ESMERALDA UND BALOU

9. April 2023

Mein Opa weiß alles, sagt Finja!




Da der kleine Parkplatz im Kiefernweg in Tannenheim voll besetzt war, stellte ich das Auto auf der gegenüber liegenden Straßenseite auf der Fläche mit dem nicht offiziellen Parkplatz zwischen "Jorgos" und dem Plattenweg, der zum ehemaligen Bahnhof führt, ab. Heute hatte ich dort eine vergnügliche Begegnung. Als ich aus dem Auto steigen wollte, sah ich, wie zwei etwa zehn- oder elfjährige Mädels mit einem possierliches Hundchen und mit viel Gekreische um die Bäume herumtollten.

Was ist daran denn Besonderes, mag man sich fragen. Dass Kinder mit Hunden herumtoben, das sieht man doch jeden Tag! Ja, aber da war noch die Katze, die an einer Leine geführt wurde. Das Mädel setzte ihre Katze auf den steinernen Sockel, der allgemein Kobesstein genannt wird. Auf der Vorderseite des Steins ist „Gewidmet von Wilh. Kobes 1900“ zu lesen. Mit ihren Handys machten die Mädels nun Fotos. Die Idee mit der Katze auf dem Stein als Fotomotiv erschien mir gar nicht so übel zu sein. Zumal es sich um eine zutrauliche und schöne Katze handelte. Das Umfeld war allerdings als Bildhintergrund denkbar ungeeignet.

Da stand mal ein Kaiser drauf“, gab das eine Mädchen kess ungefragt Auskunft, als ich mich diesem Fotoshooting näherte. Das andere Mädel verhielt sich sehr scheu, zurückhaltend und wortkarg. Ganz anders ihre Freundin, sie war sehr lebhaft und ausgesprochen mitteilsam. Sie war mit der angeleinten Katze unterwegs, und wohnte, wie ich sogleich erfuhr, in Tannenheim im Ginsterweg. Sie besucht die Nobertschule in Barth.

Was sind denn das für ein süße Kerlchen? Sehen ja allerliebst aus!"

Ist keine Rassekatze", gab mir die kleine Wortführerin zu verstehen. "Aber schön ist sie trotzdem". setzte sie fast trotzig hinzu," auch wenn sie rothaarig ist! Sie ist ein Mädchen und heißt Esmeralda!"

Das Hundchen mit dem hübschen flauschigen Fell heißt Balou.




"Ja, solche ungewöhnlichen Namen passen zu euren tollen Lieblingen", machte ich den Charmeur, um dem Mädel ihrer rothaarigen Katze wegen Trost zu geben. "Wie heißt ihr denn eigentlich?"

Schließlich möchte ich ja wissen wie ich meine neuen Freundinnen anzureden habe.

"Finja heiße ich, und das ist meine Freundin Pia." Pia hätte sich wohl kaum getraut zu reden. Und Finja kennt die Schüchternheit ihrer Freundin

Finja ging jetzt zum Gegenangriff über."Und wie heißt du?"

Naja, ich bin zwar siebzig Jahre älter als Finja, aber das "Du" ist für die heutigen Kinder Älteren gegenüber gang und gäbe. Ich möchte auch nicht als alter Pauker von der Penne gelten.

"Ich bin der Herr Pfäffle und wohne in Rostock."

Finja guckt, grinst, prustet los: "Hast du aber einen komischen Namen, heißt du wirklich so?"

Tja, und da ich in meinem Berufsleben immer mit jungen Leuten zu tun hatte, gehe ich auf Finja´s Ton ein.

"Meine Freunde sagen Jim zu mir. Könnt ihr beiden auch tun, Finja und Pia.

Jetzt verraten mir beide voller Zutrauen, dass Esmeralda ihre beste gemeinsame Freundin sei. Sie möchten gar keine andere Katze haben, auch wenn in der Nachbarschaft eine weiße, echte Perserkatze, eine Schönheitskönigin, wohnt.

"Esmaralde sieht doch auch schön aus. Guck mal, Jim, in ihren roten Schwanzhaaren hat sie sogar hellgelbe Kringelchen."

Ich mache, um Finja einen Gefallen zu tun, ein Kompliment: "Esmeralda ist vielleicht doch eine Rassekatze, denn normale Straßentiger haben solche Kringelchen eigentlich nicht."

Das kam bei Finjs, aber auch bei Pia, sehr gut an.

"Opa ärgert sie immer."

"Was macht Opa denn? Quält er sie etwa?"

Da beruhigt mich die Kleine aber.

"Nee, er sagt immer Mauzelchen zu meiner Esmeralda."

"Ist das denn so schlimm, Finja", wundere ich mich?

"Ja, das ist ganz böse! Esmeralda heißt nicht Mauzelchen, sondern Esmeralda", platzt es aus Finja finja2heraus!

"Ich habe daheim auch eine kleine Miezekatze, aber die ist lange nicht so eine schöne wie deine Esmeralda", sage ich noch.

Und jetzt ist Finja ganz stolz darauf, dass ihr kleiner Liebling von mir gelobt wurde. Sie sagte: "Hier auf dem Steinsockel stand früher mal ein Kaiser. Ein Kaiser, hier mitten im Wald. "

"Woher weißt du das denn?“

Hat Opa gesagt, und wenn Opa das sagt, ist das nicht gelogen. Opa weiß immer alles!“

Ja, wenn Opa das meint, muss es wohl so gewesen sein, gebe ich gedanklich nach. Obwohl ich es besser weiß.

Und außerdem stand hier auch mal ein ganz schickes Schloss. Das erzählen die ganz alten Leute in Tannenheim.“

Sie meint wohl das Kurhaus Tannenheim, das 1897 gebaut wurde und bis zum Kriegsende hier stand. Auf die Frage, ob dieser vermeintliche Kaiser vielleicht Wilhelm geheißen haben könnte, kam von Pia und Finja die prompte Antwort: „Ja, das steht doch da drauf auf dem Stein! Der Kaiser hatte immer so eine lustige Mütze aus Blech auf dem Kopf. Oben drauf war noch so eine coole Eisenspitze und ein Federbüschel. Habe ich schon mal im Fernsehen gesehen.“

Dunnerlittchen, das Kind weiß wirklich so einiges, denke ich, auch wenn es sich hier mit Wilhelm nicht um den alten Kaiser, sondern vielmehr um einen ganz anderen Wilhelm handelt. Nämlich den einstigen Barther Unternehmer Wilhelm Kobes. Doch das dürfte die Mädels einerseits kaum interessieren, und andererseits darf ich keinen Zweifel aufkommen lassen, dass Opa wirklich immer alles weiß und immer recht hat.

Meine beiden kleinen Freundinnen haben jetzt aber genug von der Knipserei und auch keine Zeit mehr für den alten Jim. Finja nimmt ihre Esmeralda auf den Arm und geht rüber in die Siedlung. Den kleinen Balou haben anscheinend ganz vergessen. Der lag im Gebüsch und döste.

Ich habe dann das Fahrrad vom Fahrradträger abgenommen und meine Erkundungsfahrt rund durch Tannenheim gemacht. Denn das war ja der eigentliche Anlass, weshalb ich wieder einmal nach Barth gekommen war.

Rüdiger Pfäffle