POMMERSCHE INDUSTRIEWERKE BARTH

Ein Reichsgesetz machte es möglich
An die beiden Lager Barth-Stein und Barth-Holz in der Gemarkung Planitz dürfte im Jahre 1935 sicherlich noch niemand gedacht haben. Und doch wurde in eben jenem Jahr ein Gesetz geschaffen, das solche Wohnlager, offiziell „Bereitschaftslager“ genannt, nicht nur ermöglichten, sondern geradezu erforderlich machte. Die Rede ist von dem „Gesetz über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht“ vom 29. März 1935, veröffentlicht im Reichsgesetzblatt RGBl. I.S. 1097, sowie der am 21. August 1935 erlassenen „Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht“. (Die vollständigen Gesetzestexte stehen am Schluss dieses Beitrages)

Landerwerb für die PIW und weitere Projekte
Die Deutsche Wehrmacht brauchte für ihre Rüstungsvorhaben in und um Barth herum viele Flächen als Bauland. Am südöstlichen Stadtrand sollte ein Fliegerhorst entstehen, eine Flak-Garnison beim Vogelsang, in Sundische Wiese plante man den Bau eines Feldflugplatzes, ein größeres Areal für das Üben von Bombenabwürfen sowie Kasernen und eine Wohnsiedlung für die Wehrmachtsangehörigen der dortigen Garnison.
Im Barther Stadtholz wurde ein großes Munitionswerk, die „Pommersche Industriewerke GmbH“, aus dem Boden gestampft. Zwei Wohnlager für die dortigen dienstverpflichteten Mitarbeiter mussten gebaut werden. Mit dem oben angeführten Gesetz vom März 1935 hatte sich das Reich eine legale Handhabe zur Landbeschaffung geschaffen.
Für den Fliegerhorst erwarb die Wehrmacht per Kauf von der Stadt Barth eine Fläche von 175 Hektar. Baubeginn war 1935, am 1. Juni 1936 wurde er offiziell in Dienst genommen, Barth wurde dadurch zur Garnison. Gebaut wurde jedoch noch bis 1938. Adolf Hitler besuchte aus diesem Anlass am 13. August 1938 Barth. Im Anschluss daran fuhr er nach Zingst, um den in Sundische Wiese errichteten Feldflugplatz und das Übungsgelände für Bombenabwürfe zu besichtigen.
Auch für die Bautätigkeiten in Sundische Wiese fand das erwähnte Gesetz Anwendung. Das Gebiet wurde beschlagnahmt, die Bewohner umgesiedelt bzw. mit Geldzahlungen entschädigt.
Dem vorausgehend könnte der damalige Landrat des Landkreises Franzburg-Barth, Magistratsrat a. D. Volkmar Hopf, im Juni 1937 ein Schreiben mit möglicherweise folgendem Inhalt erhalten haben:

Betr.: Ausbau des Luftwaffenstützpunktes Insel Zingst
Aufgrund des § 1 der Verordnung vom 21. August 1935 zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht (RGBl. I S. 1097) bestimme ich im Einvernehmen mit dem Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, daß das für Ausbau des Luftwaffenstützpunktes Insel Zingst und die dadurch bedingte Umsiedlung nötige Land nach den Vorschriften des Gesetzes über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht vom 29. März 1935 (Reichgesetzblatt I S. 467) zu beschaffen ist.
Berlin, den 8.7.1937
Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht Keitel

im Auftrag: Dr. Untriefer

Munitionsfabrik Pommersche Industriewerke GmbH, PIW genannt
Bei der Munitionsfabrik "Pommersche Industriewerke GmbH" ging man einen ähnlichen Weg, indem das Mittel der Enteignung Anwendung fand, aber auch hier wurden einige Flächen durch Zahlung von Entschädigungen erworben.
Die Enteignung von Teilen des Stadtwaldes der Stadt Barth für die PIW erfolgte im Mai 1938 durch die Montan für das Deutsche Reich. Der endgültige offizielle "Besitzübergang", so die Bezeichnung für die Enteignung, erfolgte am 1. April 1939. Das betraf jedoch nicht nur das Areal für das Werk selbst, sondern auch für die beiden dazu gehörenden Bereitschaftslager Barth-Stein und Barth-Holz, sowie für das Gelände der von der Darßbahn bei Tannenheim - bei Kilometer 14,6 von Velgast kommend - abzweigenden, privat betriebenen Werkbahn. Der Personenverkehr mit der Werkbahn wurde am 9. März 1942 aufgenommen.
Zur "Besitzübernahme" gibt eine undatierte handschriftliche Notiz detailliert Auskunft über die Flächengrößen, die per Enteignung, aber auch in geringerer Größe mittels Kauf, in das Eigentum der Montan übergingen: 

Besitzübergang an die Montan: 1.4.1939
a) Waldgelände 350,132 ha
b) Nichtholzboden 19,428 ha
--------------
Summe a) und b) 369,560 ha
c) Barth-Holz 3,140 ha
d) Barth-Stein 3,813 ha
e) Eisenbahngelände 3,600 ha
-------------
Summe c) bis e) 10,553 ha
Summe a) bis e) 380,113 ha
Die folgenden Angaben zu Besitzübergängen sind im Original leider nicht detailliert aufgelistet:
Besitzübergang für das Werksgelände ohne Lager: 455,4503 ha
für Werkgelände 455,4503 ha
Besitzübergang für Lagergelände
für Barth-Holz 4,3129 ha
für Barth-Stein 4,7703 ha
Lagergelände zusammen 21,9474 ha
Besitzübergang gesamt: 477,3977 ha (Werksgelände 455,3977 ha plus Lagergelände 21,9474 ha)
Die Schlüssigkeit der Summe von 21,9474 ha für das „Lagergelände zusammen“ kann im Einzelnen leider nicht belegt werden.
Es gingen jedoch, wie bereits oben erwähnt, nicht alle Flächen mittels Enteignung in den Besitz der Montan über. So überließ zum Beispiel der Landwirt Schröder der "Verwertungsgesellschaft für Montanindustrie GmbH" Flächen, die er in Pacht hatte. Ein Schreiben vom 1. Dezember 1941 an den Landwirt Schröder ist ausdrücklich nach Planitz adressiert. Recherchen in Barther Adressbüchern ergaben, dass zumindest bis 1938 ein solcher Landwirt dort nicht vermerkt ist. Das Adressbuch von 1930 verzeichnet für die Sundische Straße einen Landwirt namens Alfred Schröder, doch ob es sich dabei um denselbigen handelt, ist ungewiss, denn in dem Schreiben vom Dezember 1941 wird kein Vorname erwähnt. Der Verzicht zugunsten der Montan dürfte aber nicht ganz freiwillig geschehen sein, wie das Schreiben vermuten lässt.
"Durch den Erwerb eines Geländes aus dem Barther Stadtholz und der Gemeinde Planitz durch uns wird auch ein Teil der Grundstücke erworben, welche die Stadt Barth Ihnen für die Dauer von 3 Jahren, nämlich bis zum Jahre 1943, pachtfrei überlassen hatte.
Wir bitten Sie, uns mitzuteilen, wie groß die Flächen sind und um welche Kulturen es sich handelt."
Denkbar wäre aber auch, dass dabei ein gewisser Wilhelm Rudhardt eine Rolle spielte. Denn das Gut Planitz, das nach der Novemberrevolution von 1918 in Parzellen aufgegliedert worden ist, hatte Stadt Barth 1928 an Wilhelm Rudhardt als Pächter vergeben. Das Gut bestand aus Planitz I. mit 90 ha als Restgut, Planitz II. mit 98,55 ha Wald sowie Planitz III mit 216,5 ha. Bei der letztgenannten Fläche von 216,5 ha dürfte es sich vermutlich um Wiesen und Äcker gehandelt haben.
Hier ein weiterer Vorgang zum Erwerb von Land für die Pommerschen Industriewerke: Die Firma "HAGENUK Hanseatische Apparatebau Gesellschaft Neufeldt & Kuhnke GmbH" wandte sich im Januar 1941 an den Barther Bürgermeister und schrieb "Betr.: Umringungsstreifen des Werksgeländes.
Wir teilen Ihnen mit, daß wir bezügl. eines Geländestreifens, der das Gelände der Montan einschließenden Raum ringsum begrenzt, mit der Montan einig sind. Diese wird mit Ihnen die erforderlichen Verhandlungen führen."
Ob das Gelände für die Umringung in einem Zusammenhang mit dem des Landwirtes Schröder steht, wird aus den Unterlagen nicht ersichtlich. Mit "Umringungsstreifen" ist wohl die Einzäunung des gesamten Werksgeländes gemeint, eventuell hatte man auch noch zusätzlich einen Geländepuffer für einen militärischen Sicherheitsbereich außerhalb des Zaunes vorgesehen.
Insgesamt wurden für den Landverkauf, einschließlich Holzwert, 28.389 Reichsmark veranschlagt.

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Pommersche Industriewerke GmbH (PIW) - Gerüchte und Tatsachen
Es begann bereits vor dem Krieg. Vorbereitend zur Errichtung des Rüstungsunternehmens PIW GmbH erfolgte im Mai 1938 eine Teilenteignung des Barther Stadtholzes in der Größenordnung von 45 Hektar. 1939 war Baubeginn. Den Auftrag erhielt das Berliner „Bauatelier Prof. Ernst Neufert“.
Dieses Kapitel in der jüngeren Barther Geschichte bewegt mich bereits seit vielen Jahren, aber erst 2010 begann ich, mich tiefgründiger damit zu befassen und das betreffende Areal im Barther Stadtholz zu „durchforsten“. Was bei meinen ganz persönlichen Recherchen herauskam habe ich in dem nachfolgenden Text festgehalten.
Die PIW GmbH war ein Rüstungsbetrieb bei Barth, der ab 1938 entstand und bis 1945 auch unter Ausnutzung von KZ-Häftlingen, ausländischen Militärinternierten sowie Zwangsarbeitern für die deutsche Wehrmacht produzierte. Sie entstand im Auftrag der Kieler Hagenuk GmbH als ein relativ großer Rüstungsbetrieb, der sich hinter dem unverfänglichen Namen „Pommersche Industriewerke“ verbarg. Die Anlage wurde im Auftrag der Kieler Hagenuk GmbH federführend durch den Architekten Ernst Neufert entworfen und gebaut, ebenso auch das zur PIW GmbH gehörende Bereitschaftslager Barth-Stein.
Erste Planungen für die Fabrikanlage wurden im Jahr 1937 in Angriff genommen. Zunächst nahm dafür die Reichsregierung 1938 45 Hektar Waldfläche im Barther Stadtholz per Enteignung in ihren Besitz, um so das Baugeschehen in Gang setzen zu können. Obwohl die Produktion schon 1939 aufgenommen wurde, datiert die endgültige Fertigstellung des Werkes erst im Jahr 1943.
Zur Industrieanlage gehörten: Bürogebäude, Unterkunftsgebäude, ein Gästehaus, eine Klinik (Sanitätsgebäude), eine Wäscherei, ein Heizhaus, mehrere Garagen, Güterschuppen, ein Stellwerk, ein Lokschuppen, Wasserwerk, Laborgebäude, Pressstände, Läger, Fertigungshallen, Luftschutzbauten, Kläranlage, Gleisanlagen, Straßen- und Wegebauten, bestehend aus Eichenstraße, Pappelweg, Brückenweg, Bärenweg, Horstweg, Eulenweg mit dem Eulenplatz, Lärchenweg, Fichtenweg, Tannenweg, Kiefernweg und Eibenweg.
Eichenstraße, Pappelweg, Brückenweg sowie die südliche Begrenzung des Fabrikgeländes waren gleichzeitig Bahntrasse und bildeten, ein Dreieck, das auch heute noch aus der Vogelperspektive eindeutig erkenn bar ist.
Der Baubeginn für die PIW GmbH ist nicht mit einem genauen Datum belegbar, ebenso nicht für die Aufnahme der Produktionstätigkeiten. Da jedoch ab 1939 die Entrichtung von Umsatz- und Grundsteuern nachweislich erfolgten, ist dieses als Produktionsbeginn anzunehmen. Der Umsatz im Werk betrug 1942/43 17,9 Millionen Reichsmark.
Als Betreiberfirma trat die Montan-Industrie GmbH-Verwaltungsgesellschaft auf. Geschäftsführer war Dr. Max Zeidelhack, eigentlich Johann Martin Zeidelhack. Das Montan-Schema war eine Methode zur Verschleierung staatlicher Intervention in die Rüstungswirtschaft in Deutschland. Beim Montan-Schema tritt der Staat über scheinbar nichtstaatliche Zwischenhändler im Wirtschafts- und Rechtsverkehr auf. In der Weimarer Republik wurde mit diesem Verlagssystem verdeckt, dass die Reichsregierungen fortgesetzt den Vertrag von Versailles brachen. Diese Struktur wurde je nach Bedarf durch Elemente der Bewirtschaftung in einem formal kapitalistischen Wirtschaftssystem beim Waffen- und Munitionsbeschaffungsamt und beim Heereswaffenamt angewandt. Beispielsweise trat eine Verwertungsgesellschaft für Montanindustrie GmbH als Verpächterin von heereseigenen Industriebetrieben auf. Unklar blieb dabei, ob es sich beim jeweiligen Geschäftspartner um eine GmbH oder eine Fassadenfirma des Heereswaffenamtes handelte.
Zunächst verlegte man eine Bahntrasse vom Bahnhof Barth-Tannenheim aus, an Planitz vorbeiführend, in das Waldgebiet. Etwa bei der Wundereiche bog die Strecke dann nach rechts ab in das Munitionswerk. Dort wurde, wie oben beschrieben, ein Netz von Betonstraßen und -wegen angelegt:
Das Werk besaß für den Personen- und Güterverkehr seit 1940 eine Werksbahn. Der Werksbahnhof befand sich im nördlich gelegenen Pappelweg. Das Privatanschlussgleis, das am Bahnhof Tannenheim von der Strecke Barth-Prerow abzweigte, hatte eine Länge von 3,2 km. Während der Betrieb mit Leihlokomotiven aufgenommen wurde, erwarb die Bahn 1944 zwei ausgemusterte Schlepptenderlokomotiven von der Ostbahn. In Bereichen, in welchen eine Explosionsgefahr bestand, rangierte eine Diesellok. Für den Personenverkehr waren ausrangierte Abteilwagen der Berliner S-Bahn eingesetzt. Bei der Demontage des Werkes wurden auch Fahrzeuge und Bahnanlagen in die Sowjetunion
gebracht.

Nach der Flucht der Werkleitung wenige Tage vor der Besetzung durch die Rote Armee plünderte die Bevölkerung die Hallen, ehe die Anlage von der Besatzungsmacht gesichert werden konnte. Im Anschluss an die Demontage der Anlagen erfolgte die Sprengung der Gebäude.
In einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme 2598/06 (ABM) wurde im Zeitraum 2006/2007, begleitend durch die Universität Greifswald, zum Gelände der ehemaligen Munitionsfabrik PIW GmbH eine Konzeption erarbeitet. Die Themen dazu waren: „Recherche zur Historie der Pommersche Industriewerke Barth GmbH, Aufnahme des Bestandes, Einschätzung der gegenwärtigen Gefährdungen für Mensch und Umwelt, Vorschläge zu Lösung dieser Problematik“.
Es wurde, soweit noch möglich, Kartenmaterial erarbeitet sowie eine Fotodokumentation erstellt. Ein entsprechender Abschlussbericht dazu konnte 2007 vorgelegt werden.
Dieser Abschlussbericht ist auch für einen Amateur-Heimatforscher wie mich natürlich hochinteressant. Erfährt man darin doch Dinge zu Vorgängen auf diesem 454.000 m² großen Waldstück, in welchem einst von 1939 bis Ende April 1945 unter großer Geheimhaltung Munition und Kampfmittel produziert wurden. Unter anderem konnten monatlich 100.000 bis 200.000 Nebelhandgranaten abgefüllt werden. So ein Nebelwurfkörper ist mit einem Gemisch aus Hexachlorethan, Aluminiumpulver und Zinkoxid gefüllt, der Rauch enthält Zinkchlorid, das mit der Luftfeuchtigkeit Nebel bildet.
Selbst viele Jahrzehnte nach Ende der Produktion von Kriegsmitteln in diesem ehemaligen Werk halten sich noch immer geheimnisumwitterte Geschichten um gewisse angebliche Vorgänge. Ein Grund dafür dürfte wohl sein, dass schon bald nach der Zerstörung der Fabrikanlagen in den Jahren 1946 und 1952 das Barther Stadtholz erneut zum militärischen Sperrgebiet erklärt wurde. Nun hatte die NVA der DDR das Kommando an sich gerissen. Man rodete in einem angrenzenden Bereich westlich der ehemaligen PIW GmbH wieder große Waldflächen. Gebäude und Kasernen wurden errichtet, Bunker gebaut und Luftabwehrraketen in Stellung gebracht. Infolgedessen war dieses Areal über viele Jahrzehnte hinweg für die Bevölkerung eine Grauzone. Das ist natürlich ein guter Nährboden für wilde Spekulationen. Zumindest für die Vorgänge von 1938 bis 1945 in den PIW konnten nicht alle Munkeleien aus der Welt geschaffen werden.

Experimente mit Kampfstoffen in der Produktion sind nicht eindeutig nachweisbar. Laborversuche mit diesen Stoffen werden aber auch nicht ausgeschlossen. Produziert wurden Nebelkerzen, Nebelhandgranaten, Rauchröhren, Nebelstäbe, Nebelkanister, Flugzeugnebelbomben, Schwimmnebelbomben sowie Hilfseinrichtungen zur Anwendung dieser Nebelkörper.
Dass hier im Barther Stadtholz eine hochgradige Umweltgefährdung vorliegen könnte, wird durch eine bereits unmittelbar nach dem Ende der DDR auf den Weg gebrachte Bestandsaufnahme belegt. Im Juli 1991 ließ die damalige Kreisverwaltung eine erste Abschätzung über die vom Standort PIW GmbH möglicherweise ausgehenden Gefährdungen für Schutzgüter erarbeiten.
Das Fazit der ABM von 2016/2017 für das Konzept über das Gelände der PIW GmbH belegt, dass die Produktion hauptsächlich auf Schwel- und Brandstoffe ausgelegt gewesen sein soll.
Als gesichert anzusehen ist ebenfalls die Herstellung von S-Minen. S-Mine ist die Abkürzung für Schrapnell-Mine, Splittermine oder Springmine, bei den US-Soldaten auch bekannt als Bouncing Betty und ist die bekannteste Vertreterin aus der Klasse der Springminen innerhalb der Gruppe der Antipersonenminen. Sie wurde von der Wehrmacht in den 1930er Jahren entwickelt und im Zeiten Weltkrieg häufig eingesetzt. Die S-Mine war für den Einsatz im offenen Gelände gegen ungepanzerte Infanterieeinheiten vorgesehen. Nach der Auslösung durch Tritt oder Stolperdraht und einer kurzen Verzögerung wird der Minenkörper bis etwa auf Hüft- oder Kopfhöhe in die Luft geschleudert, wo er mit Splitterwirkung explodiert. Der tödliche Wirkungsgrad ist größer als bei einer herkömmlichen Antipersonenmine, denn sie verletzt nicht nur den Auslösenden, sondern auch Personen im Umfeld der Auslösung.

Ein Gutachten

Der Abschlussbericht der oben erwähnten ABM 2598/06 enthält auch ein Gutachten der Greifswalder Universität über die Ergebnisse der Phytotoxizitätstests mit Bodenproben der PIW:

Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Universität Greifswald
Leiter: Prof. Axel Kramer
Mit dem Gutachten Beauftragter: Philip Heldt
Verdächtig sind Sprengplatz, Laborkippe und Fasslager
Bei der Begehung wurden Verdachtsflächen begutachtet. Anhand des mangelhaften Bewuchses sind die Flächen des Sprengplatzes und der Laborkippe als massiv kontaminiert anzusehen. Von den genommenen Bodenproben wurde der Lemnatest nach dem Entwurf für die DIN für Lemnateste und ein Kressewachstumstest durchgeführt. Die Substanzen auf der Laborkippe wurden nicht chemisch analysiert. Das Wurzelwachstum der Kresse war aber zu etwa 50% vermindert. Auf dem Sprengplatz waren Rauchgasgranatenreste zu finden, deren Inhalt frei herumlag. Da es sich bei der verwendeten Rauchmischung um ein Gemisch aus Hexachlorethan und Zink plus unbekannte Beimengungen handelte, ist von einer massiven Verseuchung des Erdreichs durch organische Chlorverbindungen und dem Schwermetall Zink auszugehen. Da die herumliegenden Munitionsteile, besonders die Rauchhandgranaten, noch Zünder enthielten, ist eine Verseuchung mit Quecksilber möglich, da Quecksilberfulminat ein gängiger Initialzündstoff ist, der häufig in Zündern benutzt wurde. Im Wasser der Pegel konnte aber in alten Gutachten keine sonderlich erhöhte Quecksilberkonzentration nachgewiesen werden. Das bedeutet aber nicht, dass der Boden in jedem Fall quecksilberfrei ist. Hexachlorethan gilt als mögliches Carcinogen und sollte daher keinesfalls in die Umwelt gelangen.
Das Wurzelwachstum der Kresse war bei Proben von diesem Standort um fast 50% vermindert. Das Gleiche gilt für das Fasslager. Das Wachstum der Kresse auf Proben des Fasslagers war viel schlechter als auf unkontaminierten Referenzerden. Die Pflanzen wiesen nur weniger als die Hälfte des Spross und Wurzelwachstums der Referenzböden auf. Wasserlinsen starben ohne ein Wachstum auf einer Bodenaufschlämmung aus diesem Bereich ab. Der grau verbackene Inhalt eines offenen Fasses konnte als verbackenes, teilweise oxidiertes Zinkpulver, möglicherweise gemischt mit Aluminium, identifiziert werden. Auch hier ist eine starke Schwermetallverseuchung anzunehmen. Der weiße kristalline Inhalt eines Fasses konnte nicht identifiziert werden. Bodenproben, in denen kleine Stücke dieser Substanz enthalten waren, führten aber zu sehr schlechtem Pflanzenwachstum. Aus diesen Gründen sind diese Flächen, die vorrangig dekontaminiert werden sollten, der Sprengplatz, die Laborkippe und das Fasslager. Die Ergebnisse des Pflanzentoxizitätstestes weisen das Fasslager als am stärksten verseuchten Ort aus. Die Dringlichkeit für eine Dekontamination der drei Plätze ist aber gleich hoch. Aufgrund der herumliegenden Substanzbrocken stellen diese Flächen eine Gefahr für spielende Kinder dar und sollten bei Öffnung der Fläche, bevor eine Entseuchung stattgefunden hat, eingezäunt werden.
Es ist anzumerken, dass sich die genannten Wachstumsanomalien nicht auf eine spezielle Substanz zurückführen lassen und lediglich Anzeiger einer erhöhten Phytotoxität sind. Aussagen über die Humantoxizität der Böden sind daher nur begrenzt möglich. Im Rahmen des Umweltschutzes ist aber eine Dekontaminierung der Flächen nötig.
Giftstoffe, auf die Kresse und Wasserlinsen nicht reagieren, sind auch nicht nachweisbar. Eine Kontamination anderer Standorte ist daher nicht durch einne negativen Kressetest auszuschließen.
Empfehlung: Es sollte von den Standorten eine chemische Analyse auf Schwermetalle,besondersZink und Quecksilber, sowie organische Chlorverbindungen wegen des Hexachlorethans und Nitroaromaten um eine mögliche Verseuchung durch Sprengstoffe als Treibladungen der Rauchgranaten festzustellen.“

Abschlussbericht der Maßnahme 2598/06, Pommersche Industriewerke Barth GmbH

Aufgabenstellung: Unterstützung bei der Erarbeitung eines Konzeptes über das Gelände der ehemaligen Pommerschen Industriewerke Barth

ABM-Projekt 2598/06

Bearbeitet von Rudolf Krohn und Michael Camenz

  1. Eingrenzung der Aufgabe

  2. Geschichte der PIW/Historische Recherche

  3. Aufnahme des Bestandes

  4. Einschätzung der Gefährdung

  5. Vorschläge zur Lösung

  6. Personelle Anforderungen

  7. Technische Anforderungen

  8. Anlage Kartenmaterial

  9. Anlage Fotodokumentation

  10. Anlage Quellennachweis

Es folgen die Auflistungen der Stammdaten für Protypen „Altstandorte (Teilflächen) mit Stand vom 1.1.1990:

  1. Identifikation

  2. Karteninfo

  3. Schadstoffpotenzial

  4. fehlt

  5. fehlt

  6. fehlt

  7. Vorhandene Kontroll- und Sicherungseinrichtungen

  8. Bewertungssummen

1. Eingrenzung der Aufgabe

Die Aufgabenstellung beinhaltete die Unterstützung der Erarbeitung eines Konzeptes über das PIW-Gelände mit der Zielsetzung der Untersuchung einer möglichen touristischen Nutzung des Geländes und den dabei zu beachtenden Sicherheitsgesichtspunkten, die aus der örtlichen Situation entstehen.

Grundlage war die im Auftrag der Kreisverwaltung vom 25.07.1991 erabeitete „Erste Abschätzung über die vom Standort PIW möglicherweise ausgehenden Gefährdungen für Schutzgüter“.

Zu diesem Zweck wurden die historischen Gegebenheiten bei der Entstehung der PIW nochmals umfangreich recherchiert und die dazu zugänglichen Unterlagen in den Archiven des Landes ausgewertet. Insbesondere ging es darum, technische und technologische Abläufe zu erkennen, um Gefährdungsräume eingrenzen und intensiver absuchen zu können.

In den recherchierten Archiven auch durch das 1992 beauftragte Unternehmen, das in deutschen Militärarchiven und auch in Großbritannien recherchierte, wurden keine Bauunterlagen und kein exakter und vollständiger Übersichtsplan zum Standort der einzelnen Anlagen und Einrichtungen für das Werk gefunden.

So wurde die Absuche mit Dokumentation des Geländes ein Einmessen per GPS und eine Teilaufnahme per Messrad erforderlich, um Größenverhältnisse darstellen zu können, sowie anhand noch vorhandener Trümmer und ehemaliger Wege Lage und Ausdehnung der Anlagen möglichst genau aufzunehmen und Vergleich und Korrektur des vorhandenen Kartenmaterials vorzunehmen.

Die nachgewiesene Produktion von Schwelstoffen und die Vermutung der Arbeit mit Kampfstoffen erforderten auch eine Recherche in Hinsicht auf Vorkommen, Erscheinungsbild und Sicherheitsfragen im Umgang mit diesen Materialien.

Die Befragung von den wenigen noch lebenden Zeitzeugen erbrachten zum Teil unterschiedliche Erkenntnisse, die nach Wertung mit in die vorliegende Arbeit eingeflossen sind. Besonders hilfreich waren die Unterlagen, Gespräche und Ortsbegehungen von und mit den Herren Garber aus Barth und Wegner aus Graal-Müritz.

Eine eingehendere wissenschaftliche Untersuchung sollte aber Historikern überlassen bleiben.

2. Geschichte der PIW/Historische Recherche

Die Enteignung von Teilen des Stadtwaldes der Stadt Barth für eine militärische Nutzung erfolgte im Mai 1938 durch die Montan für das Deutsche Reich. Aufmaß über die beanspruchten Flächen erfolgte durch den Landesforstmeister aus Stralsund per Skizze, der Nachweis der übergebenen Parzellen ist über eine vorhandene Aufstellung aus der Grundsteuerakte erbracht.

  1. Skizze Anlage 1

  2. Flächen über Grundsteuernachweis Anlage 2

Der Eigentümer, die Montan GmbH-Verwaltungsgesellschaft für reichseigene Industrieanlagenwar nach Aussagen des ehemaligen 1. Geschäftsführers Dr. Max Ziedelhack „zu dem ausschließlichen Zweck eingesetzt worden, die Rüstungsproduktion in den mit Heeresmitteln gebauten Werken kaufmännisch zu überwachen und die Liegenschaften zu verwalten.“ (BAK Nürnberger Dok. ALL Proz. 2 NI 9192)

Das Deutsche Reich übernahm also die Kosten und das Risiko für die Errichtung der Rüstungsbetriebe, bediente sich jedoch der technischen und organisatorischen Erfahrungen der Privatindustrie. Die Privatunternehmen betrieben dann die Werke auf eigene Rechnung und zahlten der „Montan“ einen Pachtzins.

Genauer Bau- und Produktionsbeginn lässt sich aus der Literatur nicht nachweisen, da unterschiedliche Aussagenzu diesem Zeitpunkt existieren.

Umsatz- und Grundsteuerzahlungen erfolgten nach Rechtsstreit auf jeden Fall ab 1939, so dass ab diesem Zeitpunkt eine erste Produktion erfolgt sein muss.

Sie lief bis einen Tag vor Einmarsch der Roten Armee.

Die Produktion war auf Schwelstoffe ausgelegt und nachweislich auch auf Brandstoffe. Hinweise auf Experimente mit anderen Stoffen (u.U. Auch Kampfstoffen) sind in der Produktion nicht nachweisbar.

Laborversuche mit diesen Stoffen können nicht ausgeschlossen werden, sind aber nicht eindeutig nachweisbar. Die Produktionspalette umfasste Nebelkerzen, Nebelhandgranaten, Rauchröhren, Nebelstäbe, Nebelkanister, Gewehrnebelgranaten, Flugzeugnebelbomben, Schwimmnebelbomben sowie Hilfseinrichtungen zur Anwendung dieser Nebelkörper.

Als gesichert anzusehen ist ebenfalls die Herstellung von S-Minen im D-Bereich. Hier wurde auch Beutemunition zerlegt und Brandmunition hergestellt.

Die Untersuchungen bezogen sich vor allem auf den bebauten Teil der Anlagen sowie auf die bekannten Lager- und Ablagerungsflächen. Daneben wurden die Flächen um das derzeit eingezäunte Areal in großem Umkreis visuell abgesucht und dokumentiert.

Ablagerungen aus der Produktionszeit sind nur in geringem Umfang vorhanden und mithilfe der Universität Greifswald untersucht und als weitgehend unproblematisch festgestellt.

3. Aufnahme des Bestandes

In dem untersuchten Gelände befindet sich heute ein durch die durchgeführten Sprengungen ausgedehntes Trümmerfeld, das in der Ost-West-Ausdehnung fast 1.500 Meter beträgt, in der Nord-Süd-Ausdehnung sind es bis zum ehemaligen Krankenhaus ca. 700 Meter, wobei die Anordnung der Gebäude des Hauptkomplexes eine Dreiecksform ergibt.

Dazu kamen die Verwaltung, das Laborgebäude mit Versuchs-, Füll-, Press-, Beobachtungs- und Sprengstand, Mahlanlage, Trocknungsanlage, Heizwerk, Wasserwerk, Kläranlage, Fertiglager, Lokschuppen, Garagenkomplex, sogenannte Laborkippe und ein Sprengplatz, das Krankenhaus und die Wäscherei.

Der Hauptkomplex bestand aus einem sehr massiv gebauten, fast quadratischen, Mittelteil und den in Leichtbauweise gebauten und fast genau inNord-Süd-Richtung angeordneten Hallenkörpern mit von der Mitte her abnehmenden Längen.

Die an der Basis des Dreiecks gelegenen gesprengten Füll- und Pressstände bilden gemeinsam mit dem Haupttrakt den massivsten Teil der Trümmeranordnung. Dazu kommt der Laborbereich, die Kläranlage, das Wasserwerk, die Bunker der Versuchsfüllstände und die Warmhäuser.

Von den Leichtbauhallen existieren hauptsächlich noch die Rampen an der Südseite und Teile der Fundamente, im D-Bereich auch noch Teile von Pfeilern.

Von dem Verwaltungsgebäude, dem Heizwerk, dem Garagenkomplex und der Wäscherei finden sich kaum noch Rückstände.

Bisher erfolgte nur eine eingeschränkte Nutzung des Geländes. Zu DDR-Zeiten war es ein für die Öffentlichkeit gesperrtes Waldgebiet (militärisches Sperrgebiet/Militärforst) mit wegen der aus den Sprengungen herrührenden Belastung nur eingeschränkter Nutzholzgewinnung und der Gewinnung von Harz.

Nach Besichtigung und Kontrolle des Geländes nach 1992 wurde das PIW-Gelände eingezäunt und somit für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich gemacht.

Der Bestand an Bauwerksresten, gefährdenden Trümmern, Hohlräumen und anderer Unfallquellen wurde in Listenform dokumentiert und fotografiert. (Anlagen 3 und 4)

4. Einschätzun der Gefährdung

Im Rahmen der durch den Landkreis 1991 in Auftrag gegebenen Untersuchungen des Grundwassers konnte einein der Tendenz leicht abnehmende Belastung der Grundwasserleiter festgestellt werden, sodass im Jahre 2004 die jährliche Beprobung eingestellt wurde. (Anlage 5)

Das größte Gefährdungspotenzial bilden zweifellos das umfangreiche Trümmergelände, die Laborkippe und der Eulenplatz mit den aufgeschobenen Produktions- und Sprengresten oder Chemikalienrückständen.

Hier muss nach aufgenommenen Schwerpunkten Abhilfe durch Entfernen und Verfüllen geschaffen oder kleinräumige Sperrungen aufrechterhalten werden.

Der Munitionsbergungsdienst hält das Gesamtgelände zwar für munitionsgefährdet, aber Gesamtberäumung für unwirtschaftlich. Er macht aber darauf aufmerksam, dass bei Erdarbeiten in bestimmten Bereichen Vorsicht geboten ist.

Bei der intensiven Suche auf dem Gelände wurden auch nur wenige Stellen gefunden, an denen sich Reste von ehemaliger Nebelmunition im Zustand der Auflösung befanden.

5. Vorschläge zur Lösung

Die Zielsetzung, das Gelände der PIW wieder einer weitgehend störungsfreien forstwirtschaftlichen und langfristig auch einer, wenn auch eingeschränkten, Nutzung zuzuführen bedarf einer Reihe von Abwägungen und Entscheidungen. Leider ist in einer Reihe von Wanderkarten ein begehbares Wanderwegenetz in diesem Gebiet verzeichnet, übrigens auch bei der Kreisverwaltung.

Ein vollkommener Rückbau der Anlagen auch mit im Rahmen der Mittel, die über Konversion unter Umständen zur Beseitigung von Rüstungsaltlasten zur Verfügung gestellt würden, bedürften doch einer einer größeren Menge an Eigenmitteln, die zur Gesamtfinazierung beigetragen werden müssten.

Auf jeden Fall sollte die Möglichkeit der Aufnahme in dieses Programm und auf Durchführbarkeit der Maßnahmen geprüft werden.

Nach überschläglichen Berechnungen von Herrn Wegner könnten aus dem ehemaligen Baubestand ca. 44.000 m³ Trümmer vorhanden sein. Ein Teil davon ist aber wahrscheinlich weiter verstreut, oder soweit es Ziegel betrifft, auch nach dem Krieg wiederverwendet worden. (Anlage 6)

Besonders der Teil der ehemaligen Mechanik, der Pressstände, der Kläranlage und des Wasserwerkes sind nur mit schwerer Technik zu beräumen.

Vorrangig sollte nach interessierten Unternehmen gesucht werden, die aus dem Bestand Betonrecycling gewinnen könnten. Die möglichen zu gewinnenden Mengen sind wirtschaftlich nicht uninteressant, die Erschließung weitgehend vorhanden.

5. Gutachten über die bisherigen Ergebnisse der Phytotoxizitätstests mit Bodenproben der PIW

Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Universität Greifswald

Leiter: Prof. Axel Kramer

Mit dem Gutachten Beauftragter: Philp Heldt

Verdächtig sind Sprengplatz, Laborkippe und Fasslager

Bei der Begehung wurden Verdachtsflächen begutachtet. Anhand des mangelhaften Bewuchses sind die Flächen des Sprengplatzes und der Laborkippe als massiv kontaminiert anzusehen. Von den genommenen Bodenproben wurde der Lemnatest nach dem Entwurf für die DIN für Lemnateste und ein Kressewachstumstest durchgeführt. Die Substanzen auf der Laborkippe wurden nicht chemiosch analysiert. Das Wurzelwachstum der Kresse war aber zu etwa 50% vermindert. Auf dem Sprengplatz waren Rauchgasgranatenreste zu finden, deren Inhalt frei herumlag. Da es sich bei der verwendeten Rauchmischung um ein Gemisch aus Hexachlorethan und Zink plus unbekannte Beimengungen handelte, ist von einer massiven Verseuchung des Erdreichs durch organische Chlorverbindungen und dem Schwermetall Zink auszugehen. Da die herumliegenden Munitionsteile, besonders die Rauchhandgranaten, noch Zünder enthielten, ist eine Verseuchung mit Quecksilber möglich, da Quecksilberfulminat ein gängiger Initialzündstoff ist, der häufig in Zündern benutzt wurde. Im Wasser der Pegel konnte aber in alten Gutachten keine sonderlich erhöhte Quecksilberkonzentration nachgewiesen werden. Das bedeutet aber nicht, dass der Boden in jedem Fall quecksilberfrei ist. Hexachlorethan gilt als mögliches Carcinogen und sollte daher keinesfalls in die Umwelt gelangen.

Das Wurzelwachstum der Kresse war bei Proben von diesem Standort um fast 50% vermindert. Das Gleiche gilt für das Fasslager. Das Wachstum der Kresse auf Proben des Fasslagers war viel schlechter als als auf unkontaminierten Referenzerden. Die Pflanzen wiesen nur weniger als die Hälfte des Spross und Wurzelwachstums dee Referenzböden auf. Wasserlinsen starben ohne ein Wachstum auf einer Bodenaufschlämmung aus diesem Bereich ab. Der grau verbackene Inhalt eines offenen Fasses konnte als verbackenes, teilweise oxidiertes Zinkpulver, möglicherweise gemischt mit Aluminium, identifiziert werden. Auch hier ist eine starke Schwermetallverseuchung anzunehmen. Der weiße kristalline Inhalt eines Fasses konnte nicht identifiziert werden. Bodenproben, in denen kleine Stücke dieser Substanz enthalten waren, führten aber zu sehr schlechtem Pflanzenwachstum. Aus diesen Gründen sind diese Flächen, die vorrangig dekontaminiert werden sollten, der Sprengplatz, die Laborkippe und das Fasslager. Die Ergebnisse des Pflanzentoxizitätstestes weisen das Fasslager als am stärksten verseuchten Ort aus.Die Dringlichkeit für eine Dekontamination der drei Plätze ist aber gleich hoch. Aufgrund der herumliegenden Substanzbrocken stellen diese Flächen eine Gefahr für spielende Kinder dar und sollten bei Öffnung der Fläche, bevor eine Entseuchung stattgefunden hat, eingezäunt werden.

Es ist anzumerken, dass sich die genannten Wachstumsanomalien nicht auf eine spezielle Substanz zurückführen lassen und lediglich Anzeiger einer erhöhten Phytotoxität sind. Aussagen über die Humantoxizität der Böden sind daher nur begrenzt möglich. Im Rahmen des Umweltschutzes ist aber eine Dekontaminierung der Flächen nötig.
Giftstoffe, auf die Kresse und Wasserlinsen nicht reagieren, sind auch nicht nachweisbar. Eine Kontamination anderer Standorte ist daher nicht durch eine negativen Krtesetest auszuschließen. Empfehlung: Es sollte von den Standorten eine chemische Analyse auf Schwermetalle, besondersZink und Quecksilber, sowie organische Chlorverbindungen wegen des Hexachlorethans und Nitroaromaten um eine mögliche Verseuchung durch Sprengstoffe als Treibladungen der Rauchgranaten festzustellen.

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Lehrlinge in der PIW GmbH

Zum Weihnachtsfest des Jahres 1943 wandte sich Dr. Schöller in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Pommerschen Industriewerke Barth in einem Brief an die Eltern der Lehrlinge seine Betriebes. Es war der erste so genannte Elternbrief. Zumindest noch ein weiterer Elternbrief folgte zu Weihnachten des Folgejahres. In diesem Brief kamen außer Dr. Schöller unter anderem noch die Herren Tillmann von der Geschäftsleitung, der Betriebsarzt Dr. Erich Lau, die Ausbildungsleiter Alfred Wegner, Alfred Bergner, der Heimleiter Meinhardt sowie die Lehrlinge Hans und Siegfried zu Wort.*

Die Vertreter der Geschäftsleitung Dr. Schöller und Herr Tillmann:

Schon längst hätten wir Ihnen gerne einmal über Ihre Jungens und deren Arbeitund Leben bei uns geschrieben, doch hat es uns dazu an der Zeit gefehlt, die so ganz und gar mit kriegswichtigen Arbeiten ausgefüllt ist. Doch noch in diesem Jhr soll unser erster Brief an Sie herausgehen, um uns gegenseitig näher zu bringen. Denn keiner von uns steht heute allein. Keiner arbeitet für sich. Wir schaffen alle Hand in Hand für eine große, gemeinsame Aufgabe. In dieser schweren Zeit, in der von jedem uns verlangt wird, persönliche Opfer zu bringen und ein Höchstmaß an Arbeit und Einsatzbereitschaft zu leisten, müssen wir zusammenhalten und gemeinsam tragen, was für den Einzelnen oft schwer ist.

Sie wohnen meist fern von der Ausbildungsstätte Ihrer Jungens und deshalb nicht selbst an ihrem Leben und Treiben teilnehmen. Unsere Elternbriefe sollen Ihnen von Zeit zu Zeit einen Einblick in unsere Erziehungsarbeit geben und Sie dem Erleben der Jungens bei uns näher bringen. Auch soll Ihnen die Gewissheit gegeben werden, dass wir uns die größte Mühe geben, Ihre Jungens in jeder Beziehung mustergültig zu betreuen, zu führen und weiterzubilden.

Unsere Lehrwerkstatt, der von der Deutschen Arbeitsfront die bronzene Medaille für vorbildliche Berufserziehung verliehen wurde., bürgt für eine vielseitige theoretische und praktische Ausbildung, die Ihren Jungens das Können eines tüchtigen Facharbeiters vermitteln wird. Wir haben hierzu tüchtige Facharbeiter, Lehrmeister und Ausbildungsleiter eingesetzt.

Zur Betreuung Ihrer Jungens nach der Arbeit haben wir für das Wohnheim der Lehrlinge einen ordentlichen, aufrechten Facharbeiter, der ein guter Sportsmann und Kamerad ist, als Heimleiter eingesetzt. Außerdem kümmert sich die HJ vermehrt um Ihre Jungens in weltanschaulichen und HJ-Angelegenheiten.

Wir wollen die Erziehung der Jungens in engster Zusammenarbeit mit Ihnen durchführen. Wir wissen, dass viele Väter und Brüder der Jungens unter den Waffen stehen, und dass die Mütter es in der heutigen Zeit doppelt schwer haben, alles verantwortlich zu erledigen. Wir wollen Ihnen die Sorge um den Sohn nach Möglichkeit abnehmen und bitten Sie uns mitzuteilen, was Sie in Sorge um Ihren Jungen auf dem Herzen haben und wo wir vielleicht helfen solle, damit wir in allen Erziehungsfragen gemeinsam mit Ihnen das Beste zum Wohle Ihrer Jungens tun können.

Da es uns möglich werden wird, diesen ersten Brief bis zum Weihnachtsfest fertiggestellt zu bekommen, benutzen wir diesen Anlass, Ihnen und Ihren Jungens ein recht frohes Fest und ein gutes neues Jahr zu wünschen.“

Der Betriebsarzt Dr. Ernst Lau:

Zu den Themen Berufserziehung und gesundheitliche Betreuung äußert sich der Ausbildungsleiter Alfred Wegner:

Ein Ereignis von größter Bedeutung ist für jeden Jungen die Schulentlassung. Zu dieser Zeit überschreitet der Junge die Schwelle des Kinderlandes und schickt sich an, ein Mann zu werden.

Diese Zeit fällt zusammen mit dem Eintritt in die Lehre. Jeder vernünftige Junge braucht einen vernünftigen Beruf. Keiner fühlt sich glücklich, bevor er weiß, das er wirklich „angenommen“wurde. Diese, wohl seine erste Sorge als angehender Erwachsener, wird bald abgelöst von einer Anzahl anderer: Wie mag die Arbeitsstätte aussehen, in der ich mich in dreieinhalb Jahren auf meinen Lehrberuf vorbereite? Was mögen die Ausbilder für Menschen sein? Welche Aufgaben harren meiner? Werde ich es schaffen? Diese und noch mehr Fragen stellt sich jeder Junge und ihm ist dabei etwas bänglich zu Mute.

Aber immerhin, da er eben ein Junge ist, hat er Mut und fasst an. Innerhalb einer gewissen Zeit verschafft er sich einen ersten Überblick und erhält Antwort auf viele einst bängliche Fragen. Die Arbeitsstätte ist sehr schön, sehr interessant, sehr lebendig und auch etwas laut, gerade das Richtige für einen gesunden, wachsenden Jungen. Für jeden ist ein sauberer Arbeitsplatz da, an dem er Herr in seinem Bereich sein soll. Maschinen sind auch da, viele und sehr verschiedenartige sogar, mit vielen Hebeln daran. Sie stehen für ihn da. Daran darf er schaffen, wenn er sich eine zeitlang am Schraubstock redlich abgemüht hat. Dass er es genau so gut können wird, wie der um ein Jahr ältere Lehrling, unterliegt keinem Zweifel. Die Ausbilder kennt er bald, auch den Meister und den Ausbildungsleiter. Es sind keine Rauschebärte, keine -menschenfresser, zu zittern braucht man nicht vor ihnen, auch dann nicht, wenn man etwas verpatzt hat. Das kommt öfter vor. Aber lernen kann man von ihnen, und man muss viel lernen, jeden Tag immer mehr hinzulernen. Das sind so die ersten Eindrücke, die jeder Junge aufnimmt, und die er sicher sehr bald seinen Eltern, deren Gedanken besonders in den ersten schwierigen Tagen bei ihm sind, übermitteln wird.

Ich will ihm behilflich sein, und wo es möglich ist, seinen Bericht ergänzen, sodaß Sie, liebe Eltern, sich einigermaßen ein Bild über die berufliche Erziehung Ihres Sohnes machen können und damit einer Sorge enthoben sind.

Die Ausbildung unserer Lehrlinge erfolgt im ersten und zweiten Lehrjahr in einer besonders ausgestatteten Lehrwerkstatt nach den anerkannten Richtlinien der DAF und des Reichsinstituts für Berufsausbildung. Zunächst, damit der Junge mit den Grundbegriffen vertraut wird und Sicherheit im Umgang mit einer mechanischen Werkstatt erlangt, arbeitet er einen Lehrgang am Schraubstock durch. Dieser Lehrgang enthält alles Grundsätzliche und erstreckt sich über etwa drei Monate. In dieser Zeit stellen sich die besonderen Anlagen des Jungen heraus, so dass vor Ablauf des Probevierteljahres die Einreihung in den geeigneten -beruf erfolgen kann.

Die Grundlage für diese Einreihung bilden die gebrachten Leistungen und die damit zu Tage geförderten Anlagen, die auf besonderen Auswertungsblättern festgehalten und ausgewertet werden. Im Anschluss an den Grundlehrgang wechselt der Lehrling in gewissen Zeitabständen

seinen Platz, sodass er schon im ersten Lehrjahr einen Überblick über die Grundkenntnisse und Erfordernisse seines Berufes erhält. Im zweiten Lehrjahr erhält der Lehrling eine reine Fachausbildung nach den anerkannten Richtlinien. Es findet hierbei eine Vertiefung der im ersten Lehrjahr erworbenen Grundkenntnisse statt unter ständiger Steigerung des fachlichen Könnens." Alfred Bergner

Zur Problematik Berufsausbildung im Kriege hat der Ausbildungsleiter ein paar markige Sätze formuliert:

Über die Herausbildung guter Fachkräfte kann es nur eine Auffassung geben:Sie ist im Frieden wie im Kriege eine ernst zu nehmende Angelegenheit. Bei der Erzeugung von Friedensgütern bürgt der Facharbeiter für höchste Qualität dieser Erzeugnisse und erobert damit den Weltmarkt und hält ihn offen In der Fertigung von Kriegsgerät sorgt er für höchste Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Waffen und er ist damit Kamerad des Frontkämpfers und Miteringer des Sieges. Aber noch mehr. Wenn in Kriegszeiten Millionen von Männern zu den Waffen eilen, wenn an Maschinen und Schraubstöcken unzählige Facharbeiter durch berufsfremde Hilfskräfte und Frauen ersetzt werden und dazu, oder trotzdem, noch die Produktion gewaltig gesteigert werden muss, dann ist noch der verbleibende Facharbeiter das Rückgrat des Betriebes. Ergibt den ängstlichen Neulingen von seiner Sicherheit, den Unerfahrenen von seinem Können, den Leichtverzagten Mut und Selbstbewusstsein.

Ausbildung ist nie für das „Heute“, stets für das „Morgen“. Heute leben wir von dem gestern Geschaffenen, oder darben wir an dem gestern Versäumten. Morgen werden wir das vorfinden, was wir heute getan haben. Gewiss stehen die Jungen, die wir heute ausbilden, morgen an der Front. Dort werden sie auch gebraucht! Die Truppe ist weitgehend motorisiert, mechanisiert und technisiert, sodass bei allen Waffengattungen der Facharbeiter dringend gebraucht wird. Viele unserer Jungen werden als Mechaniker und Maschinist zur See fahren, als Funker bei der Nachrichtentruppe, als Panzerfahrer beim Heer, als Waffenwart, Bordmechaniker oder Bordfunker bei der Luftwaffe ihre Pflicht erfüllen.

Außerdem denken wir auch schon über den Krieg hinaus. Sind schon heute die Aufgaben groß, so werden sie nach dem Kriegsende noch größer sein.

Deutschland muss wieder aufgebaut und Europa aufgerichtet, geordnet und geführt werden. Unsere Jungen kommen wieder zurück. Der deutsche Facharbeiter wird viel zu tun haben. Deutschland wird morgen von dem leben, was wir heute geschaffen haben.“

Heimleiter Meinhardt

Erläutert, was einen richtigen deutschen Jungmann auszeichnet:

Die Elternwohnungen unserer Jungen befinden sich meistens in der weiteren Umgebung von unserem Heim Leider macht dieses Tatsache eine persönliche Fühlungnahme sehr schwierig. Ich sage leider, wissen wir doch zu gut, wie wertvoll für die Arbeit, wie förderns in allen Erziehungsfragen die gegenseitige Unterstützung von Elternhaus und Heimführung sein könnte. Dennoch werde ich mich stets bemühen, Ihre Jungen so zu erziehen, dass aus ihnen anständige und tüchtige Kerle werden. In meinem nun folgenden Bericht will ich Ihnen kurz schildern, wie Ihre Jungen im Hein betreut werden:

Es ist bei einer gemeinsamen Unterkunft notwendig, dass man die Anforderungen, die wir an die Jungen stellen. Allmählich steigert. Um unser gestecktes Ziel zu erreichen, geschieht die Ausbildung im Heim nach folgenden Punkten:

1. Erziehung zu ordentlicher Haltun, sauberer Kleidung und reinem Körper.

2. Eingewöhnen in das Heimleben, Erziehung zur Sauberhaltung des Heimes, Ornung im Spind und Bettenbau.

3. Weltanschauliche und politische Schulung an Heimabenden durch die HJ. Außerdem wird an diesen Abenden Gesang und Musik gepflegt.

4. Körperliche Ertüchtigung in dem größten Teil der Freizeit, mit Ausmärschen und Sport.

Von ihrem Lehrherrn wurde den Jungens alle möglichen Turn- und Sportgeräte beschafft und so die Voraussetzung zum Abhalten von Turn- und Sportstunden geschaffen.

Für abwechslungsreiche anregende Freizeitgestaltung wird durch die Firma gesorgt. So finden jede Woche Veranstaltungen im Gemeinschaftsraum der Siedlung Barth-Stein statt. Kino Variete´, Konzert und Vorträge wechseln sich hierbei ab.

Für das leibliche Wohl der Jungen sorgen wir, so gut das in Kriegszeiten möglich ist, vor allem auch durch Beschaffung vitaminreicher feinster Gemüse.

Bei der großen Zahl von Jungen ist es natürlich unausbleiblich, das es hin und wieder Strafen, wie Urlaubssperre, Sonderdienste, Verwarnungen und Verweise gibt. In fast allen Fällen hat solche Zurechtweisung Erfolg gehabt.

Ich hoffe, dass Sie, liebe Eltern, an meinen obigen Ausführungen erkennen können, wie Ihre Jungen im Heim betreut werden. Ich würde mich freuen, wenn dieser Brief dazu beitragen wird, dass auch Sie uns in unserer nicht ganz leichten Aufgabe bei der Führung der Jungen unterstützen werden.“

Mit besten Grüßen

Heil Hitler

der Heimleiter Meinhardt.

Der Lehrling Hans

Was sagen eigentlich die Jungens über ihre Stunden in der Lehrwerkstatt und zu ihrer Freizeitgestaltung?

Da ist zum Beispiel der Feinmechaniker Hans aus dem 1. Lehrjahr, der schreibt:

Liebe Eltern!

Endlich komme ich dazu, Euch einen längeren Brief zu schreiben. Als wir am Montag Nachmittag hier ankamen, wurden wir vom Heimleiter empfangen und zum Heim geführt, wo wir unser Gepäck ablegten. Dann marschierten wir geschlossen zur Lagerführung und meldeten uns an. Nach der Anmeldung wurden wir auf die Stuben verteilt und bekamen unser Bett und unsere Spinde angewiesen. Das Einräumen des Spindes und das Bettbauen wurde uns von älteren Kameraden gezeigt. Nachdem wir unsere Betten gebaut hatten, erzählten wir Erlebnisse; schon um 9 Uhr mussten wir zum Stuben-Durchgang fertig sein. Die ersten Tage im Heimwaren für uns nicht leicht; denn hatten so viel Neues zu lernen. Morgens um 5 Uhr wurden wir vom U.v.D. Geweckt; sofort sprangen wir aus den Betten. Nach dem Waschen, Anziehen Bettenbauen und Frühstück ging es ins Werk. Um 16 Uhr ging es wieder zurück zum Lager und wir machten uns fertig zum Essen. Das Essen ist gut u. schmackhaft. Vier Tage in der Woche haben wir am Abend Heimdienst und Mittwochs frei.

Nun will ich schließen, denn es ist „Fertigmachen zum Stubendurchgang“ angepfiffen worden.“

Der Lehrling Siegfried

Hier noch ein zweiter Brief an daheim:

Liebe Eltern!

Als wir am ersten Tag unserer Lehre die Lehrwerkstatt betraten, blieb uns vor Staunen doch einen Augenblick der Mund offen. Vor uns lag eine große, geräumige Halle, die einem großen Saal glich und mit den besten Maschinen und Einrichtungen ausgestattet war. Diese Halle sollte jetzt für die kommenden 3 ½ Jahre unsere Lehrstelle sein. Wie wir so, ganz benommen von dem Anblick der schönen Lehrwerkstatt, auf einer Seite standen und uns vor einer gewissen Scheu kaum vom Fleck bewegen mochten, ertönte mit einem Male ein Pfiff, der uns den Mund wieder schloss und uns wieder zur Besinnung rief. Wir mussten antreten. Sodann wurden wir dem Meister und dem Ausbildungspersonal vorgestellt, die uns unter der Leitung des Ausbildungsleiters, Herrn Bergner, zu tüchtigen Facharbeitern erziehen sollen. Danach wurden wir eingekleidet und bekamen nach einer kurzen Instruktion unseren zukünftigen Arbeitsplatz angewiesen.

Wir dachten ja alle, dass wir gleich an den Maschinen arbeiten durften. Hierin wurden wir aber etwas enttäuscht. Jeder von uns bekam erst einmal Unterweisung in der Handhabung von Feilen und Bearbeitung von Werkstoffen. Mit großer Begeisterung ging alles an die Arbeit, welche anfangs riesigen Spaß machte, aber bald langweilig wurde. Aber auch hier hatte die Vorsehung des Ausbildungsleiters schon Vorsorge getroffen und zur Abwechslung wurden wir an die Maschinen gestellt. Dies gab uns neuen Mut und Kraft für die nächste Zeit. Aber die vielen Hebel, die an so einer Maschine zu betätigen sind, brachten uns doch etwas in Verwirrung, und wir dachten im Stillen, dass wir hier wohl nie mit fertig würden. Aber schon nach einigen Tagen ergab sich, dass diese Sorge unnötig gewesen war. In kurzer Zeit waren wir mit allen Maschinen vertraut und es fällt uns heute gar nicht schwer, auf 1/100 mm genau zu arbeiten.

Neben der praktischen und theoretischen Berufsausbildung haben wir noch eine Ausbildung in der Werks-Feuerwehr.

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Zwangsarbeit im NS-Staat

Das Reichssicherheitshauptamt veranlasste, dass gleich nach der Besetzung Polens deutsche Dienststellen der Arbeitsämter eingerichtet wurden. In Zusammenarbeit mit der Wirtschaft sollten hier ausländische Arbeitskräfte als Freiwillige angeworben werden. Arbeitskräfte wurden aber auch gewaltsam nach Deutschland gebracht, denn "mit den Kriegsgefangenen allein konnte der durch Einberufungen zur Wehrmacht verursachte Mangel an deutschen Arbeitern nicht aufgefangen und der rasant steigende Arbeitskräftebedarf der deutschen Kriegswirtschaft nicht gedeckt werden.

Durch Verordnungen und Vertragsbedingungen in ihren Rechten beschnitten, durch falsche Versprechungen getäuscht, in schlechten Baracken und Lagern bei vielfach ungenügender Ernährung untergebracht und an der Rückkehr in ihre Heimat gehindert, arbeiteten zwischen 1939 und 1945 mehr als 12 Millionen Frauen und Männer aus allen Teilen Europas im Deutschen Reich. Als Menschenmaterial für die Produktion in der Rüstungsindustrie, der Landwirtschaft und in Versorgungsbetrieben missbraucht, wurden sie zu Zwangsarbeitern der Deutschen.

Die meisten von ihnen kamen aus Polen, Weißrussland, Russland und aus der Ukraine."

Anfangs waren "die Zahlen derjenigen, die sich für den Reichseinsatz freiwillig meldeten, überraschend hoch. Viele ließen sich von der deutschen Propaganda täuschen, die ausländischen Arbeitskräften ein angenehmes Leben ohne Mangel in Deutschland vorgaukelte. Zugleich wurden die Lebensmittelrationen in den Ostgebieten unter das Existenzminimum reduziert, so dass mit der Zeit Hunderttausende in ihren fruchtbaren Heimatländern verhungerten. Für viele war der Transport ins Reich dadurch um so mehr mit der Hoffnung verknüpft, nicht nur selbst zu überleben, sondern auch die Angehörigen von ferne unterstützen zu können. Die ersten Mitteilungen über die Verhältnisse am deutschen Arbeitsort und der Anblick der ersten arbeitsunfähig aus Deutschland Zurücktransportierten ließen jede Euphorie noch während des ersten Besatzungsjahres sehr schnell verfliegen. Ohnehin hatten die zuständigen deutschen Stellen von vornherein die Anwendung von Zwangsmaßnahmen nicht nur für erforderlich gehalten, sondern als angemessen vorgesehen." (1)

Diese Zwangsmaßnahmen sahen teilweise so aus, dass die deutschen Besatzer immer häufiger mit Terrorakten Aushebungen vollzogen. "Es wurden selbst Passanten auf offener Straße, Teilnehmer von Festen und Gottesdienstbesucher ergriffen und zu den Sammelstellen gebracht. Gemeinden, die den Gestellungsbefehlen nicht Folge leisteten, hatten mit drakonischen Strafexempeln zu rechnen, die bis zum Niederbrennen ganzer Ortschaften führen konnten. [... ] Im Sommer 1942 wurde zusätzlich für alle Jugendlichen aus der Ukraine zwischen 18 und 20 Jahren ein zweijähriger Pflichtdienst im Reich eingeführt. Kaum mit dem Nötigsten versehen, wurden die rekrutierten Kinder, Frauen und Männer mit Güterzügen in Durchgangslager im Reich gebracht, von wo sie ihren Einsatzorten und -betrieben zugeführt wurden.

Eines der größten Probleme stellte für die Ostarbeiter ihre in vielen Fällen extrem schlechte Ernährung im Reich dar."

"In den Lager- und Betriebskantinen wurden sie nur äußerst unzureichend verpflegt; ohne Lebensmittelmarken konnten sie von ihrem geringen Lohn nichts zu Essen kaufen und litten ständig Hunger. Die wenigen nach der oft 12-stündigen Arbeitsschicht verbleibenden Stunden Freizeit nutzten sie zunächst, um ihr Überleben zu sichern. Sie versuchten auf dem Schwarzmarkt Brot zu erstehen oder putzten – gegen ein Mittagessen – für eine deutsche Familie. Damit konnten sich auch ärmere Deutsche ein Dienstmädchen oder einen Bauarbeiter ins Haus holen – wortwörtlich für ein Butterbrot. [... ]

Viele Frauen litten unter zusätzlichen Schikanen und Gewalttätigkeiten.

Trotz Repression, Denunziation, Orientierungslosigkeit und der verheerenden Lebensbedingungen in der besetzten und ausgeplünderten Heimat versuchten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter immer wieder zu fliehen; auch gab es Ansätze zu Widerstand und Sabotage. Ohne juristische Einspruchsmöglichkeiten und allein schon bei Verdacht auf diese Delikte konnten sie im Extremfall in Konzentrationslager eingewiesen oder gar hingerichtet werden. Im Falle von "Bummelei" oder Arbeitsverweigerung drohten die berüchtigten Arbeitserziehungslager."

Zur Situation der Ernährung der in den Pommerschen Industriewerken GmbH (PIW) Barth eingesetzten und im Lager Barth-Holz untergebrachten Zwangsarbeiter, Ostarbeiter und Kriegsgefangenen blieben meine Recherchen erfolglos.

"Wie die Polen, wurden auch die Ostarbeiter äußerlich kenntlich gemacht. Auf der linken Brustseite hatten sie ein angenähtes blaues Rechteck mit der weißen Aufschrift "OST" zu tragen."

Doch nicht nur aus dem osteuropäischen Raum rekrutierte man Zwangsarbeiter, auch noch aus zahlreichen anderen europäischen Ländern gelangten Zivilarbeiter und Kriegsgefangene nach Deutschland.

"Eine besondere Stellung nehmen dabei die Italiener ein, deren bevorzugte Behandlung als Gastarbeiter aus einem verbündeten Führerstaat sich ins Gegenteil verkehrte, als Mussolini 1943 gestürzt wurde und Italien kapitulierte. Die im deutschen Einflußbereich stehenden etwa 600.000 italienischen Soldaten wurden, sofern sie nicht auf deutscher Seite weiterkämpfen wollten, als Kriegsgefangene genommen und mit schweren und unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen konfrontiert. Schon bald darauf wurden ca. 450.000 dieser so genannten "Militärinternierten" zwangsweise in den Status von zivilen Arbeitskräften überführt. Dadurch erhielten sie zwar mehr Rechte, fielen aber auch aus dem Schutz der Genfer Konvention für Kriegsgefangene."

Die namenlose Ostarbeiterin aus der Ukraine

Anknüpfend an den obigen Abschnitt "Zwangsarbeit im NS-Staat" hier ein paar ergänzende Zeilen zum Thema Zwangsarbeit im Dritten Reich am Beispiel einer jungen Frau. Sie wurde einst aus ihrem ukrainischen Heimatdorf Jawkino, zwischen dem Asowschen und dem Schwarzen Meer gelegen, nach Franzburg-Barth verschleppt. Das Arbeitsamt Barth hat sie nach Ahrenshagen vermittelt, wo die Jugendliche zwangsweise als Ostarbeiter Dienst tun musste. In ihrem Arbeitsbuch wird als Herkunftsland nicht Ukraine, sondern lediglich "Besetzte Ostgebiete" angegeben. Ihren Namen verschweigt das Arbeitsbuch ebenfalls. Ich nenne sie deshalb "Maria Petrakowa".

Schaut man sich das Passfoto an, so könnte man meinen, Maria sei noch ein Kind. Ihre Augen drücken eine große Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit aus. Wie sollte es auch anders sein, wenn man in so jungen Jahren mit Zwang von den Eltern, Geschwistern, Schulkameraden, Spielgefährten und womöglich von einem geliebten jungen Freund getrennt wurde? Wenn man die vertraute heimatliche Umgebung verlassen musste und in ein völlig fremdes, weit entferntes Land verschleppt wurde?

Bleibt zu hoffen, dass Maria in Ahrenshagen in eine verständnisvolle Familie gekommen ist, die sie nicht nur als billige Arbeitskraft, aus einer minderwertigen slawischen Rasse stammend, verstanden hat.

Die Eintragungen in dem Arbeitsbuch dieser jungen Frau, die zur Zwangsarbeit in Ahrenshagen in einem für sie völlig fremden Land verpflichtet worden war, werfen ein bezeichnendes Licht auf die menschenverachtende Strategie des NS-Systems.
Am 13. März 1943 wichen die deutschen Truppen über den Fluss Ingulez in Richtung Bersnegowatajo zurück. Bei Jawkino, dem Heimatort unserer namenlosen Ostarbeiterin, versuchte das 6. Pionier-Bataillon eine Brücke zu sichern. Dadurch gelang es der Division, die Brücke bei Jawkino zu überqueren. Der Ort Jawkino liegt in der Ukraine, unweit des Asowschen Meeres. Eine bekannte, in der Gegend liegende Stadt ist Saporoshje.

Den Namen dieser Ostarbeiterin sucht man in ihrem Ausweis vergebens. Stattdessen ist auf dem Passfoto lediglich eine Nummer angegeben. Ihr Heimatland? Wird ebenfalls anonym gehalten. Da steht einfach nur „Besetzte Ostgebiete“. Staatsbürgerschaft? In welchem Staat war die junge Frau vor ihrer Verschleppung zu Hause? Da liest man: „Ungeklärt, Ostarbeiterin“. Obwohl dem Stralsunder Arbeitsam sowohl der Geburtsort, als auch der Heimatkreis bekannt war.  

Iwan Petrakow, vermutlich der Vater der jungen Frau aus Jarvkino im Kreis Bastanka, wäre „in besonderen Fällen zu benachrichtigen“ gewesen
Alle Angaben zur Person waren also bekannt, aber für das Arbeitsamt und andere deutschen Behörden war die junge Frau eben kein Mensch sondern nur eine in den Akten zu registrierende Nummer.

Ein Mensch, der einmal zur See gefahren ist, kennt das Gefühl der Heimweh. Er ist aber freiwillig fern der Heimat unterwegs. Meistens sind es Landsleute, mit denen er seinem Dienst nachgegeht. Auch steht ihm die Möglichkeit offen, jederzeit vom Schiff abzumustern und an Land bei seiner Familie zu Hause zu bleiben.

Soziologisch gesehen, richtet sich Heimweh auf verlorene Gemeinschaften, vor allem während der Kindheit. Aber auch im Erwachsenenalter tritt Heimweh auf, wenn der Einzelne sich (‚in der großen Stadt‘, ‚unter lauter Fremden‘ usw.) vereinsamt fühlt. […] Der Verlust vertrauter Umgebung wird als sehr schmerzhaft empfunden, der Betroffene sucht eine Besserung durch die Rückkehr in seine als sicher empfundene Heimat.“ (Wikipedia)

Die „Ostarbeiterin“ war jedoch nicht freiwillig nach Deutschland gekommen. Sie wusste auch nicht, ob und wann sie ihre Heimat und ihre Angehörigen wiedersehen wird. Eine solche Ungewissheit muss für einen jungen Menschen unerträglich sein und ihn verzweifeln lassen. Mancher „Arbeitgeber“ in der fremden Heimat hat sich den „Ostarbeitern“ sicherlich menschlich verhalten, aber es sind leider auch gegenteilige Schicksale bekannt.

Bei der Entlohnung wurde theoretisch von den Lohnsätzen vergleichbarer deutscher Arbeiter ausgegangen, doch wurden die Löhne stark besteuert, sowie Kost und Logis und weitere Kosten abgezogen. Bei den Ostarbeitern wurde eine Abgabe für die Arbeitgeber eingeführt, diese Ostarbeiterabgabe entsprach der Lohndifferenz zu deutschen Arbeitern und sollte Entlassungen von deutschen Arbeitern zugunsten billiger Ostarbeiter verhindern. Die stets in geschlossenen Barackenlagern untergebrachten Ostarbeiter erhielten oft ein nur in ihrem Lager gültiges Lagergeld. Auch Kriegsgefangene erhielten nur Lagergeld, während der eigentliche Lohn ans Stammlager ging.
Das auf der ersten Innenseite des Arbeitsbuches stehende Vorwort des „Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz“ hat folgenden Wortlaut:

Wie der deutsche, so dient auch der ausländische Arbeiter der Stirn und der Faust durch seinen Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich dem Neuaufbau Europas und dem Kampf um die lebenswichtigen Voraussetzungen für eine glückliche Zukunft und Wohlfahrt der Völker im europäischen Raum. Der ausländische Arbeiter muß sich dieser Aufgabe und Auszeichnung stets bewußt sein. Auf diesem Gedanken beruht sein Einsatz, seine Arbeitsleistung und seine persönliche Haltung.“

Das Arbeitsbuch war ein von staatlichen Stellen ausgestelltes Dokument, das einem Arbeitgeber bei der Einstellung verpflichtend vorzulegen war. Ziel war es, die berufliche Mobilität von Arbeitnehmern zu kontrollieren und von der Zusage durch den früheren Arbeitgeber abhängig zu machen. Damit sollte es Arbeitnehmern unmöglich gemacht werden, Lohnunterschiede zwischen Unternehmen oder Branchen mittels eines Firmenwechsels auszunutzen. Das Arbeitsbuch war somit ein Mittel, die Berufsfreiheit grundsätzlich einzuschränken, nach 1935 zudem ein Instrument der wirtschaftlichen Mobilmachung zur Vorbereitung des Vierjahresplans.

In einigen Ländern ist das Arbeitsbuch noch gebräuchlich und für jeden gesetzlich vorgeschrieben. In der DDR wurde das Dokument teilweise bis 1967 geführt.

Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz war eine Funktionsbezeichnung, unter der der thüringische Gauleiter Fritz Sauckel ab dem 21. März 1942 insbesondere für den Einsatz der sogenannten Fremd- und Ostarbeiter im Deutschen Reich sowie in den von der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg besetzten Gebieten zuständig war. Fritz Sauckel wurde im Morgengrauen des 16. Oktober 1946 im Militärgefängnis in Nürnberg hingerichtet.

Eigens für den Vierjahresplan wurde bei Göring eine Behörde mit der Bezeichnung „Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz“ geschaffen. Diese Behörde erhielt 1941 die Befugnisse für den „Russseneinsatz“ unter dem Ministerialdirektor Werner Mansfeld aus dem Reichsarbeitsministerium. Dabei ging es zunächst um den Einsatz der Kriegsgefangenen. Im Zuge einer Umstrukturierung der deutschen Kriegswirtschaft im Zweiten Weltkrieg schuf Adolf Hitler ein neues Amt, das die möglichst schnelle und umfangreiche Mobilisierung von Arbeitskräften für die deutsche Wirtschaft organisieren sollte. Den Bedarf an Arbeitskräften legte die "Zentrale Planung" unter der Leitung von Hans Kehrl fest.

Ziele der Zwangsarbeit waren unter anderem: Arbeitsersatz der durch den Kriegseinsatz in der Wehrmacht in Deutschland fehlenden Männer, Einsparungen für deutsche Firmen, da Zwangsarbeiter günstiger als reguläre Arbeiter waren, Erhöhung der Staatseinnahmen, durch von der Industrie zu übernehmende Verleihgebühren und Ausländersonderabgaben.

Im Januar 1942 befahl Göring mit Erlass vom 19. Dezember 1941 die Anwerbung von Ostarbeitern und unterstellte alle Bewohner der besetzten Ostgebiete der öffentlichen Arbeitspflicht, da der Krieg zu einem dramatischen Arbeitskräftemangel in Deutschland geführt hatte. Die Anwerbung sollte in großem Umfang in allen besetzten russischen Gebieten erfolgen, wobei vormalige ideologische und volkstumspolitische Erwägungen in den Hintergrund gerieten.

Die deutsche Kriegswirtschaft, Industrie und Landwirtschaft wären ohne das Millionenheer deportierter Fremdarbeiter und Kriegsgefangener zusammengebrochen. Deren Zahl stieg von 1,2 Millionen im Jahr 1941 auf 7,8 Millionen im Jahr 1944 – davon knapp fünf Millionen Russen und Polen.

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Reichsarbeitsdienst im Kreis Franzburg-Barth

In Barth-Stein lebten nicht nur dienstverpflichtete Männer der Pommerschen Industriewerken PIW, auch junge Frauen lebten hier für eine begrenzte Dauer. Es handelte sich dabei um Frauen, sogenannte „Arbeitsmaiden“, die für den Reichsarbeitsdienst einberufen worden waren. Sie wohnten in den Baracken im östlich des „Platz der Gemeinschaft“ gelegenen Teil des Bereitschaftslagers.

Unmittelbar nach Kriegsbeginn wurde die Arbeitsdienstpflicht für Frauen eingeführt. Das hatte zwei Gründe: Zum einen war es dem Reichsarbeitsführer des RAD, Hierl, gelungen, Hitler vom ideologischen, erzieherischen und auch praktischen Wert des Reichsarbeitsdienstes weibliche Jugend (RADwJ) zu überzeugen, zum andern hatte er darauf verzichtet, alle pflichtjahrpflichtigen Mädchen auch zum RADwJ heranziehen zu wollen, und sich darauf beschränkt, Ledige im Alter von 17 bis 25 Jahren, die nicht voll berufstätig sind, nicht in beruflicher oder schulischer Ausbildung stehen und nicht als mithelfende Familienangehörige in der Landwirtschaft dringend benötigt werden, für arbeitsdienstpflichtig zu erklären. […]

Am 1. Oktober 1939 rückte das erste Kontingent arbeitsdienstpflichtiger Frauen in Deutschland in die Lager des RADwJ ein. Um die Sollstärke von 100 000 möglichst schnell zu erreichen, verschob Hierl darüber hinaus bis auf weiteres die Entlassung der bereits im Arbeitsdienst befindlichen Arbeitsmaiden, die normalerweise am 30. September 1939 stattgefunden hätte.“ (Institut für Zeitgeschichte)

Als das Bereitschaftslager Barth-Stein 1940 auf den Reißbrettern des Berliner „Bauatelier Prof. Ernst Neufert“ Gestalt annahm, waren insgesamt vierzehn Baracken, Mannschaftsbauten genannt, für den Bau geplant. Vorausschauend jedoch wurde am östlichen Rand des Lagers ein Gelände für zwei weitere, eventuell später noch zu errichtende Baracken, reserviert. Diese wurden dann auch gebaut, vermutlich waren das die Unterkünfte für die Arbeitsmaiden des Reichsarbeitsdientes.

Betrug die Dienstdauer im RAD vor dem Krieg noch ein halbes Jahr, so wurde sie nun auf zwölf Monate ausgeweitet. Der Entlassungsschein der Ilse D. belegt das:

Reichsarbeitsdienst-Entlassungsschein. Ilse D., geb. am 3.3.24 in Stargard i.Pommern.

Ilse D. War vom 28.10.42 bis 28.10.43 im Reichsarbeitdienst. Sie wurde am 28.10. nach Stargard i. Pommern entlassen. Sie hat für den 28.10. Taschengeld, sowie bis einschließlich 31.10. Verpflegungsgeld erhalten. Ilse D. Ist im Besitz einer Seifen – Kleiderkarte.

Ausgestellt in Barth-Stein am 28.10.43 durch den Kriegsdienst des Reichsarbeitsdienstes.

Was man sich wohl unter Seifen-Kleiderkarte vorzustellen vermag? Eine Lebensmittelkarte, zu jener Zeit überlebenswichtig, wurde Ilse D. nicht ausgehändigt.

Der Reichsarbeitsdienst (RAD) war eine Organisation im nationalsozialistischen Deutschen Reich. Das Gesetz für den Reichsarbeitsdienst wurde am 26. Juni 1935 erlassen. § 1 (2) lautete: „Alle jungen Deutschen beiderlei Geschlechts sind verpflichtet, ihrem Volk im Reichsarbeitsdienst zu dienen.“ § 3 (1) lautete: „Der Führer und Reichskanzler bestimmt die Zahl der jährlich einzuberufenden Dienstpflichtigen und setzt die Dauer der Dienstzeit fest.“ Zunächst wurden junge Männer (vor ihrem Wehrdienst) für sechs Monate zum Arbeitsdienst einberufen. Vom Beginn des Zweiten Weltkrieges an wurde der Reichsarbeitsdienst auf die weibliche Jugend ausgedehnt. Der Reichsarbeitsdienst war ein Bestandteil der Wirtschaft im nationalsozialistischen Deutschland und ein Teil der Erziehung im Nationalsozialismus.

Michaelsdorf als Vorreiter im Kreis Franzburg-Barth

Die Verwirklichung des Arbeitsdienstes entsprang dem Wollen des Führers: Einmal in seinem Leben soll jeder Deutsche mit seiner Hände Arbeit beweisen und erleben, daß er sich in die Gemeinschaft der Schaffenden fügt. Daß die Ehre und die Arbeit des Handarbeiters nicht minderwertig, sondern gleichwertig mit jeder anderen Arbeit ist. In der Gemeinschaft des Lagers wird der Nationalsozialismus verwirklicht.

Da ein freiwilliger Arbeitsdienst dieses Ziel nicht erreichen konnte, weil er zwangsläufig nicht alle erfasste, schuf Hitler mit dem Gesetz von 26. Juni 1935 den Reichsarbeitsdienst und mit ihm die Arbeitsdienstpflicht.

Der Arbeitsdienst „wurde in Verbindung mit der Weltwirtschaftskrise, insbesondere für Jugendliche beiderlei Geschlechts, als Freiwilliger Arbeitsdienst 1931/32 eingeführt. Im Zuge der Errichtung des NS-Regimes nach 1933 zwang die Reichsregierung mit dem Reichsarbeitsdienstgesetz vom 26. Juni 1935 jeden Jugendlichen - unabhängig vom Geschlecht - zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr gemeinnützige Arbeiten zu verrichten. Dieser Dienst wurde vorläufig auf ein halbes Jahr festgelegt. Ziel des Reichsarbeitsdienstes (RAD) war gemäß Gesetz, die deutsche Jugend im Geiste des Nationalsozialismus zur Volksgemeinschaft und zur wahren Arbeitsauffassung, vor allem zur gebührenden Achtung der Handarbeit erziehen. Ebenso wichtig wie dieser ideologische Anspruch war jedoch die Senkung der Arbeitslosenzahlen und die Aufrüstung. Die deutsche Jugend sollte kriegsfähig gemacht werden. Dazu arbeitete sie an der Urbarmachung von Land, am Straßenbau, in der Landwirtschaft und im Aufbau militärischer (Abwehr-) Anlagen wie dem Westwall. Die Arbeitsmänner und Arbeitsmaiden waren in eigenen RAD-Lagern untergebracht.

Der RAD hatte vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 unter dem Decknamen „Verein für Umschulung freiwilliger Arbeitskräfte“ einen Vorläufer. Im Herbst 1932 wurde Michaelsdorf der erste Ort im Kreis Franzburg-Barth, in dem ein solcher „Verein“ aktiv wurde. Derartige Vereine gab es schon Jahre früher. So wurde zum Beispiel ein solcher bereits im Oktober 1931 in Berlin gegründet. Den Verein in Michaelsdorf hatten altgediente Nationalsozialisten gegründet, die über eine entsprechende Ausbildung, die sie in Hammerstein erhalten hatten,verfügten. Gegen unzählige Widerstände erfüllten diese Männer, die überall auf einsamen Posten standen, die Idee des nationalsozialistischen Arbeitsdienstes mit Leben. Neben der Aufgabe, Deicharbeiten und Entwässerungen durchzuführen, stand die Erziehungsaufgabe, das heißt, die Vermittlung nationalsozialistischen Gedankengutes. Die NSDAP zeigte aber wenig Interesse am Arbeitsdienst.

Die Erfolge der durchgeführten Arbeiten waren aber ganz offensichtlich. Seit Herbst 1932 haben die bei Demmin eingesetzten Abteilungen viele Werte geschaffen. Randsiedlung, Erschließung des Geländes durch Anlegen von Wirtschaftswegen, Entwässerungsarbeiten, Räumungs- und Regulierungsarbeiten sind nur einige der vielen durchgeführten Arbeiten.

Mit der Machtübernahme 1933 verschwanden alle Arbeitslager, um den Gedanken des Arbeitsdienstes zu verwässern. Der Grund dafür war, dass die SA im RAD einen Konkurrenten sah. Die Führung der SA wollte einen eigenen Arbeitsdienst aufbauen, der als Gegenstück zu den bestehenden NSDAP-Lagern des RAD auftreten sollte. Diese schon sehr frühzeitig erkennbare Konkurrenz zwischen der NSDAP und der SA fand letztlich ihren dramatischen Höhepunkt in der Ermordung des SA-Führers Ernst Röhm und der Führungsspitze der SA im Jahr 1934.

Mit dem 1. August 1933 war die NSDAP die allen berufene Organisation, den Arbeitsdienst nach den Weisungen des Führers durchzuführen.

Die zu „Pommern-West“ gehörende RAD-Gruppe 53 mit ihren 7 Abteilungen, bisheriger Sitz in Demmin, verlegte ihren Stab nach Stralsund. Jede Abteilung der Gruppe 53 erhielt einen Ehrennamen, der die Arbeitsmänner an große Männer oder bedeutende Ereignisse der deutschen Geschichte gemahnt. Durch diese lebendige Pflege einer großen Überlieferung und durch das Erlebnis des Arbeitsdienstes, in dem jeder in der Gemeinschaft denkt und fühlt, erkennt der Arbeitsmann seine Aufgabe für die Zukunft seines Volkes. Er wird durch den Arbeitsdienst Kämpfer für Volk und Führer.

Abteilung 1/53 „Major Schill“, Demmin

Abteilung 2/53 „ Schwedenkönig Karl XII.“, Demmin

Abteilung 3/53 „Bertram Wulflam“, Richtenberg

Abteilung 4/53 „Ernst Moritz Arndt“, Lietzow

Abteilung 5/53 „Eduard von Jachmann“, Franzburg

Abteilung 6/53 „Hochkirch“, Ummanz

Abteilung 7/53 „Rudolf Windisch“, Ummanz.

Eine Pflichtarbeit kann niemals aus der Freiwilligkeit eines Menschen entspringen, das macht schon der Begriff „Pflicht“ deutlich. Und dennoch argumentierte die NS-Propaganda mit dem Gegenteil, die Dienstpflicht ließe sich niemals notverordnen, sondern sie müsse aus dem innersten Bewusstsein des Volkes entspringen. „Der Arbeitsdienst ist eine Bewegung!“ behauptete ein führender Mitarbeiter des Arbeitsdienstes, dessen Chef Oberst a. D. Konstantin Hierl war. „Er ist eine Bewegung, entsprungen den Wurzeln wie der Nationalsozialismus und deshalb ein Teil von ihm, ein Glied eines größeren Körpers, das das gleiche Blut durchpulst, mit ihm verbunden auf Gedeih und Verderb.“

Dabei konstatierte Hitler doch, dass ein freiwilliger Arbeitsdienst dieses Ziel nicht erreichen konnte, und er genau deshalb 1935 das Gesetz zum Reichsarbeitsdienst erlassen hatte und damit die Arbeitsdienstpflicht einführte.

***

Die Bereitschaftslager Barth-Stein und Barth-Holz

Die Notwendigkeit für die Errichtung dieser Lager ergab sich daraus, dass im Barther Stadtholz ein Jahr zuvor die Munitionsfabrik entstanden war. Um deren Produktionsabläufe gewährleisten zu können, wurden aus dem gesamten Reichsgebiet, wie an anderen Rüstungsorten auch, die nötigen Arbeitskräfte herangezogen. Um diese mit Unterkünften versorgen zu können, entstanden die Lager Barth-Holz sowie Barth-Stein. Hier wohnten Menschen, die arbeitsmäßig ausschließlich mit der PIW verbunden waren. Das bedeutet, dass derjenige, der sich mit den Pommerschen Industriewerken Barth GmbH (PIW) auseinandersetzt, nicht umhin kommt, auch die Vergangenheit der heutigen Wohnsiedlung „Barth-Tannenheim“ mit einzubeziehen. Die Geschichte dieser Siedlung begann 1940 als „Bereitschaftslager Barth-Stein. Bis Anfang der 1960er Jahre existierte noch ein zweites ehemaliges Bereitschaftslager mit der Bezeichnung „Barth-Holz“. Davon sind jedoch nur noch ganz wenige Spuren im Wald versteckt vorhanden. Nur wer über genaue Ortskenntnisse verfügt, wird die Reste aus dieser dunklen Vergangenheit finden.

Die konkreten Vorbereitungen für die beiden Bauvorhaben begannen vermutlich bereits vor 1940. Federführend war das „Bauatelier Prof. Ernst Neufert Berlin“. Die „Verwertungsgesellschaft der Montanindustrie GmbH“ trat als Bauherr auf. Bauleiter war Prof. Ernst Neufert.

 

Bereitschaftslager Barth-Stein

Was mag es mit dieser Wohnsiedlung auf sich haben, fragt sich heute der Fremde, der hier als Urlauber in Richtung Bodstedt bzw. Zingst, Darß und Fischland unterwegs ist. Denn viel sieht er ja nicht von der Wohnanlage, sie entzieht sich weitgehend dem Auge des Vorbeifahrenden durch einen Streifen von Kiefernbäumen, die zwischen der Landesstraße L21 und den Gebäuden stehen. Ganz so, als habe sie etwas zu verbergen. Gelegentlich ist zu hören, Barth-Stein sowie Barth-Holz seien bei den Nationalsozialisten einst Gefangenenlager gewesen. Dem ist allerdings nicht so, zumindest für Barth-Stein trifft das nicht zu. Geheimnisvolles existiert hier nicht und gab es auch nie. Selbst damals, im Krieg, als die Anlage errichtet und betrieben wurde und der Rüstungsindustrie in Barth diente, war doch alles relativ harmlos.

Die Entscheidung für Barth-Stein fiel im Jahre 1939. Für die auswärtigen Beschäftigten des Barther Rüstungsbetriebes „Pommersche Industriewerke Barth (PIW) GmbH“ sollten zwei Wohnlager errichtet werden. Als Standort hatte man ein Waldstück am westlichen Stadtrand von Barth für passend befunden. Das Architektenbüro des Prof. Neufert erhielt den Auftrag, ein solches Vorhaben zu konzipieren und zu projektieren. Schon bald konnten die Bauunterlagen mit einem entsprechenden Antrag zur Baugenehmigung beim Landrat des Kreises Franzburg-Barth eingereicht werden.

Die Baubeschreibung.

In der Baubeschreibung für das „Bereitschaftslager Barth-Stein“ mit einer Gesamtfläche von 180.000 m² beschreibt die Verwertungsgesellschaft als Bauherr am 13. Januar 1940 das Projekt im Detail. Demnach sollte das Lager so angelegt werden, dass es sich um einen „Platz der Gemeinschaft“ gliedert, an welchem die Gemeinschaftsbauten mit dem Gemeinschaftshaus einschließlich der Küchen- und Wirtschaftsräume, einem Fahrradschuppen, dem Wachgebäude, dem Badehaus, dem Bürogebäude und den Wohnungen für die Verwaltung liegen sollten. Östlich dieses Platzes erstreckte sich in Reihenhausform das Lager für die weiblichen und westlich des Platzes das Lager für die männlichen Insassen. Die einzelnen Haustypen wurden zum größten Teil als Reihenhäuser entwickelt und nur vereinzelt als Doppelhäuser erstellt. Es wurde angestrebt, dass durch die Hofbildung der Reihenhausanlage ein städtebaulich reizvolles Bild entsteht.

Vorgesehen war also, dass im Lager sowohl Frauen als auch Männer wohnen sollten. Entsprechend ihren Positionen im Werk (PIW) bewohnten die Lagerinsassen dann unterschiedliche Wohnhaustypen.

Ich beginne mit dem für die einfachen Mitarbeiter entwickelte sogenannte Mannschaftshaus und gehe nachfolgend in Kurzfassung auf die anderen Haustypen sowie zu den Planungen der sogenannten Gemeinschaftsgebäude ein.

Die Baubeschreibung stellt dieses wie folgt dar:

„Jeder Wohnungstyp besteht aus einem Wohnraum, einem Wasch- und Abortraum und einem in zwei Räume unterteilten Schlafsaal mit je sechs Betten. Das Haus wird über einen geräumigen Flur, von dem aus die Luftheizung für die einzelnen Räume bedient wird, betreten.

Die Fundamente des Hauses sind aus Beton. Die Außenwände bestehen aus einem 25 Zentimeter dicken Backsteinmauerwerk mit innerer Heraklitplatten-Verkleidung, die Innenwände sind aus Bimsbeton, der Dachstuhl aus Holz mit Schalung und Pappe. Zur Wärmeisolierung werden Heraklithplatten an die Dachsparren genagelt. Sämtliche Fußböden liegen auf massiven Decken und sind aus Steinholz oder Zementestrich. Fenster und Türen in einfacher Blendrahmen-Konstruktion. Sämtliche Innenwände werden geputzt, die Außenwände erhalten eine Schlämme aus Dyckerhoff-Weiß. Die sichtbaren Holzteile werden geölt und lackiert. Auch die weiteren Haustypen werden nach diesem Standard errichtet.“

Bei den Wohnungen für die Mitarbeiter in der Verwaltung gilt es dann schon höheren Ansprüchen an Wohnkomfort gerecht zu werden. Hier hat jede Wohnung eine Diele, einen Wohnraum, zwei Schlafräume, Bad und Küche.

Die „Mannschaften“ hingegen müssen sich mit einem gemeinschaftlich zu nutzenden Brause- bzw. Badehaus begnügen. Auch eine Küche ist für die Mannschaften in deren Wohnungen nicht vorgesehen. Die Leute werden in einer Gemeinschaftseinrichtung versorgt.

„Im Lageplan sind 10 Wohnhaustypen angenommen. Vorläufig sollen jedoch nur 4 Wohnhaustypen als Wohnung für Mitarbeiter in der Verwaltung bestimmt sein. Die übrigen 6 Wohnhaustypen sollen für höhere Angestellte des Werkes erstellt werden.“

In der Mitte des Lagers befand sich eine große Freifläche mit den Abmessungen 66 X 80 Meter. Es war der „Platz der Gemeinschaft“. Um ihn herum gruppierten sich folgende Gemeinschafts- und Verwaltungsgebäude:

1 Großer Saal

2 Wirtschaftsraum

3 Sanitätsbau; Verwaltung; Werkstätten

4 Brausehaus; Feuerwehrhaus

5 Wache; Feuerwache; (eventuell später 2)

6 Garagen; Werkstatt; Fahrradschuppen

7 Heizzentrale; Kohlen

8 Schweinestall

9 Feuerwehrturm

Weiter führt die Baubeschreibung aus:

„Das Gemeinschaftshaus besteht aus einem großen Saalbau, der in der Breite durch zwei Holzstützenreihen unterteilt ist. Am nördlichen Ende befindet sich eine Bühne mit den dazu gehörigen Nebenräumen. Auf der Ostseite des Saales an der Nord- und Südecke liegen die Haupteingänge zum Saal, getrennt für Frauen und Männer. In diesen Vorbauten befinden sich die Toiletten, Garderoben und je ein kleiner Spülraum für das nach dem Essen von den Lagerinsassen abzuspülende Besteck.

Die Außenwände des Bauwerkes sind in Backsteinmauerwerk errichtet. Die Fenster werden als hölzerne Zargenfenster ausgeführt, die Türen als Blendrahmentüren. Der Saalbau wird innen geputzt und außen mit Dyckerhoff-Weiß geschlämmt. Die sichtbaren Holzteile werden geölt und lackiert.

Das Wirtschaftsgebäude ist unterteilt in die eigentliche Küchenanlage mit den Räumen für den Küchenchef, Tagesräume für das Küchenpersonal und den Kühlräumen und in die Vorrats- und Vorbereitungsräume auf der Nord- und Westseite des Gebäudes. Das Gebäude ist grundrisslich um einen Hof herum entwickelt, was den Vorteil hat, dass innerhalb des Hofes Töpfe und Tücher des Küchenbetriebes zum Trocknen ausgelegt werden können.

Die Konstruktion des Gebäudes ist im einzelnen ähnlich der des Gemeinschaftshauses.

Reviergebäude mit Büro und Werkstatt. Das Gebäude enthält auf seiner westlichen Seite Räume für den Sanitätsbetrieb, und zwar nach Norden die Untersuchungs- und Behandlungsräume und nach Süden die Aufenthaltsräume der Kranken. In seinem mittleren Teil ist eine kleine Postagentur mit einem Schreibraum, mit Briefmarkengeber usw., und die Büroräume für den Lagerbetrieb und auf seiner westlichen Seite liegt eine kleine Werkstatt für den Lagerführer.

Ein weiteres Gebäude enthält das Brausehaus. Auch ein Feuerlöschschuppen sowie der Feuerwehrturm befinden sich dort.

Der nördliche Teil enthält den Badebetrieb, getrennt nach Frauen und Männern, mit den notwendigen Umkleide-, Bade- und Brauseräumen und je einen Raum für den Haarpfleger.

Der südliche Teil enthält den Feuerlöschschuppen. Angebaut an dieses Gebäude ist der Feuerwehrturm (Höhe 16,86 m), in dem die Schläuche zum Trocknen aufgehängt werden und der zu Übungszwecken Verwendung findet.

An dem Haupteingang zum Lager befinden sich zwei Wachhäuser. Die beiden Wachhäuser flankieren im Osten und Westen die Zufahrt zum Lager. Das östliche Gebäude enthält die Feuerwache mit einem Tagesaufenthaltsraum, einem Schlafraum und einem Toiletten- und Waschraum. Das westliche Wachhaus enthält die Wache für den Sicherheitsdienst. Die Aufteilung ist wie bei dem westlichen Gebäude.

Auch an einen Fahrradschuppen wurde gedacht. Motorisiert dürfte kaum einer der Lagerinsassen gewesen sein, so dass für Ausflüge in die Umgebung oder auch die Fahrt zum Werk gelentlich das Fahrrad genutzt worden sein dürfte.

Die Anlage für die Unterbringung der Fahrräder ist als Winkelgebäude ausgeführt, und zwar anschließend an das Gemeinschaftshaus. Das Gebäude ist ein Holzständerbau mit äußerem massivem Backsteinmauerwerk. An diesen Holzständern ist eine Pfettenkonstruktion angebracht, an der wiederum die Aufhängevorrichtung für die Fahrräder angeschraubt ist. In dem südlichen Teil des Ostflügels dieses Baues ist ein Garagengebäude mit Werkstatt, und zwar für die Unterstellmöglichkeit von drei Fahrzeugen.

Im östlichen Flügel des Gebäudes befindet sich das Kesselhaus mit dem Raum für die Pumpe und die Zentrale sowie für den Kohlebunker. Die Waschzentrale mit der Annahme und Ausgabe, der Waschküche mit dem Trocken-, dem Mangel-, dem Plätt-, dem Flick- und dem Lagerraum ist im westlichen Gebäudeteil angesiedelt.

Was mich beim Sichten der Baubeschreibung besonders in Erstaunen versetzt hat, war das Vorhandensein eines Schweinestalles. Dafür war auf der Südseite des Wirtschaftsgebäudes ein Anbau errichtet worden.

Das Gebäude enthält einen großen Raum mit den einzelnen Buchten für die Sauen und Ferkel und dem Futtergang, einen getrennten Raum für tragende Sauen und eine Futterküche. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass innerhalb der Ställe keine Zugerscheinungen auftreten.

Die einzelnen Buchten sind unterteilt durch hölzerne Lattenzäune. Der Fußboden des Futterganges ist mit einer Ziegelsteinflachschicht belegt. Auf der Südseite befinden sich die Ausläufe.

Elektro- und Wasserversorgung, das Heizen der Wohnungen sowie der anderen Gebäude des Lagers:

Für die Versorgung des Lagers mit Elektroenergie wird die Hochspannungsleitung von der Hauptleitung beim Gut Planitz abgezweigt und verläuft über einen Trafo als Niederspannungsleitung in das Lager.

Das Lager wird mit Wasser von den städtischen Wasserwerken gespeist. Der Anschluss befindet sich an der Reichsstraße 195.

Die Abwasserentsorgung erfolgt über ein Kanalisationssystem, das in den Straßen liegt. Im Norden des Geländes wird eine mechanische und biologische Kläranlage errichtet. Das geklärte Wasser fließt über einen Vorfluter in die Barthe.

Die Heizung der Mannschaftstypen und der Wohnungen für die Verwaltung erfolgt dezentralisiert durch einzeln aufgestellte Öfen, die zum Teil als Luftheizung und zum Teil als normale Kachelöfen arbeiten. Die Gemeinschaftsbauten, und zwar das Reviergebäude, das Badehaus und das Gemeinschaftshaus mit den Wirtschaftsräumen sowie die Pförtnerstuben werden vom Kesslhaus aus beheizt.“

Das waren die Planungen aus dem Bauatelier Prof. Ernst Neufert, die den zuständigen Ämtern und Behörden vorgelegt und von diesen auch genehmigt wurden. Sicherlich erfuhr die Umsetzung der Planunterlagen noch vor Baubeginn und auch noch während der Bauphase die eine oder die andere Änderung. Dazu lassen sich im Archivmaterial jedoch keine Nachweise finden.

Vorgesehen laut Bauplanung war auch der Bau von Luftschutzbunkern für die Bewohner des Wohnlagers. Dieses geht aus einem Schreiben des Bauateliers Prof. Ernst Neufert vom 25. September 1940 an das Preußische Staatshochbauamt Stralsund hervor.

Der Inhalt besagten Schreibens:

Bauvorhaben Bereitstellungslager Barth-Stein

Baubeschreibung Luftschutzbunker

Die Luftschutzbunker werden in Einzelanlagen für je 250 Mann in der auf dem Lageplan 71 A gekennzeichneten Stelle im Zusammenhang mit der übrigen Planung der Bereitschaftslageranlage errichtet (siehe hierüber Blatt 91).

Den allgemeinen Luftschutzbestimmungen entsprechend wird das Gebäude in Massivbaukonstruktion aufgeführt. Wegen des vorhandenen Grundwassers wird die Sohle der Luftschutzräume auf 10 cm über Höchstgrundwasserstand gelegt. Infolgedessen liegt das Gebäude zum Teil oberirdisch. Die Wandstärken sind dementsprechend 64 cm stark zu mauern. Das Gebäude wird bis zu 1,50 Meter unter vorhandener Erdoberkante gegründet.

Die Decke der Luftschutzbunker wird als Eisenbetondecke mit starken Eisenbetonunterzügen ausgeführt, darüber wird eine doppelte Papplage geklebt. Die Einzelheiten der Baukonstruktion und die Ausführung im Inneren geht aus Blatt 1 hervor.

Im Einzelnen setzt sich die Luftschutzanlage aus 5 Luftschutzräumen für je 50 Mann Belegschaft zusammen. Jeweils 2 solcher Räume werden von einer Gasschleuse aufgeschlossen und erhalten je 2 Toilettenanlagen. Zu jeder Luftschutzbunkereinheit gehört außerdem ein Liegeraum, in dem 6 Personen untergebracht werden können.

Die Anlage erhält außer den notwendigen Gastüren und gas- und spilttersicheren Türen eine elektrische Installation und eine mit Hand betriebene Lüftungsanlage.Die Anlage erhält außer den notwendigen Gastüren und gas- und spilttersicheren Türen eine elektrische Installation und eine mit Hand betriebene Lüftungsanlage.

Offensichtlich wurde diese Planung zum Bau der Luftschutzbunker letztendlich aber nicht umgesetzt.

Der Feuerwehrturm

Im Lagerprojekt fand auch eine Feuerwache Berücksichtigung. Denn schließlich sollten hier einmal mitten im Wald 2000 Menschen leben. Der Standort der Feuerwache war dereinst im heutigen Eschenweg. Die Räumlichkeiten der Wache befanden sich in einem Gebäude, das in seinem südlichen Teil den Badebetrieb für die Lagerinsassen beherbergte, getrennt nach Frauen und Männern, mit den notwendigen Umkleide-, Bade- und Brauseräumen und je einem Raum für den Haarpfleger. Der nördliche Teil enthielt einen Feuerlöschschuppen. Angebaut an dieses Gebäude war der Feuerlöschturm, in dem die Schläuche zum Trocknen aufgehängt wurden und der zu Übungszwecken Verwendung fand, an der Ecke Eschenweg/Kiefernweg.

Auf alten Fotos vom heutigen fällt ganz besonders dieses alles überragendes Gebäude auf, dieser rund sechzehn Meter hohe Turm. Denn alle anderen Gebäude waren lediglich einstöckige, massiv gemauerte Baracken, wie man sie heute noch vorfindet. Der Turm wurde meines Erachtens in einer ansprechenden Architektur entworfen und auch gebaut. Im oberen Bereich hatte man auf der Nordseite eine große Uhr installiert. Vom Turm ist lediglich nur noch die Fundamentplatte vorhanden. Diese Stelle nutzen die Tannenheimer jetzt, um hier die Gelben Säcke zur Abholung bereitzulegen.

Von der Reichsstraße 195 kommend, zum Lager abbiegend, standen einst zwei Wachhäuser an der Zufahrt. Die beiden Wachhäuser flankierten im Osten und Westen diese Straße, den heutigen Eschenweg, zum Lager. Das östliche Gebäude enthielt die Feuerwehrwache mit einem Tagesaufenthaltsraum, einem Schlafraum und einem Toiletten- und Waschraum, das westliche Wachhaus enthielt die Wache für den Sicherheitsdienst, die Aufteilung des Gebäudes ist die gleiche. Dieses ehemalige Wachgebäude diente nach dem Kriege viele Jahre als Konsumverkaufsstelle, bevor der „Konsum“ dann weiter nördlich in ein anders Gebäude verlegt wurde.

Bevor die zuständigen Ämter das Vorhaben „Feuerwehrturm“ absegnen konnten oder wollten, gab es seitens der Kreisverwaltung noch den einen und den anderen Einwand. Am 17. Juni 1940 wurde moniert, dass das Bauvorhaben, ebenso wie das Lager Barth-Holz gegen die Bestimmungen der Bauordnung für die Städte des Regierungsbezirks Stettin (§8 C, Abstand der Gebäude voneinander) verstoße. Wenn auch die Feuergefahr hier nicht so erheblich sei wie bei Barth-Holz, so müsse trotzdem reichliche und wirksame Feuerschutz- und Feuerlöscheinrichtungen bereit gehalten werden und weitgehende Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Bränden getroffen werden.

Weil infolge der geringen Gebäudeabstände sowie der zahlreichen Schornsteine und der leichten Bauweise der Dächer große Feuergefahr bestehe, machte der Landrat am 26. Juli die Bauauflage, deshalb besonders reichliche und wirksame Feuerschutz- und Feuerlöscheinrichtungen in stets gebrauchsfertigem Gebrauchsstande in dem Lager bereit zu halten. Zum Zwecke der Brandbekämpfung seien nach dem Gutachten der Feuerlöschpolizei mindestens drei Hydranten aufzustellen.

Aber dann war man doch am Ende des Ämter-Marathons angelangt. Der Bauschein zur Errichtung des Feuerwehrturmes trägt das Datum vom 20. Oktober 1940, ausgestellt vom Landrat des Kreises Franzburg-Barth. Mit der Bauausführung war die Firma Arnold Kuthe Baugeschäft GmbH beauftragt worden.

Das Fundament wurde in Beton ausgeführt, die Außenwände als 38 cm starke Backsteinmauer, die Innenwände als Schwemmsteinwände. Die Dachkonstruktion in Holz mit Schalung von Pappe. Zur Isolierung wurden Heraklithplatten darunter genagelt. Die Fußböden waren auf massiven Decken, die Innenwände geputzt, die Außenwände mit Dyckerhoff-Weiß geputzt. Die Türen und Fenster waren in einfacher Blendrahmen-Konstruktion ausgeführt.

Zuvor erfolgte die Berechnung der Statik. Dafür zeichnete der Bauingenieur Ludwig Iffländer aus Berlin O 112, Boxhagener Straße 51, verantwortlich. Mit Schreiben vom 10. Oktober erhielt die Montan Barth-Stein die erforderlichen Berechnungen zur Statik für den Feuerwehrturm.

So ganz fehlerlos soll die Angelegenheit aber wohl doch nicht gewesen sein. Am 4. Februar 1941 teilte der Landrat dem Bauatelier Prof. Ernst Neufert mit, dass der Bearbeiter der statischen Berechnung den Turm für Windbelastung nach DIN1056 (Schornsteinvorschriften) behandelt hat. Richtig wäre es gewesen, die Windlasten nach DIN 1055, Blatt 4, vom 2.8.1938 Abs. 20, Spalte 4 anzusetzen.

Von der Forderung einer Nachtragsberechnung wolle er aber absehen, weil die zulässigen Beanspruchungen der Vorschrift nach DIN 1055 nicht überschritten würden.

Jedoch für die umgehende Begleichung der beigefügten Gebührenrechnung über 75,- RM möge bitte Sorge getragen werden.

Die Bauerlaubnis.

Der Landrat des Kreises Franzburg Barth, Adalbert Boettcher, fertigte für den Bauherrn den beantragten Bauschein aus (Bauschein-Nr. 271/1940) und teilte mit Schreiben vom 26.Juni 1940 folgendes mit: „Auf Antrag der Verwaltungsgesellschaft für Montanindustrie Berlin-Charlottenburg wird unbeschadet Rechte der Dritter hiermit die Genehmigung erteilt auf dem Grundstück in Barth das in den beiliegenden als zugehörig bezeichneten Bauvorlagen (Baubeschreibung, Zeichnungen und Berschnungen) dargestellte Bauvorhaben „Errichtung des Bereitschaftslagers Barth-Stein“ auszuführen.“

Das könnte als die Geburtsurkunde für das heutige Barth-Tannenheim angesehen werden.

Der Bauherr hatte nun grünes Licht erhalten und konnte mit der Umsetzung des von Prof. Ernst Neufert entwickelten Projekt „Bereitschaftslager Barth-Stein“ beginnen.

Mit der Bauerlaubnis erreichten den Bauhern allerdings auch einschränkene Anordnungen. Denn gleichzeitig mit Erteilen der Erlaubnis wird bestimmt, „die Bauerlaubnis wird nur befristet erteilt. Die Standdauer der Bauwerke wird auf zwei Jahre (vom Datum des Bauscheines an gerechnet) befristet. Nach Ablauf dieser Zeit sind die Bauwerke sofort abzubrechen, sofern nicht vorher auf besonderen Antrag eine Verlängerung der Standdauer baupolizeilich zugebilligt sein sollte.“ Wie wir wissen, stehen die Bauten auch heute nach nahezu 80 Jahren immer noch und werden zum Wohnen genutzt.

Weiterhin ist festgelegt : „Das Lager darf nur mit höchstens 2000 Personen belegt werden“ sowie „Der Saalbau darf nicht zu öffentlichen Versammlungen oder Veranstaltungen benutzt werden.“ [2]

Beauflagungen gab es auch hinsichtlich der Standsicherheit und Tragfähigkeit der Konstruktionen, der Brandmauern, Schornsteine, Prüfungen der Zentralheizungsanlagen, ausreichende und vorschriftsmäßige Luftschutzanlagen für die Belegschaft des Lagers.

Das Richtfest

Nach der erteilten Bauerlaubnis durch den Landrat machte der Bau des Bereitschaftslagers Barth-Stein nach der Grundsteinlegung im Jahre 1940 nun zügige Fortschritte. Schon am 6. Mai 1941 konnte das „Bau-Atelier Prof. Neufert“ die Vertreter der Barther Stadtverwaltung zum baldigen Richtfest einladen.

Das Richtfest für das Bereitschaftslager Barth-Stein fand also am 16. Mai 1941 auf der dortigen Baustelle statt. Das Festprogramm lief folgendermaßen ab: Beginn war um 14 Uhr. Es war vorgesehen, die Feier nicht allzu sehr in die Länge zu ziehen.

Kurze Reden wurden gehalten, in denen sicherlich der Führer mit den üblichen Lobpreisungen bedacht wurde. Auch die Leistungen der Bauleute und des Baustabes wurden erwähnt und erfuhren so eine gebührende Beachtung und Würdigung.

Abschließend dann ein Trinkspruch sowie das Einschlagen des letzten Nagels in einen Holzbalken. Der Polier leerte ein Schnapsglas. Und mit dem traditionsgemäßen Zerschmettern des leeren Schnapsglases war der Richtfestakt vollzogen.

Im Anschluss daran waren die Teilnehmer am Richtfest zu einem „Richteschmaus“ im Schützenhaus in Barth eingeladen.

Im Einladungsschreiben an das Stadtbauamt in Barth wurde vorgegeben, dass, soweit es die Witterung zulässt, die Teilnehmer am Richtfest nach der Feier von der Baustelle in geschlossener Formation zum Schützenhaus zu marschieren hätten.

Es wurde an das Stadtbauamt Barth die Bitte ausgesprochen, möglichst bis Ende der Woche vor dem Richtfest eine zahlenmäßige Aufstellung der Teilnehmer an die Bauleitung Barth-Stein einzureichen. Es sollte für die ausreichende Verpflegung genügend Vorsorge getroffen werden können. Nicht vergessen hat der Einladende, doch bitte mit der einzureichenden Liste an die Bauleitung zugleich die Abgabe von Fleischmarken von 100 Gramm für jeden Teilnehmer nicht zu vergessen.

Am Ende der Einladung dann noch die Aufforderung an das Barther Stadtbauamt „anlässlich des Richtefestes auf der Baustelle Barth-Stein als Ehrengast an der Feier teilzunehmen.“

***

Der Kräutergarten DACHAU

Deutsche Versuchsanstalt

für Ernährung und Verpflegung GmbH. Werk Dachau

Dachau 3 Postschließfach 11 / Ruf 1151, 1167, 1168

Empfangsschein No 684

für die Verwaltung Siedlung Barth-Stein & Gemeinschaftslager Barth-Holz

Barth-Stein / Pommern

Meine Bestellung vom 4.3.42 über

je 10 Hsp. - Bohnenkraut, gem.

- Koriander

- Liebstöckel

- Petersilie

- Weinraute

- Pmpinelle

5 Hsp. - Dillkraut

- Estragon

- Kümmel

- Salatwürze

- Waldmeister

8 Hsp. - Rosmarin

Leider konnten wir Ihnen nicht das gewünschte Quantum zukommen lassen,sowie z.Zt. Beifuß

heute erhalten durch Boten – Postpaket – Expreß – Eilfracht – Fracht bestätigt

 

......................., den 17.3.42 …....................................

Erledigt durch: 25.3.

Unterschrift

 

Ein simpler Lieferschein aus dem Jahr 1942 mit dem unverfänglichen Absender „KRÄUTERGARTEN Dachau“. Klingt doch richtig gut, das mit dem „Kräutergarten“. Man denkt dabei sofort an gesunde Öko-Ernährung vom Wochenmarkt. Und das sogar mitten im Zweiten Wltkrieg und nicht nur für die deutschen Bewohner im Bereitschaftslager Barth-Stein, sondern auch für die Ostarbeiter, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangenen und Militärinternierten im Lager Barth-Holz. So viel Fürsorge für die dienst- bzw. zwangsverpflichteten oder verschleppten Mitarbeiter der Munitionsfabrik Pommersche Industriewerke Barth (PIW) konnte bislang wohl niemand vermuten.

Doch steckte da wirklich reine nationalsozialistische Menschlichkeit dahinter? Zumal man bei dem Ortsnamen Dachau hellhörig werden muss. Dachau in der NS-Zeit? War da nicht was mit Konzentrationslager und schlimmen Massenmorden an Juden und anderen verfemten Menschen? Auch der Begriff „Versuchsanstalt“ jener Jahre klingt recht anrüchig. Und in der Tat, der Kräutergarten gehörte zum KZ in Dachau. Die „Deutsche Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung GmbH“ gehörte zur Amtsgruppe W des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes des Reichsführers SS. Der „Kräutergarten“ war so groß, wie der gesamte Stadtteil Dachau Ost heute (2015) ist. In riesigen Beeten wuchsen Thymian, Pfefferkraut, Ringelblumen und Gladiolen und all die anderen Kräuter heran.

Die Anlage „wurde am 23. Januar 1939 mit einem Gründungskapital von 35.000 RM aus Mitteln der Deutsche Erd- und Steinwerke als GmbH gegründet. Der Gründer war der SS-Führer Oswald Pohl, Chef des WVHA. Finanziert wurde das Unternehmen durch einen Kredit des Roten Kreuzes in Höhe von 8 Millionen Reichsmark“, ist bei Wikipedia nachzulesen. Leiter der Anlage war Emil Vogt.

Zu den Aufgaben der Anstalt gehörten der „Anbau und die Erforschung von Gewürz- und Heilkräutern, die Versorgung deutscher und ausländischer Märkte mit „deutschen Drogen“, die Herstellung und Mischung neuer Drogen, die Unterhaltung von Laboren, der Grundstückserwerb sowie der Vertrieb der erstellten Produkte. Der „Kräutergarten“ im KZ Dachau (Name des Arbeitskommandos: „Plantage“) und die Plantage im Außenlager Heppenheim (Name des Arbeitskommandos: „Dachau“) waren die bekanntesten Projekte.“ (Wikipedia)

Zu dem Kommando „Plantage“ stellte Daniella Seidls, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Volkskunde/Europäische Ethnologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) Forschungen an, die am 29. April 2008 unter dem Titel „Zwischen Himmel und Hölle“ publiziert wurden. Demnach war der „Kräutergarten“ eines der Vorzeigeobjekte des Reichsführers SS Heinrich Himmler, wozu noch ein Labor für eine ganzheitliche Naturheilkunde im Dienste für eine Volksmedizin.gehörte. Daniella Seidl stellt in ihren Betrachtungen fest, die Arbeit in der „Plantage“ sei eine Art Todeskommando gewesen.

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG befasste sich in einem Beitrag vom 1. April 2015 zum Thema NS-Ernährungspolitik mit dem „Bio-Gemüse im Zeichen des Hakenkreuzes“. Autor ist Gregor Schiegl. Diesem Beitrag ist zu entnehmen, dass sich Heinrich Himmler schon früh mit dem Plan befasste, das deutsche Volk sollte allmählich auf eine Verpflegung, ähnlich der römischen Soldatenverpflegung oder der Verpflegung der ägyptischen Sklaven kommen, die alle Vitamine enthalte und billig sei. Dazu rief er die "Deutsche Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung" ins Leben. Sie unterstand ihm „persönlich und war die Dachorganisation für die Lehr- und Forschungsanstalt, die der Plantage in Dachau angeschlossen war. Ihr Forschungsauftrag: Wege abseits der naturwissenschaftlichen finden, die als jüdisch verdächtigt wurden, und Modelle entwickeln, wie man die deutsche Volksgesundheit verbessern könne - Bio im Zeichen des Hakenkreuzes. […]

Wie bei vielen NS-Projekten war auch der Kräutergarten, Kommandoname "Plantage", bereits ein Baustein für den geplanten Angriffskrieg. Die in Dachau angebauten Gladiolen werden pulverisiert und zu Vitamin C verarbeitet, die Päckchen an die Ostfront geschickt. […] Zugleich sollte das Reich von der Einfuhr ausländischer Medikamente und Gewürze unabhängig werden. So diente eine Mischung aus gemahlenem Basilikum, Thymian, Bohnenkraut als deutscher Pfeffer-Ersatz, das Regime wollte Devisen sparen. Es wittert sogar selbst ein lukratives Geschäft durch den Export "deutscher Drogen". Wirtschaftlich war das nur machbar mit billigsten Arbeitskräften. Das Konzentrationslager lieferte sie. [...]

Auf der Rückseite des Wirtschaftsgebäudes hatte die SS eine Verkaufsstelle eingerichtet, an der Bewohner aus Dachau und dem Umland Gemüse einkaufen konnten.“

Von dem Kräutergarten ist heute zwischen Gewerbebauten nur etwas mehr eine Fläche in der Größe eines Fußballfeldes übrig geblieben.

Auch ein Symbol der Verdrängung, des Nichtwissen-Wollens. Und das weit über die Nachkriegszeit hinaus bis in die 1990er Jahre“, wie Gregor Schiegl abschließend bemerkt.

Und die F.A.Z. Ließ schrieb am 6. September 2013 in einem ganzseitigen Artikel von Jan Grossart über den „Kräutergarten Dachau“:

Im Kräutergarten ar­beiteten viele Kommandos, 12 Capos und 25 Unter­capos besorgten die Aufsicht und die Arbeitszuwei­sung. Die Abteilungen hießen: „Tee- und Gewürze­bau“, „Lehrkultur“, „Gemüseland“, „sechs Gewächs­häuser“, „Freiland I und II“ usw.
Die Plantage entwickelte sich zu einem wichtigen Produzenten eines Ersatzgewürzes, des Deutschen Pfeffers, und eines Vitamin-C-Konzentrates, das nach einem in Dachau ent­wickelten Verfahren aus dort angebauten Gladiolen in relevanten Mengen gewonnen wurde.
Die Höchstzahl der Arbeiter betrug im Sommer 1.300 und im Winter 400 Häftlinge. Ab März 1942 gab es dort auch Ar­beitskommandos der Priester. Plantagearbeit gehörte offizi­ell zu den leichteren Arbeiten. In Wirklichkeit aber war die Arbeit außerordentlich schwer, gerade im Jahr 1942, dem furchtbaren Hungerjahr.“

So also verschleierte man damals mit harmlos klingenden Begriffen schlimme Dinge. Ein weiteres Beispiel für diese Praxis liefert ja auch der Firmennamen „Pommersche Industriewerke Barth“.

Wer vermutet schon hinter „Kräutergarten“ eine mörderische Maschinerie? Bei einem harmlosen Industriewerk im Pommerschen denkt man auch nicht unbedingt sofort an Bomben, Granaten und chemisches Giftzeugs.

Nicht festgestellt werden konnte, für wen die Küchenkräuter in Barth-Stein und Barth-Holz bestimmt waren. Verfeinerte man damit die Speisen in der Gemeinschaftsküche für die dienstverpflichteten Arbeiter und Angestellten? Das wäre noch glaubhaft, aber es ist im Lieferschein auch vom Lager Barth-Holz die Rede. Dort wurden den Insassen, die schließlich „nur“ Zwangsarbeiter und zum Teil Gefangene waren, mit Sicherheit keine mit extravaganten Zutaten garnierte Suppen serviert.

 

***

Barth-Stein nach Kriegsende

Zugegeben, Barth-Tannenheim kann nicht als Beispiel für ein schönes Wohnumfeld herhalten. Trotzdem hat die Siedlung es nicht verdient, nur als eine Ansammlung von Gebäuden in Form von Baracken gesehen und abgetan zu werden. Tannenheim hat auch seine Geschichte. Und zwar eine ganz eigene, eine sehr spannenden Vergangenheit. Man muss sie nur kennen.

Was diese Wohnsiedlung anbelangt, so ist deren Entstehung im Jahre 1940 mit dem Rüstungsbetrieb „Pommersche Industriewerke GmbH Barth“ PIW im Barther Stadtholz ursächlich verknüpft. Tannenheim war 1940 als ein sogenanntes Bereitschaftslager mit der Ortsbezeichnung Barth-Stein errichtet worden. Nach den Bauplanungen von 1940 war das Bereitschaftslager Barth-Stein für maximal 2.000 Personen vorgesehen. Im Jahr 1944 hatten dort laut Otto-Böckler-Stiftung 1.479 deutsche Arbeiterinnen und Arbeiter der Munitionsfabrik Pommersche Industriewerke PIW Quartier bezogen.

Bereits am 30. April 1945 war der letzte Arbeitstag in den PIW. Die Rote Armee rückte am 1. Mai 1945 in die Stadt Barth ein. Da in der Munitionsfabrik mehr gearbeitet wurde, war auch die ursprüngliche Zweckbestimmung für das Bereitschaftslager Barth-Stein hinfällig geworden.

Die Bewohner, durchweg dienstverpflichtete Mitarbeiter der PIW und Angehörige des RAD (Reichsarbeitsdienst), mussten nun die Unterkünfte des Bereitschaftslagers verlassen und in ihre früheren Wohnorte zurückkehren.

Ein sowjetischer Kommandant war nun der Herr aller Dinge in der Stadt. Nur er bestimmte und verfügte, was zu geschehen hatte oder auch zu unterlassen war. Die Rote Armee hatte nicht nur die Stadt besetzt, sondern auch die Pommersche Industriewerke (PIW) unter ihr Kommando genommen. Dieses Werk sollte und wurde auch gemäß dem Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 demontiert. Das Abkommen gab der Siegermacht UdSSR die Befugnis, ihre Reparationsansprüche an Deutschland durch Demontagen und Sachlieferungen aus ihrer eigenen Besatzungszone zu befriedigen. Da die Sowjetunion die größten Kriegsschäden erlitten hatte, erhielt sie das Recht zugestanden, Reparationen sogar auch aus den anderen Zonen zu erhalten.

Wie dem auch sei, die PIW wurden von der Roten Armee jedenfalls am 1. Mai 1945 besetzt und in den folgenden Monaten sozusagen ausgeschlachtet. Alles was nicht niet- nagelfest war, wurde ab- und ausgebaut bzw. ausgebuddelt.Maschinen, Geräte und sonstige Immobilien schaffte man als Reparationsleistungen in die Sowjetunion. Die Gebäude und verbliebenen Anlagen machte man unbrauchbar.

Ein Bericht vom 21. Januar 1947 aus der Stadtverwaltung gibt dazu folgende Schilderung zu jener Zeit:

Das Werk wurde im Mai 1945 von der Roten Armee besetzt und bis zum Februar 1946 verwaltet. Während dieser Zeit wurden die gesamten Maschinenanlagen und sonstigen Einrichtungen demontiert und abtransportiert. Auch die gesamten Versorgungsleitungen für Wasser und Elektrizität und auch die zentrale Heizungsanlage mit dem gesamten Rohrsystem unterlagen der Demontage, so daß davon nichts mehr vorhanden ist.

Einige Gebäude wurden gesprengt, ein Teil ist durch Feuer zerstört worden, der Rest wurde im Februar 1946 den Selbstverwaltungsorganen zum Abbruch übergeben. Der Abbruch ist soweit durchgeführt, daß heute nur noch Ruinen stehen, die nicht mehr verwertbar sind. Die gesamten Werksanlagen müssen jedenfalls restlos zerstört werden, es darf kein Gebäude erhalten bleiben.

Ein Lageplan über das Werk ist nicht mehr vorhanden. Falls noch ein solcher über ursprünglichen Zustand der Werksanlagen gewünscht wird, so kann er auf Anforderung angefertigt werden, was aber einige Zeit in Anspruch nehmen wird.“

So weit also die Wiedergabe eines authentischen Schreibens zur Situation 1947.

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Der Barther Bürgermeister sprach von einem Trophäenkommando

Bei dem Wort Trophäenjäger denkt man zunächst unwillkürlich an Geweihe erlegter prachtvoller Hirsche. Auch an Leute denkt man, die Bodendenkmale plündern, oder an die harmloseren Sammler von Militaria. Aber was soll man davon halten, wenn in einem amtlichen Schreiben von einem "Trophenkommando" die Rede ist? Wie es der Barther Bürgermeister anno 1945 getan hat, als er dem sowjetischen Major Docenko ein Schreiben zukommen ließ. Dort verwendete er genau diesen Begriff. Sind die Behörden etwa in den demolierten Pommerschen Industriewerken (PIW) Plünderern auf die Schliche gekommen? Beim Lesen dieses Berichtes könnte man einen erbostes Stadtoberhaupt vermuten, der sich mit einem solches Wort empört Luft verschaffen wollte. Dem war aber absolut nicht so. Trophäenkommando oder auch Trophenkommission war in jenen Kriegs- und Nachkriegszeiten ein allgemein übliches Wort. Zumindest für jene, die in dieser Materie gearbeitet haben. Es lohnt sich also, mal bei Wikipedia nachzufragen. Dort wird man folgendermaßen aufgeklärt:

"Trophäenkommissionen waren im und nach dem Zweiten Weltkrieg Gruppen sowjetischer Fachkräfte aus Wissenschaft, Technik, Wirtschaft und Kultur mit höheren militärischen Rängen, jedoch ohne militärische Einflussnahme, die dem Aufspüren und Erbeuten von wissenschaftlichen und kulturellen Leistungen und Leistungsträgern dienten, aber speziell auch der Verbringung von Kultur- und Kunstgegenständen in die Sowjetunion.

Die Bezeichnung wurde später zum Synonym für entsprechende Fachkräfte auch der anderen drei Siegermächte. Auch einzeln agierende Fachleute (Spezialisten) werden darunter verstanden."

Da der Bürgermeister aber "Trophäenjägern" sprach, kann dahinter durchaus ein gewisser Groll herausgelesen werden.

Was wollte eigentlich der sowjetische Major? Docenko, Major bei der sowjetischen Kommandantur, beauftragte im Herbst 1945 den Barther Bürgermeister damit, eine Auflistung zu einem bestimmten Personenkreis erstellen zu lassen und ihm zu übergeben. Weiterhin sollten Angaben zu den ehemaligen Rüstungsbetrieben in der Stadt gemacht und vorgelegt werden. Die gewünschten Angaben ließ der Bürgermeister zusammenstellen und am 25. November der Kreiskommandantur in Barth übergeben. Er teilte Major Docenko mit, dass der Offiziersbestand der ehemaligen deutschen Armee für den Bezirk Barth auf der Kreiskommandantur bereits listenmäßig erfasst sei. Die Information, dass im Bezirk Barth in dem infrage kommenden Zeitraum außer 10 Ingenieuren und 5 Konstrukteuren gearbeitet hatten, dürfte den Sowjets ebenfalls schon bekannt gewesen sein. Eine Enttäuschung für die Sowjets war jedoch bestimmt die Meldung, dass zum Kreis der für sie interessanten Personen keine Wissenschaftler gehörten. Auf diese hatten sie es in allererster Linie abgesehen, besonders im Hinblick auf die vermutete Produktion von chemischen Kampfstoffen in den Laboratorien der PIW.

Weiter schreibt der Bürgermeister, an deutschen Heeresabteilungen seien in Barth einst der

Fliegerhorst und die Flakartillerieschule formiert worden.

Weiter: Auf dem Fliegerhorst befand sich ein Bombenlager, das von der Roten Armee jedoch bereits abgefahren und gesprengt worden sei. Zum Bestand der Flakartiellerieschule auf dem Vogelsang gehörten acht Flak-Geschütze des Kalibers 8,8 mm. Diese seien noch von der ehemaligen deutschen Wehrmacht kurz vor dem Einrücken der Roten Armee gesprengt worden.

Interessant sind die Angaben zur Munitionsfabrik PIW im Barther Stadtholz, weil zu diesem Thema bis in die Gegenwart die wildesten Gerüchte im Umlauf sind. Der Bürgermeister schreibt an Major Docenko, die Pommerschen Industriewerken würden „zur Zeit von einem Trophäen-Kommando ausgebaut" werden, es lagerten aber dort noch Nebelkerzen. Und völlig überraschend ist zu erfahren, dass hier nicht nur Munition hergestellt worden sein soll, sondern auch Teile für Kraftfahrzeuge.

Zur Produktpalette listet der Bericht auf:

"Im Bezirk Barth befanden sich vor dem Einrücken der Roten Armee folgende Rüstungsfabriken:

1. Pommersche Industrie-Werke G.m.b.H. Barth

2. Heinkel-Werke.

3. Walther Bachmann Flugzeugbau KG

4. Pommersche Eisengießerei

 

Die nähere Angaben zur Munitionsfabrk PIW waren:

Produktion von Halb- und Fertigfabrikate, und zwar

- Nebelkerzen

- Nebelkerzenzünder

- Brandbomben

- Schwelgranaten

- Schwelbomben

- Wurfgranaten-Zubehörteile

- Kraftfahrzeugteile.

 

Noch im Jahr 2018 lagen zwischen den Trümmern der Produktions- und Lagerhallen verrostete Überbleibsel von Wurfgranaten im Bereich zwischen den ehemaligen Hallen NL2 und NL1. Vor allem die Nebelkerzen und Schwelgranaten waren in den meisten Fällen noch mit den chemischen Bestandteilen gefüllt. Liebhabern solcher Stücke sei jedoch gesagt, die Suche danach dürfte inzwischen zwecklos sein. Sammler und Jäger (Trophäenjäger der Neuzeit) haben das Terrain inzwischen bereits gründlich abgegrast.

Von den chemischen Waffen, die in den PIW angeblich hergestellt worden sein sollen, ist hingegen im Bericht des Bürgermeisters hier nicht die Rede. Eine Untersuchung im Jahr 2006 in Zusammenarbeit mit der Uni Greifswald bestätigte, dass hier mit hoher Wahrscheinlich keine chemischen Kampfmittel produziert worden seien.

Angaben zu Heinkel:

In den Heinkel-Werken in Barth lagerten noch Flugzeugmotore. Als Produktion werden Flugzeugmotore in der Fertigmontage aufgeführt.

Angaben zu Bachmann:

Ebenso stellte die Walther Bachmann Flugzeugbau KG in Barth Flugzeugeinzelteile her.

Ausführungen zur Eisengießerei:

Aber auch die Pommersche Eisengießerei Barth war am Rüstungsgeschäft mit der Produktion von Einzelteilen für Flugzeuge und Wurfgranaten befasst.

1,2 Kilometer Panzersperren in Barth:

Wer von den alten Barther Einwohnern weiß noch von den Panzersperren in ihrer Stadt zum Ende des Krieges Auskunft zu geben? Vor dem Einrücken der Roten Armee hatte man solche im Grunde genommen nutzlose Verteidigungsanlagen jeweils in der Barthestraße, Sundische Straße, Chausseestraße, im Inspektorgang und beim Trebin ausheben lassen. Ein Panzergraben im Kirchhofswall und Bleicherwall mit einer Länge von 1.200 Metern hat dann auch nichts mehr genutzt.

All diese Angaben sind dem Bericht des Barther Bezirksbürgermeister entnommen, die der sowjetischen Kreiskommandantur 1945 übermittelt worden waren. Der Bürgermeister merkte gleichzeitig an, dass Archivmaterial nicht vorhanden sei.

***

Die beiden Bereitschaftslager Barth-Stein und Barth-Holz standen jetzt nach Kriegsende leer und verlassen da. Die Menschen aus Barth und den umliegenden Dörfern nutzten die Gelegenheit um aus den verlassenen Wohnungen, Verwaltungsgebäuden und Werkstätten so viel wie möglich herauszuholen. Bald darauf wurde ein völlig überforderter Wachdienst damit beauftragt, Vandalismus und Plünderungen zu verhindern. Dass der Wachdienst nicht in der Lage war, die Situation unter Kontrolle zu bringen, zeigen Berichte und Protokolle von 1947 anlässlich der Rückgabe des Lagers an die deutsche Selbstverwaltungsbehörde.

Für die bevorstehende Übergabe durch die sowjetische Kommandantur erstellte das Barther Stadtbauamt am 25. Januar 1947 je einen Bericht über das Lager Barth-Holz, über das Lager Barth-Stein sowie zum Flakübungsplatz in Zingst.

Oberstleutnant Kossarew von der sowjetischen Kommandant der Stadt Barth, , hat dann am 30. Januar 1947 die Verfügungsgewalt über das Lager Barth-Stein an die Stadt Barth zurückgegeben. Eine eigens dafür gebildete Kommission hat für die Übergabe eine Übersicht zu dem Lager, den Gebäuden sowie deren aktuellem Erhaltungszustand erstellt.

Der wörtliche Übergabebericht:

Die Kommission, bestehend aus dem Vorsitzenden der Kommission, verantwortlicher Offizier in militärischen Fragen der KWU der Stadt Barth, Kapitän Kutscherow, einerseits, und den Vertretern der Selbstverwaltung der Stadt Barth, dem Chef der Kommunalabteilung, Herrn Blumenthal und dem Leiter der Bauabteilung, dem älteren Ingenieur, Herrn Schmieder, hat auf Grund von Direktiven des Chefs der UKS des Stettiner Bezirks 652 vom 18.12.1946, folgenden Akt betreffend Übergabe der Kasernen in der Stadt Barth, Lager Barth-Stein, an der Chaussee nach Bodstedt, zusammengestellt.“

Übergeben wurden: Lager Barth-Stein mit einer Gesamtfläche von von 180.000 m²,

an einstöckigen Gebäuden aus Ziegelstein 13 Baracken, 1 Werkstatt, 1 Sanitätsbaracke, 1 Baracke mit Bad, 1 Werkstatt mit Garage, Speiseräume mit 1 Küche und Kesselraum,

1 Wächterhaus sowie 1 Feuerturm, 4-stöckig.

Es wurde angemerkt, dass die Gebäude des Lagers Barth-Stein, die zum Zeitpunkt der Übergabe leer standen, zu 40% von der deutschen Bevölkerung zerstört worden sind.

***

Für das Lager Barth-Holz, das bis 1947 als Quarantänelager für Umsiedler diente, übergab das Stadtbauamt dem Bürgermeister am 25. Februar 1947 einen Bericht mit folgendem Inhalt:

Bericht über das Lager Barth-Holz. Das Lager Barth-Holz liegt an der Straße nach Bodstedt etwa 3,5 Kilometer westlich von Barth auf einem von Drahtzaun umgebenen Gelände von rund 55.000 m² Größe.

Westlich des Haupteinganges liegen 6 Baracken von einer Größe zusammen 12.000 m³ umbautem Raum. Ferner eine Baracke für die Lagerwache und zwei Abortbaracken. Östlich des Haupteinganges liegen die Baracke für die Lagerverwaltung, die Sanitätsbaracke mit Badeanstalt, der große Saal mit anschließendem Küchen- und Wirtschaftsteil, Wäschereibaracke, zwei Holzschuppen, 1 Garagengebäude und zwei Abortbaracken mit rund zusammen 8.000 m³ umbautem Raum.

Sämtliche Gebäude sind Holzbaracken mit Pappdach mit Ausnahme des Saalgebäudes, das in Holzfachwerk mit Ziegelsteinausmauerung errichtet ist.

Das Lager wird als Quarantänelager für Umsiedler benutzt. Es ist z.Z. mit ca. 200 Personen belegt.“

1950 nannte man dann Barth-Holz „ehemaliges“ Umsiedlerlager. Es gab unterschiedliche Auffassungen was die Zuständigkeiten in dem Lager anbelangte, insbesondere wenn es um die Beschaffung von Baumaterialien oder um finanzielle Belange ging. Dazu gibt ein Aktenvermerk zu einer Beratung, an der die „Gen. Zornow und Gen. Steinhagen von der Stadtleitung der SED, Gen. Maß und Semlow von der KWU Stadt, Ge. Köppert von der Kreisleitung, Genn. Kladetzke, Bürgermeister“ teilgenommen hatten und folgende Erklärung an den Rat des Kreises Stralsund sandten:

Das Barackenlager stand bis Juli 1950 in Verwaltung des Rates des Kreises Stralsund.

Die Zustände in diesem Lager sind seit Jahren der Kreisverwaltung bekannt. Der szt. Kreisrat Wohlers Abt. Leiter Wegner und Knippert sowie andere Funktionäre der Kreisverwaltung haben es wiederholt besichtigt.

Nach Angaben des Gen. Semlow wurden für Rep. Arbeiten in diesem Lager für das Jahr 1950 6.000 DM eingeplant, die aber nicht für diese Zwecke verwandt worden sind.

Ende Juli hat die KWU Stadt Barth dieses Lager übernommen. Eine ordnungsgemäße Übergabe der Mietverhältnisse ist nicht erfolgt.

Mieteinnahmen bisher 1.050.- DM per 31.10.50

Ausgaben an Reparaturen 3.650.- DM.

Nach der Übernahme wurden 3.000 m² Dachpappe für die Dachreparaturen freigegeben, jedoch keine Nägel und kein Klebstoff.

Dadurch wurden die Ausbesserungsarbeiten verzögert.

Bis auf eine Baracke ist inzwischen alles gedeckt worden.

Der Rest konnte infolge Materialschwierigkeiten (Beschaffung von Nägeln und Geldmangel) bisher nicht eingedeckt werden.

Im neuen Planjahr wurden uns trotz aller Bemühungen keine Mittel eingeplant für Grundstücksreparaturen der KWU-Betriebe.

Unser Vorschlag: Das Lager hat nur noch kurze Lebensdauer. Es wird notwendig sein, das Lager allmählich zu räumen und abzureißen. Dazu ist es notwendig, dass der Stadt Barth nicht anderweitig Leute zugewiesen werden.

Die Stadt Barth wird in diesem Falle sofort mit der allmählichen Räumung - dringendste Fälle - beginnen, die im Verlauf eines Jahres abgeschlossen sein kann.

Im Falle einer Sofortlösung müssen Mittel bereitgestellt werden und Material für den Ausbau der Steinbaracken in Barth-Stein. Diese Mittel sind bereits vom KWU Barth bei der Abt. Wirtschaft in Schwerin über die Kreisverwaltung Stralsund beantragt.

ca. 40.000 DM.“

Aus dem angestrebten Termin zur Räumung wurde allerdings nichts. Noch Ende der 1950er Jahre wohnten hier noch immer „Umsiedler“ genannte Heimatvertriebene und Flüchtlinge.

Die Stralsunder Kreisverwaltung reagierte und ließ zu den Arbeiten der Instandsetzungen der Baracken in Barth-Holz, aber auch in Barth-Stein, am 9. November 1950

das Rathaus in Barth wissen

... müssen wir Ihnen mitteilen, dass dem Kreise keinerlei Mittel zur Verfügung stehen, um einen Zuschuss zur Instandsetzung der beiden Wohnlager zu bewilligen. Der Zuschussbedarf dieser beiden Objekte muss zunächst aus den Erträgen des KWU bestritten werden.Etwa dadurch bedingte Verluste des KWU sind nach den haushaltsrechtlichen Vorschriften im Haushalt der Stadt Barth einzuplanen.

In den Finanzplan der KWU für 1951 dürften die Instandsetzungskosten für die Wohnlagen ihren Niederschlag gefunden haben, so dass damit die Verbindung zum Haushaltsplan der Stadt bereits hergestellt und entsprechende Zuschüsse für das KWU bzw. verminderte Überschussablieferungen eingeplant sein dürften. Für das laufende Wirtschaftsjahr sind die gleichen Grundsätze anzuwenden. Sollten beim KWU Verluste ausgewiesen werden, so müssten die dafür erforderlichen Mittel nötigenfalls über- oder außerplanmäßig von der Stadt bereitgestellt werden. Die von uns im Kreishaushalt für 1950 vorgesehenen Unterhaltungskosten für Barth-Holz sind verbraucht, um die dringend notwendigen Reparaturen vorzunehmen. Selbst wenn hiervon noch Mittel vorhanden wären, könnten wir daraus keinerlei Zahlungen leisten, weil mit der Übertragung der Rechtsträgerschaft auch die Unterhaltsverpflichtung auf das KWU übergegangen ist. Mit irgendwelchen außerordentlichen Zuschüssen für die Unterhaltung der beiden Lager von dritter Seite ist nicht zu rechnen. Auch dem Ministerium für Finanzen stehen u.W. keine Gelder zur Verfügung.

Wir bedauern, Ihnen keinen anderen Bescheid geben zu können.

Handschriftliche Anmerkung im Barther Rathaus unter diesem Bescheid: „Damit ist schon eine Befürwortung des Kreditantrages gegeben, das heißt, dass der Kreis seine Zustimmung zu einer Minderabführung der Kreisumlage nicht versagen wird. Bei einem diesbezüglichen Antrag könnte man sich darauf berufen. (Sauter)“

Ob der Kreditantrag letztlich bewilligt wurde konnte nicht verlässlich festgestellt werden. Das große Problem der Material- und Geldbeschaffung wurde nun der Barther Grundstücksverwaltung zugeschoben. Dazu heißt es in einem Schreiben vom 6. November 1950 zu den beiden Wohnlagern Barth-Holz und Barth-Stein:

Laut Änderungsmitteilung vom 31.5.50 wurde uns die Rechtsträgerschaft vom Amt zum Schutze des Volkseigentums mit Wirkung vom 1.7.50 übertragen.

Barth-Holz

Am 15.7. beim Rat des Kreises Stralsund Abt. Sozialfürsorge rückgefragt, wann Übergabe stattfinden soll.

Am 19.7. wurde telefonisch der 21.7. vereinbart.

Die Übergabe wurde jedoch später auf den 28.7. verschoben.

Am 28.7. erfolgte die ordnungsgemäße Übergabe durch Herrn Kreisrat Krüger und den Leiter der Abt. Sozialfürsorge Herrn Wegner.

Es wurde uns u.a. die Überlassung von Freigabescheinen für die Beschaffung von 3.000 m² Dachpappe zugesichert, welche wir später auch erhielten. Auch die Dachpappe wurde im Laufe der nächsten Wochen ausgeliefert. Die Bezahlung erfolgte durch uns. Außerdem wurden uns 1.500 kg Teer ohne Berechnung überlassen.

Durch das gänzliche Fehlen von Klebemasse (auch die Beschaffung von Nägeln machte Schwierigkeiten) und die nur sehr langsame Anlieferung trotz aller Anstrengungen seitens unserer Einkaufsabteilung verzögerte sich natürlich die Ausführung der so notwendigen Dachdeckerarbeiten. Anfänglich sollte unser Baubetrieb diese Arbeiten ausführen. Einige Wochen später wurde aber wegen Mangel an Facharbeitern beschlossen, diese Arbeiten von Dachdeckermeister Kraushaar ausführen zu lassen.

Z.Zt. sind die Dächer der Wohnbaracken bis auf Geringfügigkeiten bereits in Ordnung gebracht.

Erschwerend kam immer wieder hinzu, dass bei dem dauernden Regenwetter in den letzten Wochen die Dachdeckerarbeiten nur sehr langsam vorangehen konnten. Ein besonderes Hindernis bildete immer wieder das Fehlen von Klebemasse.

Am 8.8.

mein Bericht an die Direktion über die Verhältnisse bezüglich der Instandsetzungsarbeiten in Barth-Holz und über die hierzu erforderlichen Zuschüsse.

5.9.

Kraushaar nochmals schriftlich darauf hingewiesen, dass diese Arbeiten in Barth-Holz außerordentlich dringend sind und beschleunigt zu Ende geführt werden müssen.

29.8.

Unser Schreiben den Rat des Kreises Stralsund. Man möchte uns die hierfür

bewilligten 6.000.DM überweisen, da ja nun nicht mehr sie, sondern wir diese Arbeiten auszuführen haben.

8.9.

Antwort von der Sozialfürsorge Stralsund. Die Landesregierung hat angeblich die Bewilligung der Mittel zur Instandsetzung abgelehnt.

Vielleicht noch etwas zum vorgenannten „Amt zum Schutze des Volkseigentums“.

Die SMAD ordnete mit dem SMAD-Befehl Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 und dem Befehl 126 vom 31. Oktober 1945 die Beschlagnahme des Vermögens des Deutschen Staates und seiner Organe, der Amtsleiter der NSDAP, der führenden Mitglieder und Anhänger der NSDAP, der faschistischen Wehrmacht, des Vermögens der NSDAP, ihrer Gliederungen, der ihr angeschlossenen Verbindungen usw. an.

Nach der Beendigung des Sequesterverfahrens durch den SMAD-Befehl Nr. 64 vom 17. April 1948 wurde das Amt für Angelegenheiten der Sequestrierung und Beschlagnahme aufgelöst.

Zur Sicherung und Nutzung der in Volkseigentum überführten Betriebe und Vermögen wurde mit Beschluss der DWK vom 5. Mai 1948 ein Ausschuss zum Schutze des Volkseigentums eingerichtet.“

Unter Punkt 8 des genannten Befehls von Marschall der Sowjetunion G. Shukow ist festgelegt: „Ich mache alle Ämter, Organisationen, Firmen und Unternehmen sowie alle Privatpersonen, in deren Nutzung sich das in den Punkten 1 und 2 aufgezählte Eigentum befindet, darauf aufmerksam, daß sie die volle Verantwortung für dessen Erhaltung und die Sicherung einer reibungslosen Ausnutzung dieses Eigentums, entsprechend seiner wirtschaftlichen Bestimmung tragen.“

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Übergabe des Lagers Barth-Stein

Nach den Bauplanungen von 1940 war das Bereitschaftslager Barth-Stein für maximal 2.000 Personen vorgesehen. Im Jahr 1944 hatten dort laut Otto-Böckler-Stiftung 1.479 deutsche Arbeiterinnen und Arbeiter der Munitionsfabrik Pommersche Industriewerke PIW Quartier bezogen. Doch nun war der Krieg vorbei. Der 30. April 1945 war der letzte Arbeitstag in den PIW. Am Tag darauf dann die Schreckensbotschaft: Die Russen sind da!

In den PIW wird nicht mehr gearbeitet. Somit war auch die ursprüngliche Zweckbestimmung für die Bereitschaftslager Barth-Stein und Barth-Holz hinfällig geworden. Die Bewohner, durchweg ehemals dienstverpflichtete Mitarbeiter in der Munitionsfabrk PIW, verließen nach und nach das Lager Barth-Stein und kehrten in ihre früheren Wohnorte zurück. Wie sollte mit dem Lager jetzt weiter verfahren werden?

Der sowjetische Stadt-Komandant ist nun der Herr aller Dinge in der Stadt. Nur er bestimmt und verfügt, was zu geschehen hat oder auch zu unterlassen ist. Die Rote Armee hat nicht nur die Stadt besetzt, sondern hat auch die Pommersche Industriewerke (PIW) unter ihr Kommando genommen. Dieses Werk sollte und wurde auch gemäß dem Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 demontiert. Das Abkommen gab der Siegermacht UdSSR die Befugnis, ihre Reparationsansprüche an Deutschland durch Demontagen und Sachlieferungen aus ihrer eigenen Besatzungszone zu befriedigen. Da die Sowjetunion die größten Kriegsschäden erlitten hatte, erhielt sie das Recht zugestanden, Reparationen sogar auch aus den anderen Zonen zu erhalten.

Wie dem auch sei, die PIW wurden von der Roten Armee jedenfalls am 1. Mai 1945 besetzt und in den folgenden Monaten ausgeschlachtet. Alles was nicht niet- nagelfest war, wurde ab- und ausgebaut bzw. ausgebuddelt. Das aber war noch nicht das Ende der Fahnenstange.

Die beiden Bereitschaftslager Barth-Stein und Barth-Holz standen jetzt leer und verlassen da. Die Menschen aus Barth und den umliegenden Dörfern nutzten die Gelegenheit um aus den verlassenen Wohnungen, Verwaltungsgebäuden und Werkstätten so viel wie möglich herauszuholen. Bald darauf wurde ein völlig überforderter Wachdienst damit beauftragt, Vandalismus und Plünderungen zu verhindern. Dass der Wachdienst nicht in der Lage war, die Situation unter Kontrolle zu bringen, zeigen Berichte und Protokolle von 1947 anlässlich der Rückgabe des Lagers an die deutsche Selbstverwaltungsbehörde durch die SMAD (Sowjetische Militär-Administration in Deutschland).

Für die bevorstehende Übergabe durch die sowjetische Kommandantur erstellte das Barther Stadtbauamt am 25. Januar 1947 je einen Bericht über das Lager Barth-Holz, über das Lager Barth-Stein sowie zum Flakübungsplatz in Zingst.

Der Bericht zu Barth-Stein

Das Lager Barth-Stein liegt an der Straße nach Bodstedt, etwa 3 Kilometer westlich von Barth. Östlich des Haupteinganges liegen massive Steinbaracken mit insgesamt 29 Doppelwohnungen. Außerdem sind noch 2 Werkstattbaracken vorhanden. In diesem Teil konnten nach größeren Instandsetzungsarbeiten ca. 20 evakuierte Familien untergebracht werden. Westlich des Haupteinganges sind massive Baracken mit 51 Doppelwohnungen vorhanden. Die Belegung dieser Wohneinheiten ist nur nach größeren Instandsetzungsarbeiten möglich, weil zum größten Teil Fenster, Türen, Fußböden, Öfen und sanitäre Einrichtungen fehlen. Weiterhin sind noch vorhanden: Die ehemalige Sanitätsbaracke, die ehemalige Badebaracke, Werkstatt- und Garagengebäude, der große Saal mit anschließendem Wirtschaftsgebäude, das Wachgebäude und der Feuerwehrturm, Kesselhaus für zentrale Beheizung (technische Ausrüstung ist aber ausgebaut worden). Auch diese letzten Gebäude sind so beschädigt, dass sie erst nach umfangreichen Instandsetzungsarbeiten wieder benutzbar sind. Die Baracken sind massiv erbaut mit Pappdach auf Holzkonstruktion. Der gesamte umbaute Raum des Lagers beträgt … m³ (die Angabe zum Rauminhalt fehlt). Der östliche Teil wird, wie bereits erwähnt, als Wohnraum für evakuierte Familien benutzt. Der westliche Teil steht noch leer, da hier noch sehr viele Reparaturen zur Bewohnbarkeitsmachung nötig sind.“

1947 - Vorbereitung der Übergabe

Die Zeit brachte es mit sich, dass die SMAD (Sowjetische Militär-Administration in Deutschland) die von ihr übernommenen und verwalteten Liegenschaften, wieder an deutsche Verwaltungen übergeben werden sollten. So auch in der Stadt Barth. Für die bevorstehende Übergabe der Lager Barth-Stein und Barth-Holz sowie zum Flakübungsplatz Zingst durch die sowjetische Kommandantur erstellte das Barther Stadtbauamt am 25. Januar 1947 je einen Bericht über das Lager Barth-Holz, über das Lager Barth-Stein sowie zum Flakübungsplatz in Zingst.

Der Bericht zu Barth-Stein

Das Lager Barth-Stein liegt an der Straße nach Bodstedt, etwa 3 Kilometer westlich von Barth. Östlich des Haupteinganges liegen massive Steinbaracken mit insgesamt 29 Doppelwohnungen. Außerdem sind noch 2 Werkstattbaracken vorhanden. In diesem Teil konnten nach größeren Instandsetzungsarbeiten ca. 20 evakuierte Familien untergebracht werden. Westlich des Haupteinganges sind massive Baracken mit 51 Doppelwohnungen vorhanden. Die Belegung dieser Wohneinheiten ist nur nach größeren Instandsezungsarbeiten möglich, weil zum größten Teil Fenster, Türen, Fußböden, Öfen und sanitäre Einrichtungen fehlen. Weiterhin sind noch vorhanden:

Die ehemalige Sanitätsbaracke, die ehemalige Badebaracke, Werkstatt- und Garagengebäude, der große Saal mit anschließendem Wirtschaftsgebäude, das Wachgebäude und der Feuerwhrturm, Kesselhaus für zentrale Beheizung (technische Ausrüstung ist aber ausgebaut worden). Auch diese letzten Gebäude sind so beschädigt, dass sie erst nach umfangreichen Instandsetzugsarbeiten wieder benutzbar sind. Die Baracken sind massiv erbaut mit Pappdach auf Holzkonstruktion. Der gesamte umbaute Raum des Lagers beträgt m³ (die Angabe zum Rauminhalt fehlt). Der östliche Teil wird, wie bereits erwähnt, als Wohnraum für evakuierte Familien benutzt. Der westliche Teil steht noch leer, da hier noch sehr viele Reparaturen zur Bewohnbarkeitsmachung nötig sind.“

Die Übergabe

Der sowjetische Kommandant der Stadt Barth, Oberstleutnant Kossarew, hat am 30. Januar 1947 die Verfügungsgewalt über das Lager Barth-Stein an die Stadt Barth zurckgegeben. Eine eigens dafür gebildete Kommission hat für die Übergabe eine Übersicht zu dem Lager, den Gebäuden sowie deren aktuellem Erhaltungszustand erstellt.

Die Kommission, bestehend aus dem Vorsitzenden der Kommission, verantwortlicher Offizier in militärischen Fragen der KWU der Stadt Barth, Kapitän Kutscherow, einerseits, und den Vertretern der Selbstverwaltung der Stadt Barth, dem Chef der Kommunalabteilung, Herrn Blumenthal und dem Leiter der Bauabteilung, dem älteren Ingenieur, Herrn Schmieder, hat auf Grund von Direktiven des Chefs der UKS des Stettiner Bezirks 652 vom 18.12.1946, folgenden Akt betreffend Übergabe der Kasernen in der Stadt Barth, Lager Barth-Stein, an der Chaussee nach Bodstedt, zusammengestellt:“

Übergeben wurden: Lager Barth-Stein mit einer Gesamtfläche von von 180.000 m²,

an einstöckigen Gebäuden aus Ziegelstein 13 Baracken, 1 Werkstatt, 1 Sanitätsbaracke, 1 Baracke mit Bad, 1 Werkstatt mit Garage, Speiseräume mit 1 Küche und Kesselraum,

1 Wächterhaus sowie 1 Feuerturm, 4-stöckig.

Es wurde angemerkt, dass die Gebäude des Lagers Barth-Stein zu 40% von der deutschen Bevölkerung zerstört worden sind.

Zum Zeitpunkt der Übergabe standen die Gebäude leer.

Die Übergabe an die deutsche Selbstverwaltung der Stadt Barth erfolgte durch den Verantwortlichen sowjetischen Offizier Kapitän Kutscherow. Von deutscher Seite vollzogen die Herren Blumenthal (Kommunalabteilung) und Schmieder (Bauabteilung) den Übernahmeakt.

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Unterbringung von Umsiedlern

Nun konnte die Stadtverwaltung also über die Bau- und Wohnungssubstanz des Lagers Barth-Stein in eigener Verantwortung verfügen. Das drängendste Problem jener Jahre war die Beschaffung von Wohnraum für die vielen Flüchtlinge und Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten. Mit dem leer stehenden Lager Barth-Stein mit seinen dreizehn Baracken stand ja eigentlich ein ausreichendes Potenzial zur Verfügung. Doch wie im Zusammenhang mit der Übergabe / Übernahme des Lagers ausdrücklich vermerkt worden ist, war der Bestand der Wohnungen zu 40 Prozent entweder zerstört oder zumindest stark beschädigt, zunächst also unbewohnbar.

Die Verwaltung der Wohnungen oblag der Treuhandstelle H. Münten mit Sitz am Schützenwall 1.

Auch wenn es im Rathaus das Wohnungsamt gab, für Wohnraumbeschaffung war die Treuhandstelle Münten zuständig. Von dort ging mit Datum 11. Juni 1947 das folgende Schreiben an den Rat der Stadt Barth:

Betr.: Wohnungsbeschaffung in Barth-Stein

Unseren intensiven Bemühungen ist es nunmehr gelungen, auch auf der rechten Seite des Lagers 20 Wohnungen zu schaffen. Die Wohnungen sind vollkommen hergerichtet und bereits bewohnt.

Den Verfügungen meiner vorgesetzten Dienststelle entsprechend bin ich leider nicht in der Lage, aus Landesmitteln die Installation der teilweise beschädigten, nicht mehr funktionierenden Licht- und Wasserleitung zu übernehmen.

Ich bitte daher die Stadtverwaltung diese Angelegenheit zu ihrer eigenen zu machen, damit die in Barth-Stein untergebrachten Umsiedler diese dringend erforderliche Erleichterung genießen können.Bei dieser Gelegenheit weise ich darauf hin, dass ca. 50 Wohnungen noch ausgebaut werden können und ersuche ich das zuständige Dezernat, sich umgehend mit der Ausbaumöglichkeit zu befassen. Es geht nicht an, dass durch sinnlosen Raubau an landeseigenem Gut täglich Verluste an Wohnraum entstehen. Es ist mir in Zukunft leider nicht mehr möglich, meine Wachmannschaft mit 6 Mann in diesem Lager zu unterhalten. Wegen der Eigentumsverhältnisse habe ich Schritte bei der Landesregierung unternommen und hoffe, dass der Stadt aus besonderen Mitteln Gelder zur Verfügung gestellt werden können.“

Ein Teil der Wohnungen, in diesem Falle zwanzig an der Zahl, waren also schon bewohnt. Obwohl im Schreiben an die Stadtverwaltung bescheinigt wird, diese Wohnungen seien „vollkommen hergerichtet“, werden gleichzeitig noch ziemlich viele Mängel beklagt, die die Bewohnbarkeit nicht unerheblich einschränken, wie beschädigte oder nicht funktionierende Strom- und Wasserleitungen. Die ewige Misere nicht vorhandener bzw. nicht ausreichender Finanzen war auch zu jener Zeit das große Problem.

Die Treuhandstelle bemühte sich jedoch auch weiterhin nach Kräften, der Wohnungsnot in Barth abzuhelfen. So konnten die an die Stadt Barth übergebenen noch leerstehenden Wohnungen nach und nach nun durch Flüchtlinge und Heimatvertriebene bezogen werden. An Wohnraum herrschte naturgemäß aber auch in der Folgezeit noch immer großer Bedarf.

Da erstaunt es umso mehr, dass es bei der Zuweisung von Wohnungen und den Abschlüssen der Mietverträge große Widerstände gab. Ein Schreiben an den Rat der Stadt Barth soll das belegen:

Die Treuhandstelle Münten übersandte am 17. März 1947 eine Liste der Bewohner im Lager Barth-Stein, die den Mietvertrag nicht unterschrieben haben. Von sieben Mieterinnen und einem Mieter ist hierin die Rede.

Dem Wohnungsamt wurde hierin mitgeteilt, dass nachfolgende Mieter des Wohnlagers Barth-Stein die vom Wohnungsamt eingewiesen worden sind, den abzuschließenden Mietvertrag nicht anerkennen wollen. Er bittet das Wohnungsamt, sich wegen der Abschließung des Mietsvertrages einzuschalten und nochmals mit den in Frage kommenden Mietern zu verhandeln. Wohlgemerkt, es ist tatsächlich von Verhandeln die Rede, obwohl doch Wohnraum denkbar knapp zur Verfügung stand!

Er beantragt, falls die Verhandlungen des Wohnungsamtes ergebnislos verlaufen sollten, einen Zwangsmietsverag abzuschließen. Sein Antrag stützte sich auf das damalige Wohnungsgesetz Nr. 18 Artikel III Ziffer 2 Abs. c und der dazu erlassenen Durchführungsverordnung § 7 Ziffer 3.

Die in Frage kommenden Mieter sind: (die vollen Familiennamen habe ich hier weggelassen.) Gerda S., Josefine P., Rosa K., Emil S., Anna H., Anne R., Hiltraud M., Emma P.

Vorstehende Mieter seien vorzuladen und wegen Abschließung eines Mietsvertrages mit dem Wohnungsamt zu verhandeln. Die Verhandlung habe am Mittwoch den 26.3.1947 stattzufinden.

Das Wohnungsamt hat die Mieter dann auch zum Gespräch gebeten. Aber das Ergebnis war wohl nicht unbedingt befriedigend, so dass es zu folgendem Vermerk kam:

Vorstehende Mieter des Wohnlagers Barth-Stein, ausgenommen die Mieter S., M. und P. erschienen am 26.3.1947 im Wohnungsamt und sind über die Festsetzung eines Mietsvertrages informiert worden. Das Ergebnis der Verhandlungen ist in einem besonderen Schreiben an den Treuhänder Herrn Münten festgelegt worden.

Die Mietverträge sind dem Treuhänder mit dem angezogenen Schreiben zurückgegeben.“

Warum wollen einige Mieter partout ihre Unterschrift unter den Mietvetrag nicht leisten? Mit einem Schreiben des Bürgermeisters erhalten wir relative Klarheit über die Beweggründe. Und diese im Schreiben vom 1. April 1947 aufgezeigten Gründe lassen das ganze Elend vieler Menschen jener Jahre erkennen. Sie weigerten sich nicht aus Trotz oder Penetranz, nein, es kommen hier menschliche Tragödien als Folgen des Krieges zum Vorschein:

An den Treuhänder der PIW-Häuser, Herrn Münten

Betr.: Wohnlager Barth-Stein

Von Ihrem Mitarbeiter, Herrn Vogt, wurden mir folgende Mietsverträge zwecks Festsetzung eines Zwangsmietsvertrages übergeben ...“ (es folgen die Namen und Anschriften).

Ich habe vorstehend aufgeführte Personen zu einer Rücksprache im Wohnungsamt gehabt und folgendes festgestellt: Der Mieter S., 12 / 10, ist bereit, den Mietsvertrag zu unterschreiben. Die Mieterinnen P., K., H. und R. erklärten, dass sie bereit sind, den Mietsvertrag zu unterschreiben, wenn sie jedoch eine sofortige Unterschreibung ablehnen, so begründen sie die Abweisung damit, dass sie ohne Geldmittel sind, und auch in Zukunft sein werden. Frau H. zum Beispiel ist nicht arbeitsfähig. Desgleichen die Familie K., Frau P. will arbeiten, kann aber keine Erwerbsmöglichkeit finden, auch nicht vom Arbeitsamt. Frau R. möchte arbeiten, ist aber dermaßen krank, dass sie nicht jede Arbeit ausführen kann.

Alle vorstehend Aufgeführten sind der Ansicht, wenn sie diesen Vertrag stillschweigend unterschreiben, haben sie eine Verpflichtung anerkannt, die sie nicht einhalten können und möchten somit keine falsche Unterschrift abgeben. Die Mieterinnen S., M. und P. haben der Vorladung nicht Folge geleistet, so dass eine Verhandlung nicht erfolgen konnte.

Meine Feststellungen bzw. Nachfragen haben ergeben, dass auch bei diesen Geldmangel und Arbeitslosigkeit bzw. Krankheit die Ursache ist, dass die Unterschrift unter dem Mietsvertrag nicht geleistet worden ist.

Unter vorgenannten Tatsachen habe ich von der Festsetzung eines Zwangsmitsvertrages abgesehen.

Ich bitte nun, eine Klärung durch Vorlage beim Magistrat bzw. bei den Stadtverordneten der Stadt Barth zu machen ihre Ermittlungen und die Ermittlungen des Wohnungsamtes in dieser Vorlage zum Ausdruck zu bringen und um eine Entscheidung, ob diese Mieter mietfrei wohnen sollen, oder wer sonst die Mietzahlungen übernimmt. Wenn die Stadtverwaltung diesbezügliche Entscheidung getroffen hat, bitte ich erneut beim Wohnungsamt vorstellig zu werden. In der Anlage reiche ich die

mir übergebenen Mietsverträge zurück. Bemerken möchte ich, dass ich den Mietsvertrag S. persönlich Herrn Vogt übergebe habe.

Der 30. April 1945 war der letzte Arbeitstag in den Pommerschen Industriewerken Barth GmbH. Somit war auch die ursprüngliche Funktion für das Bereitschaftslager Barth-Stein hinfällig. Was wird nun aus Barth-Stein?

Am folgenden Tag, am 1. Mai, die Schreckensbotschaft: Die Russen sind da! Der Krieg ist für die Barther vorbei. In der PIW wird nicht mehr gearbeitet. Der sowjetische Stadt-Komandant ist nun der Herr der Dinge in der Stadt. Nur er bestimmt und verfügt, was zu geschehen hat oder auch zu unterlassen ist.

Die Rote Armee hat nicht nur die Stadt besetzt, sondern auch die Pommersche Industriewerke (PIW) unter ihr Kommando genommen. Dieses Werk sollte, und wurde auch, gemäß dem Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 demontiert. Das Abkommen ermächtigte die Siegermacht UdSSR, „ihre Reparationsansprüche an Deutschland durch Demontagen und Sachlieferungen aus ihrer eigenen Besatzungszone zu befriedigen. Da die Sowjetunion die größten Kriegsschäden erlitten hatte, erhielt sie das Recht zugestanden, Reparationen sogar auch aus den anderen Zonen zu erhalten.“

Wie dem auch sei, die PIW wurden von der Roten Armee jedenfalls am 1. Mai 1945 besetzt und in den folgenden Monaten ausgeschlachtet. Alles was nicht niet- nagelfest war, wurde ab-, ausgebaut und ausgebuddelt. Somit war das Werk zunächst erst einmal funktionsunfähig. Das aber war noch nicht das Ende der Fahnenstange. Nun wurden die Gebäude und Anlagen, soweit sie zu diesem Zeitpunkt noch intakt waren, per Sprengungen zerstört. Mit einer zweiten Sprengorgie wurde 1952 die PIW dann endgültig dem Erdboden gleichgemacht. Die Trümmerlandschaft im Barther Stadtholz gibt uns davon Zeugnis bis zum heutigen Tag.

Die Besetzung und Verwaltung der PIW sowie deren „Ausschlachtung“ durch die Rote Armee währte vom 1. Mai 1945 bis zum Februar 1946.

In einem Schreiben vom 21. Februar 1947 wird Ratlosgkeit im Rathaus ersichtlich: „Während dieser Zeit wurden die gesamten Maschinenanlagen und sonstigen Einrichtungen demontiert und abtransportiert. Auch die gesamten Versorgungsleitungen für Wasser und Elektrizität und auch die zentrale Heizungsanlage mit dem gesamten Rohrsystem unterlagen der Demontage, so dass davon nichts mehr vorhanden ist.“

Ein schier unlösbares Problem stellten die baulichen Überreste nach den Sprengungen für die Stadt dar. Nicht alle Gebäude des Werkes sind zunächst gesprengt worden. Viele Anlagen standen noch unversehrt oder nur beschädigt. Ein Teil ist „von Feuer zerstört worden, der Rest wurde im Februar 1946 den Selbsverwaltungsorganen zum Abbruch übergeben. Der Abbruch ist soweit durchgeführt, so dass heute nur noch Ruinen stehen, die nicht mehr verwertbar sind.“ [3]

Den deutschen Behörden oblag es nun jedenfalls, dafür Sorge zu tragen, dass die gesamten restlichen Werksanlagen restlos zerstört werden. Es durfte kein Gebäude erhalten bleiben, so die Order vom sowjetischen Kommandanten.

Für solche Aktionen sind jedoch zeichnerische Unterlagen erforderlich, um zu wissen, was sich da so alles besonders im Erdreich befindet.

Dazu das Eingeständnis aus dem Rathaus: „Ein Lageplan über das Werk ist nicht vorhanden.“

Doch man machte das Angebot, „falls noch ein solcher über den ursprünglichen Zustand der Werksanlagen gewünscht wird, so kann er auf Anforderung angefertigt werden, was aber einige Zeit in Anspruch nehmen wird.“

Die Munitionsfabrik PIW war nun also zerstört, die Arbeitskräfte sind wieder in ihre angestammten Heimatorte zurückgekehrt. Die leeren Wohnlager Barth-Stein und Barth-Holz unterstanden jetzt dem Kommando der Roten Armee.

Die SMAD (Sowjetische Militär-Administration) verwaltete mit Barth-Stein ein Wohnlager mit einer Gesamtfläche von 180.00 m². Der Verantwortliche Offizier von der Barther Kommandantur der Roten Armee, Kapitän Kutscherow, übergab am 30. Januar 1947 an den Chef der Kommunalabteilung, Blumenthal, und den Leiter der Bauabteilung, Ingenieur Schmieder, als den Vertretern der Selbstverwaltung der Stadt Barth, eine Auflistung der noch vorhandenen Bestände an Gebäuden in Barth-Stein.

Die Gebäude sind einstöckig und aus Ziegelstein errichtet. Im Einzelnen sind das:

13 Baracken, 1 Werkstatt mit einer Fläche von 2.250 m², 1 Sanitätsbaracke 1.700 m², 1 Baracke mit Bad 1.650 m², 1 Werkstatt mit Garage 2.850 m², Speiseräume mit 1 Küche und Kesselraum 16.200 m², 1 Wächterhaus 190 m², 1 Feuerturm, 4-stöckig 300 m².

Die Gebäude des Lagers Barth-Stein sind zu 40% von der deutschen Bevölkerung zerstört.

Zur Zeit stehen die Gebäude leer.

Aus einer Auflistung des Stadtbauamtes vom 25. Januar 1947 geht hervor, dass in den Steinbaracken östlich des Haupteinganges zum Lager insgesamt 29 Doppelwohnungen sowie zwei Werkstattbaracken vorhanden sind. In den Wohnungen konnten zu diesem Zeitpunkt ca. 20 evakuierte Familien untergebracht werden. Dem Bezug dieser Wohnungen gingen allerdings größere Instandsetzungsarbeiten voraus.

Auf der anderen Seite, westlich vom Haupteingang, standen 51 Doppelwohnungen zur Verfügung. Die Belegung dieser Wohneinheiten ist nur nach größeren Instandsezungsarbeiten möglich, weil zum größten Teil Fenster, Türen, Fußböden, Öfen und sanitäre Einrichtungen fehlen, so die Einschätzung des Stadtbauamtes.

Auch die „Gemeinschaftsgebäude“ sind so beschädigt, dass sie erst nach umfangreichen Instandsetzungsarbeiten wieder benutzbar sind. Dabei handelt es sich um die ehemalige Sanitätsbaracke. die ehemalige Badebaracke, Werkstatt- und Garagengebäude, der große Saal mit anschließendem Wirtschaftsgebäude, das Wachgebäude und der Feuerwehrturm, Kesselhaus für zentrale Beheizung (technische Ausrüstung ist aber ausgebaut worden).

Auch der Barther Tteuhänder, H. Münten, informierte am 11. Juni 1947 den Rat der Stadt Barth über seine Aktivitäten zum bezugsfertigen Herrichten von Wohnungen in Barth-Stein.

Betr.: Wohnungsbeschaffung in Barth-Stein

Unseren intensiven Bemühungen ist es nunmehr gelungen, auch auf der rechten Seite des Lagers 20 Wohnungen zu schaffen. Die Wohnungen sind vollkommen hergerichtet und bereits bewohnt.

Im gleichen Schreiben beklagte er aber auch seine eingeschränkten Möglichkeiten, in diesen Angelegenheiten momentan mehr tun zu können.

Den Verfügungen meiner vorgesetzten Dienststelle entsprechend bin ich leider nicht in der Lage, aus Landesmitteln die Installation der teilweise beschädigten, nicht mehr funktionierenden Licht- und Wasserleitung zu übernehmen.

Ich bitte daher die Stadtverwaltung diese Angelegenheit zu ihrer eigenen zu machen, damit die in Barth-Stein untergebrachten Umsiedler diese dringend erforderliche Erleichterung genießen können.

Bei dieser Gelegenheit weise ich darauf hin, dass ca. 50 Wohnungen noch ausgebaut werden können und ersuche ich das zuständige Dezernat, sich umgehend mit der Ausbaumöglichkeit zu befassen. Es geht nicht an, dass durch sinnlosen Raubau an landeseigenem Gut täglich Verluste an Wohnraum entstehen. Es ist mir in Zukunft leider nicht mehr möglich, meine Wachmannschaft mit 6 Mann in diesem Lager zu unterhalten. Wegen der Eigentumsverhältnisse habe ich Schritte bei der Landesregierung unternommen und hoffe, dass der Stadt aus besonderen Mitteln Gelder zur Verfügung gestellt werden können.

Zu den drängendsten Problemen, mit denen sich die Menschen jener Zeit herumzuschlagen hatten, muss man neben der täglichen Beschaffung von Lebensmitteln wohl die Sorge um eine dauerhafte Bleibe rechnen. Es gab ja so viele Heimatvertriebene, Umsiedler, Ausgebombte aus den anderern Städten, die ohne zunächst noch Wohnung waren. Eine solche beziehen zu können, bot sich in Barth-Stein, auch wenn das, wie oben beschrieben, nicht so ganz ohne Schwierigkeiten zu bewerkstelligen war. Da ist es umso erstaunlicher, dass sich etliche Neubürger weigerten, ein Mietverhältnis in Schriftform einzugehen. Im konkreten Fall handelte es sich hier um acht Mieter aus den Barachen zehn, zwölf und dreizehn. Sie wohnten zwar bereits in einer Wohnung in Barth-Stein, wollten hingegen aber keinen Mietvertrag mit der Stadt abschließen.

In diesem Zusammenhang hatte der Treuhänder nicht die Möglichkeit, den Widerspenstigen die Türe zu weisen. Ihm oblag es vielmehr, diese Leute in Gesprächen von der Notwendigkeit eines schriftlichen Mietvertrages zu überzeugen. Er konnte auch andere Instanzen, wie das Wohnungsamt, einschalten. Was aber tun, wenn sich partout keine Einsichtigkeit erzielen lässt? Als letzte Möglichkeit blieb nur, per Gericht einen Zwangs-Mietvertrag durchzusetzen. Und so bahnte sich ein zähes Ringen des Treuhänders und des Wohnunsamtes mit den uneinsichtigen Mietern an.

Der Treuhänder des Lagers Barth-Stein, Herr Münten, teilte am 1. April 1947 dem Wohnungsamt mit, dass nachfolgende Mieter des Wohnlagers die vom Wohnungsamt eingewiesen worden sind, den abzuschließenden Mietvertrag nicht anerkennen wollen. Er bittet das Wohnungsamt sich wegen der Abschließung des Mietsvertrages einzuschalten und nochmals mit den in Frage kommenden Mietern zu verhandeln. Er beantragt, falls die Verhandlungen des Wohnungsamtes ergebnislos verlaufen sollten, einen Zwangsmietverag abzuschließen. Sein Antrag stützt sich auf das Wohnungsgesetz nr. 18 Artikel III Ziffer 2 Abs. c und der dazu erlassenen Durchführungsverordnung § 7 Ziffer 3.

Die in Frage kommenden Mieter sind:

Es folgen namentlich die acht erwähnten Mieter.

Vorstehende Mieter sind vorzuladen und wegen Abschließung eines Mietsvertrages mit Ihnen zu verhandeln. Die Verhandlung hat am Mittwoch den 26.3.1947 stattzufinden.

Ergebnis der Verhandlungen mit dem Wohnungsamt war: Vorstehende Mieter des Wohnlagers Barth-Stein, ausgenommen die Mieter S., M. und P. erschienen am 26.3.1947 im Wohnungsamt und ist über die Festsetzung eines Mietsvertrages verhandelt worden. Das Ergebnis der Verhandlungen ist in einem besonderen Schreiben an den Treuhänder Herrn Münten festgelegt worden.

Die Mietverträge sind dem Treuhänder mit dem angezogenen Schreiben zurüchgegeben.

Hier das oben erwähntes besonderes Schreiben des Wohnungsamtes an den Treuhänder:

Ich habe vorstehend aufgeführte Personen zu einer Rücksprache im Wohnungsamt gehabt und folgendes festgestellt: Der Mieter S., Baracke 12 Wohnung 10, ist bereit, den Mietsvertrag zu unterschreiben. Die Mieterinnen P., K., H. und R. erklärten, dass sie bereit sind, den Mietsvertrag zu unterschreiben, wenn sie jedoch eine sofortige Unterschreibung ablehen, so begründen sie die Abweisung damit, dass sie ohne Geldmittel sind, und auch in Zukunft sein werden. Frau H. zum Beispiel ist nicht arbeitsfähig. Desgleichen die Familie K. Frau P. will arbeiten, kann aber keine Erwerbsmöglichkeit finden, auch nicht vom Arbeitsamt.

Frau R. möchte arbeiten, ist aber dermaßen krank, dass sie nicht jede Arbeit ausführen kann.

Alle vorstehend Aufgeführten sind der Ansicht, wenn sie diesen Vertrag stillschweigend unterschreiben, haben sie eine Verpflichtung anerkannt, die sie nicht einhalten können und möchten somit keine falsche Unterschrift abgeben. Die Mieterinnen S., M. und P. haben der Vorladung nicht Folge geleistet, so dass eine Verhandlung nicht erfolgen konnte. Meine Feststellungen bzw. Nachfragen haben ergeben, dass auch bei diesen Geldmangel und Arbeitslosigkeit bzw. Krankheit die Ursache ist, dass die Unterschrift unter dem vorgelegten Mietsvertrag nicht geleistet worden ist.

Was blieb dem Treuhänder nun für eine Möglichkeit, diese Angelegenheit zum Abschluss zu bringen? Die Entscheidung, wie zu befinden sei, wurde letztlich der Stadtpolitik bzw. der Stadtverwaltung auf vornehme Weise zugeschoben mit der Antwort „Unter vorgenannten Tatsachen habe ich der Festsetzung eines Zwangsmietsvertrages abgesehen. Ich bitte, nun eine Klärung durch Vorlage beim Magistrat bzw. bei den Stadtverordneten der Stadt Barth zu machen, Ihre Ermittlungen und die Ermittlungen des Wohnungsamtes in dieser Vorlage zum Ausdruck zu bringen, und um eine Entscheidung, ob diese Mieter mietfrei wohnen sollen, oder wer sonst die Mietzahlungen übernimmt. Wenn die Stadtverwaltung eine diesbezügliche Entscheidung getroffen hat, bitte ich erneut beim Wohnungsamt vorstellig zu werden. In der Anlage reiche ich die mir übergebenen Mietsverträge zurück. Bemerken möchte ich, dass ich den Mietsvertrag S. persönlich Herrn Vogt übergeben habe.“

­Wenn nun 1947 eine Wohnung in Barth-Stein bezogen werden sollte, war diese nur in den seltensten Fällen in einem guten Zustand. Das war auch noch in weiteren Jahren so. Langer Leerstand, Raubbau in anscheinend besitzerlosen Gebäuden und der Vandalismus durch die einheimische Bevölkerung verwüsteten die Wohnsubstanz beträchtlich. Materialien zu Reparaturen, Instandsetzungen oder für Verschönerungsarbeiten waren absoluter Mangel. Also war „selbst ist der Mann“ angesagt. Dinge, die benötigt, aber nicht auf legalem Wege beschafft werden konnte, holten sich viele aus den inzwischen gesprengten Gebäuden der PIW. Dort bestand noch lange Zeit die Möglichkeit, in Eigeninitiative fündig zu werden. Das kenne ich noch aus eigenem Erleben. Manche Mieter erhielten für ihre eigenen Arbeiten in der Wohnung eine Vergütung, andere wiederum nicht. Das stiftet natürch Unfrieden bei den Mietern, sie empfanden das als ungerechte Behandlung. Die Folge waren Beschwerden, sodass sich im November 1950 der Grundstücksbetrieb des KWU mit nachstehendem Schreiben an seine vorgesetzte Direktion wenden musste um eine diesbezügliche Regelung zu erbitten:

Betr.: Barth-Stein

Früher wurde den Mietern, welche die Herrichtung der Wohnung auf eigene Rechnung durchführten, auch schon vom vorigen Rechtsträger, als Entschädigung ein halbes Jahr mietfreies Wohnen zugesichert.

In der letzten Zeit wurde den neu hinzugekommenen Mietern, da es sich bei deren Wohnungen um weit größere Auslagen handelt (von 600 bis 1000 DM und wahrscheinlich noch darüber) ein Jahr mietfreies Wohnen gewährt.

Es werden Stimmen laut, welche unser Entgegenkommen als zu gering bezeichnen (180 DM Jahresmiete). Es wird deshalb um eine Entscheidung darüber gebeten, ob es in solchen Ausnahmefällen gestattet ist, das mietfreie Wohnen auf einen längeren Zeitraum auszudehnen.

Es bleibt auch noch die Frage offen, wer soll die Kosten tragen, wenn der betreffende Mieter zum Beispiel schon vorher auszieht

a) freiwillig und

b) unfreiwillig auf Veranlassung des Wohnungsamtes.

***

1947 - Erlass der Deutschen Zentralverwaltung

Zu allem Überfluss erließ die Deutsche Zentralverwaltung in Berlin im April 1947 eine Bestimmung zur Erfassung der Kasernenanlagen der ehemaligen deutschen Wehrmacht und beschäftigte damit die Verwaltungen in den Städten und Kreisen. Davon betroffen waren natürlich auch die Liegenschaften in Barth. Nachstehend das Merkblatt mit Erläuterungen zur Erhebung in Auszügen:

"Es ist verboten, Kasernen und militärische Objekte, welche ganz oder teilweise durch die Okkupationsmächte belegt sind, zu besichtigen und irgendwelche Erhebungen darüber anzustellen.

Der Erfassung unterliegen Kasernen, Flugplätze, militärische Lager, Militärgefängnisse, militärische Verwaltungen und sonstige Militärbauten, soweit diese nicht unter f) fallen

Soweit Gebäude und ähnliche Ablagen dieser Kategorie bereits den deutschen Verwaltungen für bestimmte Zwecke übergeben wurden, soll die zweite Seite des Fragebogens (Spalte 9-17) nicht ausgefüllt werden, sofern es sich nicht um spezielle militärische Einrichtungen handelt, wie z.B. Werkstätten, Munitionslager, Garagen, Waffenmeistereien, Schießplätze und unterirdische Anlagen.

Bauten der erfassten militärischen Anlagen, die immer Wohnzwecken gedient haben (Wohnhäuser für Offiziere, Feldwebel), sind, soweit sie Wohncharakter haben, als solche auszuweisen; für diese brauchen die Spalten 6-17 nicht ausgefüllt zu werden.

Der Fragebogen muss für jede Anlage gsondert und vollständig ausgefüllt werden. Können irgendwelche Fragen nicht beantwortet werden, so müssen die Gründe angegeben werden. Die Ausfüllung darf nur in einer Ausfertigung in deutscher Sprache erfolgen. Alle Dokumente müssen übergeben werden der DZVI zur unmittelbaren Weitergabe an die SMiD. Herstellung irgendwelcher Kopien oder zusammenfassende Aufstellungen sind verboten.

Dem Fragebogen sind Pläne der Kreise oder Städte beizufügen, auf denen deutlich die Standorte der vorhandenen Anlagen durch Numerierung markiert werden (Nr. im Situationsplan).

Dem Fragebogen muss ein Lageplan beigefügt werden.

Erläuterungen zu den einzelnen Spalten des Fragebogens

Zu 1: Die Gebäude sind fortlaufend in Übereinstimmung mit dem Lageplan zu numerieren.

Zu 2: Der ursprüngliche Verwendungszweck ist anzugeben, z.B.: Mannschaftsgebäude, Stabsgebäude, Wirtschaftsgebäude, Fahrzeugunterkünfte, Ställe, Exerzierhalle, Gerätehalle, Munitionslager sowie sonstige militärische Verwendungen.

Zu 3: Das Baujahr der Gesamtanlage ist anzugeben; sofern einzelne Gebäude zu anderen Zeiten erbaut wurden, sind die Baujahre für diese Gebäude gesondert anzugeben.

Zu 7: Ausser dem Grad ist hier die Art der Zerstörung anzugeben. Durch Brand, Sprengwirkung oder beides.

Zu 8: Hier ist genau anzugeben, von welchen deutschen Stellen und für welche Verwndungen die Bauten jetzt benutzt werden.

Zu 12: Anzugeben ist die Deckenkonstruktion, ob Holz-, Stein- oder Eisenbetondecken.

Zu 14: Anzugeben ist, ob Ziegel- oder Natursteinmauerwerk , Betonwände oder Holzbau usw.

Zu 15: Die Mengen in cbm sind nur anzugeben für Ziegel. und Natursteinmauerwerk sowie Holzbauten.

Zu allgemeinen Bemerkungen: In Ergänzung der Spalte 8 ist hier anzugeben, aufgrund welchen Befehls und durch welchen-Befehlsgeber die Gebäude übergeben wurden.

Die Lage der Wohnverhältnisse im Kreis oder der Stadt ist zurz zu charakterisieren. Hier ist vor allem die Wohnfläche je Kopf der Bevölkerung (Alt- und Neubürger) und gegebenfalls die Zahr der behelfsmässig untergebrachten dem Kreis oder der Stadt zugewiesenen Umsiedler anzugeben."

Die Barther Stadtverwaltung war hierzu bereits 1945 auf Befehl der Sowjetarmee tätig geworden, so dass einige Punkte der Berliner Erhebung wohl problemlos beantwortet werden konnten.
Major Dorenko von der Sowjetischen Militär-Administration in Deutschland beauftragte im Herbst 1945 den Barther Bürgermeister damit, eine Auflistung zu einem bestimmten Personenkreis zu erstellen. Weiterhin sollten Angaben zu den ehemaligen Rüstungsbetrieben in der Stadt gemacht und vorgelegt werden.

Die gewünschten Angaben ließ der Bürgermeister zusammenstellen und sie am 25. November der Kreiskommandantur in Barth übergeben. Er teilte Major Dorenko demzufolge mit, dass der Offiziersbestand der ehemaligen deutschen Armee für den Bezirk Barth auf der Kreiskommandantur listenmäßig erfasst sei. Im Bezirk Barth befanden sich im in Frage kommenden Zeitraum 10 Ingenieure und 5 Konstrukteure, jedoch keine Wissenschaftler, und folgende deutsche Heeresabteilungen seien hier einst formiert worden: Der Fliegerhorst und die Flakartillerieschule.
 Auf dem Fliegerhorst befand sich ein Bombenlager, das von der Roten Armee jedoch bereits abgefahren und gesprengt worden war.

Die auf der Flakartillerieschule befindlichen acht 8,8 mm-Flakgeschütze sind noch von der ehemaligen deutschen Wehrmacht kurz vor dem Einrücken der Roten Armee gesprengt worden.

Interessant sind die Angaben zur Munitionsfabrik PIW im Barther Stadtholz. Da schreibt der Bürgermeister, dass die Pommerschen Industriewerke „zur Zeit von einem Trophäen-Kommando ausgebaut werden“. Es lagerten dort noch Nebelkerzen.

Zur Produktpalette wurde angegeben:

Halb- und Fertigfabrikate, und zwar Nebelkerzen, Nebelkerzenzünder, Brandbomben, Schwelgranaten, Schwelbomben, Wurfgranaten-Zubehörteile, Kraftfahrzeugteile.

Von den chemischen Waffen, die in den PIW angeblich hergestellt worden sein sollen, ist hier nicht die Rede.

In den Heinkel-Werken in Barth lagerten noch Flugzeugmotore. Als Produktion werden Flugzeugmotore in der Fertigmontage aufgeführt. Ebenso stellte die Walther Bachmann Flugzeugbau KG in Barth Flugzeugeinzelteile her. Aber auch die Pommersche Eisengießerei Barth war am Rüstungsgeschäft mit der Produktion von Einzelteilen für Flugzeuge und Wurfgranaten befasst.

Wer von den alten Barther Einwohnern weiß noch von den Panzersperren in ihrer Stadt zum Ende des Krieges Auskunft zu geben? Vor dem Einrücken der Roten Armee hatte man solche im Grunde genommen nutzlose Verteidigungsanlagen jeweils in der Barthestraße, Sundische Straße, Chausseestraße, im Inspektorgang und beim Trebin ausheben lassen. Ein Panzergraben im Kirchhofswall und Bleicherwall mit einer Länge von insgesamt 1200 Metern hat dann auch nichts mehr genutzt.

Diese Angaben sind dem Bericht des Barther Bezirksbürgermeister entnommen, die der sowjetischen Kreiskommandantur übermittelt worden waren. Der Bürgermeister merkte gleichzeitig an, dass Archivmaterial nicht vorhanden sei.

Gab es in Barth-Stein Luftschutzbunker?

Im Bereitschaftslager Barth-Stein soll es Luftschutzanlagenbzw Luftschutzbunker gegeben haben. Deshalb war es naheliegend, sich im Sommer 2017 auf die Suche zu begeben nach eventuell noch vorhandenen Spuren. Da ich nicht fündig wurde, wäre der Frage nachzugehen, ob diese Anlagen hier überhaupt vorhanden waren. An Bunker konnte sich auch niemand von den befragten heutigen Tannenheimern mehr entsinnen. Doch in den Projektentwürfen vom September 1940 des Berliner Bauateliers Prof. Ernst Neufert (1900 - 1985) waren sie jedenfalls für das „Bereitschaftslager Barth-Stein“ vorgesehen. In den Archivunterlagen sind sieben Standorte solcher vermutlicher Luftschutzbunker auszumachen. Und zwar müssten demnach vier Anlagen im westlichen Teil (Männerlager) und drei im östlichen Teil des Bereitschaftslagers (Frauenlager) errichtet worden sein.

Bunkerreste konnte ich also keine finden, obwohl ich mich an solche aus meiner Barth-Steiner Zeit (1954-1956) zu erinnern vermeine. Im Jahr 1955 musste es gewesen sein, dass meine Eltern von der Baracke 5 in die letzte im östlichen Teil des Lagers befindliche Baracke umgezogen sind. Es war die Baracke Nummer 16, die heute aber nicht mehr existiert. Am südlichen Barackenanfang hatte Glasermeister Hess seine Werkstatt, in welchem kurz darauf der Kindergarten eingerichtet wurde.

Am nördlichen Ende der Baracken 12 und 13 muss einer jener Bunker seinen Standort gehabt haben. Die älteren Barth-Steiner Kinder stöberten damals in den Trümmern eines zerstörten kleineren Bauwerkes herum, welches einst zwischen diesen Baracken gestanden haben muss.

Das fiel mir erst wieder ein, nachdem ich auf der Bunkersuche war und die Bauunterlagen aus dem Jahr 1940 etwas intensiver in Augenschein genommen hatte.

Was das für ein Gebäude war, das kann zwar auch heute noch nicht mit absoluter Gewissheit gesagt werden, aber ich entsinne mich, dass dort damals diverse Metallteile lagen, die wir Kinder als normalen Schrott ansahen. Den vermeintlichen Schrott haben wir auf ein Handwägelchen geladen und sind damit zu einem Schrotthändler gefahren. In der Rudolf Breitscheid-Straße (Barthestraße) Nr. 55 hatte unweit der dortigen Gärtnerei ein Altmetallhändler auf einem Hinterhof seine Annahmestelle. Wir Kinder aus Barth-Stein kannten ihn bestens und er uns auch, denn wir waren ständig auf der Suche nach Schrott und brachten es dann zu ihm.

In den 1950er Jahren wurde in der DDR mit der Kampagne „Martin braucht Schrott“ zum Sammeln aufgerufen. In der Ostsee-Zeitung und auf großen Werbetafeln begegnete den Menschen diese Losung den Menschen sozusagen auf Schritt und Tritt. Auch die Werbesendung „ttt“ (tausend tele tips) im Deutschen Fernsehfunk und der Vorfilm „Der Augenzeuge“ im Kino verschonte niemanden mit dem Spruch.

Gemeint war damit eine republikweite Initiative unter der offiziellen Federführung der FDJ (Freie Deutsche Jugend) zum Sammeln von Altmetall, also von Schrott, für die Stahlindustrie der DDR. Der Schrott sollte dann in der 1872 in Betrieb genommenen Maxhütte (ab dem 1. Juli 1948 VEB Bergbau- und Hüttenkombinat Maxhütte) eingeschmolzen werden, und zwar in einem „Siemens-Martin-Ofen“. Davon abgeleitet also der Name des Aufrufs „Martin braucht Schrott“.

Übrigens, der letzte Siemens-Martin-Ofen in Westeuropa befindet sich heute im Industriemuseum Brandenburg. In Betrieb genommen wurde dieser am 12. Oktober 1967 vom VEB Stahl- und Walzwerk Brandenburg.

Im guten Glauben, wir bekämen für unsere heutige Fuhre richtig viel Geld, zog der Kindertrupp durch das große Hoftor. Bei unserer Schrottladung müsste es sich um Aluminium oder derartiges Metall handeln, meinten wir. Für Aluminium wurde ein sehr guter Preis gezahlt. Doch dann kam die Enttäuschung. Der Schrotthändler wollte das Zeugs nicht annehmen. Das ist Munition, Brandbomben oder Granaten, meinte er. Das dürfe er auf gar keinen Fall aufkaufen, auch wenn offensichtlich kein Sprengstoff mehr drin und dran sei.

Darum meine Vermutung aufgrund dieser Erinnerung, dass die Trümmer bei den Baracken 12 und 13 die Überreste einer jener Luftschutzbunker gewesen sein könnten. Die Bunker in Barth-Stein sind wohl gleich nach der Besetzung das Lagers durch die Rote Armee beseitigt worden. Heute noch sichtbaren Fundamentreste lassen jedenfalls derartige Rückschlüsse zu.

Hier ist die Beschreibung der Luftschutzbunker aus den Projektunterlagen von 1940 des Berliner Bauateliers Prof. Ernst Neufert:

Die Luftschutzbunker werden in Einzelanlagen für je 250 Mann in der auf dem Lageplan 71 A gekennzeichneten Stelle im Zusammenhang mit der übrigen Planung der Bereitschaftslageranlage errichtet...

Den allgemeinen Luftschutzbestimmungen entsprechend wird das Gebäude in Massivbaukonstruktion aufgeführt. Wegen des vorhandenen Grundwassers wird die Sohle der Luftschutzräume auf 10 cm über Höchstgrundwasserstand gelegt. Infolgedessen liegt das Gebäude zum Teil oberirdisch. Die Wandstärken sind dementsprechend 64 cm stark zu mauern. Das Gebäude wird bis zu 1,50 Meter unter vorhandener Erdoberkante gegründet.

Die Decke der Luftschutzbunker wird als Eisenbetondecke mit starken Eisenbetonunterzügen ausgeführt, darüber wird eine doppelte Papplage geklebt. Die Einzelheiten der Baukonstruktion und die Ausführung im Inneren geht aus Blatt 1 hervor.

Im Einzelnen setzt sich die Luftschutzanlage aus 5 Luftschutzräumen für je 50 Mann Belegschaft zusammen. Jeweils 2 solcher Räume werden von einer Gasschleuse aufgeschlossen und erhalten je 2 Toilettenanlagen. Zu jeder Luftschutzbunkereinheit gehört außerdem ein Liegeraum, in dem 6 Personen untergebracht werden können.

Die Anlage erhält außer den notwendigen Gastüren und gas- und splittersicheren Türen eine elektrische Installation und eine mit Hand betriebene Lüftungsanlage...“

Befragte Einwohner konnten mir, wie oben bereits erwähnt, zu den Bunkern keine konkrete Auskunft geben. Dafür habe ich aber Menschen getroffen, mit denen ich als Kind 1954 und 1955 in Barth-Stein den heutigen Kindern längst nicht mehr bekannte Spiele gespielt habe. Mit zwei Einwohnern, die früher einmal meine Spielkameraden waren und noch immer im heutigen Tannenheim wohnen, kam ich näher ins Gespräch. Eine ältere Dame bat mich in ihre Wohnung, und ich muss gestehen, mir war nicht mehr bewusst, wie beengt unsere Wohnverhältnisse in den Unterkünften in Barth-Stein waren, bzw. es noch immer sind.

Etliche der Bewohner haben sich inzwischen aber ein schönes Umfeld geschaffen mit viel Grün und mit vielen gepflegten, bunt blühenden Blumenbeeten vor oder auch hinter den Wohnbaracken. Eine dieser Damen wohnt im Kiefernweg in der Querbaracke. Sie erzählte einige interessante Details aus ihrem Berufsleben in der ehemaligen Korbflechterei in Barth-Stein/Tannenheim, was ich in meiner Episode „Die Korbflechterei“ festgehalten habe.

Dienstverpflichtung für die Munitionsfabrik

Eine Frage stellte ich mir immer wieder: Warum eigentlich sollten sich die Dienstverpflichteten in dem Bereitschaftslager Barth.Stein vor Luftangriffen schützen? 1935 ernannte der Reichskanzler Adolf Hitler Hermann Göring zum Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe, kurz Reichsluftfahrtminister. In dieser Eigenschaft hatte sich der dicke Hermann, der sich gerne und häufig in von ihm selbst ersonnenen Fantasieuniformen, mit sehr viel Brimborium und Heldenblech behangen, zeigte, 1939 etwas zu weit aus dem Fenster gebeugt. Am 9. August jenes Jahres baute er sich vor den Mikrofonen des Reichsrundfunks des Reichspropagandamisters Josef Goebbels auf, um in einer Rundfunkansprache seine deutschen Volksgenossen in großes Erstaunen zu versetzen. Er beteuerte allen Ernstes, er wolle nicht mehr Hermann Göring heißen, sondern Hermann Meier, wenn auch nur ein einziger britischer Bomber die Ruhr erreiche. Das war, wohlgemerkt, noch vor Beginn des fürchterlichen Zweiten Weltkrieges. Und dennoch sprach er also bereits von diesem Krieg, der auch auf deutsches Staatsgebiet Auswirkungen haben könnte und schließlich auch hatte. Schon 1942 legten britische Bomber große Teile der Stadt Rostock in Schutt und Asche. Und die badische Gold- und Uhrenstadt Pforzheim erlebte am 23. Februar 1945 einen katastrophalen Luftangriff durch britische Bomber. Innerhalb von zwanzig Minuten verloren dabei beinahe 20.000 Menschen ihr Leben. Aber der dicke Hermann hieß auch dann immer noch nicht Meier. Es ist wohl davon auszugehen, Hermann Göring war von der Wahrhaftigkeit seiner größenwahnsinnigen Behauptung vom 23. Februar 1939 selbst nicht mehr überzeugt.

Für solchen Fall stellt sich aber die Frage, weshalb dann bereits vor Kriegsbeginn Luftschutzvorrichtungen bei neu zu errichtenden Wohnanlagen, wie zum Beispiel in dem Bereitschaftslager Barth-Stein, vorgesehen waren, wo es unter Berufung auf Luftwaffenoberbefehlshaber Hermann dazu doch überhaupt keinerlei Besorgnisse hätte geben dürfen.

Bereitschaftslager als Wohnunterkünfte wie jenes in Barth-Stein, wurden im Interesse der deutschen Rüstungsindustrie ab 1938 im gesamten Reichsgebiet gebaut. So zum Beispiel von 1938 bis 1940 in Eggesin (Architekt war Ludwig Spitzer), in Oderberg bei Bad Freienwalde von 1939 bis 1940 und eben in Barth-Stein von 1940 bis 1941. Hier war Prof. Ernst Neufert (1900 - 1986) der Architekt.

Bei der nach dem Krieg begonnenen Aufarbeitung der NS-Zeit waren die damit befassten Historiker erst relativ spät auf den Begriff Bereitschaftslager aufmerksam geworden. Die Bezeichnung Bereitschaftslager wurde aber von Beginn an für die Arbeitslager der Dienstverpflichteten in der Rüstungsindustrie verwendet.

Zur Dienstpflicht: Im Dritten Reich wurde eine Verordnung zur Dienstverpflichtung erlassen, der Zwang zur Arbeit hat also Geschichte. Das Reichsarbeitsdienstgesetz (aus dem Jahr 1935), die Erste Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung (aus dem Jahr 1938) RGBl 1938 I S652, die Dritte Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung (aus dem Jahr 1938) RGBl 1938 I S1442, die Vierte Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung (aus dem Jahr 1939) RGBl 1939 I S204.
Selbst damals verpflichteten aber nicht etwa die Unternehmer oder ihre Pflegedienstleitungen andere zur Arbeit. Es war stets eine staatliche Stelle, die ihnen da zur Hilfe kam.

Dienstverpflichtung, Definition: Von Staats wegen ausgesprochene Verpflichtung, zur Förderung sozialer, wirtschaftlicher und militärischer Aufgaben eine bestimmte öffentliche Funktion zu übernehmen oder in ein bestimmtes Arbeitsvertragsverhältnis einzutreten. 1938 in Deutschland eingeführt, in anderen Staaten erst im Krieg. Die Dienstverpflichtung bedeutet eine wesentliche Beschränkung der persönlichen Freiheit. Nach Art. 12 Abs. 2 GG kann jemand zu einer bestimmten Arbeit nur im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen öffentlichen Dienstverpflichtung herangezogen werden. 1968 hat Art. 12a GG für den Verteidigungs- und den Spannungsfall begrenzte Dienstverpflichtungen neu eingeführt.“

Dienstverpflichtete sollten in möglichst naher Umgebung zu dem jeweiligen Werk wohnen. Für sie wurden in Werksnähe Häuser in vorrangig massiver Bauweise als Wohnlager errichtet. Es gab aber auch Lager, in denen die Unterkünfte als Holzbaracken errichtet worden waren, wie es in Barth-Holz der Fall gewesen ist. Bereitschaftslager umfassten einige Hundert bis Tausend Wohnungen. Dazu gehörte jeweils ein zentral gelegenes Versorgungszentrum und entsprechende Verwaltungsgebäude. Für die Lager wurden am liebsten Orte gewählt, die im Wald versteckt liegen. Das war in Barth-Stein, Eggesin oder auch in Hohensaaten der Fall. Waren keine solchen natürlichen Bedingungen vorhanden, wurde das Lager mit aufgeschütteten Erdwällen nach außen hin abgeschirmt, wie es zum Beispiel in Oderberg der Fall war.

Große Bedeutung wurde auch dem Wohnumfeld beigemessen. Die Wohnanlagen wurden nach Möglichkeit in eine parkartig gestaltete Grünfläche eingebettet. Hier erhielten dienstverpflichtete, also zwangsverpflichtete, deutsche Arbeiter Wohngelegenheiten. Auch Büroangestellte mit deren Familien wohnten hier.

Für diese Mitarbeiter der Rüstungsbetriebe entstanden Ein- und Doppelhäuser, die einen ganz anderen, komfortableren Zuschnitt hatten als die Unterkünfte der einfachen Mannschaften.

Im Laufe des Krieges waren dann zunehmend auch Frauen von der Dienstverpflichtung betroffen. Auch ausländische Arbeiter bekamen hier Quartier..

Es gibt keinen Beleg dafür, dass Zwangsarbeiter in Bereitschaftslagern gewohnt haben“ ist in manchen Schriften zu lesen. Dem ist am Beispiel Barth-Holz zu widersprechen. Im Bereitschaftslager Barth-Holz, das nicht aus Massivbauten, sondern aus Holzbaracken bestand, haben nicht nur Zwangsarbeiter aus Osteuropa „gewohnt“, es soll sich dabei teilweise sogar um Kriegsgefangene gehandelt haben.

Das Bereitschaftslager Barth-Stein ist auch heute noch bewohnt, heißt seit 1957?) Barth-Tannenheim und ist eine ganz normale Wohnsiedlung. Als 1940 der Landrat des Landkreises Franzburg-Barth die Baugenehmigung für das Lager freigab, wurde dem Bauherrn die Auflage erteilt, sämtliche Bauwerke nach Ablauf von zwei Jahren nach Erteilung der Baugenehmigung wieder abzureißen. Diese Häuser werden jedoch heute noch bewohnt. Das Lager Barth-Holz bestand nach dem Krieg anfangs noch als Quarantänelager, danach für Wohnzwecke für Flüchtlinge und Heimatvertriebene. In den 1960er Jahre wurde es schließlich abgerissen.

Die „Heimindustrie“

In den Archivbeständen der Stadt Barth zum Thema Korbflechterei Barth-Stein tauchen in den Schriftverkehren zwischen den damaligen Ämtern zunächst die Begriffe „Heimarbeit“, dann „Heimindustrie“, dann „Heimarbeitsgenossenschaften“ und schließlich KWU und VEB (K) auf.

Eine der schlimmen Kriegsfolgen war, dass die Wirtschaft in Deutschland am Boden lag. Doch Arbeit musste her. Fachkräfte waren aber rar. Millionen deutscher Männer und Frauen waren als Kriegstote zu beklagen, Millionen deutscher Männer waren für mehrere Jahre in Kriegsgefangenschaft geraten. Der Neubeginn der Wirtschaft in Deutschland war eine komplizierte Angelegenheit, doch es musste gelingen, wieder auf die Beine zu kommen.

Dafür schuf man zunächst die Heimindustrie. Deren wenig effektive Arbeitsweisen machten jedoch bald deren Zusammenschluss zu Produktivgenossenschaften erforderlich. In Barth-Stein führte das zur Gründung der Korbflechterei als „Heimarbeitsgenossenschaft“.

Was hatte es mit der Heimindustrie überhaupt für eine Bewandtnis? In den Schriftstücken im Archiv ist viel Interessantes zu lesen. Interessant auch deshalb, weil uns Heutigen das Vokabular einerseits häufig doch recht fremd erscheint, andererseits aber auch wieder gar nicht so fremd ist. Manche Maßnahme, zu der die Politik in jenen Jahren gezwungen war, könnte auch aus heutigen Arbeits- bzw. Sozialministerien aus Bund und Ländern stammen.

Eine Kostprobe:

9. September 1948, Landesregierung Mecklenburg, Ministerium für Sozialwesen,

Hptabtlg. Arbeit und Sozialfürsorge

Betr.: Fürsorge für Heimarbeiter, die infolge der Währungsreform arbeitslos geworden sind.

Im Juni / Juli d.Jhrs. hat die Heimindustrie in Mecklenburg 6.000 Menschen (davon 4.000 Frauen) Arbeit gegeben, während im Laufe der letzten Wochen zahlreiche Entlassungen vorgenommen werden mussten, weil es sowohl den Genossenschaften als auch Privatunternehmen und den Gemeinschaftsbetrieben der Volkssolidarität vielfach nicht möglich war, ihren Verpflichtungen nachzukommen.

Der Heimindustrie in Mecklenburg, die im Laufe des letzten Jahres einen recht guten Anfang genommen hatte, ist durch die Währungsreform ein empfindlicher Schlag versetzt worden. Nicht nur, dass die auf den Banken liegenden Betriebsgelder nur mit 1:10 umgewertet worden sind, sondern durch die allgemeine Verknappung des Geldes machen sich auch Absatzschwierigkeiten bemerkbar, insbesondere für solche Artikel, die nicht dem praktischen Verbrauch dienen. Es wird Aufgabe der Ämter für Arbeit sein, die Produktion der Heimindustrie zu überprüfen, die Herstellung von solchen Bedarfsartikeln zu fördern, die die beste Materialverwendung ergeben und die Heimarbeiter zu Genossenschaften zusammenfügen, die die Gewähr bieten, dass planmäßig das Ziel verfolgt wird, die Produktion zu verbessern und zu verbilligen.

Um zu verhindern, dass die bisherigen Heimarbeiter, zumeist handelt es sich um nicht voll einsatzfähige Frauen, hilfsbedürftig werden, ist zu prüfen, auf welche welche Weise vorbeugend durch die Sozialämter eingegriffen werden kann. In vielen Fällen wird durch Gewährung einer einmaligen Beihilfe von 100 – 300 DM, die durch den Heimarbeiter zur Zeichnung von Genossenschaftsanteilen oder zur sonstigen Finanzierung verwendet werden könnte,eine bessere Hilfe geleistet werden, als durch Zahlung einer laufenden Fürsorgeunterstützung an den arbeitslosen Heimarbeiter. Vor Gewährung solcher Beihilfen muss jedoch festgestellt werden, ob die Verschuldung des Betriebes nicht bereits so groß ist, dass die Beihilfe nur in die Konkursmasse wandern würde. Voraussetzung für die Bewilligung derartiger Unterstützungen muss deshalb sein:

a) dass das Geld einer bereits bestehenden Produktionsgenossenschaft für Heimarbeiter zufließt, die eine gesunde Grundlage hat und die Gewähr bietet, dass sie weiterhin ihren Mitgliedern Verdienst und Arbeit sichert,

b) dass die Mitglieder bestehender Arbeitsgemeinschaften sich zu einer Produktionsgenossenschaft zusammenschließen oder einer bereits bestehenden Genossenschaft beitreten und durch Schaffung klarer Verhältnisse eine neue Arbeitsgrundlage sichern.

Die Prüfung der Betriebe nach den unter a) und b) gekennzeichneten Gesichtspunkten kann nur in Zusammenarbeit mit den Ämtern für Arbeit geschehen. Sweit bereits Stilllegungen vorgenommen worden sind, ist beschleunigte Hilfeleistung notwendig.

Eine Überprüfung der einzelnen Heimarbeitsbetriebe wird im Laufe der nächsten Zeit auch durch das Ministerium für Sozialwesen erfolgen.

Die Sozialämter werden um Bericht in dieser Angelegenheit gebeten.“

Die geschaffene Heimindustrie hatte also den Zweck, „alleinstehenden Umsiedlerfrauen, hausgebundenen Müttern und kriegsversehrten, nicht mehr voll einsatzfähigen Personen eine Existenzgrundlage zu ermöglichen.“

Durch die von der Landesregierung hierfür ausgegebenen Mittel und durch die Gewährung sogenannter Anlernbeihilfen wurde die Heimarbeit stark gefördert. So war es möglich, die in den einzelnen Dorfgemeinschaften geschaffene Heimarbeit zu unterstützen. Die ersten Arbeitsgemeinschaften wurden im Februar 1947 geschaffen. Das hat doch viel Ähnlichkeit mit den uns bekannten ABM der Nachwendejahre?

Und dann kam am 15. August 1950 das Schreiben zur Liquidierung der Genossenschaft. In diesem Schreiben ist die Richtung zu erkennen, wohin der Hase künftig zu laufen hatte. Aus den anfänglichen Erfordernissen, der Wirtschaft mit kleingliedrigen Maßnahmen, wie Heimarbeitsindustrie, wurden im Laufe der Zeit dann Heimarbeits-Genossenschaften. Die allgemeine Zentralisierung von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft deutet sich hier in den Anfängen bereits an.

Denn im August 1950 wird die Heimarbeitsgenossenschaft darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Korbflechterei am 15. August 1950 vom KWU übernommen wird. Die bislang eigenständige Genossenschaft wurde liquidiert und dem kommunalen Unternehmen KWU als Betriebsteil zugeordnet. Hier der Inhalt des entsprechenden Schriftstückes vom 10. August 1950 an die Direktion der Heimarbeitsgenossenschaft Barth-Stein:

Am 15.8.1950 wird die Korbflechterei als Betriebsteil im KWU Barth übernommen. Das Mobiliar, das Material und die Geräte nach der Aufstellung vom 31.7.1950 werden zum Schätzpreis von 1.012 DM übernommen. Der Betrag ist an die Kreissparkasse Konto-Nummer 1000 zu überweisen.

An Personal werden übernommen:

Geschäftsführer Herr Otto Schwahn, Barth-Stein, Joseph Greschner, Bart-Stein, Heinz Franke, Barth, Eduard Leba, Pruchten.

Vereinbarungsgemäß wird eine Forderung von DM 283,65 an die Heimarbeitsgenossenschaft für gelieferte Weiden niedergeschlagen, weil das KWU die bestehenden Geschäftsbeziehungen übernimmt.

Die Liquidierung der Genossenschaft ist eine interne Angelegenheit derselben.“

Doch die Korbflechterei produzierte weiter. Was nach dem Krieg als Heimarbeitsbetrieb begann, dann Heimarbeitsindustrie genannt, vom KWU liquidiert und übernommen wurde, hatte schließlich als VEB (K) Korbflechterei Barth bis in die 1970er Jahre hinein seine Daseinsberechtigung.

Quellen: Archiv der Stadt Barth-Holz

DDR-Lexikon

Die Korbflechterei

Die Bewohner des Bereitschaftslagers, die bis zum 30. April 1945 ihrer Arbeit in den PIW nachgiegangen waren, hatten von einem Tag auf den anderen ihren Arbeitsplatz verloren, wurden demzufolge nicht mehr benötigt. Sie verließen notgedrungen auch ihre Unterkünfte im Lager und kehrten in ihre Heimatorte zurück. Die Rote Armee hatte das Lager mit den leergeräumten Gebäuden besetzt.

Doch das Leben musste in der Stadt Barth auch ohne die PIW weitergehen, jetzt aber mit friedlicher Arbeit. Möglichkeiten zur Schaffung von zivilen Arbeitsplätzen mussten ausgelotet werden.

So wurden in den ehemaligen Gemeinschaftsbauten im Großen Saal, im Heizhaus und im Schweinestall Werkstatträume und Unterstellmöglichkeiten für Traktoren, Mähdrescher und andere landwirtschaftliche Gerätschaften ein. Eine erste MTS (Maschinen- und Traktoren-Station) entstand. Auch eine Korbflechterei wurde, zunächst noch als sogenannte Heimarbeitsindustrie, aufgebaut, die Anfang 1948 dann die Bezeichnung Umsiedlergenosenschaften bekam.

Ab 1949 ist schließlich von der „Heimarbeitsgenossenschaft e.G.m.b.H Barth - Kreis Stralsund“ die Rede.

Hierzu ein Schreiben der Korbflechterei von Januar 1949 an den Rat der Stadt Barth:

In Beantwortung [...] teilen wir Ihnen mit, dass die gerichtliche Eintragung unserer Genossenschaft beantragt ist.und in Kürze erfolgen wird.

Die geforderte Jahresbilanz wird von unserem Sachverständigen […] erst Ende ds. Mts. Fertiggestellt. Jedoch kann derselbe eine Zwischenbilanz von November 1948 vorlegen.

[…] Unser Betrieb beschäftigt z.Zt. über 100 Personen.“ (9)

1950 wurde der Landesregierung Mecklenburg vorgeschlagen, die Genossenschaft in den Status eines Produktionsbetriebes zu erheben und den KWU (Kommunale Wirtschaftsunternehmen) anzugliedern.

Aus einem Schreiben vom 26. Juni 1950 an die Landesregierung:

Wir haben in Barth eine Heimarbeits-Genossenschaft, welche seit zwei Jahren Korbflechtarbeiten ausführt. […] Das KWU wäre geneigt, die Korbwarenabteilung der Heimarbeitsgenossenschaft seinen Betrieben anzugliedern.“

Die Heimarbeitsgenossenschaft wurde schließlich von den KWU geschluckt und firmierte bald darauf bis etwa 1970 als VEB (K) Korbflechterei Barth.

Gespräche mit zwei ehemaligen Barther Korbflechterinnen, Frau Knaack und Frau Neumann, vermittelten Einblicke in mir bis dahin völlig fremde technische Abläufe bei der Herstellung von Korb- und Flechtwaren, so dass ich mich auf Fakten aus berufenem Munde stützen darf. Die Frau gehörte mit ihren Eltern zu den frühen Nachkriegseinwohnern der Siedlung, die erst im Jahr 1947 von der sowjetischen Militäradministration durch den Oberstleutnant Kossarew offiziell an die deutsche Selbstverwaltung zurückgegeben worden war. Seit etwa 1957 spricht man amtlicherseits nicht mehr von Barth-Stein, sondern von Barth-Tannenheim.

Wo genau war nun dieser Betrieb? Von der L 21 geht es rechts ab in die Wohnanlage in den heutigen Eschenweg. Rechter Hand stehen Garagen. Auf diesem Gelände stand früher ein größeres Gebäude, das bis an den Kiefernweg heranreichte. Im südlichen Teil befand sich das Brause- oder auch Badehaus. Im nördlichen Bereich war das Feuerlöschhaus untergebracht. An der Ecke Eschenweg/Kiefernweg stand der Feuerwehrturm (Höhe: 16,80 Meter), dessen Fundament auch heute noch erkennbar ist.

Gegenüber, neben der Wache (später Wohnung der Familie Böhm), steht das ehemalige Werkstattgebäude. Der südliche Teil dieses Gebäudes war nach dem Krieg für viele Jahre die Konsumverkaufsstelle, die später in die Räumlichkeiten des einstigen Reviergebäudes umzog.

Im nördlichen Bereich des Werkstattgebäudes wurden die Produktionsräume für die Korbflechterei eingerichtet. Dazu gehörte auch eine Tischlerei mit Herrn Böhm als deren Chef. Seine Ehefrau, Frau Böhm, war übrigens die Verkaufsstellenleiterin des Konsumladens in Barth-Stein.

Welche Produkte wurden in der Korbflechterei hergestellt? Begonnen wurde mit dem Flechten von Matten aus Stroh, zum Beispiel Fußmatten und Schuhabtreter. Hüte aus dem gleichen Material gehörten ebenfalls zur Fertigung in der Barth-Steiner Korbflechterei. Das Sortiment hatte auch später eine relativ überschaubare Vielfalt. Gefertigt wurden entsprechend des Bedarfs und, soweit machbar, der damaligen Mode nachkommend Wannen für Kinder- bzw. Babywagen. Wofür es ja auch derzeit wieder Bedarf zu geben scheint. Weiterhin stellten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Tragekörbe und kleine Körbchen her.

Beim Stichwort „Körbchen“ sei mir gestattet, einen Beweis für das Alter der Flechtkunst zu wagen. Die Bibel berichtet im zweiten Buch Mose davon, wie Moses als Säugling von seiner Mutter in einem geflochtenen Korb auf dem Nil ausgesetzt wurde, da das Kind andernfalls von den ägyptischen Machthabern getötet worden wäre:

Als sie ihn aber nicht länger verbergen konnte, machte sie ein Kästlein von Rohr und verklebte es mit Erdharz und Pech und legte das Kind hinein und setzte das Kästlein in das Schilf am Ufer des Nils. Die Tochter des Pharaos fand den Korb und rettete das Baby. Wie wäre die Geschichte wohl ohne den rettenden Korb verlaufen? Denn Pharao hatte seinem Volk geboten, alle Söhne, die geboren werden, werft ins Wasser, und alle Töchter laßt leben.“

Das Handwerk des Korbflechtens hat also ein wahrhaft biblisches Alter und ist doch lebendig bis in unsere Tage geblieben.

Die Körbe und Körbchen waren als Modeartikel der 60er und 70er Jahre sehr stark nachgefragt. Um überhaupt an solche Dinger zu kommen, sind viele nach Stettin gefahren. Dort gab es sie auf dem Polenmarkt zu kaufen. Unter anderem auch aus Weiden geflochtene Einkaufskörbe. Die waren seinerzeit der ganz große Renner bei den Mädchen und Frauen. Nur zu kaufen gab es sie hierzulande nicht, oder nur unter dem Ladentisch erhältlich.

Ein weiteres Produkt in der Barth-Steiner Palette waren Wäschekörbe. Diese wurden in verschiedenen Größen, aber auch in verschiedenen Formen hergestellt. Es gab sie als runde Ausführung, als ovale Ausführung, als große oder auch als kleine Wäschekörbe. Eine Besonderheit waren die sogenannten Mecklenburger Wäschekörbe. Bei diesen handelt es sich Gegensatz zu den damals üblichen Korbformen, dass sie weder rund noch oval waren. Sie hatten eine eckige Ausführung.

Aber nicht nur modische Ansprüche sollten befriedigt werden, auch die Industrie, der Handel und die Landwirtschaft benötigten Korbflechtwaren. In den Büros und in sonstigen Amtsstuben waren diese Dinge ebenfalls unentbehrlich. Man denke nur an die Kartoffelernten, dort ging auf dem Acker ohne Kiepen nichts. Es wurde bis Ende der 1950er Jahre noch mit dem Kartoffelroder mit einem davor gespannten Pferd gearbeitet. Erntemaschinen heutiger Art gab es dann erst später, so dass die von Hand aufgeklaubten Kartoffeln in Körbe gesammelt wurden und zu einem Anhänger getragen werden mussten. Dafür waren natürlich diese Körbe aus Weidengeflecht bestens geeignet.

Ebenso bei dem damals noch hochaktuellen Kohlehandel war die Arbeit ohne Jutesäcke und Weidenflechtkörbe schier undenkbar. Die Männer von den Kohlehandlungen Krusemark und Völcker schleppten die Briketts entweder in Weidenkörben oder den erwähnten Jutesäcken von ihrem Fahrzeug zum Haus, wenn möglich, sogar bis in den Keller.

Und, nicht zu vergessen, in den Büros, Schreibstuben und Klassenzimmern der Schulen waren früher Papierkörbe aus schlichtem, aber dennoch schön wirkendem Flechtwerk ein übliches Utensil.

Welches Material fand denn beim Flechten Verwendung? Das Material, das beim Korbflechten verwendet wird, ist, wie allgemein bekannt, ein Naturprodukt. Weidentriebe oder Weidengerten, auch Weidenruten ist eine übliche Bezeichnung dafür. Die in Barth-Stein benötigten Mengen an Material konnten allerdings nur zu einem kleineren Teil aus eigener Ernte gewonnen werden. Der größte Teil des Materials jedoch kam als Lieferung per Bahn von außerhalb.

Am Fuchsberg nahe des Borgwalls betrieb die Korbflechterei Barth eine eigene Weidenkultur. Das Material musste nach dem Schnitt bzw. nach der Anlieferung in der Flechterei zur Weiterverarbeitung aufbereitet werden. Wie ging das vor sich? Welche Arbeitsgänge sind dabei erforderlich? Wie hat man dieses Material in Barth-Stein aufbereitet?

Wurden die Weidengerten angeliefert, waren sie zunächst ausgetrocknet und somit zur sofortigen Weiterverarbeitung nicht geeignet. Sie mussten erst einmal weich und geschmeidig gemacht werden. Dazu gab man sie in ein großes Wasserbassin aus Beton, das im Betriebsgelände vorhanden war. Hier wurden die Weiden gewässert. Sie grünten dadurch wieder aus, was sie weich, geschmeidig und biegsam machte, so dass sie den Ansprüchen der Verarbeitung entsprachen. Anschließend erfolgte der Arbeitsgang des Schälens. Das geschah maschinell. Um bei dem Material die helle Färbung, welche nach der Schälung entstanden war, zu erhalten, kam es im Freien an die Sonne. Wenn diese mal gerade nicht schien, tat das dem Vorgang aber keinen Abbruch.

Da das Naturprodukt Weidenholz infolge der aufgenommenen Feuchtigkeit während des Wässerns von Schimmel befallen werden kann, wurden die Weidenruten abschließend noch geschwefelt.

Der Prozess der Fertigung in der Endphase erfolgte in zwei Arbeitsgängen. Dabei war die eine Arbeitsgruppe mit der Fertigung der Bögen befasst, während eine zweite Gruppe die Endfertigung vollzog, also die einzelnen Teile bzw. Baugruppen zum Endprodukt montierte.

In den Arbeitsgruppen wechselte man die Arbeitsgänge ständig, damit es für die einzelnen Kolleginnen und Kollegen nicht so eintönig werden sollte.

War dann schließlich alles fein säuberlich zusammengefügt, konnte es in den Versand gebracht werden. Die Kundschaft wartete bereits.

Ob die für das Bearbeiten der Weidenruten erforderlichen Werkzeuge immer und in der entsprechenden Qualität zur Verfügung standen? Es herrschte ja nicht nur unmittelbar nach Kriegsende Mangel an fast allem. Dem Bedarf konnte auch in der späteren sozialistischen Planwirtschaft nicht zufriedenstellend nachgekommen werden. Für die Werkzeuge, wie Weidenspalter, Korbmachermesser, Schlageisen, Pfrieme oder auch Weidenscheren müssen nämlich hochwertige Stähle verwendet werden. So ist zum Beispiel für die Weidenschere, welche auch als Baumschere Verwendung finden kann, ein Stahl in schwerer und geschmiedeter Qualität erforderlich. Es soll ein Stahl sein, der eine große Langlebigkeit garantiert und scharfe, glatte Schnitte ermöglicht. Auch an den Pfriem, ein an und für sich unscheinbares Werkzeug, wird ein gewisser Anspruch an Güte gestellt. Er soll aus einem Qualitätsstahl (Chrom-Vanadium-Legierung) gefertigt sein. Den Pfriem braucht der Weidenflechter zum Vorstechen des Geflechts.

Im Zusammenhang mit der Gewinnung von Weiden für den VEB (K) Korbflechterei Barth gab es ein ziemliches Gezerre zwischen verschiedenen Unternehmen unterschiedlicher Rechtsformen betreffs der Rechte für den Anbau der Weiden, deren Ernte und der Lieferungen nach Barth-Stein. Dazu finden sich im Archiv mehrere geschäftliche Schreiben. Zum Beispiel das vom KWU mit Datum vom 25. April 1950 an die Landesregierung Mecklenburg, das einen Einblick in damalige Befindlichkeiten gibt:

Mit Errichtung des KWU in Barth wurde von der Stadtverwaltung eine 6 ha große Korbweidenkultur übernommen. Diese ist laut Sachverständigem-Gutachten des von der Landesregierung Hauptabteilung Erfassung und Aufkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse benannten Herrn Matthes in Schwaan überaltert und nicht mehr voll ertragsfähig...“ (11)

und deshalb seien staatliche Zuschüsse mit folgenden Beträgen erforderlich:

Für 1947/48 746 DM, für 1948/49 966 DM und für 1949/50 682 DM.

Es wurde daher der Antrag an das zuständige Ministerium eingereicht, „einem Pachtverhältnis an hiesige Korbmacher zuzustimmen, um zu erzielen, dass diese die Aberntung und die Verarbeitung durchführen. Die HA Erfassung und Aufkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse erklärt sich unter Schreiben vom 14.4.50 damit einverstanden, verpflichtet uns jedoch nach wie vor die Ernten abzuliefern.

Unsere gesamte Ernte von rund 300 Dezi-Zentner jährlich wurde der Korbweiden-Anbau und Verwertungsgenossenschaft zur Verfügung gestellt. Der Leiter dieser GmbH, ein Privatunternehmer Falk in Rostock bezog davon 153 dz für eigene Rechnung. Der oben angeführte Zuschuss kann und muss vermieden werden, wenn der Rohstoff in unserem eigenen Betrieb verarbeitet wird. Die Voraussetzungen dafür liegen günstig, da Fachkräfte, Räume usw. vorhanden sind.

Wir bitten daher; in Verbindung mit der HA Erfassung und Aufkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse das bisher der Korbweidenanbau und Verwertungsgenossenschaft, Rostock, August-Bebelstr. 3, zugesprochene Kontingent von 300 dz aus unserer Erzeugung auch auf unseren Betrieb zu übertragen.

In Verbindung mit der HA Wirtschaftsplanung uns für das 4. Quartal 1950 und weiterlaufend einzuplanen.“

Der Minister in der Landesregierung, Starosson, hat dann in diesem Fall entschieden, so dass am 1. Juli 1950 die Heimarbeits-Genossenschaft Barth-Stein des KWU Barth folgendes Schreiben erreichte:

An die Heimarbeits-Genossenschaft, z.Hd. von Herrn Schwan, Barth-Stein, Direktion.

Nachdem Herr Minister Starosson entschieden hat, dass die Nutzung der Weidekultur ohne Auflagesoll dem KWU der Stadt Barth verbleibt, ist eine Lage geschaffen, welche die Weiterentwicklung zu überlegen zwingt. Ich bitte Sie, wenn die schriftliche Bestätigung vorliegt, einen Arbeitsplan aufzustellen, welcher die Weiterentwicklung der Korbflechterei eventuell Eingliederung in das KWU und ähnliche Fragen beantwortet.

Zur Besprechung dieser Angelegenheit wäre Ihr Besuch in den nächsten Tage uns erwünscht.“

Alfred Starosson, gelernter Frisör, war einst Mitglied der Rostocker Bürgervertretung und hatte nach dem Zweiten Weltkrieg das Amt des Ministers für Handel und Versorgung im Land Mecklenburg inne.

Lager Barth-Holz

Neben Barth-Tannenheim befand sich in in Richtung Bodstedt in einer Entfernung von etwa 150 Meter ein Wohnlager für Zwangsarbeiter der Munitionsfabrik PIW (Pommersche Industriewerke GmbH). Im damaligen Sprachgebrauch hießen solche Unterkünfte "Bereitschaftslager". Auch der heutige Barther Ortsteil Tannenheim war einst ab 1940 als ein solches Bereitschaftslager unter der Bezeichnung "Barth-Stein" errichtet worden. Hier wohnten ebenfalls Mitarbeiter der PIW. Die Lager Barth-Holz und Barth-Stein unterschieden sich hinsichtlich der Bauten und der Unterbringung der Bewohner ganz wesentlich. Darauf wird im Weiteren dieses Beitrages noch näher eingegangen werden. Barth-Stein hatte eine Größe von 80.000 m², Barth-Holz 55.000 m². Beide Lager waren von einem Zaun umgeben.

Was sich den Interessierten mit der Vergangenheit des Lagers Barth-Holz mit besonderem Interesse beschäftigen lässt, ist das Nebulöse, das diesen Ort umgibt. Ein Geheimnis, wird so mancher dagegenhalten, gibt es dabei jedoch nicht. Denn dort waren Baracken, genau wie in Barth-Stein (Tannenheim). Aber kaum jemand, der befragt werden konnte, weiß Genaueres. Als Antwort erhält man bestenfalls" da waren Baracken". Was die Lagerinsassen betrifft, sind, wenn überhaupt eine Auskunft zu erhalten ist, die abenteuerlichsten Meinungen zu hören.

Nun konnte ich eine Bartherin ausfindig machen, die dieses Lager noch von ganz früher her kennt. Allerdings auch erst nach 1945. Sie wohnt seit 1946 im benachbarten Tannenheim, dem früheren Bereitschaftslager Barth-Stein, und beschäftigt sich aus heimatkundlichem Interesse mit solchen Themen wie Rüstungsindustrie in Pommern.

Ihren Beobachtungen zufolge lassen sich heute bauliche Spuren von Barth-Holz nur noch von Ortskundigen finden, die sich aktiv mit dieser Angelegenheit befassen. Oder vielleicht Barth-Holz noch aus Kindertagen in der Erinnerung haben.

Mir selbst ist eine Familie D. als damalige Einwohner von Barth-Holz erinnerlich. Vereinzelte Fundamentreste konnte ich noch finden. Auf dem Fundament jener Baracke, in welcher besagte Familie D. einst wohnte. In den Holzbaracken wohnte auch ein junger Mann mit Namen Paul P. Er arbeitete in einer der Kohlehandlungen am Barther Westhafen. Seinen täglichen Weg zur Arbeit und wieder zurück nach Barth-Holz legte er zu jeder Jahreszeit zu Fuß zurück. Ein Fahrrad besaß er nicht, und die Busfahrer hätten ihn auch nicht in ihr Fahrzeug einsteigen lassen, da sich Paul nach seiner schweren Arbeit als Kohlenausträger weder den Kohlenstaub abwusch, noch die Kleidung danach wechselte. Man erlebte Paul auf seinem Heimweg nicht anders, als mit schwarzem, staubverschmiertem Gesicht und mit Igelitstiefeln bekleidet.

Die Schuljungens passten ihn häufig hinter der Barthebrücke ab um ihn zu hänseln. Paul war zwar ein recht groß gewachsener junger Mann, der sich die Gören problemlos hätte vom Halse halten können, doch er war in dieser Hinsicht ein völlig hilfloser Mensch, der sich nicht zu wehren wusste.

Mehrere der einst in Barth-Holz Wohnenden wurden vor dem Abriss der dortigen Baracken nach Barth-Stein (heute Tannenheim) umgesiedelt. Drei dieser Familien, bzw. Personen, die bis heute noch dort leben, konnten ausfindig gemacht werden.

Im April 1947 verfügte die "Deutsche Zentralverwaltung der Industrie - Referat 4010" per Erlass, dass eine Erhebung über Kasernenanlagen der ehemaligen deutschen Wehrmacht zu erfolgen habe. Der Erlass hatte zum Inhalt, dass es verboten sei, Kasernen und militärische Objekte, welche ganz oder teilweise durch die Okkupationsmächte belegt sind, zu besichtigen und irgendwelche Erhebungen darüber anzustellen. Der Erfassung unterlagen auch Kasernen, Flugplätze, militärische Lager, Militärgefängnisse, militärische Verwaltungen und sonstige Militärbauten. Gebäude sollten fortlaufend in Übereinstimmung mit dem Lageplan nummeriert sein. Auch wollte Zentralverwaltung wissen, welche ursprüngliche Verwendung Mannschaftsgebäude, Stabsgebäude, Wirtschaftsgebäude, Fahrzeugunterkünfte, Ställe, Exerzierhallen, Gerätehallen, Munitionslager hatten.

Da gleich nach Kriegsschluss mit der Zerstörung militärischer Anlagen und Munitionswerke, wie zum Beispiel der Pommerschen Industriewerke (PIW) im Barther Stadtholz, begonnen wurde, musste der Zentralverwaltung der Grad der Zerstörungen sowie die Art der Zerstörung angegeben werden, ob durch Brand, Sprengwirkung oder beidem.

Auch für die Bauweise der Gebäude waren Angaben zu machen zu Deckenkonstruktion, ob Holz-, Stein- oder Eisenbetondecken, ob Ziegel- oder Natursteinmauerwerk , Betonwände oder Holzbau usw.

Und, nicht zu vergessen, es ging auch um die Situation der Wohnverhältnisse im Kreis oder der Stadt. Hier sollten vor allem die Wohnfläche je Kopf der Bevölkerung (Alt- und Neubürger) und gegebenenfalls die Zahl der behelfsmäßig untergebrachten, dem Kreis oder der Stadt zugewiesenen Umsiedler erfasst werden.

Ob die Barther Stadtverwaltung schon vorab Kenntnis von dieser Erhebung hatte, sei dahingestellt, jedenfalls stellte sie bereits Wochen vorher diesbezügliche Untersuchungen an. Analysiert wurden die Zustande in den Lagern Barth-Stein und Barth-Holz sowie im Bereich des ehemaligen Feldflugplatzes in Zingst.

Ein Schreiben vom 25. Februar 1947 aus dem Stadtbauamt gewährt einen Einblick in das Lager Barth-Holz in der unmittelbaren Nachkrieggszeit:

"Das Lager Barth-Holz liegt an der Straße nach Bodstedt etwa 3,5 Kilometer westlich von Barth auf einem von Drahtzaun umzäunten Gelände von rund 55.000 m² Größe.

Westlich des Haupteinganges liegen 6 Baracken von einer Größe zusammen 12.000 m³ umbautem Raum. Ferner eine Baracke für die Lagerwache und zwei Abortbaracken. Östlich des Haupteinganges liegen die Baracke für die Lagerverwaltung, die Sanitätsbaracke mit Badeanstalt, der große Saal mit anschließendem Küchen- und Wirtschaftsteil, Wäschereibaracke, zwei Holzschuppen, 1 Garagengebäude und zwei Abortbaracken mit rund zusammen 8.000 m³ umbautem Raum.

Sämtliche Gebäude sind Holzbaracken mit Pappdach mit Ausnahme des Saalgebäudes, das in Holzfachwerk mit Ziegelsteinausmauerung errichtet ist.

Das Lager wird als Quarantänelager für Umsiedler benutzt. Es ist z.Z. mit ca. 200 Personen belegt."

Die Baracken in Barth-Holz unterschieden sich also ganz wesentlich von denjenigen in Barth-Stein. Dort, in Barth-Stein, waren die Unterkünfte massiv gemauerte Gebäude, während die Baracken hier lediglich in Holzbauweise eriichtet worden waren. Daher auch die Bezeichnungen „Barth-Stein“ bzw. „Barth-Holz“.
Die Diskriminierung der Zwangsarbeiter aus Osteuropa als „slawische Unterrasse“ fand auch darin Ausdruck, dass es in den einzelnen Unterkünften des Lagers, ganz im Gegensatz zu Barth-Stein, keine Toiletten gab. Dafür mussten sich die Insassen mit Abortbaracken begnügen.
Man stelle sich vor, die Insassen eines so großen Wohnlagers mussten gemeinschaftlich diese Toiletten benutzen, eine unwürdige Behandlung der betroffenen Menschen damals in Barth-Holz. Hier lebten zeitweilig immerhin bis zu 3000 Menschen.
Nachdem Barth-Holz an die deutsche Selbstverwaltung übergeben worden war, änderte sich das Vokabular für dieses Lager.
Im offiziellen Schriftverkehr liest man nun von Bereitschaftssiedlung oder Holzlager, auch der Begriff Umsiedlerlager wurde nun verwendet.

Wie nicht anders zu erwarten, im Lager Barth-Holz traten betreffs der Erhaltung der Gebäude immense Probleme auf. Hatte man doch schon bei der Planung und Errichtung der Baracken 1940 der Wertigkeit dieser Bausubstanz keine allzu große Bedeutung beigemessen. Nachdem das Lager bei Kriegsende für einige Zeit leer stand, setzte hier, ähnlich wie in Barth-Stein, Vandalismus seitens der deutschen Bevölkerung ein. Alles was verwertbar schien, wurde ausgebaut und abtransportiert. Das folgende Schreiben kann in die Vorgänge von damals belegen:

Aktenvermerk

Betr.: Ehemaliges Umsiedlerlager Barth-Holz.

Anwesend waren: Gen. Zornow und Gen. Steinhagen von der Stadtleitung der SED,

Gen. Maß und Semlow von der KWU Stadt, Ge. Köppert von der Kreisleitung,

Gen. Kladetzke, Bürgermeister in Barth

Zu dem Schreiben geben die Genossen aus Barth folgende Erklärung ab: Das Barackenlager stand bis Juli 1950 in Verwaltung des Rates des Kreises Stralsund.

Die Zustände in diesem Lager sind seit Jahren der Kreisverwaltung bekannt. Der szt. Kreisrat Wohlers Abt. Leiter Wegner und Knippert sowie andere Funktionäre der Kreisverwaltung haben es wiederholt besichtigt.

Nach Angaben des Gen. Semlow wurden für Rep. Arbeiten in diesem Lager für das Jahr 1950 6.000 DM eingeplant, die aber nicht für diese Zwecke verwandt worden sind.“

Die Verwaltung des Kreises Stralsund gab im Jahre 1950 das Lager in die Verantwortung des KWU (Kommunales Wirtschaftsunternehmen) der Stadt Barth. Seitens der Stadt wurde dazu festgestellt:

Ende Juli hat die KWU Stadt Barth dieses Lager übernommen. Eine ordnungsgemäße Übergabe der Mietverhältnisse ist nicht erfolgt.

Mieteinnahmen bisher 1.050.- DM per 31.10.50

Ausgaben an Reparaturen 3.650.- DM.“

Hier wird ein Dilemma offenkundig, das die DDR während ihres ganzen Bestehens begleitete, die niedrigen Mieten. Diese waren mit Gesetzeskraft auf dem Stand von 1938 eingefroren, standen in keinem gesunden Verhältnis zu den Ausgaben für die Instandhaltung und Instandsetzung der Gebäude. Ganz abgesehen von Modernisierung oder Verschönerung der Wohnungen und deren Umfeld. Selbst wenn dann das erforderliche Geld verfügbar gewesen wäre, hätte es noch ein weiteres typisches DDR-Problem gegeben: Die Frage der Versorgung mit Materialien jeglicher Art. Auch hierzu ein Auszug aus dem Schriftverkehr des Stadtbauamtes vom 5. November 1950, das Lager Barth-Holz betreffend:

Nach der Übernahme wurden 3.000 m² Dachpappe für die Dachreparaturen freigegeben, jedoch keine Nägel und kein Klebstoff.

Dadurch wurden die Ausbesserungsarbeiten verzögert.

Bis auf eine Baracke ist inzwischen alles gedeckt worden.

Der Rest konnte infolge Materialschwierigkeiten (Beschaffung von Nägeln und Geldmangel) bisher nicht eingedeckt werden.

Im neuen Planjahr wurden uns trotz aller Bemühungen keine Mittel eingeplant für Grundstücksreparaturen der KWU-Betriebe.

Unser Vorschlag: Das Lager hat nur noch kurze Lebensdauer. Es wird notwendig sein, das Lager allmählich zu räumen und abzureißen. Dazu ist es notwendig, dass der Stadt Barth nicht anderweitig Leute zugewiesen werden.

Die Stadt Barth wird in diesem Falle sofort mit der allmählichen Räumung - dringendste Fälle - beginnen, die im Verlauf eines Jahres abgeschlossen sein kann.

Im Falle einer Sofortlösung müssen Mittel bereitgestellt werden und Material für den Ausbau der Steinbaracken in Barth-Stein. Diese Mittel sind bereits vom KWU Barth bei der Abt. Wirtschaft in Schwerin über die Kreisverwaltung Stralsund beantragt.

ca. 40.000 DM.

Es ist bezeichnend, dass uns von der Kreisverwaltung wohl das Lager Barth-Holz und ähnliche Objekte wie z. B. Barth-Stein übergeben wurden durch das Amt zum Schutze des Volkseigentums, während einige neu gebaute Straßenzüge mit Massivwohnblocks, z. B. Lohmühlenweg, Hölzener Kreuzweg und Grüner Weg die Kreisverwaltung behalten hat, da sie rentabel sind."

(6 Unterschriften).

Die Grundstücksverwaltung Wohnlager Barth-Stein und Barth-Holz verfasste aim November 1950 ein Schreiben, in welchem auch Unmut über eine unbefriedigende Versorgung für ein Barther Dachdeckerunternehmen, das mit Reparaturaen im Lager beauftragt worden war. mit dem erforderlichem Material.

Laut Änderungsmitteilung vom 31.5.50 wurde uns die Rechtsträgerschaft für das Lager Barth-Holz vom Amt zum Schutze des Volkseigentums mit Wirkung vom 1.7.50 übertragen.

Am 15.7. beim Rat des Kreises Stralsund Abt. Sozialfürsorge rückgefragt, wann Übergabe stattfinden soll.

Am 19.7. wurde telefonisch der 21.7. vereinbart.

Die Übergabe wurde jedoch später auf den 28.7. verschoben.

Am 28.7. erfolgte die ordnungsgemäße Übergabe durch Herrn Kreisrat Krüger und den Leiter der Abt. Sozialfürsorge Herrn Wegner.

Es wurde uns u.a. die Überlassung von Freigabescheinen für die Beschaffung von 3.000 m² Dachpappe zugesichert, welche wir später auch erhielten. Auch die Dachpappe wurde im Laufe der nächsten Wochen ausgeliefert. Die Bezahlung erfolgte durch uns. Außerdem wurden uns 1.500 kg Teer ohne Berechnung überlassen.

Durch das gänzliche Fehlen von Klebemasse (auch die Beschaffung von Nägeln machte Schwierigkeiten) und die nur sehr langsame Anlieferung trotz aller Anstrengungen seitens unserer Einkaufsabteilung verzögerte sich natürlich die Ausführung der so notwendigen Dachdeckerarbeiten. Anfänglich sollte unser Baubetrieb diese Arbeiten ausführen. Einige Wochen später wurde aber wegen Mangel an Facharbeitern beschlossen, diese Arbeiten von Dachdeckermeister Kraushaar ausführen zu lassen.

Z.Zt. sind die Dächer der Wohnbaracken bis auf Geringfügigkeiten bereits in Ordnung gebracht.

Erschwerend kam immer wieder hinzu, dass bei dem dauernden Regenwetter in den letzten Wochen die Dachdeckerarbeiten nur sehr langsam vorangehen konnten. Ein besonderes Hindernis bildete immer wieder das Fehlen von Klebemasse.“

 Da die Angelegenheit mit fehlender Klebemasse wiederholt auch in weiteren Schreiben erwähnt wird, war das demnach wohl ein grundsätzliches Problem jener Zeit. Hinzu kamen Streitigkeiten, wer denn nun eigentlich für die erforderlichen Finanzen zuständig sei.

Am 8.8.1950, mein Bericht an die Direktion über die Verhältnisse bezüglich der Instandsetzungsarbeiten in Barth-Holz und über die hierzu erforderlichen Zuschüsse.

5.9., Kraushaar nochmals schriftlich darauf hingewiesen, dass diese Arbeiten in Barth-Holz außerordentlich dringend sind und beschleunigt zu Ende geführt werden müssen.

29.8., Unser Schreiben an den Rat des Kreises Stralsund. Man möchte uns die hierfür

bewilligten 6.000.DM überweisen, da ja nun nicht mehr sie, sondern wir diese Arbeiten auszuführen haben.

8.9., Antwort von der Sozialfürsorge Stralsund. Die Landesregierung hat angeblich die Bewilligung der Mittel zur Instandsetzung abgelehnt.“

Und weiter geht es mit diesem Schreiben vom Rat des Kreises Stralsund an das KWU der Stadt Barth.

Abschrift

Der Rat des Kreises Stralsund Stralsund, den 9. November 1950

Dez. Finanzen Tribseer Damm 1 a

An das KWU

Kommunalwirtschaftsunternehmen

der Stadt Barth

in Barth

Teergang 2

Betr.: Instandsetzung der Baracken in Barth-Holz und Barth-Stein

Bezug: Dortiges Schreiben vom 27. Oktober1950

auf Ihr obiges Schreiben müssen wir Ihnen mitteilen, dass dem Kreise keinerlei Mittel zur Verfügung stehen, um einen zuschuss zur Instandsetzung der beiden Wohnlager zu bewilligen. Der Zuschussbedarf dieser beiden Oblekte muss zunächst aus den Erträgen des KWU bestritten werden.Etwa dadurch bedingte Verluste des KWU sind nach den haushaltsrechtlichen Vorschriften im Haushalt der Stadt Barth einzuplanen.

In den Finanzplan der KWU für 1951 dürften die Instandsetzungskosten für die Wohnlager ihren Niederschlag gefunden haben, so dass damit die Verbindung zum Haushaltsplan der Stadt bereits hergestellt und entsprechende Zuschüsse für das KWU bzw. verminderte Überschussablieferungen eingeplant sein dürften. Für das laufende Wirtschaftsjahr sind die gleichen Grundsätze anzuwenden. Sollten beim KWU Verluste ausgewiesen werden, so müssten die dafür erforderlichen Mittel notigenfalls über- oder außerplanmäßig von der Stadt bereitgestellt werden. Die von uns im Kreishaushalt für 1950 vorgesehenen Unterhaltungskosten für Barth-Holz sind verbraucht, um die dringend notwendigen Reparaturen vorzunehmen. Selbst wenn hiervon noch Mittel vorhanden wären, könnten wir daraus keinerlei Zahlungen leisten, weil mit der Übertragung der Rechtsträgerschaft auch die Unterhaltsvepflichtung auf das KWU übergegangen ist. Mit irgendwelchen außerordentlichen Zuschüssen für die Unterhaltung der beiden Lager von dritter Seite ist nicht zu rechnen. Auch dem Ministerium für Finanzen stehen u.W. keine Gelder zur Verfügung.

Wir bedauern, Ihnen keinen anderen Bescheid geben zu können.

Der Rat des Kreises Stralsund

Dezernat Finanzen“.

(Handschriftliche Anmerkung vom KWU:

"Damit ist schon eine Befürwortung des Kreditantrages gegeben, das heißt, dass der Kreis seine Zustimmung zu einer Minderabführung der Kreisumlage nicht versagen wird. Bei einem diesbezüglichen Antrag könnte man sich darauf berufen. Sauter").

Das Lager wurde erst in den 1960er Jahren abgerissen. So lange wohnten dort Heimatvertriebene und Aussiedler. Einige der Bewohner sollen sich gesträubt haben, nach Barth-Stein umgesiedelt zu werden, was jedoch keinen Erfolg hatte.

Ist von Barth-Holz die Rede, erfährt man auch, dass es in diesem Lager außer den Ostarbeitern, osteuropäischen Zwangsarbeitern und sowjetischen Kriegsgefangenen auch italienische Militärinternierte gab. Was hat es nun mit diesen Menschen auf sich? Schließlich waren das Deutsche Reich und Italien Verbündete.

Die Italiener nahmen eine besondere Stellung, "deren bevorzugte Behandlung als Gastarbeiter aus einem verbündeten Führerstaat sich ins Gegenteil verkehrte, als Mussolini 1943 gestürzt wurde und Italien kapitulierte. Die im deutschen Einflußbereich stehenden etwa 600.000 italienischen Soldaten wurden, sofern sie nicht auf deutscher Seite weiterkämpfen wollten, als Kriegsgefangene genommen und mit schweren und unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen konfrontiert. Schon bald darauf wurden ca. 450.000 dieser so genannten "Militärinternierten" zwangsweise in den Status von zivilen Arbeitskräften überführt. Dadurch erhielten sie zwar mehr Rechte, fielen aber

auch aus dem Schutz der Genfer Konvention für Kriegsgefangene."

***

Abschließend zu Barth-Stein noch eine zum Teil fiktive Geschichte, die jedoch auf einer tatsächlichen Begebenheiten beruht.

Familie Schurbs

Fiete´s Schwiegervater heißt Schurbs, mit Vornamen Alfons. Aber irgend jemand hat ihm irgendwann aus irgendeinem Anlass vor vielen Jahren den Namen Kurtchen verpasst. Inzwischen ist Alfons schon recht betagt, aber der Spitzname ist ihm geblieben.
"Kurtchen wird im Herbst neunundneunzig, Jan. Und jetzt will er sogar noch das Rauchen aufgeben. Da könntest du dir ein Beispiel dran nehmen“, kann sich Fiete einen Seitenhieb auf eine von Jan´s Schwächen nicht verkneifen.
„Wieso? Ich habe doch noch nie geraucht, das weißt du doch!“
"Das stimmt schon. Aber ich meine damit ein anderes Laster. Du verpestest zwar nicht die Umwelt mit Tabakgestank und ruinierst nicht deine Lungen und verdirbst auch nicht Rosi die Freude an ihren frisch gewaschenen Gardinen. Aber in deiner Garage warten immer ein bissel sehr viel Bierbuddels auf dich. Das meinte ich.“ Doch ganz im Stillen hat er nichts dagegen, dass bei Jan nach ihren gemeinsamen Angeltouren immer etwas Trinkbares greifbar ist. Das würde er seinem Freund gegenüber aber so niemals direkt eingestehen.
„Neunundneunzig ist er schon? Donnerwetter, sieht man ihm aber echt gar nicht an. Geht immer noch ohne Stock und ohne Rollator und kerzengerade wie ein alter Militär spazieren. Zum Lesen hat er auch noch keine Brille nötig, soviel ich mitbekommen habe? Nur seinen eigenartigen Dialekt, den konnte er sich in all den vielen, vielen Jahren die er nun schon hier in der Stadt wohnt, nicht abgewöhnen. Wo kommt dein Schwiegervater eigentlich her, Fiete?“
"Aus dem Erzgebirge hat es ihn nach Barth verschlagen. Preßnitz im Sudetenland war mal sein zuhause."
Kurtchen Schurbs gehörte zu den Pechvögel, die gleich nach dem Krieg aus ihrer angestammten Heimat vertrieben wurden. Aus dem Reichsgau Sudetenland (Říšská župa Sudety) hat es ihn als jungen Mann von Preßnitz nach Pommern an den Barther Bodden verschlagen. Die Stadt Preßnitz (tscheschisch Přísečnice ) im Kreis Aussig (tscheschischÚstecký kraj) gibt es nicht mehr. 1973 begannen die Tschechen, das Stadtgebiet und weitere umliegende Ortschaften auszusiedeln, um hier den gleichnamigen Fluss Preßnitz zu einer Talsperre aufzustauen. Heute liegt das Stadtgebiet unter einer Wasseroberfläche versunken.
In der Familie war er das älteste von acht Kindern. Drei Schwestern und vier Brüder gehörten noch dazu. Der Vater dieser kinderreichen Familie, Rudolph Schurbs, war einer jener leichtlebigen Typen, die dem Leben stets die angenehmeren Seiten abzugewinnen suchen. Mutter Selma Schurbs hatte darunter arg gelitten. Obwohl sie ansonsten eine recht resolute Frau war, die sich nicht so ohne weiteres die Butter vom Brot nehmen ließ. An den Kindern ging Vaters flotte Lebensart auch nicht ganz spurlos vorüber. Rudolph kümmerte sich kaum um die Familie.
Als für die zehnköpfige Familie im Frühjahr 1946 die Flucht in dem Bodden-Städtchen endete, stand die dringende Frage für die Mutter an, wo komme ich mit den Kindern unter? Beim Wohnungsamt wies man ihr eine Unterkunft in einem früheren Wohnlager der Pommerschen Industriewerke PIW zu. Das Lager war 1945 von der sowjetischer Armee besetzt worden. Herr in der Stadt war seit dem 1. Mai der sowjetische Kommandant Oberstleutnant Kossarew. Obwohl das Lager erst 1947 an die deutsche Selbstverwaltung übergeben wurde, erlaubte der Kommandant bereits 1946 den deutschen Behörden, die Baracken im östlichen Teil des Lagers an wohnungsuchende Flüchtlinge, Aussiedler und Umsiedler zu vergeben. Dort wohnten bis Kriegsende die dienstverpflichteten Frauen und die Maiden des Reichsarbeitsdienstes, die bis dahin in der Munitionsfabrik mit der Produktion von Kriegsmaterial beschäftigt waren.
Aber ein großer Teilc der Wohnungen war in einem nicht bewohnbaren Zustand und musste demzufolge zunächst erst noch instand gesetzt werden. Zum Teil fehlten Fenster und Türen. Fast sämtliche Türschlösser fehlten, die Fenster, soweit überhaupt noch vorhanden, waren sämtlich ohne Glasscheiben. Die elektrischen Leitungen waren zum größten Teil defekt. Es fehlten die Schalter usw. Die Kanalisation musste erst nachgeprüft und überholt werden. Von den Sanitäreinrichtungen war durchweg nichts mehr vorhanden. Maurerarbeiten und Dachreparaturen waren notwendig. Für die meisten Wohnung waren außerdem Kochherde zu beschaffen, da die Mannschaftshäuser ohne Küchen gebaut worden waren. Lediglich die Beamtenwohnungen verfügten über Küchen. edes der vier Gebäude im östlichen Lagerbereich, es sind massiv gemauerte Baracken, umfasst 14 Wohnungen, plus zwei Wohnungen in einer kleinen Querbaracke. Zum Zeitpunkt August 1946 waren in der einen Baracke von 14 lediglich fünf, in einer weiteren der Baracke dagegen schon alle Wohnungen belegt. In Baracke 12 und 13 waren jeweils noch vier frei. Die Gründe dafür, dass es trotz des enormen Wohnungsmangels durch Vertriebene und Umsiedler noch so viel Leerstand gab, wurden oben schon genannt: Nicht bewohnbar infolge von Vandalismus.
Doch selbst diejenigen, die eine Wohnung bezogen hatten, waren nicht durchweg glücklich über ihr Los. Denn da die Flüchtlinge, man nannte sie beschönigend Umsiedler oder auch Aussiedler, im offiziellen Sprachgebrauch durfte es keine Heimatvertreibung gegeben haben, verständlicherweise von ihrem Hausrat aus der alten Heimat kaum etwas auf den Treck in eine ferne, unbekannte Heimat mitnehmen konnten, standen sie hier im Lager in den meisten Fällen zunächst in leeren Wohnungen. Wer Glück hatte, fand vielleicht einen Herd und auch ein oder zwei Betten vor. Ansonsten mussten sie sich in den anderen noch unbelegten Wohnungen im Lager umsehen und das zusammentragen, was greifbar und noch verwertbar war. Statt Matratzen gab es mit etwas Glück Stroh als Schlafunterlage. Aus einem weiteren Lager in der Nähe oder aus den Kasernen des Flak-Regiments konnte eventuell auch noch etwas „organisiert“ werden. Aus der Munitionsfabrik war ebenfalls einiges noch zu gebrauchen.
Eine kleine Auflistung vom August 1946 kann die Situation der Ankömmlinge im Wohnlager vielleicht verdeutlichen:
- In der Baracke 10 wohnten zum Beispiel in Nummer 3 fünf Personen. Vorhanden waren: 1 Herd, 2 Betten, Stroh fehlte. Wohnung 7 acht Personen, 1 Herd, 8 Betten. Wohnung 10 drei Personen, ohne Herd und Bett. Wohnung 12 fünf Personen, ohne Herd und Bett.
- Baracke 11 Wohnung 1 fünf Personen, 1 Herd. Wohnung 14 vier Personen 1 Herd
- Baracke 12 in Wohnung 6 sieben Personen, 1 Herd, 7 Betten
- Baracke 13 in Wohnung 10 sechs Personen, 1 Herd 5 Betten
- Querbaracke in Wohnung Nummer 1 und 2 zehn Personen, 1 Herd, 7 Betten
In den meisten der hier nicht aufgeführten aber schon bezogenen bewohnten Wohnungen fehlten die Betten.
„Deine Eltern sind doch 1954, zwar nur für kurze Zeit, auch in dem Lager gelandet, Fiete. Hattest du da etwa kein Bett und deine Mutter keinen Kochherd?“
„Als wir im Sommer 1954 hier unsere erste Wohnung in der DDR bekamen, hatte sich das alles schon relativ normalisiert. Nur, in der Nummer 5, in der wir zuerst wohnten, war das doch ziemlich beengt.“
Schließlich waren die Wohnungen 1940 nicht für die Unterbringung von ganzen Familien konzipiert worden. Die Baracken dienten der Unterbringung von Arbeitskräften, die für kriegswichtige Tätigkeiten in der Munitionsfabrik PIW dienstverpflichtet worden waren. Zwanzig Personen mussten sich jeweils eine Wohnung teilen. Anders verhielt es sich bei den Wohnungen für leitende Mitarbeiter und Angestellte. Den Angestellten standen richtige Wohnungen für deren Familien zur Verfügung.
„Wo sind denn eigentlich Kurtchen´s Eltern abgeblieben? In der Stadt kennt sie niemand von den älteren Einwohnern.“
„Dass die Familie in der Stadt gänzlich unbekannt ist, hat seine Gründe. Die Familie verzog mit sieben ihrer acht Kinder Anfang 1947 nach Hinterdammburg.“
„Hinterdammburg? Noch nie gehört. Wo liegt denn dieses Nest, Fiete?“
„Da musst du die alte Autobahn in Richtung Stettin fahren und irgendwo bei einer alten LPG-Schweinemast nach links abbiegen. Mehr weiß ich auch nicht.“
„Aha! So so!!“
„Ja. Genau dort.“
Kurtchen war als das älteste Kind der Familie Tschurbins schon ein junger Mann, und hatte in Barth eine Liebschaft, die er nicht aufgeben wollte. Er blieb hier in dieser Stadt, ehelichte sein Mädel und sie bekamen bald ein süßes kleines Töchterchen. Dieses Kind wurde in der Marienkirche auf den Namen Katrin getauft. Jahre später lernte dann Fiete im „Cafe Darß“, das auch als „Cafe Hemd hoch“ bekannt ist, diese Katrin kennen und machte sich zum Schwiegersohn von Alfons Schurbs, der Kurtchen genannt wird.
Dem Umzug vom Bodden-Städtchen nach Hinterdammburg ging ein ziemliches Hickhack voraus. Ein Hickhack sowohl im familiären Milieu, als auch auf behördlicher Ebene. Es handelte sich dabei für die Stadtverwaltung um einen besonderen Problemfall, in den eine sogenannte Neubauernsiedlung, eine Nachbarin, zwei Bürgermeister, das Wohnungsamt und die Polizei mit einem Beinahe-Einsatz verwickelt waren. Kurtchens Eltern hatten, wie oben bereits beschrieben, die Tragödie ihrer Flucht mit acht Kindern im „Gepäck“ aus dem Sudetenland hier am pommerschen Bodden beenden können und eine Wohnung bekommen. Weil Vater Rudolph aber ein nicht ganz zuverlässiger Patron war, dem die Familie recht wenig bedeutete, kam es zur Verkettung mehrerer unglücklicher Umstände, womit die Eskapaden des Vaters beschönigend umschrieben sind.
Was war denn passiert, Fiete?“, wird jetzt Jan neugierig.
Die Stadtverwaltung, ganz besonders das Wohnungsamt, musste sich damals mit einigen heiklen Problemfällen befassen. Fiete spricht über eine Tragödie im Elternhaus seines Schwiegervaters, die letztlich aber doch noch einen glimpflichen Ausgang nahm. Kurtchen hat sie ihm etliche Male erzählt.
Na ja, unser Bürgermeister bekam eines Tages anno 1947 einen Schriebs von seinem Wohnungsamt auf den Schreibtisch, der sinngemäß so gelautet haben könnte: „Im Wohnlager Barth-Stein hat eine Familie Schurbs mit insgesamt zehn Personen gewohnt. Herr Schurbs hat von einem gewissen Murz eine Neubauernsiedlung in Hinterdammburg übernommen und zu diesem Zweck seine Wohnung mit dem bisherigen Inhaber der Siedlung getauscht. Er ist also dorthin und jener Neubauer ist in die Barther-Steiner Wohnung gezogen. Dieser Tausch wurde vor etwa drei Wochen vorgenommen und auch durchgeführt. Am Sonnabend erschien die Ehefrau des Schurbs im Wohnungsamt und erklärte anlässlich der Abmeldung ihres Ehemannes, dass er nur allein in Hinterdammburg bleibt, sie dagegen mit ihren acht Kindern nach Barth zurückgekommen ist.“
Mit einer sogenannten Neubauernsiedlung hatte es folgende Bewandtnis. Am 9. September 1947 erließ der Oberste Chef der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (Советская военная администрация в Германии) und Oberster Chef der Besatzungstruppen in Deutschland, Marschall der Sowjetunion Wassili Danilowitsch Sokolowski den Befehl Nummer 209 mit der Forderung, im Zuge der Bodenreform die Schaffung von Neubauernhöfen zu organisieren. Allein in Mecklenburg und im deutschen Restpommern sollten bis 1948 12.000 solcher Höfe gebaut werden. Baumaterialien waren für diese Vorhaben zwar nicht vorhanden, diese sollten aber durch den Abbruch ehemaliger Herrenhäuser und Gutsgebäude gewonnen werden. Flüchtlinge bzw. Heimatvertriebene, die einen Antrag auf das Recht zum Bauen, die Zuweisung der Hofparzellen sowie zur Gewährung von Krediten stellten, wurden großzügig gefördert. Ihnen wurde eine Landparzelle für den Bau von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden zugewiesen. Die Größe der Parzelle für Gebäude und Hof wurde von der Regierung des jeweiligen Landes bestimmt. Eine Parzelle durfte aber nicht größer als 0,75 Hektar sein. Weiterhin hatten die Ministerpräsidenten der Regierungen der Länder Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen einen Verkauf von Vieh an die Länder Mecklenburg und Brandenburg in einer vorgegebenen Menge zu gewährleisten, wobei dessen Verkauf ausschließlich nur an Neubauern erfolgen durfte.
Vater Rudolph Schurbs wollte auch Neubauer werden. Indem er diesen Wohnungstausch mit dem Neusiedler Murz in Hinterdammburg einfädelte, umging er listigerweise das ganze Prozedere der Antragstellung bei den Behörden zum Bau des eigenen Hofes und der Beschaffung von Vieh und Gerätschaften. Warum jener Neubauer seinen Hof im Tausch gegen eine Stadtwohnung aufgeben wollte, kann Kurtchen nicht sagen. Rudolph Schurbs saß jetzt auf seinem neuen, eigenen Hof, Mutter Selma konnte das Zusammenleben mit Rudolph in Hinterdammburg nicht ertragen und ging mit ihren Kindern kurzentschlossen wieder zurück nach Barth. Ihre vormalige Bleibe aber war inzwischen infolge des Wohnungstausches von jenem Neubauern Murz übernommen und belegt worden. Zu ihrem Glück bot eine mitlfühlende Nachbarin an, Selma könne mit den Kindern bei ihr wohnen.
Weil sie immer so liebe und artige und höfliche und immer hilfsbereite Nachbarskinder waren, Jan, merk dir das. Charaktereigenschaften wie sie es hatten, zahlen sich irgend wann einmal aus. Siehst du ja an dem Beispiel von meinem Schwiegervater Kurtchen und seinen kleineren Geschwistern.“
Doch weiter mit dem Bürgermeister-Schriebs: „Nach dieser Erklärung besteht also die Tatsache, dass der Ehemann in Hinterdammburg lebt und die Frau mit den acht Kindern sich einfach von dort entfernt hat, und sich in unserer Stadt aufhält. Es taucht nun die Frage auf, kann Frau Schurbs mit ihren acht Kindern einfach in Barth wohnen bleiben? Nach Ansicht des Wohnungsamtes müsste die Ehefrau zu ihrem Mann nach Hinterdammburg zurückkehren. Wenn sie auch im Augenblick keinen besonderen Wohnraum in Anspruch nimmt, so wird doch der Tag kommen, wo das Wohnungsamt für eine andere Unterkunft sorgen muss. Für die Stadt besteht noch die Gefahr, dass der Mann der Familie keinerlei Unterstützung gewähren kann, und somit die Stadt aus ihren Mitteln für die Familie sorgen muss.
Ich bitte, diese Angelegenheit zur Kenntnis zu nehmen, und zu entscheiden, was für die Zukunft in der Angelegenheit getan werden soll. Nach getroffener Entscheidung bitte ich um Mitteilung, um Weiteres veranlassen zu können.“
Das Wohnungsamt möchte also nicht selbst eine Entscheidung treffen und bittet darum den Bürgermeister um eine solche. Die Antwort fiel kurz und knapp aus:
„Der Tausch ist bereits vor 3 Wochen erfolgt. Der Tauschpartner von Hinterdammdamm ist bereits in die Wohnung in Barth gezogen. Frau Schurbs hat daher zu ihrem Ehemann zu ziehen, eine erneute Aufenthaltsgenehmigung für sie kommt daher nicht in Frage.“
Und damit Basta!
Die Stadt wollte einen Weg finden, um sich der drohenden Verpflichtung zu entziehen, aus ihren Mitteln der Familie Unterstützung gewähren zu müssen.
Folglich setzte sich das Wohnungsamt erneut mit dem Neusiedler Rudolph Schurbs, denn als ein solcher galt er nun ja seit Umzug nach Hinterdammburg, in Verbindung.
„Ihre Ehefrau wohnt mit ihren acht Kindern in Barth als zusätzliche Mietspartei in der Wohnung einer anderen Familie. Auf Anfrage erklärte Ihre Frau, dass sie nicht daran denkt, nach Hinterdammburg zu ziehen. Dieser Zustand kann nicht geduldet werden, und der Bürgermeister hat angeordnet, Ihre Frau habe mit den Kindern wieder zu Ihnen zurückzuziehen.“
Und damit wieder ein amtliches Basta!
Weiter: „
Bevor ich nun polizeiliche Maßnahmen anordne, ersuche ich Sie, dafür zu sorgen, dass Ihre Frau und Kinder freiwillig die Stadt verlassen und sich zu Ihnen in die Wohnung begeben. Ich ersuche Sie weiter, die Rückholung in Ihren jetzigen Wohnort Hinterdammburg persönlich durchzuführen, und zwar spätestens bis zum Ende nächster Woche. Wenn es Ihnen möglich ist, bitte ich Sie, vorher bei mir im Wohnungsamt vorzusprechen. Ich darf darauf hinweisen, dass ich nach dem festgesetzten Termin auf Ihre Kosten die Frau und Kinder polizeilich nach Hinterdammburg überführen lassen werde, falls Sie meiner Bitte nicht nachkommen sollten.“
Oh weh, jetzt wird es aber ernst. Die Polizei ist auch schon alarmiert und überprüft insgeheim ihre Handschellen, ob diese für Kinderhandgelenke überhaupt geeignet seien.
Die Umsiedlerabteilung bei der Stadtverwaltung erhielt die Information: „In der Anlage überreiche ich nochmals den bisher in der vorgenannten Angelegenheit getätigten Schriftwechsel zur Kenntnis- und Stellungnahme. Ergänzend teile ich dazu mit:
Nachdem ich den Ehemann, Herrn Schurbs, über den Bürgermeister in der Gemeinde Hinterdammburg zum Wohnungsamt zur Rücksprache vorgeladen hatte, und er dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist, forderte ich ihn unter Terminangabe schriftlich auf, seine Ehefrau und Kinder nach dort zu holen, andernfalls ich die Überführung polizeilich auf seine Kosten nach Hinterdammburg durchführen lassen würde. Heute erschien im Wohnungsamt Frau Schurbs und gab zu, dass sie mit ihrem Ehemann und ihren Kindern nach Hinterdammburg übergesiedelt sei.“
Alles ist wieder in Ordnung? Die Familie wieder in bester Eintracht zusammen? Das Ehepaar hat sich, auch im Interesse Ihrer acht Kinder, anscheinend eines Besseren besonnen? Das Wohnungsamt atmet auf und freut sich über diese verheißungsvolle Entwicklung. Aber Pustekuchen! Nichts ist in Ordnung, wie die Frau dem Wohnungsamt gegenüber weiter doch noch zu verstehen gibt. Denn sie hat feststellen müssen, dass der Mann in keiner Weise die Arbeiten durchführt, die zur Ernährung seiner Familie nun einmal notwendig seien. So hätte sie mit den Kindern alle Arbeiten verrichten müssen, währenddessen der Ehemann sich in der Manier eines Pascha in der Wohnung aufgehalten habe.
Auf Grund dieser Tatsache hat sie es vorgezogen,“ teilt das Wohnungsamt weiter mit, „wieder von dort wegzugehen, und die jetzige Unterkunft, die ihr von der hilfsbereiten Nachbarin geboten worden ist, aufzusuchen. Sie weigert sich strikt, nach Hinterdammburg zurückzukehren, gibt aber zu, dass sie von ihrem Ehemann dazu aufgefordert worden ist. Sie erklärte unter Tränen, dass sie die Scheidung einreichen würde, und betonte nochmals ganz energisch, in keinem Falle zu ihrem Ehemann zurückzukehren.“
Das inzwischen offensichtlich verunsicherte, oder auch genervte, Wohnungsamt fragt an übergeordneter Stelle nach, „ob die polizeiliche Überführung nach Hinterdammburg angeordnet werden, oder ob stillschweigend geduldet werden soll, dass Frau Schurbs und die Kinder weiterhin in Barth bei der Nachbarin wohnen bleiben dürfen.“
Was damals fast noch wichtiger schien als eine eigene Unterkunft zu haben, war die Berechtigung zum Bezug von Lebensmittelkarten. Und an diesem entscheidenden Punkt setzte ein findiger Mitarbeiter der Stadtverwaltung den Hebel an. Er ließ dem Bürgermeister die Mitteilung zukommen, „dass bei der Ausgabestelle für Lebensmittelkarten angeordnet worden ist, für Dezember keine Lebensmittelkarten an Frau Schurbs und Kinder auszuhändigen. Hierzu bitte ich ganz besonders um Ihre Stellungnahme. Ich schlage vor, dass Frau Schurbs durch die Umsiedlerabteilung und auch durch das Sozialamt zur Rücksprache vorgeladen wird, um auch in Zukunft darüber eine Regelung zu erzielen, wie weit für die Stadt eine öffentliche Unterstützung zum Unterhalt in Frage kommen würde“
Der Bürgermeister aber wollte nicht entscheiden, so dass „der Vorgang nicht abgeschlossen werden konnte, da vom Bürgermeister keine endgültige Entscheidung getroffen wurde.“
Wie ist denn die Sache letztlich ausgegangen“, fragt Jan.
Ach weißt du, mein Freund, jedes Mal wenn Schwiegervater davon erzählt, und das tut er immer noch, feixt er sich eins und sagt mit frommer Miene: Das resolute Auftreten von Mutter Selma, Gott hab sie selig, gegenüber den Behörden hatte wohl bewirkt, dass die Stadt sich um eine amtliche und endgültige Entscheidung herummogelte und die ganze Angelegenheit klammheimlich unter den Tisch fallen ließ. Auf diese vornehme, man könnte es auch feige Art nennen, vermied es das Wohnungsamt, sich mit dem Bürgermeister anzulegen. Und jener war froh, von dieser Sache mit der renitenten Frau Selma nichts mehr hören zu müssen.“
Mutter Selma hat die Sache auf ihre Art ins Lot gebracht, indem sie sich eines Tages mit einem älteren Witwer zusammengetan hat und zu ihm gezogen ist. Der hatte in einer größeren Stadt im Brandenburgischen eine geräumige Wohnung im eigenen Haus.
Ende gut, alles gut.

***

Gesetz über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht.

vom 29. März 1935

geändert durch
Gesetz vom 12. April 1938 (RGBl. I. S. 387),
Verordnung vom 18. März 1940  (RGBl. I. S. 557, ber. S. 642),
Verordnung vom 31. März 1943 (RGBl. I. S. 250)

mit dem Fristablauf nach § 11 am 1. April 1946 außer Kraft getreten

Die Reichsregierung hat folgendes Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

§ 1. Um die Beschaffung des für Zwecke der Wehrmacht erforderlichen Landes zu sichern und die im Zusammenhang damit notwendige Landbeschaffung für die Umsiedlung durchzuführen, wird im Reichswehrministerium eine Reichsstelle für Landbeschaffung gebildet. Der Leiter der Reichsstelle wird durch den Reichswehrminister im Einvernehmen mit dem Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft bestellt.

§ 2. (1) Die Reichsstelle für Landbeschaffung hat für die im § 1 genannten Zwecke das erforderliche Land zu beschaffen. Ob das Land für diese Zwecke erforderlich ist, entscheidet die Reichsstelle endgültig.

(2) Kommt eine Vereinbarung mit dem Grundeigentümer nicht zustande, so steht der Reichsstelle das Recht der Enteignung zu. In diesem Fall ist die Reichsstelle Enteignungsbehörde. Sie stellt den Plan für die Enteignung der Grundstücke fest und ist befugt, das Land sofort in Besitz zu nehmen.

(3) Dem betroffenen Grundeigentümer ist eine angemessene Entschädigung (§ 15 des Reichssiedlungsgesetzes vom 15. August 1919 - RGBl. S. 1429 - in der Fassung der Änderungen vom 7. Juni, 18. August, 6. November 1923, 8. Juli 1926 und 4. Januar 1935 - RGBl. I. 1923 S. 364, 805, 1082; 1926 S. 398 und 1935 S. 1) in Land oder in Geld zu gewähren; auch ein etwaiger Besitzeinweisungsschaden ist zu vergüten. Die Entschädigung ist in Land zu gewähren, wenn es sich um einen Erbhof handelt, es sei denn, daß der Landbauernführer bescheinigt, daß der Erbhof durch die Enteignung in seinem Bestande nicht gefährdet wird. Bis zur Gewährung einer Entschädigung in Land ist dem Betroffenen für die Zwischenzeit eine angemessene Unterhaltsrente entsprechend der durch die Wegnahme von Land entstehenden Beeinträchtigung zu gewähren.

(4) Die Reichsstelle für Landbeschaffung setzt die Entschädigung nach Anhörung von Sachverständigen fest; in den Fällen, in denen die Entschädigung in Land zu gewähren ist, oder gewährt werden soll, ist die Reichsstelle dabei an die Weisungen des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft gebunden.

§ 3. (1) Glaubt ein Beteiligter, daß die von der Reichsstelle festgesetzte Entschädigung nicht angemessen sei, so kann er seinen Anspruch innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung des Entschädigungsbeschlusses vor dem im Abs. 3 genannten Gericht geltend machen.

(2) Ist als Entschädigung Land zugeteilt, so können die Beteiligten mit ihrem Antrag nach Abs. 1 nur die Gewährung, Erhöhung oder Minderung einer zusätzlichen Geldentschädigung verlangen.

(3) Das Gericht (Abs. 1) besteht aus dem Präsidenten des Senats für Siedlung und Auseinandersetzung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts als Vorsitzenden und zwei Vertretern der Landeskulturbehörde, in deren Bezirk das in Anspruch genommene Grundeigentum liegt, als Beisitzer. Die Beisitzer  müssen die Fähigkeit zum Richteramt oder höheren Verwaltungsdienst haben. Vor der Entscheidung über die Entschädigung für enteignete Waldflächen ist ein forstlicher Sachverständiger zu hören.

§ 4. (1) Die Reichsstelle für Landbeschaffung hat bei der Beschaffung von Land für die Umsiedlung an erster Stelle zurückzugreifen auf den Grundbesitz:
a) der Körperschaften des öffentlichen Rechts (Reich, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände, usw.);
b) von Stiftungen und sonstigen zweckgebundenen Vermögen mit und ohne Rechtspersönlichkeit, die der Aufsicht des Reichs oder der Länder unterliegen oder ihrer Verwaltung unterstehen,
c) der gemeinnützigen und sonstigen zugelassenen oder vorläufig zugelassenen Siedlungsunternehmen;
d) der Landlieferungsverbände.

(2) Die Inanspruchnahme von reichs- und staatseigenen Waldflächen erfolgt in Einvernehmen mit dem Reichsforstminister.

(3) In den Fällen der Inanspruchnahme von Land der im Abs. 1 genannten Stellen gelten die Vorschriften der §§ 2 und 3 mit der Maßgabe, daß bei der Festsetzung der Art und der Höhe der Entschädigung die bisherige Zweckbestimmung des Landes tunlichst zu berücksichtigen ist.

(4) Die im Abs. 1 genannten Körperschaften und Vermögensträger haben der Reichsstelle für Landbeschaffung über Umfang und Art ihrer Grundeigentums Auskunft zu erteilen.

§ 5. Die Reichsstelle für Landbeschaffung kann Miet-, Pacht- und sonstige Nutzungsrechte aufheben, die an einem für die Zwecke des § 1 beschafften Grundstücks bestehen. Die Vorschriften der §§ 2 und 3 gelten sinngemäß.

§ 6. (1) Zur Durchführung der Umsiedlung wird im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft eine Reichsstelle für Umsiedlung gebildet.

(2) Die Reichsstelle für Landbeschaffung hat der Reichsstelle für Umsiedlung das für die Umsiedlung beschaffte Land sowie die Kosten der Umsiedlung zur Verfügung zu stellen.

(3) Die Reichsstelle für Umsiedlung ist Siedlungsbehörde im Sinne der Siedlungsgesetzgebung. Sie erteilt die Ansiedlungsgenehmigung und die baupolizeiliche Genehmigung sowie den Leistungsbescheid zur Regelung der öffentlich-rechtlichen Verhältnisse auf Grund der landesrechtlichen Vorschriften. Die Ausübung dieser Rechte soll der Leiter der Reichsstelle den zuständigen Landesbehörden übertragen; insoweit sind die Landesbehörden an die Weisungen des Leiters der Reichsstelle gebunden.

§ 7. Beim Erwerb von Ersatzgrundstücken durch umzusiedelnde Personen wird für den Eigentumsübergang Grunderwerbsteuer nicht erhoben. Entsprechendes gilt für die Zuschläge zur Grunderwerbsteuer und für die Steuer der Gemeinden (Gemeindeverbände) von Zubehör (Gewerbeanschaffungssteuer).

§ 8. Beschafft die Reichsstelle für Landbeschaffung Grundstücke oder Grundstücksteile für Umsiedlungszwecke, so gelten hinsichtlich des Ausschlusses des Kündigungsrechts der Gläubiger, der Unterteilung der Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden und Reallasten sowie der Eintragung der Rechtsänderungen in das Grundbuch die Vorschriften der §§ 1, 2 und 4 des Gesetzes zur Ergänzung des Reichssiedlungsgesetzes vom 4. Januar 1935 (RGBl. I. S. 1).

§ 9. Die Reichs-, Landes- und Gemeindebehörden sowie sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts haben den Reichsstellen jede zur Durchführung ihrer Aufgaben dienliche Verwaltungshilfe unentgeltlich zu leisten.

§ 10. Der Reichswehrminister ist ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, dem Reichswirtschaftsminister, dem Reichsarbeitsminister, de Reichsminister der Justiz und dem Reichsforstmeister die zur Durchführung und Ergänzung dieses Gesetzes erforderlichen Rechtsvorschriften und allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Hierbei können zur Durchführung der Entschuldung der von der Enteignung betroffenen Betriebsinhaber Änderungen der landwirtschaftlichen Entschuldungsgesetzgebung vorgesehen werden.

siehe hierzu die Durchführungsverordnungen  vom 21. August 1935 (RGBl. I. S. 1097) und vom 13. Februar 1937 (RGBl. I. S. 253).

§ 11. Dieses Gesetz tritt am 1. April 1938 außer Kraft.

Durch Verordnung vom 12. April 1938 erhielt der § 11 folgende Fassung:
"§ 11. (1) Dieses Gesetz tritt am 1. April 1940 außer Kraft.
(2) Die zu diesem Zeitpunkt in der Durchführung begriffenen Vorhaben werden noch nach Maßgabe dieses Gesetzes abgewickelt."

Durch Verordnung vom 18. März 1940 erhielt der § 11 Abs. 1 folgende Fassung:
"(1) Dieses Gesetz tritt am 1. April 1943 außer Kraft."

Durch Verordnung vom 31. März 1943 erhielt der § 11 Abs. 1 folgende Fassung:
"(1) Dieses Gesetz tritt am 1. April 1946 außer Kraft."

    Berlin, den 29.  März 1935.

Der Führer und Reichskanzler
Adolf Hitler

Der Reichswehrminister
von Blomberg

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft
R. Walther Darré

Der Reichsminister der Luftfahrt
und
Der Reichsforstmeister
Göring.

***

Zweite Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht.

Vom 13. Februar 1937.

  Auf Grund des § 10 des Gesetzes über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht vom 29. März 1935 (Reichsgesetzbl. I S. 467) wird im Einvernehmen mit den beteiligten Reichsministern und dem Reichsforstmeister folgendes verordnet:

I. Umsiedlungsverfahren

§ 1

  (1) Das Vorkaufsrecht nach den Vorschriften des Reichssiedlungsgesetzes vom 11. August 1919 (Reichsgesetzbl. S. 1429) in der Fassung der Änderungsgesetze kann ausgeübt werden, um das für die Umsiedlung notwendige Land zu beschaffen. Es kann auch ausgeübt werden, wenn der Eigentümer das Grundstück an eine Körperschaft des öffentlichen Rechts verkauft hat.
  (2) Die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts (§ 7 des Reichssiedlungsgesetzes) beträgt in den Fällen des Absatzes 1 auch bei Betrieben unter 200 Hektar sechs Wochen.
  (3) Die Vorschriften des § 6 Abs. 3 und des § 11a des Reichssiedlungsgesetzes finden in den Fällen des Absatzes 1 keine Anwendung.

§ 2

  § 20 des Reichssiedlungsgesetzes sowie die landesrechtlichen Vorschriften über Verfügungsbeschränkungen bei Siedlerstellen finden auf Umsiedlerstellen keine Anwendung. Ob eine Stelle als Umsiedlerstelle anzusehen ist, entscheidet im Zweifelsfall die Reichsstelle für Umsiedlung endgültig.

II. Durchführung von Schuldenregelungsverfahren

§ 3

  (1) Wird ein Betrieb, dessen Inhaber sich im Schuldenregelungsverfahren befindet, im Rahmen des Gesetzes über die Landbeschaffung für Zwecke der Wehrmacht vom 29. März 1935 veräußert oder enteignet, so ist das Schuldenregelungsverfahren auf Antrag der Reichsstelle für Landbeschaffung fortzusetzen.
  (2) Für die weitere Durchführung des Schuldenregelungsverfahrens gelten die Vorschriften über die landwirtschaftliche Schuldenregelung mit den Abweichungen, die sich aus den folgenden Bestimmungen ergeben.

§ 4

  Als Entschuldungsstelle ist die Reichsumsiedlungsgesellschaft m. b. H. in Berlin zu bestellen, wenn die Reichsstelle für Landbeschaffung dies bei Stellung des Antrags auf Fortsetzung des Schuldenregelungsverfahrens beantragt. Andernfalls hat das Entschuldungsamt die Aufgaben der Entschuldungsstelle selbst zu übernehmen.

§ 5

  Der Entschuldungsplan oder Vergleichsvorschlag ist ohne Rücksicht auf die Veräußerung oder Enteignung für den bisherigen Betrieb aufzustellen. Wird die Vergütung oder Entschädigung in Geld gewährt, so sind die Zwangskürzungen nur insoweit vorzunehmen, als sie erforderlich sind, um dem Betriebsinhaber den Aufbau einer neuen angemessenen Wirtschaftsgrundlage zu sichern.

§ 6

  (1) Wird der Betrieb freihändig veräußert, so tritt hinsichtlich des Eigentums und der darauf ruhenden Lasten die Vergütung an die Stelle des Betriebes. Besteht die Vergütung in Land, so findet § 17 Abs. 2 der Durchführungsverordnung vom 21. August 1935 (Reichsgesetzbl. I S. 1097) mit der Maßgabe Anwendung, daß die Entscheidung über den Altenteil in dem Entschuldungsplan oder Vergleichsvorschlag zu treffen ist.
  (2) Die im Abs. 1 angeordneten Wirkungen treten mit der Eintragung des neuen Eigentümers in das Grundbuch für den veräußerten Betrieb ein.

§ 7

  Wird die Vergütung oder Entschädigung in Land gewährt, so erstrecken sich die Wirkungen der Eröffnung des Schuldenregelungsverfahrens nach § 8 des Gesetzes zur Regelung der landwirtschaftlichen Schuldverhältnisse (Schuldenregelungsgesetz) vom 1. Juni 1933 (Reichsgesetzbl. I S. 331) auch auf die Ersatzgrundstücke. § 8 Abs. 2 des Schuldenregelungsgesetzes findet Anwendung. Die in Betracht kommenden Grundstücke sind dem Entschuldungsamt von der Reichsumsiedlungsgesellschaft m. b. H. oder, wenn diese nicht die Entschuldungsstelle ist, von der Reichsstelle für Landbeschaffung zu bezeichnen.

§ 8

  (1) Soweit die Vergütung oder Entschädigung in Geld gewährt wird, darf der Geldbetrag erst nach Durchführung des Schuldenregelungsverfahrens ausgezahlt werden. Ist die erfolgreiche Durchführung des Schuldenregelungsverfahrens nach der Auffassung der Entschuldungsstelle mit Sicherheit zu erwarten, so kann der Geldbetrag, soweit er für die Schuldenregelung nicht benötigt wird und für den Aufbau einer neuen Wirtschaftsgrundlage des Betriebsinhabers verwendet werden soll, früher gezahlt werden.
  (2) Die am Schuldenregelungsverfahren nicht beteiligten Gläubiger können während der Dauer dieses Verfahrens in den Anspruch auf Gewährung der Vergütung oder Entschädigung die Zwangsvollstreckung nur insoweit betreiben, als sie in die Gegenstände zulässig wäre, für welche die Vergütung oder Entschädigung zu gewähren ist.

§ 9

  (1) Die nach dem Entschuldungsplan oder Vergleichsvorschlag bestehen bleibenden oder neu zu begründeten dinglichen Rechte sind, wenn die Vergütung oder Entschädigung in Land gewährt wird, auf den Ersatzgrundstücken einzutragen.
  (2) Wird die Vergütung oder Entschädigung in Geld gewährt, so gilt der Entschuldungsplan oder
Vergleichsvorschlag als Teilungsplan mit der Maßgabe, daß die Gläubiger sämtlicher Rechte mit den sich aus der Schuldenregelungsgesetzgebung ergebenden Abzügen in bar zu befriedigen sind.
  (3) Wird neben der Vergütung oder Entschädigung in Land ein Geldbetrag gewährt, so finden für die Verteilung des Geldbetrags die Vorschriften des § 20 und des § 19 Abs. 2 Nr. 6 der Durchführungsverordnung vom 21. August 1937 sinngemäße Anwendung.
  (4) Die Vorschriften der §§ 18 bis 20 der Durchführungsverordnung vom 21. August 1935 finden unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3 keine Anwendung.
  (5) Die Durchführung der Verteilung obliegt der Reichsstelle für Landbeschaffung.

§ 10

  Die zur Durchführung des Entschuldungsplans oder Vergleichvorschlags und in Ausführung der §§ 6 und 9 erforderlichen Eintragungen sind auf Ersuchen der Reichsstelle für Landbeschaffung vorzunehmen.

§ 11

  Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten sinngemäß für Verfahren, die nach der Pächterentschuldungsverordnung vom 21. März 1935 (Reichsgesetzbl. I S. 360) durchgeführt werden.

§ 12

  Die Vorschriften diese Abschnitts gelten sinngemäß für die Durchführung eines nach der Osthilfegesetzgebung anhängigen Entschuldungsverfahrens. An die Stelle der Entschuldungsstelle und des Entschuldungsamts tritt der Kommissar für die Osthilfe (Landstelle), der die Reichsumsiedlungsgesellschaft m. b. H. mit den Verhandlungen zur Durchführung der Schuldenregelung und der Aufstellung des Entschuldungsplans beauftragen kann. 

  Berlin, den 13. Februar 1937.

Der Reichskriegsminister
und Oberbefehlshaber der Wehrmacht
vom Blomberg


Lehlinge in der PIW

Wache im Eingangsbereich der PIW



Zum Weihnachtsfest des Jahres 1943 wandte sich Dr. Schöller in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Pommerschen Industriewerke Barth in einem Brief an die Eltern der Lehrlinge seine Betriebes. Es war der erste so genannte Elternbrief. Zumindest noch ein weiterer Elternbrief folgte zu Weihnachten des Folgejahres. In diesem Brief kamen außer Dr. Schöller unter anderem noch die Herren Tillmann von der Geschäftsleitung, der Betriebsarzt Dr. Erich Lau, die Ausbildungsleiter Alfred Wegner, Alfred Bergner, der Heimleiter Meinhardt sowie die Lehrlinge Hans und Siegfried zu Wort.

*

Die Vertreter der Geschäftsleitung Dr. Schöller und Herr Tillmann:

„Schon längst hätten wir Ihnen gerne einmal über Ihre Jungens und deren Arbeitund Leben bei uns geschrieben, doch hat es uns dazu an der Zeit gefehlt, die so ganz und gar mit kriegswichtigen Arbeiten ausgefüllt ist. Doch noch in diesem Jhr soll unser erster Brief an Sie herausgehen, um uns gegenseitig näher zu bringen. Denn keiner von uns steht heute allein. Keiner arbeitet für sich. Wir schaffen alle Hand in Hand für eine große, gemeinsame Aufgabe. In dieser schweren Zeit, in der von jedem uns verlangt wird, persönliche Opfer zu bringen und ein Höchstmaß an Arbeit und Einsatzbereitschaft zu leisten, müssen wir zusammenhalten und gemeinsam tragen, was für den Einzelnen oft schwer ist.
Sie wohnen meist fern von der Ausbildungsstätte Ihrer Jungens und deshalb nicht selbst an ihrem Leben und Treiben teilnehmen. Unsere Elternbriefe sollen Ihnen von Zeit zu Zeit einen Einblick in unsere Erziehungsarbeit geben und Sie dem Erleben der Jungens bei uns näher bringen. Auch soll Ihnen die Gewissheit gegeben werden, dass wir uns die größte Mühe geben, Ihre Jungens in jeder Beziehung mustergültig zu betreuen, zu führen und weiterzubilden.

Unsere Lehrwerkstatt, der von der Deutschen Arbeitsfront die bronzene Medaille für vorbildliche Berufserziehung verliehen wurde., bürgt für eine vielseitige theoretische und praktische Ausbildung, die Ihren Jungens das Können eines tüchtigen Facharbeiters vermitteln wird. Wir haben hierzu tüchtige Facharbeiter, Lehrmeister und Ausbildungsleiter eingesetzt.

Zur Betreuung Ihrer Jungens nach der Arbeit haben wir für das Wohnheim der Lehrlinge einen ordentlichen, aufrechten Facharbeiter, der ein guter Sportsmann und Kamerad ist, als Heimleiter eingesetzt. Außerdem kümmert sich die HJ vermehrt um Ihre Jungens in weltanschaulichen und HJ-Angelegenheiten.

Wir wollen die Erziehung der Jungens in engster Zusammenarbeit mit Ihnen durchführen. Wir wissen, dass viele Väter und Brüder der Jungens unter den Waffen stehen, und dass die Mütter es in der heutigen Zeit doppelt schwer haben, alles verantwortlich zu erledigen. Wir wollen Ihnen die Sorge um den Sohn nach Möglichkeit abnehmen und bitten Sie uns mitzuteilen, was Sie in Sorge um Ihren Jungen auf dem Herzen haben und wo wir vielleicht helfen solle, damit wir in allen Erziehungsfragen gemeinsam mit Ihnen das Beste zum Wohle Ihrer Jungens tun können.

Da es uns möglich werden wird, diesen ersten Brief bis zum Weihnachtsfest fertiggestellt zu bekommen, benutzen wir diesen Anlass, Ihnen und Ihren Jungens ein recht frohes Fest und ein gutes neues Jahr zu wünschen.“

*

Der Betriebsarzt Dr. Erich Lau:
                       Zu den Aufgaben des Dr. Lau gehörten auch Untersuchungen zur Ehetauglichkeit.
Zu den Themen Berufserziehung und gesundheitliche Betreuung äußert sich der Ausbildungsleiter Alfred Wegner:

„Ein Ereignis von größter Bedeutung ist für jeden Jungen die Schulentlassung. Zu dieser Zeit überschreitet der Junge die Schwelle des Kinderlandes und schickt sich an, ein Mann zu werden.

Diese Zeit fällt zusammen mit dem Eintritt in die Lehre. Jeder vernünftige Junge braucht einen vernünftigen Beruf. Keiner fühlt sich glücklich, bevor er weiß, das er wirklich „angenommen“wurde. Diese, wohl seine erste Sorge als angehender Erwachsener, wird bald abgelöst von einer Anzahl anderer: Wie mag die Arbeitsstätte aussehen, in der ich mich in dreieinhalb Jahren auf meinen Lehrberuf vorbereite? Was mögen die Ausbilder für Menschen sein? Welche Aufgaben harren meiner? Werde ich es schaffen? Diese und noch mehr Fragen stellt sich jeder Junge und ihm ist dabei etwas bänglich zu Mute.

Aber immerhin, da er eben ein Junge ist, hat er Mut und fasst an. Innerhalb einer gewissen Zeit verschafft er sich einen ersten Überblick und erhält Antwort auf viele einst bängliche Fragen. Die Arbeitsstätte ist sehr schön, sehr interessant, sehr lebendig und auch etwas laut, gerade das Richtige für einen gesunden, wachsenden Jungen. Für jeden ist ein sauberer Arbeitsplatz da, an dem er Herr in seinem Bereich sein soll. Maschinen sind auch da, viele und sehr verschiedenartige sogar, mit vielen Hebeln daran. Sie stehen für ihn da. Daran darf er schaffen, wenn er sich eine zeitlang am Schraubstock redlich abgemüht hat. Dass er es genau so gut können wird, wie der um ein Jahr ältere Lehrling, unterliegt keinem Zweifel. Die Ausbilder kennt er bald, auch den Meister und den Ausbildungsleiter. Es sind keine Rauschebärte, keine -menschenfresser, zu zittern braucht man nicht vor ihnen, auch dann nicht, wenn man etwas verpatzt hat. Das kommt öfter vor. Aber lernen kann man von ihnen, und man muss viel lernen, jeden Tag immer mehr hinzulernen. Das sind so die ersten Eindrücke, die jeder Junge aufnimmt, und die er sicher sehr bald seinen Eltern, deren Gedanken besonders in den ersten schwierigen Tagen bei ihm sind, übermitteln wird.

Ich will ihm behilflich sein, und wo es möglich ist, seinen Bericht ergänzen, sodaß Sie, liebe Eltern, sich einigermaßen ein Bild über die berufliche Erziehung Ihres Sohnes machen können und damit einer Sorge enthoben sind.

Die Ausbildung unserer Lehrlinge erfolgt im ersten und zweiten Lehrjahr in einer besonders ausgestatteten Lehrwerkstatt nach den anerkannten Richtlinien der DAF und des Reichsinstituts für Berufsausbildung. Zunächst, damit der Junge mit den Grundbegriffen vertraut wird und Sicherheit im Umgang mit einer mechanischen Werkstatt erlangt, arbeitet er einen Lehrgang am Schraubstock durch. Dieser Lehrgang enthält alles Grundsätzliche und erstreckt sich über etwa drei Monate. In dieser Zeit stellen sich die besonderen Anlagen des Jungen heraus, so dass vor Ablauf des Probevierteljahres die Einreihung in den geeigneten -beruf erfolgen kann.

Die Grundlage für diese Einreihung bilden die gebrachten Leistungen und die damit zu Tage geförderten Anlagen, die auf besonderen Auswertungsblättern festgehalten und ausgewertet werden. Im Anschluss an den Grundlehrgang wechselt der Lehrling in gewissen Zeitabständen

seinen Platz, sodass er schon im ersten Lehrjahr einen Überblick über die Grundkenntnisse und Erfordernisse seines Berufes erhält. Im zweiten Lehrjahr erhält der Lehrling eine reine Fachausbildung nach den anerkannten Richtlinien. Es findet hierbei eine Vertiefung der im ersten Lehrjahr erworbenen Grundkenntnisse statt unter ständiger Steigerung des fachlichen Könnens.“

Alfred Bergner

Zur Problematik Berufsausbildung im Kriege hat der Ausbildungsleiter ein paar markige Sätze formuliert:

„Über die Herausbildung guter Fachkräfte kann es nur eine Auffassung geben:Sie ist im Frieden wie im Kriege eine ernst zu nehmende Angelegenheit. Bei der Erzeugung von Friedensgütern bürgt der Facharbeiter für höchste Qualität dieser Erzeugnisse und erobert damit den Weltmarkt und hält ihn offen In der Fertigung von Kriegsgerät sorgt er für höchste Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Waffen und er ist damit Kamerad des Frontkämpfers und Miteringer des Sieges. Aber noch mehr. Wenn in Kriegszeiten Millionen von Männern zu den Waffen eilen, wenn an Maschinen und Schraubstöcken unzählige Facharbeiter durch berufsfremde Hilfskräfte und Frauen ersetzt werden und dazu, oder trotzdem, noch die Produktion gewaltig gesteigert werden muss, dann ist noch der verbleibende Facharbeiter das Rückgrat des Betriebes. Ergibt den ängstlichen Neulingen von seiner Sicherheit, den Unerfahrenen von seinem Können, den Leichtverzagten Mut und Selbstbewusstsein.

Ausbildung ist nie für das „Heute“, stets für das „Morgen“. Heute leben wir von dem gestern Geschaffenen, oder darben wir an dem gestern Versäumten. Morgen werden wir das vorfinden, was wir heute getan haben. Gewiss stehen die Jungen, die wir heute ausbilden, morgen an der Front. Dort werden sie auch gebraucht! Die Truppe ist weitgehend motorisiert, mechanisiert und technisiert, sodass bei allen Waffengattungen der Facharbeiter dringend gebraucht wird. Viele unserer Jungen werden als Mechaniker und Maschinist zur See fahren, als Funker bei der Nachrichtentruppe, als Panzerfahrer beim Heer, als Waffenwart, Bordmechaniker oder Bordfunker bei der Luftwaffe ihre Pflicht erfüllen.

Außerdem denken wir auch schon über den Krieg hinaus. Sind schon heute die Aufgaben groß, so werden sie nach dem Kriegsende noch größer sein.

Deutschland muss wieder aufgebaut und Europa aufgerichtet, geordnet und geführt werden. Unsere Jungen kommen wieder zurück. Der deutsche Facharbeiter wird viel zu tun haben. Deutschland wird morgen von dem leben, was wir heute geschaffen haben.“

*

Heimleiter Meinhardt

                                                      Das Lehrlingswohnheim in Barth-Stein (heute Tannenheim)

Erläutert, was einen richtigen deutschen Jungmann auszeichnet:

„Die Elternwohnungen unserer Jungen befinden sich meistens in der weiteren Umgebung von unserem Heim Leider macht dieses Tatsache eine persönliche Fühlungnahme sehr schwierig. Ich sage leider, wissen wir doch zu gut, wie wertvoll für die Arbeit, wie förderns in allen Erziehungsfragen die gegenseitige Unterstützung von Elternhaus und Heimführung sein könnte. Dennoch werde ich mich stets bemühen, Ihre Jungen so zu erziehen, dass aus ihnen anständige und tüchtige Kerle werden. In meinem nun folgenden Bericht will ich Ihnen kurz schildern, wie Ihre Jungen im Hein betreut werden:

Es ist bei einer gemeinsamen Unterkunft notwendig, dass man die Anforderungen, die wir an die Jungen stellen. Allmählich steigert. Um unser gestecktes Ziel zu erreichen, geschieht die Ausbildung im Heim nach folgenden Punkten:

1. Erziehung zu ordentlicher Haltun, sauberer Kleidung und reinem Körper.

2. Eingewöhnen in das Heimleben, Erziehung zur Sauberhaltung des Heimes, Ornung im Spind und Bettenbau.

3. Weltanschauliche und politische Schulung an Heimabenden durch die HJ. Außerdem wird an diesen Abenden Gesang und Musik gepflegt.

4. Körperliche Ertüchtigung in dem größten Teil der Freizeit, mit Ausmärschen und Sport.

Von ihrem Lehrherrn wurde den Jungens alle möglichen Turn- und Sportgeräte beschafft und so die Voraussetzung zum Abhalten von Turn- und Sportstunden geschaffen.

Für abwechslungsreiche anregende Freizeitgestaltung wird durch die Firma gesorgt. So finden jede Woche Veranstaltungen im Gemeinschaftsraum der Siedlung Barth-Stein statt. Kino Variete´, Konzert und Vorträge wechseln sich hierbei ab.

Für das leibliche Wohl der Jungen sorgen wir, so gut das in Kriegszeiten möglich ist, vor allem auch durch Beschaffung vitaminreicher feinster Gemüse.

Bei der großen Zahl von Jungen ist es natürlich unausbleiblich, das es hin und wieder Strafen, wie Urlaubssperre, Sonderdienste, Verwarnungen und Verweise gibt. In fast allen Fällen hat solche Zurechtweisung Erfolg gehabt.

Ich hoffe, dass Sie, liebe Eltern, an meinen obigen Ausführungen erkennen können, wie Ihre Jungen im Heim betreut werden. Ich würde mich freuen, wenn dieser Brief dazu beitragen wird, dass auch Sie uns in unserer nicht ganz leichten Aufgabe bei der Führung der Jungen unterstützen werden.“

Mit besten Grüßen

Heil Hitler

der Heimleiter Meinhardt.

*

Der Lehrling Hans

Was sagen eigentlich die Jungens über ihre Stunden in der Lehrwerkstatt und zu ihrer Freizeitgestaltung?

Da ist zum Beispiel der Feinmechaniker Hans aus dem 1. Lehrjahr, der schreibt:

„Liebe Eltern!

Endlich komme ich dazu, Euch einen längeren Brief zu schreiben. Als wir am Montag Nachmittag hier ankamen, wurden wir vom Heimleiter empfangen und zum Heim geführt, wo wir unser Gepäck ablegten. Dann marschierten wir geschlossen zur Lagerführung und meldeten uns an. Nach der Anmeldung wurden wir auf die Stuben verteilt und bekamen unser Bett und unsere Spinde angewiesen. Das Einräumen des Spindes und das Bettbauen wurde uns von älteren Kameraden gezeigt. Nachdem wir unsere Betten gebaut hatten, erzählten wir Erlebnisse; schon um 9 Uhr mussten wir zum Stuben-Durchgang fertig sein. Die ersten Tage im Heimwaren für uns nicht leicht; denn hatten so viel Neues zu lernen. Morgens um 5 Uhr wurden wir vom U.v.D. Geweckt; sofort sprangen wir aus den Betten. Nach dem Waschen, Anziehen Bettenbauen und Frühstück ging es ins Werk. Um 16 Uhr ging es wieder zurück zum Lager und wir machten uns fertig zum Essen. Das Essen ist gut u. schmackhaft. Vier Tage in der Woche haben wir am Abend Heimdienst und Mittwochs frei.

Nun will ich schließen, denn es ist „Fertigmachen zum Stubendurchgang“ angepfiffen worden.“

*

Der Lehrling Siegfried

Hier noch ein zweiter Brief an daheim:

„Liebe Eltern!
Als wir am ersten Tag unserer Lehre die Lehrwerkstatt betraten, blieb uns vor Staunen doch einen Augenblick der Mund offen. Vor uns lag eine große, geräumige Halle, die einem großen Saal glich und mit den besten Maschinen und Einrichtungen ausgestattet war. Diese Halle sollte jetzt für die kommenden 3 ½ Jahre unsere Lehrstelle sein. Wie wir so, ganz benommen von dem Anblick der schönen Lehrwerkstatt, auf einer Seite standen und uns vor einer gewissen Scheu kaum vom Fleck bewegen mochten, ertönte mit einem Male ein Pfiff, der uns den Mund wieder schloss und uns wieder zur Besinnung rief. Wir mussten antreten. Sodann wurden wir dem Meister und dem Ausbildungspersonal vorgestellt, die uns unter der Leitung des Ausbildungsleiters, Herrn Bergner, zu tüchtigen Facharbeitern erziehen sollen. Danach wurden wir eingekleidet und bekamen nach einer kurzen Instruktion unseren zukünftigen Arbeitsplatz angewiesen.

Wir dachten ja alle, dass wir gleich an den Maschinen arbeiten durften. Hierin wurden wir aber etwas enttäuscht. Jeder von uns bekam erst einmal Unterweisung in der Handhabung von Feilen und Bearbeitung von Werkstoffen. Mit großer Begeisterung ging alles an die Arbeit, welche anfangs riesigen Spaß machte, aber bald langweilig wurde. Aber auch hier hatte die Vorsehung des Ausbildungsleiters schon Vorsorge getroffen und zur Abwechslung wurden wir an die Maschinen gestellt. Dies gab uns neuen Mut und Kraft für die nächste Zeit. Aber die vielen Hebel, die an so einer Maschine zu betätigen sind, brachten uns doch etwas in Verwirrung, und wir dachten im Stillen, dass wir hier wohl nie mit fertig würden. Aber schon nach einigen Tagen ergab sich, dass diese Sorge unnötig gewesen war. In kurzer Zeit waren wir mit allen Maschinen vertraut und es fällt uns heute gar nicht schwer, auf 1/100 mm genau zu arbeiten.

Neben der praktischen und theoretischen Berufsausbildung haben wir noch eine Ausbildung in der Werks-Feuerwehr.“


Barther Bürgermeister spricht von einem Trophäenkommando

 

Bei dem Wort Trophäenjäger denkt man zunächst unwillkürlich an Geweihe erlegter prachtvoller Hirsche. Auch an Leute denkt man, die Bodendenkmale plündern, oder an die harmloseren Sammler von Militaria. Aber was soll man davon halten, wenn in einem amtlichen Schreiben von einem "Trophenkommando" die Rede ist? Wie es der Barther Bürgermeister anno 1945 getan hat, als er dem sowjetischen Major Docenko ein Schreiben zukommen ließ. Dort verwendete er genau diesen Begriff. Sind die Behörden etwa in den demolierten Pommerschen Industriewerken (PIW) Plünderern auf die Schliche gekommen? Beim Lesen dieses Berichtes könnte man einen erbostes Stadtoberhaupt vermuten, der sich mit einem solches Wort empört Luft verschaffen wollte. Dem war aber absolut nicht so. Trophäenkommando oder auch Trophenkommission war in jenen Kriegs- und Nachkriegszeiten ein allgemein übliches Wort. Zumindest für jene, die in dieser Materie gearbeitet haben. Es lohnt sich also, mal bei Wikipedia nachzufragen. Dort wird man folgendermaßen aufgeklärt:"Trophäenkommissionen waren im und nach dem Zweiten Weltkrieg Gruppen sowjetischer Fachkräfte aus Wissenschaft, Technik, Wirtschaft und Kultur mit höheren militärischen Rängen, jedoch ohne militärische Einflussnahme, die dem Aufspüren und Erbeuten von wissenschaftlichen und kulturellen Leistungen und Leistungsträgern dienten, aber speziell auch der Verbringung von Kultur- und Kunstgegenständen in die Sowjetunion.

Die Bezeichnung wurde später zum Synonym für entsprechende Fachkräfte auch der anderen drei Siegermächte. Auch einzeln agierende Fachleute (Spezialisten) werden darunter verstanden."

Da der Bürgermeister aber "Trophäenjägern" sprach, kann dahinter durchaus ein gewisser Groll herausgelesen werden.

Was wollte eigentlich der sowjetische Major? Docenko, Major bei der sowjetischen Kommandantur, beauftragte im Herbst 1945 den Barther Bürgermeister damit, eine Auflistung zu einem bestimmten Personenkreis erstellen zu lassen und ihm zu übergeben. Weiterhin sollten Angaben zu den ehemaligen Rüstungsbetrieben in der Stadt gemacht und vorgelegt werden. Die gewünschten Angaben ließ der Bürgermeister zusammenstellen und am 25. November der Kreiskommandantur in Barth übergeben. Er teilte Major Docenko mit, dass der Offiziersbestand der ehemaligen deutschen Armee für den Bezirk Barth auf der Kreiskommandantur bereits listenmäßig erfasst sei. Die Information, dass im Bezirk Barth in dem infrage kommenden Zeitraum außer 10 Ingenieuren und 5 Konstrukteuren gearbeitet hatten, dürfte den Sowjets ebenfalls schon bekannt gewesen sein. Eine Enttäuschung für die Sowjets war jedoch bestimmt die Meldung, dass zum Kreis der für sie interessanten Personen keine Wissenschaftler gehörten. Auf diese hatten sie es in allererster Linie abgesehen, besonders im Hinblick auf die vermutete Produktion von chemischen Kampfstoffen in den Laboratorien der PIW.

Weiter schreibt der Bürgermeister, an deutschen Heeresabteilungen seien in Barth einst der

Fliegerhorst und die Flakartillerieschule formiert worden.

Weiter: Auf dem Fliegerhorst befand sich ein Bombenlager, das von der Roten Armee jedoch bereits abgefahren und gesprengt worden sei. Zum Bestand der Flakartiellerieschule auf dem Vogelsang gehörten acht Flak-Geschütze, Kaliber 8,8. Diese seien noch von der ehemaligen deutschen Wehrmacht kurz vor dem Einrücken der Roten Armee gesprengt worden.

Interessant sind die Angaben zur Munitionsfabrik PIW im Barther Stadtholz, weil zu diesem Thema bis in die Gegenwart die wildesten Gerüchte im Umlauf sind. Der Bürgermeister schreibt an Major Docenko, die Pommerschen Industriewerke würden „zur Zeit von einem Trophäen-Kommando ausgebaut" werden, es lagerten aber dort noch Nebelkerzen. Und völlig überraschend ist zu erfahren, dass hier nicht nur Munition hergestellt worden sein soll, sondern auch Teile für Kraftfahrzeuge.

Zur Produktpalette listet der Bericht auf:
"Im Bezirk Barth befanden sich vor dem Einrücken der Roten Armee folgende Rüstungsfabriken:
1. Pommersche Industrie-Werke G.m.b.H. Barth
2. Heinkel-Werke.
3. Walther Bachmann Flugzeugbau KG
4. Pommersche Eisengießerei

Die näheren Angaben zur Munitionsfabrk PIW waren:
Produktion von Halb- und Fertigfabrikaten, und zwar
- Nebelkerzen
- Nebelkerzenzünder
- Brandbomben
- Schwelgranaten
- Schwelbomben
- Wurfgranaten-Zubehörteile
-
Kraftfahrzeugteile.

Noch im Jahr 2018 lagen in den Trümmern der Produktions- und Lagerhallen verrostete Überbleibsel von Wurfgranaten im Bereich zwischen den ehemaligen Hallen NL2 und NL1. Vor allem die Nebelkerzen und Schwelgranaten waren in den meisten Fällen noch mit den chemischen Bestandteilen gefüllt. Liebhabern solcher Stücke sei jedoch gesagt, die Suche danach dürfte inzwischen zwecklos sein. Sammler und Jäger (Trophäenjäger der Neuzeit) haben das Terrain inzwischen bereits gründlich abgegrast.

Von den chemischen Waffen, die in den PIW angeblich hergestellt worden sein sollen, ist hingegen im Bericht des Bürgermeisters hier nicht die Rede. Eine Untersuchung im Jahr 2006 in Zusammenarbeit mit der Uni Greifswald bestätigte, dass hier mit hoher Wahrscheinlich keine chemischen Kampfmittel produziert worden seien. Angaben zu Heinkel:

In den Heinkel-Werken in Barth lagerten noch Flugzeugmotore. Als Produktion werden Flugzeugmotore in der Fertigmontage aufgeführt.
Angaben zu Bachmann:
Ebenso stellte die Walther Bachmann Flugzeugbau KG in Barth Flugzeugeinzelteile her.
Ausführungen zur Eisengießerei:
Aber auch die Pommersche Eisengießerei Barth war am Rüstungsgeschäft mit der Produktion von Einzelteilen für Flugzeuge und Wurfgranaten befasst.

1,2 Kilometer Panzersperren in Barth:

Wer von den alten Barther Einwohnern weiß noch von den Panzersperren in ihrer Stadt zum Ende des Krieges Auskunft zu geben? Vor dem Einrücken der Roten Armee hatte man solche im Grunde genommen nutzlose Verteidigungsanlagen jeweils in der Barthestraße, Sundische Straße, Chausseestraße, im Inspektorgang und beim Trebin ausheben lassen. Ein Panzergraben im Kirchhofswall und Bleicherwall mit einer Länge von 1.200 Metern hat dann auch nichts mehr genutzt.
All diese Angaben sind dem Bericht des Barther Bezirksbürgermeister entnommen, die der sowjetischen Kreiskommandantur 1945 übermittelt worden waren. Der Bürgermeister merkte gleichzeitig an, dass Archivmaterial nicht vorhanden sei.
Rüdiger Pfäffle