FAMILIEN von BEHR AUF SEMLOW UND SCHMOLDOW

Der erste Besitzer auf Semlow
Nach "Urkunden und Forschungen zur Geschichte des Geschlechts Behr von Dr. G. C. Friedrich LischIII. Band 1864"

In Familienurkunden vom 25. Mai und 1. Juni 1415 wird ein gewisser Bulder Behr erwähnt. Er soll demnach der erste urkundlich nachweisbare Besitzer Semlow´s gewesen sein. Erwähnt wird dieser Bulder Behr jedoch schon Jahre eher, und zwar im Zusammenhang mit seiner Teilnahme an dem damaligen Feldzug der Moltkes gegen die Stadt Stralsund. Dort wurde er im Jahr 1398 gefangen genommen und festgesetzt. Letztmalige wird sein Name in einer Urkunde vom 16. März 1425 genannt. Und zwar im Zusammenhang mit einer Urfehde und der dabei begangenen Ermordung des Landmarschalls Degener Buggenhagen. In der oben bezeichneten Urkunde vom 1. Juni 1415 wird ausdrücklich gesagt, dass Bulder Behr auf der Besitzung Semlow wohnte. Man muss daher annehmen, dass Semlow Ende des 14. Jahrhunderts zum Behrschen Hauptsitz geworden war.
Auf Bulder folgend wird in der Zeit von 1447-1463 oft ein Henneke von Behr auf Semlow genannt, der aller Wahrscheinlichkeit nach ein Sohn Bulders war. Seine Namensnennung in Verbindung mit Semlow als Wohnsitz lassen sich in Urkunden aus den Jahren 1447, 1455, 1456, 1460 und 1463 belegen. Eine Urkunde vom 25. Februar 1456 sagt, dass Henneke Behr außer Semlow auch Anteile in Schlemmin und Zornow besaß.
Aus dieser Zeit stammt die mittlere der drei Kirchenglocken, welche außer der Inschrift „help . got . unde . maria“ die Jahreszahl 1447 trägt. Auch ein der Kirche zu Semlow befindliches Kruzifix und ein aus Ziegeln gemauertes Tor, welches den Eingang zum Kirchhof bildet, stammen vielleicht aus Henneke´s Zeit, da sie ihrem Stil nach aus dem 15. Jahrhundert zugeschrieben werden müssen.
Das alte Haus Semlow blühte aber nicht lange und wird schon mit Henneke im zweiten Glied in männlicher Linie ausgestorben sein. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts sind die von Jork in enger Verbindung mit den Behr aus der Linie Löbnitz.
Am 11. April 1474 bürgt der junge Gerd Jork zu Semlow, der wahrscheinlich als Gemahl einer Behrschen Erbtochter, einer Tochter des Henneke Behr, vorübergehend in den Besitz diese Gutes gelangte, für die Behr´s. In in einer anderen Urkunde vom 11. April werden Heinrich Jork zu Kindshagen und Henning Jork zu Löbnitz als Bürgen für die Behr´s aufgeführt. Es ist auch denkbar, dass noch mehr Güter der Familie Jork Behrsche Erbtöchter zu Frauen hatten, möglich aber auch, dass die Jork vorübergehend im Pfandbesitz von Semlow und anderen Behrschen Gütern waren. Das enge Verhältnis aber, in welchen dieselben zu den Behr´s standen, dürfte jedenfalls eine nahe Verwandtschaft andeuten.
Mit dem 16. Jahrhundert erscheint Semlow wieder im Besitz der´Familie von Behr und zwar in den Händen Heine´s, eines Sohnes des Joachim auf Nustrow, Deyelsdorf und Löbnitz.

Linien derer von Behr in Semlow und Schmoldow

Der Anlass für diese Recherchen waren das Barther Grabmal der Conventialin Marie Louise Auguste von Behr sowie eine Reise nach Semlow zur dortigen Backsteinkirche, die sich unmittelbar neben dem ehemaligen Schloss des Grafen von Behr befindet. Die Eindrücke, die an der Kirche gewonnen wurden, führten dann auch zu der gräflichen Kapelle am Semlower Ortseingang. Wer waren die Vorfahren der besagten Marie Louise Auguste von Behr? Aus welchem Adelshaus stammte ihre Familie? Wie sich herausstellte, führen die Geschlecht derer von Behr vier Stammwappen, es gibt also vier Linien des Adelshauses. Aus naheliegenden Gründen soll hier den beiden pommerschen Linien nachgegangen werden.
Die vier Stammwappen stellen sich so dar: ,Das Rügen/Pommersche zeigt in Silber einen schreitenden schwarzen Bären mit goldenem Halsband. Auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken der Bär. Das Gützkow/Pommersche zeigt in Silber einen aufgerichteten schwarzen Bären. Auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken zwei abgewendete silberne Schwanenhälse. Das niedersächsische und kurländische zeigt in Silber einen schreitenden schwarzen Bären. Auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken der Bär vor einem natürlichen Pfauenwedel aus sieben, an den Stielen mit roten Pfauenfedern umbändert. Das jüngere Wappen der Osnabrücker von Baer deren Verwandtschaft zu den hier behandelten von Behr nicht gesichert ist, zeigt in Silber einen auf schrägrechts schwarz-silbernem Schach klimmenden schwarzen Bären mit goldenem Halsband. Auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein Bündel schwarzer Kerbstöcke.Die von Behr-Negendank haben ein viergeteiltes Wappen: in eins und vier ist der schreitende Bär des Rügen/Pommerschen Stammes, zwei und drei sind durch eine linke silberne Spitze von Gold und Rot geteilt.
Daneben wurden von den Behr in den Landschaften Lüneburg, Gützkow, Stargard und Rügen auch noch völlig abweichende Wappen geführt, darunter mit Schwanenhälsen im Schild, oder mit zwei aufsteigenden Spitzen und Rosen darin.Stamm Gützkow. Die Wappenunterschiede werden weiter unten noch Gegenstand der Betrachtung sein.
Altes Wappen derer von Behr auf Semlow
                                       Altes Wappen derer von Behr auf Schmoldow

In Semlow
Das ehemalige Schloss in Semlow ist heute für Feriengäste, Urlauber und Tagesbesucher zugänglich. Hinter dem Hotel liegt der gepflegte Schlosspark mit einem Teich darin, den man schon als See bezeichnen könnte. Unmittelbar an das Schloss angrenzend steht eine sehr gut erhaltene alte Feldsteinkirche.
Über dem an der Westseite gelegenen Eingang in das Kirchgebäude ist auf einem großen, plastisch hervortretenden Schmuckelement das Wappen der Familie des Grafen von Behr-Negendank, mit der Jahreszahl 1861 zu sehen. Das Wappen derer von Behr-Negendank ist ein viergeteiltes: in den Feldern eins und vier ist der schreitende Bär des Rügen/Pommerschen Stammes, die Felder zwei und drei sind durch eine linke silberne Spitze von Gold und Rot geteilt. Die Jahresangabe 1861 ist insofern von Bedeutung, dass Ulrich in jenem Jahr den preußischen Grafentitel verliehen bekam. Ein Spruchband oberhalb des Wappens gibt mit folgendem Text Auskunft zur neueren Geschichte dieser Kirche:

ULRICH BEHR-NEGENDANK-AUF-SEMLOW-BEHRENWALDE-KATZENOW-UND-DÖLITZ-ERBGESESSEN-UND-SEINE-EHEGEMAHLIN-ELMA-GEB.-GRÄFIN-ZU-INN-UND-KNYPHAUSEN-HANEN-DIESE-URALTE-KIRCHE-ERNEUT-UND-WÄNDE-UND-FENSTER-MIT-BILDWERK-GECHMÜCKET


Durch Zufall kam ich in den Besitz einer Ausgabe des „Barther Tageblatt“ von 1935. Darin fand ich einen Artikel, der sich mit dem Vater des oben erwähnten Ulrich von Behr-Negendank befasst. Dieser Vater hieß mit vollem Namen Carl August David Friedrich Ulrich von Behr-Negendank. Er wurde am 24. Juni 1791 in Semlow geboren und verstarb dort am 12. September 1827. Carl war Mitverfasser eines Aufrufes mit dem Titel „An unsere Landsleute!“, in welchem zum Widerstand gegen die französische Fremdherrschaft aufgefordert wurde.
Der Zeitungsartkel von 1935 über Carl von Behr-Negendank „Die Erlebnisse des Lützower Jägers Carl von Behr-Negendank auf Semlow im Feldzuge 1813/14“ hat folgenden Wortlaut:
In den Befreiungskriegen1813/14 ist mancher aus Schwedisch-Vorpommern mit Gut und Blut für das Vaterland eingetreten. Carl von Behr-Negendank auf Semlow, der in den Jahren 1812/13 in Jena studierte, traf im April 1813, als er sich auf der Rückreise in die pommersche Heimat befand, in Dresden mit dem Lützowschen Korps zusammen. Da er in demselben viele Bekannte antraf, die ihn aufforderten, gleich ihnen die Waffen für die Befreiung des Vaterlandes zu ergreifen, so entschloss er sich, an dem Befreiungskampf teilzunehmen. Er wurde sofort zum Oberjäger in der schwarzen Schar* ernannt.
Als Oberjäger machte er die Kriegszüge im Frühling 1813 mit. Nach dem Überfall bei Kitzen am 17. Juni 1813 geriet er in Gefangenschaft und wurde unter französischer Bedeckung nach Frankreich gebracht, wo er am 4. Oktober 1813 bis zum 9. Februar1814 im Donjons von Vincennes** eingekerkert war. Viele bekannte Männer seufzten in diesem uralten Turm, so unter anderem Palafoxe, der Verteidiger Saragossas, und mehrere englische Generale. Am 9. Februar 1814 wurde er aus der Gefangenschaft entlassen. Die schweren Erduldungen des Jahres 1813 hatten aber den Todeskeim in seinen Körper gelegt. Sein früher Tod wurde in Vorpommern sehr beklagt, da er immer für Recht und Wahrheit eingetreten war.“
(*Die Schwarze Schar, ursprünglich Herzoglich Braunschweigisches Korps, auch Schwarzes Korps oder Schwarze Legion genannt und später in britischen Diensten als Black Brunswickers („Schwarze Braunschweiger“) bekannt, war ein Freikorps, das am 1. April 1809, zur Zeit des Fünften Koalionskrieges, vom „Schwarzen Herzog“ Friedrich Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg-Oels aufgestellt wurde, um auf verschiedenen europäischen Kriegsschauplätzen gegen Napoleon Bonaparte und die französische Besatzung Deutschlands zu kämpfen.
**Das Staatsgefängnis im Donjon von Vincennes existierte im Ancien Régime bis zum April 1784. Im 19. Jahrhundert dienten die Räume des östlich von Paris liegenden Donjons nur noch sporadisch als Gefängnis) (Wikipedia)
So weit die Ausführungen zum Freiheitskämpfer Carl von Behr-Negendank auf Semlow, der von 1816 bis 1819 Referendar in der Landesregierung Mecklenburgs und Auditor in der Justizkanzlei Neustrelitz war. Er ging 1819 die Ehe mit Sophie von Maltzahn ein und bewirtschaftete nach seiner Heirat sein Gut in Semlow. Er ließ das Herrenhaus in Semlow errichten und den Gutspark umgestalten. Durch Zukauf weiterer Teile von Landgütern bzw. Nebengütern vergrößerte er den Besitz beträchtlich.
Sein Sohn Ulrich, von dem auf dem oben erwähnten Spruchband an der Kirchentür die Rede ist, wurde am 9. Mai 1826 geboren und verstarb am 8. September 1902. Er war wie sein Vater preußischer Politiker, und auch er erweiterte den Umfang seiner Güter.
Ulrich von Behr-Negendank
Einer baltischen Ritterfamilie entstammend, absolvierte Behr nach Beendigung seiner schulischen Ausbildung ein Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg, das er später in Berlin fortsetzte. Bereits während seiner Studienzeit als auch danach führte er Reisen in das europäische Ausland durch. Im Jahr 1853 kehrte er nach Semlow zurück; er war mit seiner Volljährigkeit Eigentümer der elterlichen Besitzungen geworden, sein voller Titel lautete nun bis zur Erhebung in den preußischen Grafenstand 1861: Ulrich Behr-Negendanck auf Semlow, Behrenwalde, Katzenow und Dölitz erbgesessen.
Er heiratete am 20. Mai 1854 in Berlin die Gräfin Elma Sophie Elisabeth Amalie zu Innhausen und Knyphausen (* 11. Juni 1834; † 1. April 1919), eine Tochter des hannoverschen Gesandten Carl Wilhelm Georg zu Innhausen und Knyphausen (1784–1860). Das Paar hatte mehrere Kinder:
-Elma Sophie Luise Karoline Hyma Auguste (1855–1939)
- Albertine (1856–1888)
- Elisabeth Henriette Pauline Luise Alexandra (1861–1936)
- August (Ludwig Friedrich Hugold Karl) (1866–1942),
Im Laufe der Zeit bekleidete Behr verschiedene Ämter. So war er 1867 Landrat des Kreises Franzburg. Ab 1867 wurde er Regierungspräsident in Stralsund. Ab 1868 war er Mitglied des Preußischen Herrenhauses. In der Zeit von 1883 bis 1891 war er Oberpräsident der Provinz Pommern in Preußen. 1891 zog er sich aus dem aktiven Staatsdienst zurück und begab sich in den Ruhestand.

Behr wurde aufgrund seiner Verdienste 1890 Ehrenbürger der Stadt Stralsund und ein Jahr später der Stadt Stettin. Im Jahre 1861 wurde er vom preußischen König zum Grafen erhoben.
Neben seiner politischen Karriere machte er sich als Kunstsammler sowie bei der Gestaltung von Landschaftsgärten einen Namen. So erwarb er Kupferstiche, Porzellan und Bücher. Um 1860 ließ er als Kirchenpatron die Semlower Kirche durch Carl Julius Milde grundlegend restaurieren. Der Landschaftspark und die Schlossgärten in Semlow entstanden auf seine Initiative hin.
Er erwarb 1870 den alten Familienaltar derer von Behr von der Gemeinde Deyelsdorf und ließ ihn restaurieren. Im Jahr 1881 wurde der Altar in Semlow in der im selben Jahr vom Grafen Behr von Negendank für sich gebauten Gruftkapelle aufgestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Marienkrönungsaltar nach Stralsund gebracht, wo er heute in der Marienkirche steht.“ (Quelle: Wikipedia)

Da der Name von Behr durch eine Klosterdame im Adligen Fräuleinstift auch eng mit Barth verknüpft ist, war es naheliegend, mehr über dieses Adelsgeschlecht in Erfahrung zu bringen. Auch Wilhelm Bülow beschreibt in seiner Barther Chronik ausführlich das Wirken der Klosterinsassin Marie Louise Auguste von Behr. Ein Grabmal auf dem Friedhof in Barth trägt die Inschrift „Conventialin des adligen Klosters zu Barth Marie Louise Auguste von Behr geb. 8. April 1829 gest. 21. Februar 1904“.
Die Recherchen in Stammbäumen der infrage kommenden Adelsfamilien führten zu dem Ergebnis, dass der Semlower Graf seinen Ursprung in dem Pommersch/Rügischen Stamm hatte, während Marie Louise Auguste von Behr einer Familie in Pommern/Gützkow angehörte. Es gab in Vorpommern also zwei verschiedene Familien mit dem Namen Behr. Doch entstammen beide Behrs der gleichen Linie?

Das Uradelsgeschlecht der Familie von Behr lässt sich bereits zu Beginn des 12. Jahrhunderts mit Hermann von Behr nachweisen. Dieser lebte von 1105 bis 1167 und war Domherr und später Archidiakon in Halberstadt. In der Literatur findet man weitere Vorfahren: 1189 Eberhard Bere als den Urstammvater. Die folgenden Stifter der Familien waren dann im Herzogtum Lüneburg Werner Bere (1259), im Bistum Osnabrück Hugo Bere (1204), in der Grafschaft Gützkow Lippold Bere (1224) sowie im Fürstentum Rügen Hugold (1231).
Georg Friedrich Lisch (1801-1883), Historiker aus Greifswald, hat zu den Familien Behr unter anderem Folgendes überliefert: „Beweisen lässt es sich bis jetzt durch keine Urkunde, dass beide Familien stammverwandt sind und von einem Stammvater herkommen. Es ist aber doch möglich, dass einst noch Urkunden entdeckt werden, welche die Verwandtschaft belegen können. Die gegenwärtigen Forschungen sind jetzt so weit und so gründlich getrieben, als es in menschlichen Kräften stand. Aber es it kein einziger gerader Beweis für die Verwandtschaft beider Familien ans Licht gekommen. Die gützkowschen Behr nennen sich untereinander oft Vettern, eben so häufig die rügenschen Behr in ihrer Familie. Aber nie werden Glieder beider Familien Vettern genannt. Es ist jedoch mehr als wahrscheinlich, dass beide Familien eines und desselben Ursprungs sind. Beide Familien führen denselben Zunamen, beide Familien führen dasselbe Wappen, beide Familien sind seit derselben und der ältesten Zeit in einer und derselben Gegend, wenn auch unter verschiedenen Fürsten, nebeneinander mit alten Familiengütern angesessen. Das Wappen ist nur scheinbar verschieden. Der Bär erscheint seit den ältesten Zeiten immer als die Grundlage des Schildzeichens. Zwar kommen in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts sehr abweichende Darstellungen vo, aber die verschiedenen Familienmitglieder kommen mit der Zeitvalle wieder auf das redende Schildzeichen, den Bären, zurück. Es tritt die merkwürdige Erscheinung ein, dass die gützkowschen Behr eine Zeit lang ein Nebenzeichen, die Schwanenhälse, selbst im Wappen führen, und die rügenschen Behr sogar einen ganz abwehrenden Schild mit mit zwei Spitzen haben, jedoch sind keine Abweichungen nur vorübergehend und seit der Mitte des 14. Jahrhunderts führen beide Familien denselben schwarzen Bären im Schilde, wie es sich aus zahlreichen Siegeln und Denkmälern beweisen lässt. Wenn auch imnordöstlichen Deutschland im Allgemeinen der Grundsatz angenommen werden kann, dass die Gleichheit von Schild und Helm als sicherstes Kennzeichen für die Stammesverwandtschaft angenommen werden kann, so kommen doch unleugbare Ausnahmen von der Regel vor. So z. B. führen die landesherrlichen Grafen von Schwerin in Mecklenburg zuerst nur zwei Lindwürmer an einer Linde (vielleicht redendes Wappen nach dem Stammvater von Hagen Namen) zu Boizenburg einen quer geteilten Schild an, während die Linie Wittenburg die Lindwürmer beibehält.
Wie der Bär im behrschen Wappen gestellt und gestaltet ist, kommt nicht in Betracht. Es lässt sich aus vielen Siegeln beweisen, dass der Bär auf den Schilden beider Familien alle möglichen heraldischen Stellungen hat, welche oft durch die Stellung und Gestaltung des Schildes hervorgerufen sind. Die beiden Familien unterscheiden sich jetzt im Wappen im
Allgemeinen nur dadurch, dass die rügensche Familie auch auf dem Helme einen schreitenden Bären führt und die gützkowsche Familie das alte Nebenzeichen der Schwanenhälse auf den Helm genommen hat. Dieser Unterschied in den Helmen wird jedoch kein wesentliches Hindernis für die Annahme der Stammesverwandtschaft beider Familien sein können.
Es ist nur eine einzige Tatsache bekannt, aus welcher sich vielleicht entnehmen lässt, dass sich schon in alter Zeit beide Familien für stammverwandt hielten. Die gützkowsche Familie Behr besitzt noch heute zwei alte, merkwürdige Original-Lehnbriefe vom 28. September 1275, durch welche die Herzöge von Pommern diese Familien mit ihren Lehngütern zur gesamten Hand belehnen. Nachdem die zu der rügenschen Familie gehörende Linie Behr auf Behrenwalde um das Jahr 1475 ausgestorben war, wollte der Herzog Bogislav X. Die Güter als eröffnete Lehen einziehen. In dem darüber beim Reichskammergericht entstandenen Rechtsstreit legten die Behr von der rügenschen Familie auch jene Lehnbriefe vom Jahre 1275 vor, um zu beweisen, dass alle Behr insgesamt mit der „gesamten Hand an allen ihren Gütern von den Herzögen von Pommern belehnt“ seien. Die Behr von beiden Familien standen also damals noch so wiet im Verkehr, dass sie sich gegenseitig ihre Urkunden zum Beweis ihrer Rechte und ihrer Vetterschaft anvertrauten. Mag auch damals, wie aus den Prozessakten hervorgeht, trotz der vielen beigebrachten Urkunden die Geschichtskenntnisse nicht so groß und der Urkundenreichtum nicht so leicht zur Hand, auch die kritische Einsicht nicht so scharf gewesen sein wie heute, so gibt doch dieser Familienverkehr den Beweis,dass in den beiden Familien der Glaube an ihre Stammesverwandtschaft vot ungefähr vierhundert Jahren noch lebendig war. Auf Erbschaften aber verlor die Verleihung der gesamten Hand ihre Kraft, wenn eine Linie sich unter die Botmäßigkeit eines anderen Landesherrn begab und von dessen Lehen nahm. Auch das mag entfernt noch diese Ansicht unterstützen, dass der Herzog Bogislav die beiden Familien Behr, zwar jede für sich, aber doch an demselbigen Tag, am 29. Juni 1491, mit allen ihren Erb- und Lehnsgütern und der gesamten Hand belehnte, nachdem er schon zwölf Jahre regiert hatte. Diese Belehnung wird also einen gemeinsamen Grund in Folge des Behrenswalder Prozesse gehabt haben.“
Die gützkowsche Familie von Behr
Gutshaus der Familie von Beh in Schmoldow (etwa 1910)
Die gützkowsche Familie Behr unterscheidet sich von der rügenschen Familie Behr, wie bei Lisch bereits ausgeführt wird, im Wesentlichen dadurch, dass sie fast immer zwei Schwanenhälse auf dem Helm, in alter Zeit oft auch im Schilde hat, während die rügensche Familie vorherrschend nur den Bären im Schild und auf dem Helm führt. Über die gützkowsche Familie ist eine historisch-genealogische Darstellung gedruckt in C. Gesterding Genealogien und beziehungsweise Familienstiftungen pommerscher Familien, Erste Sammlung, Berlin 1842, S. 1 – 32.
Die Güter dieser Familie Behr lagen zwischen Greifswald und Gützkow im Lande Gützkow, welches unter der Landeshoheit der Herzöge von Pommern stand, aber einige Zeit (ungefähr von 1250 bis 1350) eigene Grafen von Gützkow hatte. Der Gutsbesitz der Familie Behr ist ungewöhnlich alt. Schon im Jahre 1248 werden Sanitz, Kiesow und Dargelin als Besitzungen der Behr aufgeführt und schon am 25. Mai 1249 waren eines der Hauptgüter Busdorf, jetzt Behrenhof, und Camin in ihrem Besitz, Schon am 24. November 1283 wird ein Greifswalder Bürger Hermann von Budesdorp genannt. Im Juni 1249 wird auch Kiesow als behrscher Besitz aufgeführt. Am 12. April 1251 verkaufte der Ritter Lippold Behr dem Kloster Dargun fünf Hufen aus seinem Dorf Dargelin. Die Behr waren auch Burgmänner der gräflichen Burg Gützkow. Am 29. Juni 1491 erhielten die Vettern Behr zu Müssow, Vargatz und Schlagetow in der Grafschaft Gützkow einen neuen Lehnbrief auf den insgesamt 15 der dortigen Güter, darunter auch Vargatz und Schmoldow..
Hier, in dem Ort Schmoldow bei Gützkow, stand das Geburtshaus der späteren Barther Conventualin Marie Louise Auguste von Behr, geboren am 29. April 1829. Ihre Vater, der Gutsbesitzer Hans Ludwig Heinrich von Behr (1789-1837) war mit der in Wolgast geborenen Juliane Franziska Marie, geborene von Hohmeyer (1797-1847) verheiratet.
Marie Louise Auguste hatte drei Geschwister:
Friedrich Carl Ludwig Felix (geb. 1821), Julie Caroline Wilhelmine (1825), Leopoldine Charlotte Wilhelmine Louise, sowie Carl August Julius (1832).
Friedrich Carl Ludwig Felix war Königlich Preußischer Kammerherr und Rechtsritter des St. Johannis-Ordens. Er heiratete seine Cousine Marie Homeyer, die Tochter des Großkaufmanns und Geheimen Kommerzienrats Wilhelm Hohmeyer. Durch diese Verbindung der Behrs mit den damals sehr reichen Homeyers, die Familie betrieb ein Handelshaus in Wolgast, kamen die Behrs zu großem Vermögen, mit dem die Güter Vargatz und Schmoldow ausgebaut und verbessert werden konnten. Mit Drains aus England wurden Drainagen (die ersten in Deutschland) angelegt, erstklassiges Zuchtvieh wurde importiert, die Merino-Stammherde aufgebaut. Damals wurden auch die schönen Alleen angelegt, das Gutshaus in Vargatz wurde um 1850 ausgebaut und um 1910 durch Anbauten vergrößert. Das Gärtnerhaus entstand neu, die Arbeiterhäuser wurden um 1850 rekonstruiert und mit Ziegeln eingedeckt, und der Friedhof bekam seine ordentliche Einfriedung.
Das Ehepaar hatte fünf Kinde, die beiden Söhne starben in jungen Jahren.
Die Tochter Anna heiratete einen späteren General (v.
Rauch) und erhielt das zu Vargatz gehörende Gut Schmoldow. Die Tochter Julie heiratete ebenfalls einen General (v. Nolte). Sie blieb in Vargatz.                                               Gutshaus in Vargatz
Der letzte von Behr hatte beide Güter, Vargatz und Schmoldow, selbst bewirtschaftet. Nach seinem Tod 1892 und der Erbteilung unter seinen Töchtern wurde Vargatz verpachtet.
Es ist leider nicht überliefert, ob die Conventualin Marie Louise auch von einer Erbteilung ihrer reichen Familie profitierte. Bei Wilhelm Bülow jedenfalls ist in der Barther Chronik die Rede davon, dass Marie Louise im Jahr 1880, 25 Jahre vor ihrem Tod, eine Erbschaft dazu nutzte, eine Fläche auf dem Barther Friedhof aus ihren eigenen Mittel zu kaufen und dem Kloster zu überlassen, um die Einrichtung dieses Platzes eigens für die Conventualinnen des Adligen Fräuleinstifts zu ermöglichen.
Der 1832 geborene Carl August von Behr war Herr auf Pinnow und Johannishof.
Marie von Behr lebte im Barther Kloster von 1871 bis 1884, am 21. Februar 1904 verstarb sie in Stettin, wohin sie im Jahre 1884 übergesiedelt war.
Der Name von Behr reicht bis in die Anfangszeit des Klosters zurück. So wird der Name bereits in Verbindung mit der erstmaligen Anlegung des Ordenszeichens im Jahre 1749 im Protokoll erwähnt.

***

Die Conventualin Marie Louise Auguste von Behr und die Begräbnisstätte auf dem Barther Friedhof
Wer den Spuren der einstigen Bewohnerinnen des Klosters nachgehen möchte, dem sei ein Besuch auf dem Barther Friedhof anempfohlen. Beim Gang über den Barther Friedhof sieht der Besucher bereits von Weitem am Ende des Hauptweges eine breite steinerne Treppe, die auf jene Kiekberg genannt Erhebung mit dem großen Kreuz hinaufführt.
Wenige Meter vor der Treppe sollte der Blick des Spaziergängers nach links gehen. Hier gibt es eine Begräbnisstätte für ehemalige Klosterinsassinnen. Zwei Reihen gusseiserner Grabkreuze und steinerner Grabplatten machen neugierig. Geht man näher heran, sieht man interessante Zeugnisse aus einer lange zurück liegenden Zeit. Es ist die Stelle, an welcher die Insassinnen des ehemaligen Klosters nach ihrem Tode zur letzte Ruhe gebettet wurden. Dabei fällt auf, dass einige Name gleich mehrmals auf den Kreuzen vermerkt sind: Hohmeyer auf vier, Engelbrechten auf drei und Stumpfeld auf zwei Kreuzen. Durch die Inschriften auf den Kreuzen und den Platten sind uns bis heute Namen von Priorinnen und Stiftsdamen bekannt, wenn auch etliche der gusseisernen Kreuze inzwischen stark verwittert sind. Man muss schon genau hinschauen, um die Inschriften zu entziffern.
Noch vorhandene Kreuze und Tafeln, nach Sterbejahr geordnet
1982 Anna Louise v. Stumpfeld, letzte Stiftsdame
1973 Ursula v. Stumpfeld, Stiftsdame
1954 Elisabeth Eisermann (ohne Adelsprädikat!)
1953 Martha v. Corswant
1952 Katharina v. Hagenow, letzte Priorin
1950 Agnes Freiin v. Wangenheim, Conventualin
1940 Gertrud v. Corswant
1941 Clara v. Gloeden, Ehrenstiftsdame von Heiligengrabe
(Der Titel „Ehrenstiftsdame“ war eine begehrte Auszeichnung, die ihrer Trägerin eine geachtete Stellung in der Gesellschaft und ein festes Einkommen, verbunden mit dem Wohnrecht im Kloster, sicherte. Das „Kloster Stift zum Heiligengrabe“ ist ein Ende des 13. Jahrhunderts gegründetes Kloster in Heiligengrabe im Brandenburgischen)
1932 Wilhelmine v. Homeyer, Stiftsdamen
1930 Maria v. Hertell, Stiftsdame
1922 Anna v. Zanthier, Priorinnen
1920 Clara v. Homeyer, Sriftsdame
1911 Agathe v. Homeyer, Stiftsdame
1909 Johanna v.d. Osten, Priorinnen
1904 Marie Louise v. Behr, Konventualin
1894 Mathilde v. Engelbrechten,
1891 Emilie v. Engelbrechten, Stiftsdame
1889 Wilhelmine v. Kahlden, Stiftsdamen
1871 Therese v. Homeyer, Stiftsdame
Weitere Namen von Priorinnen und Stiftsdamen, die in der „Chronik der Stadt Barth“ von Wilhelm Bülow erwähnt werden, von denen aber keine Kreuze vorhanden sind. Sie verstarben bereits vor der Anlegung der von der Konvetualin Marie Louise v. Behr gestifteten Begräbnisstätte:
1737 v. Wakenitz, gemeinsam mit v. Schwerin erste Priorin
1792 v. Pfuehl
1807 v. Bugenhagen, Priorin, sie starb jedoch ohne in ihr Amt eingeführt worden zu sein
1807 Baronesse Schulz v. Ascheraden, gestorben 2. September 1829
1829 v. Engelbrechten
1850 v. Baerenfels
1890 v. Falkenstein, hat bei der Übernahme ihres Amtes als Priorin ihre bisherige Stellung als Vorsteherin der höheren Töchterschule aufgegeben
Nachdem das Stift 1948 aufgehoben wurde und in den Besitz der Kirche gelangte, übernahm 1974 die Stadt Barth die gesamte Klosteranlage.
Das Adlige Fräuleinstift und das Torhaus mit der Hausnummer „Hunnenstraße 1“.
Nur Bewohnerinnen eines Klosters bzw. Fräuleinstifts wurde freier Zutritt gewährt. Grundsätzlich waren Klöster von Mauern umgeben. Bei manchen Klöstern vielleicht zusätzlich auch noch durch einen Wassergraben ergänzt.
Wenn jemand unsere Barther Klosteranlage, bei welcher es keinen Wassergraben gab, in früheren Zeiten betreten wollte, so blieb ihm nur eine einzige Möglichkeit: Er musste durch das schön gestaltete Portal neben dem Torhaus schreiten. Doch kein Besucher durfte so ohne Weiteres hinein und hinaus. Ohne Kontrolle und Erlaubnis wurde solchem Begehren nicht stattgegeben, auch wenn es sich hierbei um ein weltliches Kloster, auch Fräuleinstift genannt, handelte.
So findet sich zum Beispiel in einer Bestimmung einer pommerschen Klosterordnung vom 23. Mai 1569 ein interessanter Hinweis zur Aufgabe eines „Sprachhauß“ genannten Torwärterhauses. Die Königliche Obrigkeit schrieb darin der Klosterleitung ganz detailliert vor, wie die Wahrung der Ehrsamkeit und Sittsamkeit der Jungfrauen zu gewährleisten sei:
„Die Klöster sollen verschlossen gehalten, und ein Sprachhauß am Thor mit einem Gitter erbauwet undt zugerichtet werden. Undt wo jemandts von der Jungfrauen Freunde oder sonst ansprechen will, soll dieselbe Person durch den Thorwärter bey der Regentinnen sich angeben lassen.
Darauf eine von den Regentinnen sampt noch einer Jungfrauwen in daß Sprachhauß gehen, darin so lange bleiben, biß die Unterredung geschehen, undt darnach wieder sampt der Jungfrauen in ihren Gewahrsamb gehen, wo auch Frauwen, die bey ihren freundinnen einen Tag oder Nacht, oder in fürfallenden Schwachheiten, lenger bey ihnen seyn, undt im Klosterverharren wollen, dasselbige soll ihnen frey sein, jedoch, daß sie Pferde undt Wagen, Knechte undt Mansgesinde in dehm Kruge auf ihren Unkosten lassen.
Undt da der Jungfrauen Eltern, oder sonst nechste Verwandte, Freunde oder Freundinnen, die Jungfrauwen eine Zeit lang bey sich haben, oder wormit hinnehmen wollen, dasselbe soll ihnen mit beynder Regentinnen Wissen frey seyn, nur daß sie dießfalß die Jungfrauen selbst oder durch ehrliche Matronen darauß holen, undt in bestimmter Zeit darin wieder bringen lassen.“
Auch am Barther Kloster, rechts des Einganges zur Anlage, steht ein solches Torwärterhaus. Es ist eingelassen in die massiv errichtete und noch vollkommen erhaltene und inzwischen restaurierte Klostermauer. Deren Baubeginn geht auf das Jahr 1732 zurück. Ein Schild am Torwärterhaus weist es als ein solches aus. Welche Aufgabe hatte in früherer Zeit dieses Haus für die Barthischen Klosterdamen? War es auch so ein „Sprachhauß“, von dem im erwähnten Erlass von 1569 die Rede ist? Man darf davon ausgehen, dass es sich nicht ganz so verhielt. Das Barther Kloster war schließlich ein weltliches Adliges Fräuleinstift, und der im vorigen Satz erwähnte „Urkundtlich mit Unsern aufgedrückten Pitzschaften bestetiget undt gegeben zu Wollin“ Erlass stammte noch einer immerhin schon rund 170 Jahren zurück liegenden Zeit. Inwieweit hätten diese rigiden Vorschriften von 1569 für die Insassinnen des Barther Klosters überhaupt eine Bedeutung haben können?
Anstand und Sitte galten nicht nur dem Adelsstand, sondern auch dem Bürgertum viel, darauf hatten die adligen Fräulein ganz besonders zu achten. Aber mehr Freiheiten als 1569 wurden ihnen inzwischen bestimmt zugestanden. Wobei natürlich nicht heutige Maßstäbe angelegt werden dürfen.
Dafür darf vielleicht auch das überlieferte Verhalten der Priorin von Wakenitz als Beleg ins Feld geführt werden. Man liest dazu man unter dem Datum vom 21. Dezember 1737 in einer „Königl. Resolution wegen einer der Aebtissin von Wackenitz zu substituirenden Priorin betreffend der Aebtissin von Wackenitzen und Juliane Eleonore von Schwerin, bey Uns eingereichte unterthänigste Ansuchen. Wann Wir nun in Ansehung der von Euch angeführten Umstände in Gnaden bewogen worden, sowohl zu der von gedachter Aebtißin gesuchten Abwesenheit von dem Kloster, als auch daß zur Ersetzung dessen, was durch ihre Entfernung und Abwesen an unentbehrlicher Aufsicht und Direction dem Kloster abgehet, die vorbenannte Juliane Eleonore von Schwerin gesuchtermaßen zur Priorin bestellet werde, Unsern gnädigen Beyfall; so haben Wir Euch hiedurch in Gnaden aufgeben wollen, mehrgedachte von Schwerin, als Priorin, mit der ihr von der Aebtißin abgestandenen Hälfte ihrer Kloster-Hebung und Wohnung gehörig einweisen zu lassen ...“ Die Lebensweise in einem klassischen Kloster ist eine andere als in einem weltlichen Kloster, wie es beispielsweise in Barth der Fall war. Im klassischen Kloster ist die mönchische Lebensform bestimmend. Hier leben die Insassen in der Stille und Abgeschiedenheit von der Welt. Das gemeinschaftliche und das individuelle Gebet bestimmen den Tagesablauf, gekennzeichnet von körperlicher Arbeit, geistigem und geistlichem Studium. Für sie gilt meistens die lebenslange Bindung an das Kloster, in das er oder sie eingetreten ist.
Ganz anders dagegen war die Lebensweise in einem weltlichen Stift. Die Stiftsdamen, auch Konventualinnen genannt, lebten zwar in einem klosterähnlichen Gebäude, das war jedoch großzügiger eingerichtet als die der Ordensfrauen. Die Stiftsdamen brachten oft ihr eigenes Mobiliar und ihre Dienerschaft mit. Sie waren verpflichtet,
am Stundengebet und der Heiligen Messe teilzunehmen und das Essen mit der Gemeinschaft im Refektorium einzunehmen.
Bei ihrem Eintritt in das Fräuleinstift, bzw. Kloster, legten die Konventualinnen nur die Gelübde der Keuschheit und des Gehorsams gegenüber ihrer Äbtissin ab, konnten jedoch heiraten, wenn sie auf ihre Pfründe verzichteten. Sie hatten die Freiheit, die ihnen vom Stift zufließenden Einkünfte zu verzehren, wo sie wollten. Auch war es möglich, dass sich nur die Äbtissin, die Vorsteherin und eine geringe Zahl der Konventualinnen im Kloster aufhielten, die anderen Stiftsdamen konnten eigene Wohnungen mit einer kleinen Dienerschaft haben. Sie mussten weder auf ihren Privatbesitz noch auf ihre Erbansprüche verzichten und konnten das Stift jederzeit wieder verlassen.
Ihren Lebensunterhalt bestritten die Stifte aus den bei der Gründung der Stiftung eingebrachten Pfründen, aus deren Ertrag alle Stiftsdamen eine jährliche Summe erhielten. Dafür musste eine Stiftsdame bei ihrem Eintritt eine gewisse Summe zustiften. In Barth betrug diese Summe im Jahr 1733 sechzig Reichstaler wenn sich das adelige Elternhaus an der Errichtung des Klosters oder an der weiteren Erhaltung der Anlage beteiligt hatten. Ansonsten betrug das Eintrittsgeld für eine Konventualin 120 Reichstaler. Später waren es dann 408 Mark.
Es gab auch weltliche Stifte, in die sich adlige Witwen einkauften, um dort ihren Lebensabend im Anschluss an die Klostergemeinschaft der Ordensfrauen, aber ohne Ablegung der Gelübde zu verbringen. Aus einem Schreiben von 1751 könnte man ableiten, dass es solches im Widerspruch zur Klosterordnung auch im Barther Fräuleinstift gegeben haben könnte.
Die „unterthänig-gehorsamste Pommersche Ritterschaft“ wandte sich am 10. Dezember 1751 mit einem entsprechenden Anliegen an „Ew. Excellenz und der Königl. Hochpreisl. Regierung Stralsund“. Die Ritterschaft wies darauf hin, dass in der Barthischen Kloster-Ordnung von 1733 in Artikel 2 bestimmt wird, dass in das Barther Kloster keine andere Fräuleins aufgenommen werden sollen, als die von einheimischen adeligen Pommerschen Familien. Diesen Worten zuwider laufe jedoch die Auslegung bzw. Handhabung des genannten Artikels 2 durch die Klosterleitung. Das müsse beigelegt werden und man erachte eine deutliche Erklärung dazu seitens der „Königl. Hochpreisl. Regierung Stralsund“ als nötig.
Ob die Beschwerde Abhilfe brachte, ist nicht bekannt.

Erste Priorin des Fräuleinstifts in Barth
1733 war Fräulein von Wackemitz, gemeinsam mit Fräulein von Schwerin erste Priorin des Barther Klosters. Ein Dokument aus dem Jahre 1749 nennt von Wackenitz als „Frau Äbtißin Philippine von Wackenitz“ auf Murchin, sowie von Schwerin als „Fräulein Priorin Juliana Eleonora von Schwerin“. Bei von Wakenitz waren auch die Schreibweisen von Wackenitz oder Wacknitz gebräuchlich. Conventualinnen waren dem Dokument nach die „Fräulein Jisabe Dorothea auf Gadow, Fräulein Sophia von Loutzow und Fräulein Sophia Augusta von Pfuhl“. Als Curatores (Verwalter) waren im Amt: „Herr Hofrat Gustav Peter von Lilieström auf Eixen und Herr Capitain Philipp Joachim von Behr auf Dargezin, Secretarius Herr Caspar Friedrich Saniter, Rathsherr“.
Eine „Königl. Resolution wegen einer der Aebtissinen von Wacknitz zu substituirenden Priorin“ vom 21. Dezember 1733 ist überliefert, über die auch Wilhlem Bülow in seiner 1922 gedruckten „Chronik der Stadt Barth“ auf Seite 778 berichtet: „Die erste Äbtissin war von Wakenitz, 1737 war sie mit Juliane Eleonore von Schwerin zusammen in dem Amt, doch da die erstere dauernd vom Kloster abwesend war, so wurde die letztere gewählt.“ Daraus könnte man schlussfolgern, dass die Klosterordnung für die Bewohnerinnen doch weiter gefasst waren, als jene, die aus dem Jahre 1569 überliefert ist. 170 Jahre früher waren die Konventualinnen wesentlich strengeren Bestimmungen zum sittlichen Verhalten unterworfen.
Zu einem Kloster hatte demnach niemand ohne weiteres Zutritt, wenn er kein Bewohner desselben war. Klösterliche Anlagen waren von Mauern umgeben, vielleicht zusätzlich auch noch durch einen Wassergraben ergänzt. Keiner kam ohne Kontrolle und Erlaubnis durch das vergitterte und stets verschlossen gehaltene Portal hindurch. Durfte er das dann passieren, so hatte er immer eine wachsame Begleitung an seiner Seite. Die Königliche Obrigkeit schrieb der Klosterleitung ganz detailliert vor, wie die Wahrung der Ehrsamkeit und Sittsamkeit der Jungfrauen zu gewährleisten sei. Darüber gibt folgender Text vom 23. Mai 1569 gibt Aufschluss:
„Die Klöster sollen verschlossen gehalten, und ein Sprachhauß am Thor mit einem Gitter erbauwet undt zugerichtet werden.
Undt wo jemandts von der Jungfrauen Freunde oder sonst ansprechen will, soll dieselbe Person durch den Thorwärter bey der Regentinnen sich angeben lassen.
Darauf eine von den Regentinnen sampt noch einer Jungfrauwen in daß Sprachhauß gehen, darin so lange bleiben, biß die Unterredunggeschehen, undt darnach wieder sampt der Jungfrauen in ihren Gewahrsamb gehen, Wo auch Frauwen, die bey ihren freundinnen einen Tag oder Nacht, oder in fürfallenden Schwachheiten, lenger bey ihnen seyn, undt im Klosterverharren wollen, dasselbige soll ihnen frey sein, jedoch, daß sie Pferde undt Wagen, Knechte undt Mansgesinde in dehm Kruge auf ihren Unkosten lassen.
Undt da der Jungfrauen Eltern, oder sonst nechste Verwandte, Freunde oder Freundinnen, die ungfrauwen eine Zeit lang bey sich haben, oder wormit hinnehmen wollen, dasselbe soll ihnen mit beynder Regentinnen Wissen frey seyn, nur daß sie dießfalß die Jungfrauen selbst oder durch ehrliche Matronen darauß holen, undt in bestimmter Zeit darin wieder bringen lassen.“

Das Ordenszeichen
Das Barther Kloster führte natürlich auch ein Ordenszeichen. Das hatte die schwedische Königin Ulrike Eleonore zur Einweihung des Klosters am 3. August 1733 gestiftet. Die erstmalige Verleihung desselben datiert jedoch erst vom 14. Mai 1741.
Nach der Überlieferung durch Wilhelm Bülow handelte es sich um ein viereckiges, weiß emailliertes Kreuz, dessen oberer Arm mit einer Königskrone bedeckt ist. In den 4 Ecken am Mittelschilde befinden sich herzogliche Kronen. In dem runden, dunkelblauen Mittelschild sind die Buchstaben U. E. (steht für Ulrike Eleonore) zwischen drei Kronen, auf der vorderen Seite stehen die Worte: Barth. Conventus inststutus d. 3. August 1733.
Das Kreuz der Priorin hat zum Unterschied zu den Konventualinnen auf dem oberen Arm einen goldenen Nordstern. Sie trägt das Ordenskreuz an einem blauen Band um den Hals. Die Konventualinnen tragen es auf der linken Hüfte an einem über die rechte Schulter hängenden blauen Band.
Von der erstmaligen Ordensverleihung hat uns der Klostersekretär und Ratsherr Caspar Friedrich Saniter Auskunft hinterlassen in einem „Protocollum bey der feierlichen Anlegung der Ordens-Kreutze im Barthschen Kloster am 14. May 1749. Präs. Herr Hauptmann und Curator von Behr, die Frau Äbtissin von Wackenitz, Fräulein Priorin von Schwerin, die Fräul. Conventualinnen von Gadow, von Pfuhl, von Thun, von Warnstädt, von Braunen, von Gentzkow, und von Dechow; in d er beiden angehenden Conventulinnen der Fräul. Von Engelbrecht und von Scheelen; und der nächsten Fräulein Expectantin von Behr.
Als sich Präsentes diesen Morgen vor der Betstunde im Großen Saal versammelt, eröfnet der Herr Curator von Behr denselben, daß die Ursache der gegenwärtigen Zusammenkunft eines Theils wäre, vorbereitet beiden Fräuleins, als die von Engelbrechten und von Scheelen, in die erledigte Klosterstellen einzuführen. Er hätte also solches bey Übergebung der Schlüssel zu ihren künftigen Wohnungen bewerkstelligen, und die angehenden Conventualinnen wohlmeinend gratulieren wollen, welches dann von übrigen Anwesenden gleichmäßig beobachtet worden.
Hiernächst und nachdem die Frau Äbtissin mir unterschriebenen Secretario die von Ihro Majestät denen Fräulein Conventualinnen allergnädigst verliehenen Gnaden-Kreutze mit ihren Bändern überantwortet, und solche auf einem silbernen Präsentier-Teller von mir in der Capelle und auf dem Altar niedergesetzet worden, hält die Fräulein Conventualin von Gentzkow, in Gegenwart aller vorbeschriebenen Personen unterschiedener Fremden, die gewöhnliche Morgen-Betstunde, nach deren Endigung die Frau Äbtissin auf den Flur vors. Altar tritt, und die Fräulein Priorin nebst Conventualinnen sich im halben Circel derselben gerade gegen über, der Herr Curator aber der frau Aebtissin zur Rechten rangiren, welche letztere dann in einer kleinen Stand-Rede den Kloster-Begebenen die Notwendigkeit für das Königl. Haus (so sie abermalen mit Gnaden überschüttet) zu beten, anpreiset; und hiernächst die sich sub. A. angeschlossene Resolution Ihro. Königl. Majestät, betreffend die Ordenszeichen, deren eine wiewohl in etwas distinguirtes, ihr bereits von Ihro Excellenz, dem Herrn General-Gouverneur, in Stralsund angelegt worden, durch mich laut ablesen lässet, und sich mithin zur bevorstehenden Huldigung legitimieret.“
Die Stiftsfräulein in Barth
Das Kloster wurde an der Stelle errichtet, an der zuvor das Schloss stand, welches Bogislaw XIII. einst von einem Fürstenhof zu einem Renaissanceschloss umbauen ließ. Nach seinem Weggang aus Barth verfiel es immer mehr und diente 1711 das letzte Mal der Hofhaltung. Bald machte der schwedische König die Schlossruine der schwedisch-vorpommerschen Ritterschaft zum Geschenk. 1727 wurde es dann abgebrochen. Bekanntermaßen entstand in den Jahren von 1733 bis 1741 auf diesem Areal der barocke Gebäudekomplex des Adligen Fräuleinstiftes. Vorbereitende Aufräumarbeiten dazu begannen allerdings schon 1726.
Die Arbeiten an dem doch recht großen Komplex schienen gut vonstatten gegangen zu sein. Denn schon am 9. Februar 1733 schreibt das „Constitutorium der Curatoren des Barthischen Klosters: Thun kund hiemit: Demnach es mit der Einrichtung des adl. Jungfern-Klosters zu Barth unter des Höchsten Segen nunmehro so weit gediehen, daß das Kloster-Gebäude vor einiger Zeit in wohnbaren Zustand gesetzet, und bereits bezogen werden kann, dabey aber zur Unterhaltung und Beförderung dieser heilsamen Stiftung die Nothwendigkeit erfordert, daß nach dem Exempel anderer Orten, auch bey diesem Kloster, vorhero gewisse Curatores bestellet werden ...“
Die Handwerker hatten aber erst 1741 ihr Werk vollendet.
Bei dem Barther Kloster handele es sich genau genommen nicht um ein Kloster, heißt es vielfach. Es wird allerdings schon in den frühesten Dokumenten der Schwedisch-Königlichen Regierung in Stralsund als Kloster beschrieben.
Nach Wikipedia kann sinngemäß definiert werden: Ein Frauenstift ist eine religiöse Lebensgemeinschaft für Frauen, die ohne Ablegung von Gelübden in einer klosterähnlichen Anlage leben. Die in einem solchen freien weltlichen Stift lebenden (im Mittelalter meist adligen) Damen werden als Stiftsdamen bezeichnet, daher wird häufig auch der Begriff Damenstift verwendet.
Das Barther Kloster ist eine Einrichtung, die unter schwedischer Herrschaft in der Zeit von 1733 bis 1741 als Damenstift gegründet worden ist, um adligen Fräulein und verwitweten Damen aus der adligen Ritterschaft und Gutsbesitzer eine Bleibe zu geben. Es darf also sehr wohl als Kloster benannt werden.
Welche Adelsfräulein hier aufgenommen werden konnten oder sollten, das regelte eine Klosterordnung. Solche Ordnungen sind im Laufe der Zeit, soweit bekannt, drei erlassen worden: Am 27. November 1731, am 25. November 1733 sowie am 24. Januar 1910.
Nach Möglichkeit sollten Damen aus der Stadt Barth und der benachbarten pommerschen Kreise Franzburg, Grimmen und Greifswald in Betracht kommen. Offensichtlich hielt man sich diesbezüglich aber gelegentlich nicht daran, so dass sich die „unterthänig-gehorsamste Pommersche Ritterschaft“ am 10. Dezember 1751 mit einem Anliegen an „Ew. Excellenz und der Königl. Hochpreisl. Regierung Stralsund“ wandte.
Die Ritterschaft wies darauf hin, dass in der Barthischen Kloster-Ordnung von 1733 in Artikel 2 bestimmt wird, dass in das Barther Kloster keine andere Fräuleins aufgenommen werden sollen, als die von einheimischen adeligen Pommerschen Familien. Diesen Worten zuwider laufe jedoch die Auslegung bzw. Handhabung des genannten Artikels 2 durch die Klosterleitung. Das müsse beigelegt werden und man erachte eine deutliche Erklärung dazu seitens der „Königl. Hochpreisl. Regierung Stralsund“ als nötig.
Im selben Schreiben, nur drei Sätze weiter unten, wird deutlich, worum es den Herrschaften eigentlich ging. Man versuchte dabei, aus der Not eine Tugend zu machen, indem die Bereitschaft zu Kompromissen signalisiert wurde. Die Verfasser des Schreibens pochten nicht unbedingt auf die Respektierung des eingangs zitierten Artikel 2 der Barthischen Kloster-Ordnung.
Nicht alle Adlige, die eine Tochter als Konventualin unterbringen wollten, hatten sich zuvor mit einem notwendigen finanziellen Beitrag zum Bau des Barthischen Klosters und dessen Anlagen beteiligt. Deshalb wurde der Vorschlag unterbreitet, bzw. die Forderung erhoben „wir daher der Billigkeit nach ein Conclusum gemacht, daß die zu solchen Familien, ob sie sonst in Pommern Lehngesessen oder die gesamte Hand haben, gehörige Fräuleins, wann sie ins Kloster recipiret werden wollen, bey der Einschreibung die Gebühr doppelt erlegen, und also 120 Rthlr. Geben sollen...“ (Conclusum: Beschluss, Entscheidung, recipiret: aufnehmen)


Rüdiger Pfäffle