstraße über die Achse Koppelstraße.

Der Raumeindruck basiert hier auf der offensichtlich künstlichen Anlage der Straßen- und Platzräume, auf der strengen Funktionalität, auf der Kahlheit und Großflächigkeit des Platzes, auf einer gewissen Unbehaglichkeit zugunsten klarer Überschaubarkeit. In seiner Raumwirkung steht der südliche Siedlungsteil in deutlicher Beziehung zu gerade verlaufenden, breit ausgebauten Jordanstraße, die direkt zur Kasernenanlage führte.

d) die historisch geprägte Gestaltung der nach außen sichtbaren Bauteile

Die Reihenhäuser der „Siedlung am Goetheplatz“ erhalten ihr spezifisches Erscheinungsbild im Wesentlichen durch Gestaltung und Material der Dächer, der Fassaden und der Fassadenöffnungen.

Bei den Dächern handelt es sich um tief hinuntergezogene Krüppelwalmdächer mit S-Pfannen-Deckung. Die Dächer der Doppelwohnhäuser verfügen alle an der Straßenseite und die meisten zusätzlich an der Hofseite über eine Fledermausgaupe pro Doppelhaushälfte. Die Stirnseite der Gaupe weist ein zweiflügeliges Fenster mit flachem Stichbogenabschluss auf, seitlich davon den weiß gestrichenen Kratzputz der Fassade.

Die Wirtschaftsbauten haben an der Rückseite schmale, stehende Dachgaupen mit kleinem Walmdach und Biberschwanzdeckung. Diese homogene Dachlandschaft ist an den Hofseiten durch nachträgliche Dachausbauten erheblich gestört; auch die Straßenseiten weisen mittlerweile vereinzelt liegende Dachfenster auf. Die Dachtraufe ist weit hinuntergezogen und nach

unten leicht ausschwingend geformt. Sie liegt auf einer dichten Reihe weit vorkragender, an der Stirnseite eingekerbter, schwarz gestrichener Balkenköpfe. Die Wirtschaftsgebäude weisen an ihrer Rückseite ursprünglich wohl alle einen Dachüberstand auf, der auf einem hölzernen Ständer mit Kopfbändern aufliegt (heute noch bei Kehr Wieder 1). Die Fassaden sind einheitlich mit grobem, weiß gestrichenem Kratzputz versehen. An geraden Baufluchtlinien liegend, verfügen sie weder über Vor- und Rücksprünge noch über anderweitige Gliederungselemente.

Eine optische Trennung der einzelnen Wohneinheiten wird lediglich durch dreieckig hervortretende Unterzüge erreicht, die sowohl die Doppelhäuser als auch die dazwischen liegenden Wirtschaftsflügel mittig teilen und ebenfalls mit Kratzputz versehen sind. Ebensolche Unterzüge flankieren auch insgesamt vier Hofdurchfahrten in der Koppelstraße. Bei diesen Durchfahrten, die - einander gegenüberliegend – in den Wirtschaftsflügeln zwischen den Häusern Nr. 2

und 3, Nr. 4 und 5, Nr. 8 und 9, Nr. 10 und 11 gelegen sind, handelt es sich um ein Kennzeichen der Koppelstraße, das in Zusammenhang mit den höherwertigen WohSeite 11 von 13 nungen dieses Straßenzuges steht. Die Reihenhäuser haben eine durchgehende Sockelzone, die aus vier Ziegellagen besteht.

Die Fensteröffnungen und zwar sowohl die kleineren in den Wirtschaftsflügeln als auch die größeren in den Wohnhäusern, wiesen ursprünglich alle einen flachen Stichbogenabschluss auf, der in den meisten Fällen im Nachhinein durch einen geraden Sturz ersetzt wurde. Bei machen Häusern haben sich jedoch die ursprünglichen Öffnungen, teilweise auch die originalen Holzfenster erhalten. Die originale Sprossung besteht bei den zweiflügeligen Fenstern in einer Verteilung, bei den dreiflügeligen Fenstern (in den Wohnhäusern der Koppelstraße) in einer Sechsteilung. Die originalen Fenster öffnen nach außen. Der Fenstersims besteht aus glasierten Tonziegeln. Bei manchen Häusern haben sich die originalen hölzernen Fensterläden erhalten. Sie waren ursprünglich dunkelgrün gestrichen. Die Haustüren sind bis auf eine Ausnahme in späterer Zeit, besonders aber nach 1989 ausgewechselt worden. Die offenbar einzige aus der Bauzeit überkommene Haustür Koppelstraße 11 ist allerdings auch stark verändert. Erhalten hat sich

die horizontale Zweiteilung, die bei dem ursprünglichen Haustürmodell mit der separaten Beweglichkeit des oberen Teils verbunden war. Den leicht erhöht gelegenen Haustüren ist ein dreistufiger Aufgang aus hochkant gesetzten Tonziegeln vorgelagert.

Die Reihenhausgruppe am Rämel entspricht in ihren Gestaltungsprinzipien der Siedlung, weicht allerdings in den Baudetails stellenweise erheblich von dieser ab – die aufwändigere Ausformung unterstreicht die privilegierte Wohnsituation. Die Dachgestaltung unterscheidet sich insofern von der der Siedlungsbauten, als hier statt der Fledermausgaupen stehende Dachgaupen verwendet wurden, die mit einem abgewalmten, metallgedeckten Dach (wohl Zinkblech) und seitlicher Holzverschalung (ursprünglich grüner Anstrich) versehen sind. Von den ehemals neuen schmalen Dachgaupen der Nordseite sind acht, von den ehemals sechs etwas breiteren Dachgaupen der Südseite sind fünf erhalten.

An der Rückseite (Südseite) wurde durch das Einziehen der Rückwand ein überdachter Terrassenbereich geschaffen. Der Dachüberstand liegt auf den bis zur Traufe vorgezogenen Zwischenwänden der Gebäudeeinheiten sowie auf den dazwischengesetzten Pfeilern auf. An der Vorderseite (Nordseite) liegen die drei Haustüren, die sich alle im Originalzustand erhalten haben. Sie sind durch einen flachen Stichbogenabschluss, diagonal gesetzte (ehemals dunkelgrün mit weißen Fugen gestrichene) Bretter, ein rundes Sichtfenster mit originalem schmiedeeisernem Gitter und eine originale Türklinke gekennzeichnet. Auch an den stichbogigen Fensteröffnungen neben den Haustüren befinden sich noch die originalen Gitter.

Die separat auf dem nördlichen Grundstücksteil stehenden Wirtschaftsgebäude haben sich bis ins Detail weitgehend original erhalten: Sie zeigen teilweise die originalen Türen, des Weiteren stehende Dachgaupen; diese weisen Biberschwanzdeckung und Holzverschalung auf sowie Holztüren, an deren Fuß eiserne Haltevorrichtungen für ebenfalls eiserne Leitern angebracht sind.

Während die beiden äußeren Wohnhäuser seitlich zugänglich sind, wird das mittlere durch das Wirtschaftsgebäude erschlossen, das zu diesem Zweck über einen Durchgang verfügt.

e) die Frei- und Verkehrsflächen in ihrer Ausformung

Die Straßenprofile der „Siedlung am Goetheplatz“ haben sich weitgehend original erhalten. Der Belag der Fahrbahn besteht in allen Straßen aus Ortbeton (Betonguss); die Fahrbahn wird beidseitig von Fußgängerwegen aus quadratischen Betonplatten begleiSeite 12 von 13 tet; die Bordsteinkante besteht aus Granit. Zwischen Fahrbahn und Fußgängerweg wurden in den Straßenzügen Koppelstraße, Börlingstraße, Kehr Wieder in den 1990er Jahren im Zuge von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen schmale bepflanzte Grünstreifen eingefügt.

Die Vorgärten weisen im Originalzustand keine Einfriedung auf. Als Ausnahme sind die wohl originalen Heckeneinfriedungen des Vorgartens Lindenstraße 23/25 und des Grundstücks Dünenstraße 19/Rämel 14 zu nennen. Die Umzäunung des Vorgartens Koppelstraße 12 mit einem Lattenzaun stellt einen störenden Fremdkörper im Straßenraum dar. Die Abgrenzung der Vorgärten vom Straßenraum besteht im Kernbereich der Siedlung lediglich aus einer Einfassung der Rasenfläche mit Kantensteinen. Auf diese Weise stellen die Vorgärten das verbindende Element zwischen privatem und öffentlichem Raum dar.

An den rückwärtigen Grundstücksgrenzen sowie im Bereich der Siedlungsgrenzen (v. a. Lindenstraße) gibt es heute Einfriedungen verschiedener Art (verschiedene Holzzäune, Hecken). Die Vorgärten sind in den meisten Fällen als schlichte Rasenflächen gestaltet, in die Blumen, Sträucher und Bäume eingestreut sind. Insbesondere die vereinzelten, dicht am Fußgängerweg gepflanzten Laub- und Nadelgehölze, die inzwischen teilweise von beachtlicher Höhe sind, sind prägend auch für den Straßenraum – eine Wirkung, die deshalb so wesentlich ist, da die Siedlung in ihrer Ursprungsplanung kein öffentliches Grün aufwies. Die Zugangswege durch die Vorgärten waren ursprünglich wohl auch mit den quadratischen Betonplatten des Fußgängerwegs belegt, sind inzwischen meist individuell gestaltet; sie sind teilweise mit Beeten eingefasst.

Der zentrale Goetheplatz war ursprünglich als durchgehend betonierte Fläche gestaltet; der Betonbelag hat sich original erhalten. Ob der Platz als Aufmarschplatz genutzt wurde, was auf Grund des kompletten Fehlens von Gestaltung und Begründung nahe liegt, ist nicht nachweisbar. Heute verfügt der Goetheplatz in seinem mittleren Bereich über einen Streifen mit Parktaschen und relativ jungen Bäumen. Ob die Granitsteinpflasterung in dieser Zone ursprünglich ist, lässt sich nicht belegen.

f) Silhouette

Von weitem betrachtet wirken die Gebäudezeilen auf Grund der überhöhten Walmdächer der Doppelhäuser wie freistehende Gebäude auf Gartengrundstücken. Der Eindruck einer offenen, aufgelockerten Bauweise aus der Fernsicht steht in deutlichem Gegensatz zu der sehr kompakten Wirkung der Reihenhäuser aus der Nahsicht. Interessant ist die Dachlandschaft aus größerer Distanz auch deshalb, weil sie mit den sehr hohen Krüppelwalmdächern und den spezifischen Fledermausgaupen auf die heimische Bauweise mit ihren reetgedeckten Dächern Bezug nimmt.

§ 4

Rechtsfolgen

1)

Mit In-Kraft-Treten dieser Verordnung unterliegt der Denkmalbereich „Siedlung am Goetheplatz“ den Bestimmungen des Denkmalschutzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern in der jeweils gültigen Fassung.

2)

Maßnahmen, die in den in § 3 dargestellten Schutzgegenstand (Grundriss und Erscheinungsbild) eingreifen, bedürfen der Genehmigung der unteren Denk

malschutzbehörde.

Verstöße dagegen gelten als Ordnungswidrigkeiten. Erfordert eine solche Maßnahme nach anderen gesetzlichen Bestimmungen eine Planfeststellung, Genehmigung, Erlaubnis, Bewilligung, Zulassung oder Zustimmung, so haben

die dafür zuständigen Behörden die Belange der Denkmalpflege und des Denkmalschutzes entsprechen § 7 DSchG M-V zu berücksichtigen.

3)

Der Schutz der sich innerhalb des Denkmalbereiches befindenden Einzeldenkmale durch das Denkmalschutzgesetz wird von dieser Verordnung nicht eingeschränkt.

4)

Verstöße gegen das Landesdenkmalschutzgesetz DSchG M-V in seiner jeweiligen Fassung können gemäß § 26 Abs. 2 DSchG M-V als Ordnungswidrigkeiten mit einer Geldbuße bis zu 150.000 EUR, bei Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Buchstabe a DSchG M-V (Zerstörung eines Denkmals) bis zu 1,5 Mio. EUR, geahndet werden. Verstöße gegen die Bestimmungen über die Erlaubnispflicht nach § 7 Abs. 1 DSchG M-V (Veränderungen, Hin-

zufügungen oder sonstigen Maßnahmen in seiner Umgebung) können nach § 19 SOG M-V als Ordnungswidrigkeiten mit einem Bußgeld bis zu 20.000 EUR, geahndet werden.
§ 5
In-Kraft-Treten
Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft.
Grimmen. 13.01.2005
gez. Molkentin
Landrat