HAUPTFELDWEBEL HACKIE NANNTEN WIR IHN

Hackie

Vorab eine Satire von Michael Wüstefeld, passend zur nachstehenden Episode.

Eine Belehrung über dieAnrede in der NVA, wie sie von einem damaligen Hauptfeldwebel hätte gehalten worden sein können.

Alle werden mit Genosse angesprochen. Genosse Soldat, Genosse Major, Genosse Minister, Genosse Kommandeur, Genosse Schütze, Genosse Funker, Genosse Gegner. Denn wir sind eine große Familie in dieser Armee und alle für den gleichen Frieden und stehen Schulter an Schulter und Seite an Seite und Rücken an Rücken. Ist das klar!“

Ja, Genosse Feldwebel.“

Denn die Herren sind alle bei Stalingrad gefallen, und nur Genossen sind übrig geblieben. Ist das verstanden? Und lauter die Antwort!“

3„Ja, Genosse Feldwebel!“

Genosse Oberst, Genosse Kochgeschirr, Genosse Stahlhelm, Genosse Spaten. Denn wir alle essen vom gleichen Brot und haben alle den gleichen Käse auf dem Teller, und führen alle das gleiche entbehrungsreiche und aufopferungsvolle Leben. Das eint und macht uns zu Genossen. Gibt es Fragen?“

Nein, Genosse Feldwebel!“

Und wenn in Zukunft Briefe kommen, an Herrn X, Y oder Z. werden die nicht mehr ausgegeben. Wir haben keine Herren. Teilt das den Genossen Angehörigen mit, Genossen! Weggetreten!“

(Aus dem Buch „Militär, Staat und Gesellschaft in der DDR“, von Hans Ehlert und Mattias Rogg):

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Die folgende Episode Wir nannten ihn nur Hackie ist zum Teil wahr, zum Teil fiktiv. Schauplatz der Handlung ist ein Schießplatz der ehemaligen NVA. Es gab in der DDR ja mehr Schießplätze als Bananen im Rövershäger Dorf-Konsum. Der Hinweis auf Rövershagen verrät auch schon, wo mein Beitrag angesiedelt ist: Auf einem der einstigen drei Schießplätze in der Rostocker Heide: Rosenortschneise, Wiethäger Schneise und Meyers-Hausstellen-Schneise. Durch große Anbolzungen und Sperrgebiete verhunzte die NVA unsere schöne Rostocker Wald- und Heidelandschaft. Der älteste Schießplatz war jener an der Rosenort-Schneise. Dort hat bereits die Deutsche Wehrmacht herumgeballert. Eventuell übten hier auch schon die kaiserlichen Truppen das Töten von Menschen. Doch mein Beitrag spielt in der jüngeren Vergangenheit.

Da sitzt jemand im frühen Frühling, März hatten wir wohl, in der Uniform eines NVA-Oberfeldwebels mit „Kolbenringen“ an seinen Ärmeln vor einem Tischchen. Die Kolbenringe zeigen an, hier sitzt ein deutscher Hauptfeldwebel, umgangssprachlich auch Spieß genannt. Auf dem Tischchen hat er vor sich ein Schreibheft, ein paar lose Blätter und einen Bleistift zu liegen. Auf einem anderen Tisch daneben stehen etliche Kartons, die Munition für automatische Schnellfeuerwaffen enthalten. Der Schreiber der Kompanie, ein rothaariger, unbeliebter Speichellecker namens Grütz, gibt auf Befehl des Hauptfeldwebels an die Soldaten eine unterschiedliche Menge an Patronen aus, je nachdem, mit welcher Waffe ein jeder schießen wird.
Der Speichellecker Grütz hat, so wie sein Gönner, der Hauptfeldwebel, also auch einen Tisch vor sich, darf aber nicht auf einem Stuhl Platz nehmen. Ein gewisser Abstand zum Vorgesetzten muss schließlich gewahrt bleiben und erkennbar sein. Und sei es auch nur sitzen zu dürfen oder stehen zu müssen.
Eine Gruppe von zehn Soldaten stehen in Reih und Glied hinter dem Hauptfeldwebel und warten darauf, heranbefohlen zu werden.
Und los geht es.

Kommen Sie her!“

Ich, der Genosse Volksarmist mit Dienstgrad Soldat trete an den Genossen Hauptfeldwebel heran, wobei ich drei Schrittlängen vor ihm stehen bleibe und die sogenannte Haltung annehme.

Name!“ Barsch soll der Befehl klingen. Es klingt so, als würden statt eines Ausrufungszeichen gleich noch drei weitere davon hinterhergeflogen kommen, so herrisch wird das Wort ausgestoßen.
Name!!!!“ Und doch ist nur eine fast kindlich klingende, fistelige Stimme, über die der Genosse Hauptfeldwebel verfügt.
„Ower“, kommt die ruhige Antwort.
Ohne auch nur ein ganz klein wenig den Blick zu heben, denn wer da vor ihm steht, weiß der Spieß ganz genau, kommt erneut herrisch der Befehl: „Name!!!!“
Und wieder ruhig und betont gelassen: „Ower.“
Ich will wissen, wie Sie heißen!“ Jetzt geht die Stimme in eine keifende Tonlage über.
Habe ich doch gesagt, Genosse Hauptfeldwebel: Ower.“
Sie heißen nicht Ower, sondern Soldat Ower, merken Sie sich das gefälligst, Sie! Und so haben Sie sich zu melden, Sie!!!“
Nein, Genosse Hauptfeldwebel, ich heiße nicht Soldat Ower, sondern Ower heiße ich, Dierk mit Vornamen, Genosse Hauptfeldwebel. Soldat ist nicht mein Name, sondern ein Dienstgrad. Und danach haben Sie aber nicht gefragt.“

Ich provoziere feixend mal wieder meinen Spieß.
„Ower, Soldat ist überhaupt gar kein Dienstgrad, Sie!!!“
Ich grinse, weiß ich doch, mein Hauptfeldwebel platzt gleich, wenn das Spielchen noch ein wenig so weitergeht.
Vor dem Hauptfeldwebel habe ich, wie übrigens alle anderen Soldaten der Kompanie auch, keinerlei Respekt. Daher ist es für mich nicht mehr als eine ziemliche Gaudi, was ich mit meinem Spieß hier veranstalte. Die in der Reihe Stehenden grienen. Sie erleben dieses Schauspiel, das anschließend noch ein anderer Soldat der Kompanie mit ihm treiben wird, nicht zum ersten Mal. Es wird mal wieder so etwas in der Art des Soldaten Schwejk geboten.
Hackie nennen die Soldaten, diese Kompaniebanausen, ihn, den Spieß. Seiner Physiognomie wegen. Wie ein zupicken wollender Gockel sieht er aus. Hervorgerufen wird das durch ein von der Stirne in Richtung Kinn wie ein Keil spitz zulaufendes Gesicht. Eine vorspringende hagere, gebogene Nase, ein kleiner Mund und stark ausgeprägte Backenknochen nach mongolischer Art verstärken diesen Eindruck noch effektvoll.
Der Hauptfeldwebel läuft rot an. Was bei einem holden Mädchen das Gesicht mit einer zarten Röte überziehen würde und es dadurch noch lieblicher erscheinen ließe, wirkt bei Hackie hässlich. Seine Pickel im pockennarbigen Gesicht kommen jetzt so richtig zur Geltung und sein kleiner Mund gibt zwei lustige Mausezähnchen, die auch noch vom vielen Rauchen gelb verfärbt sind, frei. Er weiß um sein Aussehen, er weiß, dass seine Leute nicht viel von ihm halten. Und das nagt unablässig an seinem Selbstwertgefühl und macht ihn den Untergebenen gegenüber noch grantiger. Seine Bestrebungen, dieses durch ein betont forsches Auftreten zu kompensieren, misslingt ihm aufgrund seiner Fistelstimme meistens, lässt ihn letztlich sogar täppisch erscheinen. Eigentlich müsste man ja Mitleid mit ihm haben, denkt mancher gutmütige Soldat. Doch Mitleid für einen Vorgesetzten, beim Militär? Wo hätte es so etwas schon einmal gegeben? Na also!
Ich feixe mir e
ins und belehre meinen Hauptfeldwebel scheinheilig über die Dienstvorschrift DV 010/0/003. Dort steht ganz zu Beginn: „Die Armeeangehörigen haben im gegenseitigen Umgang immer höflich und korrekt aufzutreten.“ Demnach hat ein Vorgesetzter einen unterstellten Volksarmisten entweder mit Genosse und Dienstgrad, also „Genosse Soldat“ anzureden, oder er spricht ihn, wenn er den Unterstellten namentlich kennt, auch mit Genosse und dessen Namen an, in diesem Fall also Genosse Ower oder auch mit Genosse Soldat Ower. Gegen die relativ vertrauliche Anrede Genosse Ower wäre auch nichts einzuwenden gewesen.

Hackie kennt seine Pappenheimer und beruhigt sich ein wenig in der irrigen Hoffnung auf ein Einlenken seines Widersachers. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren und ohne einen weiteren Anranzer an mich zu verschwenden, trägt er meien Namen in eine Liste ein und weist seinen Schreiber am Nebentisch an, „an den da“ sechzig Patronen Kaliber 7,62 Millimeter für das Kompanie-Maschinengewehr sowie acht Patronen für die Pistole M9, Makarow, Kaliber neun Millimeter, auszuhändigen. Anschließend muss „der da“ den Erhalt per Unterschrift bei Hacki quittieren.
Blöder Affe, denke ich, dieser Heini weiß doch ganz genau wie ich heiße, nehme die Munition, meine Pistole sowie mein Maschinengewehr und gehe nach vorne zur Feuerlinie.
Der Soldat, der jetzt von Hackie heran befohlen wird, Friede heißt er, kann es mit dem Hackie-Ärgern sogar noch besser. Bereits rein äußerlich ist er eine einzige Provokation für jeden Vorgesetzten. Schon wie der dasteht, denkt der Spieß, diese Figur mit diesem Wanst, diese Anzugsordnung von dem Friede, eine einzige Schande ist das! Aber mit diesem Soldaten mag er sich nicht gerne anlegen. Mit dem hat er zu oft schlechte Erfahrungen gemacht. Von Statur etwas füllig, der Mantel viel zu weit, das Koppel sitzt lässig unterhalb des Bauchansatzes und die Mantelärmel sind auch viel zu lang. Da lugen nicht viel mehr als nur die Fingerspitzen hervor. Das eine Hosenbein steckt im Stiefel, das andere ist entgegen der Vorschrift über den Stiefelschaft gezogen. Sieht so ein Genosse Soldat der sozialistischen Arbeiter-und-Bauern-Macht aus?
Wie er sich jetzt vor dem Spieß aufbaut, mit sanftem Blick unschuldig lächelnd, er ist übrigens ein hochintelligenter Mensch, dem der Hackie nicht das Wasser reichen kann, zieht er die Schultern noch etwas höher wodurch die Fingerspitzen vollends in den Mantelärmeln verschwinden. So steht er vor Hauptfeldwebel Hackie, sieht aus wie ein unschuldiges kleines Häufchen Elend und ist doch so voller Schabernack, der nur eines im Sinn hat: Hackie, seinen keifenden Spieß, endgültig auf die Palme zu bringen. Klappt aber heute nicht. Der Spieß weiß ja, dass er Friede gegenüber der geistig und verbal weit Unterlegene ist und begnügt sich mit einem unwirschen „Friede, kommen Sie her, Sie!!! Wie kommt so einer überhaupt zu diesem Namen Friede!? Sie nehmen jetzt beim Genossen Grütz die Munition in Empfang, quittieren anschließend bei mir. Und dann ab nach vorn an die Feuerlinie. Aber ein bisschen plötzlich, Friede!!!“

Er mustert Friede mit empörtem Blick von oben bis unten, bemerkt die unvorschriftsmäßige Ordnung bei den Hosenbeinen und keift los: „Wie sehen Sie nur wieder aus, Sie? Wer hat Ihnen erlaubt, so herumzulaufen? Stecken Sie gefälligst auch das zweite Hosenbein in den Stiefel! Aus Ihnen wird wohl nie ein richtiger Mensch werden, Sie!“

Für Hackie ist Friede ein hoffnungsloser Fall. Er verzichtet dieses Mal sogar auf sein unsinniges „Name!!!!“.
Schuuulzl! Zu mir!“ Auch Soldat Schulz erhält seine Munition zugeteilt und eilt nach vorne an die Feuerlinie.

Hackie´s Stimme kommandiert jetzt den Gefreiten Posel zu sich an sein Tischchen. Posel rennt hin, macht zackig ein Männchen, dass er aussieht als sei er ein Karnickelbock in der hitzigsten Rammlerzeit und knallt vor übertriebener Beflissenheit die Stiefelabsätze zusammen, dass die Funken sprühen.
Wie befohlen zur Stelle, Genosse Hauptfeldwebel“, meldet er sich bei Hackie und wartet darauf, was der ihm auftragen wird.
Suchen Sie den Hinkemann, der soll sofort hierherkommen!“
Wird gemacht, Hauptfeld!“ Posel dreht sich um und will sich auf die Hinkemann-Suche machen. Doch da keift ihn Hackies Stimme zurück: „Mann, kommen Sie sofort zurück!!! Sind Sie denn ganz und gar wahnsinnig geworden? Wie heißt das?“
Zu Befehl, Genosse Hauptfeldwebel“, korrigiert sich Gefreiter Posel ganz erschrocken, „Hinkemann suchen, der soll sofort zum Genossen Hauptfeldwebel kommen, Genosse Hauptfeldwebel.“
Na also, geht doch,“ ist Hackie zufrieden. „Wo gibt es denn so was, dass ein Gefreiter es wagt, mich einfach Hauptfeld zu nennen?“
Posel rennt los, sieht dort hinten bei der Rauchergruppe den Gesuchten stehen und brüllt in einer Lautstärke los, die selbst das schwerhörigste Wildschwein aus dem Unterholz aufscheucht und davonpreschen lässt: „Dieter, du sollst sofort zu Hackie kommen!“
Der schon wieder“, mault Hinkemann weil er seine Lulle gerade erst angesteckt hat und nun nicht weiterrauchen kann. „Komme ja schon.“
Diesen Posel-Ruf „...zu Hackie kommen!“ ist aber auch vom Kompaniechef Knöpfchen vernommen worden, war ja unüberhörbar. Knöpfchen nennen ihn, abgeleitet von seinem richtigen Nachnamen „Knopfe“, die Soldaten, wenn er weit genug weg ist und das nicht hören kann. Er ist der Kompaniechef und gleichzeitig auch der Oberschinder der Truppe. Knöpfchen hat von seinem Hauptfeldwebel die gleiche abschätzige Meinung wie die einfachen Soldaten. Das darf er als Vorgesetzter aber auf gar keinen Fall zeigen, es würde die Disziplin der Leute untergraben. Also beordert er, ganz im Gegensatz zu seinem sonstigen Gehabe, den Gefreiten Posel ohne Gebrülle ganz zahm mit dem Zeigefinger winkend, zu sich heran. Was passiert jetzt, fragen sich die Umstehenden. Sie haben das natürlich mitbekommen, dieses „...zu Hackie kommen“, und dass Knöpfchen den Delinquenten Posel deshalb jetzt am Wickel hat. Dieser stammt aus Berlin und hat demzufolge auch ansonsten ein großes Maulwerk. Die anderen würden ihm eine gehörige Standpauke von Herzen gönnen..
Da geht es schon in ziemlicher Lautstärke los: „Was erlauben Sie sich da, Sie Gefreiter Posel, einem Hauptfeldwebel, einem Vorgesetzten gegenüber derart unverschämt und respektlos aufzutreten!“

Es wird eine längere Standpauke. Knöpfchen hat Posel sozusagen nach Strich und Faden bis tief in den Boden des Schießplatzes hinein zusammengeschissen. Zumindest diejenigen, die momentan nichts zu tun haben und die Szene begeistert verfolgen, sehen aber auch, dass der Kompaniechef trotz seiner Toberei nicht wirklich ernst bleiben kann. Sie sehen, der kann sich ein heimliches Grinsen nicht verkneifen. Nur der Hauptakteur Hackie bekommt davon nur die Hälfte mit. Denn lediglich die Lautstarke der Zurechtweisung für den Gefreiten vernimmt er mit genüsslicher Freude, das versteckte Grinsen seines Kompaniechefs hat er dabei nicht im Blick. Der lässt schließlich von Posel ab, denn es wird vorne an der Feuerlinie nach ihm verlangt.

Das Bataillonsschießen beginnt. Ich muss das schwere Maschinengewehr schnappen, mich hinwerfen, zielen, schießen und nach Möglichkeit die sich aufrichtenden Scheiben auch treffen. Ich bin Schütze 1 des Kp-MG (Kompanie-Maschinengewehr). Davon gibt es in der Kompanie nur dieses eine Exemplar.
Die Patronenzufuhr (Kaliber 7,62 mm) erfolgt hier nicht mit dem Kurvenmagazin wie bei der Maschinenpistole Kalaschnikow, das einfach von unten in die Waffe eingesteckt wird, sondern mit

einem Patronengurt. Der passt natürlich nicht in so ein Magazin, die Patronenanzahl ist bedeutend höher. Der Patronengurt liegt in einem Blechbehälter (Magazin), läuft beim Schießen durch die Waffe und gleitet auf der anderen Seite leer ohne Patronen wieder in einen zweiten Behälter (Magazin). Für diese beiden Blechkisten ist ein Schütze 2 verantwortlich. Der muss damit, inklusive Patronengurten, mir, dem Schützen 1, hinterher hecheln.
Das Maschinengewehr ist nicht nur recht schwer, sondern bei der Taktikausbildung und beim Schießbetrieb im Gelände auch sehr unhandlich. Eine gezielte Schikane war das von Knöpfchen, mir dieses Ding aufzuhalsen. Doch ich war zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl. Flink wie ein Windhund war ich allerdings nicht. Ich bevorzuge eher Sportarten wie Schach und Angeln.
Kompanie-Chef Knöpfchen gedachte seinen stets aufmüpfigen Soldaten Dierk Owe mit solchen Strapazen kirre zu bekommen. Ich habe aber tapfer alles ertragen und habe niemals schlapp gemacht.

Das alles ist nun schon sehr lange her, in einer Zeit, als die Soldaten noch in der sozialistischen NVA den Weltfrieden zu retten übten.

Das Bataillonsschießen mit Hauptfeldwebel Hackie war beendet, die Schießergebnisse konnten sich sehen lassen. Hackie hat seine Schießkladden eingepackt, gemeinsam mit seinem Schreiber Grütz die noch vorhandenen Patronen nachgezählt und mit den ausgegebenen in seinen Listen verglichen. Wie nach jedem Schießen, gab es auch heute wieder eine ins Minus gehende Differenz. Selbstverständlich hatte der Schreiber Grütz das auszubaden.
Sie sind doch zu nichts zu gebrauchen, Sie Versager, Sie! Grütz, können Sie denn nicht mal bis drei zählen, Sie!?“
Von seinem Schreiber hat Hackie keinen Widerspruch zu befürchten, der duckt sich nur und schluckt die ungerechtfertigte Schelte hinunter. Was sollte er sonst auch tun. Aufmüpfigkeit war ohnehin nicht seine Art, und bei Aufmucken hätte er seinen schönen warmen und geruhsamen Posten in der Schreibstube aufs Spiel gesetzt. Während die Kompanie jetzt die zwanzig Kilometer in die Kaserne unter die Knobelbecher nehmen mussten, saß Grütz auf der Ladefläche des LKW und hatte für seine marschierenden Kameraden nur ein müdes Lächeln übrig.

Rüdiger Pfäffle