BARTH-STEIN

Kennst du Barth-Tannenheim

Zugegeben, Barth-Tannenheim kann nicht als Beispiel für ein schönes Wohngebiet mit attraktiver Architektur herhalten. Trotzdem täte man der Siedlung unrecht, sie nur als eine Ansammlung von Gebäuden in Form von Baracken abgetan zu werden. Tannenheim hat eine Geschichte. Und zwar mit einer ganz eigenen, spannenden Vergangenheit. Man muss sie nur kennen. Anhand von Original-Dokumenten, die sich im Archiv der Stadt Barth befinden, ist dieser Beitrag recherchiert worden.

Wann und weshalb wurde Tannenheim errichtet? Konkret begonnen hat die Bauphase im Jahr 1940. Die Baugenehmigung datiert vom 26. Juni 1940 (Bauschein-Nr. 271/1940). Die Unterschrift leistete der amtierende Landrat des Kreises Franzburg-Barth, Adalbert Boettcher.

 

I.

Barth-Stein - Das Startzeichen kam am 29. Juni 1940

Mittwoch, der 29. Juni 1940. Im Teergang 2 in Barth setzt der Landrat des Kreises Franzburg-Barth, Adalbert Boettcher, seine Unterschrift unter den Bauschein mit der Nummer 271/1940. Mit dieser Unterschrift bekommt die "Verwertungsgesellschaft für Montanunion Berlin-Charlottenburg" die Erlaubnis, mit der "Errichtung des Bereitschaftslagers Barth-Stein" zu beginnen.

Mit der Ausstellung eines Bauscheines ist ein Bauamt bzw. eine Bauverwaltung nicht berechtigt, nachträglich Ergänzungen oder Änderungen vorzunehmen. Das Vorhaben darf ganz genau so, wie es beantragt und genehmigt wurde, verwirklicht werden. In diesem Falle wurde auch umgehend mit den Bauarbeiten begonnen.

Landrat Boettcher teilte in seinem Schreiben folgendes mit: „Auf Antrag der Verwaltungsgesellschaft für Montanindustrie Berlin-Charlottenburg wird unbeschadet Rechte Dritter hiermit die Genehmigung erteilt, auf dem Grundstück in Barth, das in den beiliegenden als zugehörig bezeichneten Bauvorlagen (Baubeschreibung, Zeichnungen und Berechnungen) dargestellte Bauvorhaben „Errichtung des Bereitschaftslagers Barth-Stein“ auszuführen.“

Mit der Bauerlaubnis erreichten den Bauherrn allerdings auch einschränkende Anordnungen. Denn gleichzeitig mit Erteilen der Erlaubnis wurde bestimmt, „die Bauerlaubnis wird nur befristet erteilt. Die Standdauer der Bauwerke wird auf zwei Jahre (vom Datum des Bauscheines an gerechnet) befristet. Nach Ablauf dieser Zeit sind die Bauwerke sofort abzubrechen, sofern nicht vorher auf besonderen Antrag eine Verlängerung der Standdauer baupolizeilich zugebilligt sein sollte.“ Wie wir wissen, stehen die Bauten auch heute immer noch und werden zum Wohnen genutzt. Weitere Beauflagungen waren, dass das Lager nur mit höchstens 2000 Personen belegt werden durfte, sowie „der Saalbau darf nicht zu öffentlichen Versammlungen oder Veranstaltungen benutzt werden.“ Beauflagungen gab es auch hinsichtlich der Standsicherheit und Tragfähigkeit der Konstruktionen, der Brandmauern, Schornsteine, Prüfungen der Zentralheizungsanlage, ausreichende und vorschriftsmäßige Luftschutzanlagen für die Belegschaft des Lagers.

Nachdem der Bauherr nun grünes Licht erhalten hatte, konnte mit der Umsetzung des von Prof. Ernst Neufert entwickelten Projektes „Bereitschaftslager Barth-Stein“ begonnen werden. Nur zehn Monate später, am Dienstag, dem 6. Mai 1941, konnte das Richtfest auf der dortigen Baustelle stattfinden. Die Einladung dazu kam vom Berliner „Bau-Atelier Prof. Neufert“.

Das Festprogramm lief folgendermaßen ab: Beginn war um 14 Uhr. Es war vorgesehen, die Feier nicht allzu sehr in die Länge zu ziehen. Kurze Reden wurden gehalten, in denen sicherlich der Führer mit den üblichen Lobpreisungen bedacht wurde. Auch die Leistungen der Bauleute und des Baustabes wurden erwähnt und erfuhren so eine gebührende Beachtung und Würdigung. Abschließend dann ein Trinkspruch sowie das Einschlagen des letzten Nagels in einen Holzbalken. Der Polier leerte ein Schnapsglas, und mit dem traditionsgemäßen Zerschmettern des leeren Glases war der Richtfestakt vollzogen. Im Anschluss daran waren die Teilnehmer des Richtfestes zu einem „Richteschmaus“ in das Barther Schützenhaus gebeten worden.

Im Einladungsschreiben an das Stadtbauamt in Barth wurde vorgegeben, dass, soweit es die Witterung zulässt, die Teilnehmer am Richtfest nach der Feier von der Baustelle in geschlossener Formation zum Schützenhaus zu marschieren hätten. Auch wurde an das Stadtbauamt Barth die Bitte herangetragen, möglichst bis Ende der Woche vor dem Richtfest eine zahlenmäßige Aufstellung der Teilnehmer an die Bauleitung Barth-Stein einzureichen. Es sollte für die ausreichende Verpflegung genügend Vorsorge getroffen werden können. Nicht vergessen hat der Einladende, doch bitte mit der einzureichenden Liste an die Bauleitung zugleich die Abgabe von Fleischmarken von 100 Gramm für jeden Teilnehmer nicht zu vergessen.

Am Ende der Einladung dann noch die Aufforderung an das Barther Stadtbauamt „anlässlich des Richtefestes auf der Baustelle Barth-Stein als Ehrengast an der Feier teilzunehmen.“

 

II.

Die Herkunft der Ortsbezeichnung

Warum hieß der Barther Ortsteil Tannenheim früher eigentlich Barth-Stein, und warum wurde das ehemalige Lager Barth-Holz Barth-Holz genannt? Eine betagte Dame, die bereits seit 1946 in Tannenheim wohnt, versuchte es zu erklären.

"Eine Frage, die ganz einfach zu beantworten ist", meinte sie, "hier in Tannenheim wurden die Häuser aus Ziegelsteinen gebaut, daher der frühere Name Barth-Stein."

Und Barth-Holz?

Dafür hielt sie zwei Möglichkeiten für denkbar: Die Baracken in Barth-Holz waren im Gegensatz zu denen in Barth-Stein schlichte Holzbaracken, war die Auskunft.

Aber es war doch von zwei Möglichkeiten die Rede. Diese Gegend in den Planitzer Tannen nannte man auch Barther Holz. Das war in den Barther Adressbüchern einst eine reguläre Anschrift. Sie umfasste nicht nur das ehemalige Kurhaus Tannenheim und den Bahnhof Tannenheim, sondern auch das Forstamt bei Planitz, einschließlich der Forststellen Bruchhorst in Hermannshagen-Heide und Beughorst bei Kronsberg. Daher könnte aus Barther Holz für das Barackenlager möglicherweise der Name Barth-Holz hergeleitet sein, so die Meinung der alten Dame.

Wenngleich diese Gedankengänge nachvollziehbar sind, liegt sie mit ihren Schlussfolgerungen nicht völlig richtig. Die Namenszusätze Stein oder Holz hinter der Ortsangabe Barth haben einen tiefer gehenden Ursprung.

In der NS-Zeit entstanden im Deutschen Reich ab etwa 1937 etliche solcher Lager wie Barth-Stein und Barth-Holz. Sie wurden immer dort errichtet, wo für die Dienst- bzw. Zwangsverpflichteten in der Waffenindustrie, wie Sprengstofffabriken, Dynamit AG, Luftmunitionsanstalt (MUNA) oder die Pommersche Industriewerke Barth Unterkünfte bereitzustellen waren. Im offiziellen Sprachgebrauch wurde für dieses Lagersystem der Begriff Bereitschaftslager und Arbeitslager eingeführt und katalogisiert. So zum Beispiel in Barth, in Eggesin und Hohensaaten, aber auch in Clausthal-Zellerfeld für die Sprengstofffabrik Tanne.

Alle Lager dienten zwar dem gleichen Zweck, nämlich für die dienstverpflichteten Werkbelegschaften Wohnraum zu schaffen. Doch in der Bauweise gab es bemerkenswerte Unterschiede. Die ursprünglich gehegten Pläne zielten darauf ab, eine hochmotivierte, zuverlässige Stammarbeiterschaft heranzubilden. Dafür schuf man familiengerechte Wohnsiedlungen, mit denen besonders die Fachkräfte an die Rüstungsbetriebe gebunden werden sollten. So entstanden bis zu den kriegsbedingten Einschränkungen im Bauwesen repräsentative Anlagen in massiver Bauausführung, ausgelegt für eine lange Nutzungszeit und mit dem Anspruch, eine größere Identifikation der Werksangehörigen mit ihrer Tätigkeit zu erreichen. Genau wie bei den eigentlichen Werksiedlungen war als Architektursprache der Heimatschutzstil verbindlich.

Es gab jedoch auch Anlagen in einfacher Bauausführung als Barackenkomplexe in Holzbauweise. Waren die Verpflichtungen für die Arbeit in den Rüstungsbetrieben anfangs noch befristet, so wurde es mit fortschreitender Dauer des Krieges immer schwieriger, für die harte und gefährliche Arbeit in Betrieben, wie den Sprengstoffwerken, freiwillige Arbeitskräfte zu werben.

Die hierdurch entstehenden Defizite wurde durch den Staat mittels restriktiver Arbeitskraftkontingentierung und -lenkung entgegengewirkt. Die so dienstverpflichteten Arbeiter, auch für den Reichsarbeitsdienst, wurden in einfachen, häufig in Holzbauweise errichteten Sammelunterkünften kaserniert. Der Standard wurde durch Mehrbettzimmer, Gemeinschaftstoiletten und -waschräume geprägt. Bei den schlichten Wohngebäuden wurde auf Küchenräume verzichtet; ein zentrales Wirtschaftsgebäude übernahm die Versorgung der Insassen, es diente gleichzeitig als Kantine und Kulturhaus. Im Allgemeinen entstanden solche Unterkünfte als provisorische Barackenlager nach Normen, die im Auftrag der Leitung des RAD entwickelt worden waren.

Um den Unterschied der Barackenkomplexe in Holzbauweise zu den in massiver Bauweise errichteten Komplexe auch begrifflich zu unterscheiden, wurden diese Quartiere als "Steinlager" bezeichnet. Wie das auch zwischen Barth-Stein und Barth-Holz ersichtlich ist.

Während Barth-Stein von 1940 bis 1941 entstand, begannen zum Beispiel die Bauarbeiten für das "Steinlager Eggesin" bereits zwei Jahre vor Kriegsbeginn 1937 und dauerten insgesamt bis 1941 an. Es entstanden zwei von einander getrennte Unterkunftsbereiche für Frauen und Männer mit insgesamt 42 Gebäuden, verbunden durch eine aus fünf Gebäuden bestehende Gemeinschaftsanlage mit Kasino, Kulturhaus und Aufmarschplatz. Im Prinzip genauso wie in Barth-Stein, allerdings in einer anderen Größenordnung. Weitere solcher Bauensembles wurden unter anderem auch in St. Valentin für das Nibelungenwerk gebaut.

Diese aus massiven Häusern bestehenden Lager umfassten bis tausend Wohneinheiten. Dazu gehörten ein zentral gelegenes Versorgungszentrum mit Verwaltungsgebäuden. Entweder im Wald versteckt (Barth-Stein, Eggesin, Hohensaaten) oder mit aufgeschütteten Erdwällen nach außen abgeschirmt (Oderberg), lagen solche Lager in einer parkähnlich gestalteten Grünfläche eingebettet. In diesen Bereitschaftslagern wohnten nicht nur deutsche Arbeiter, sondern auch Büroangestellte mit deren Familien, für die Einfamilien- oder Doppelhäuser bereitgestellt wurden. Im Laufe des Krieges wurden zunehmend Frauen und ausländische Arbeiter einquartiert.

In Barth-Stein lebten jedoch nur deutsche Beschäftigte der Pommerschen Industriewerke. Im östlichen, von Frauen bewohnten Lagerteil, sind nachträglich zwei massive Baracken gebaut worden, die für die Arbeits-Maiden des Reichsarbeitsdienstes (RAD) bestimmt waren.

In den Unterkunftsgebäuden gab es spartanische Gruppenschlafräume. In den Unterkünften hatten zwölf Personen eine gemeinschaftlichen Aufenthaltsraum. Für je sechs Bewohner standen im Schlafraum Holzbetten. Dazu gab es je drei Decken. Die hier lebenden dienstverpflichteten Arbeitskräfte wurden anfangs in der Regel nicht zum Militär eingezogen, mussten also nicht an die Front.

Nach dem Geschäftsbericht der Pommerschen Industriewerke war mehr als drei Viertel der Belegschaft in Arbeitslagern untergebracht. Deutsche und „volksdeutsche“ Belegschaftsangehörige wohnten im Lager Barth-Stein, während den ausländischen Zivilarbeitskräften und Kriegsgefangenen das Lager Barth-Holz als Massenquartier zugewiesen worden war. Das Unternehmen behauptete, es habe „mit allen Mitteln versucht, der Gefolgschaft das Leben in den Wohnlagern so angenehm wie möglich zu gestalten [...]“

Darunter verstand das Unternehmen unter anderem das „Angebot“ eines Lagerrundfunks durch den die ausländischen Arbeiter im Sinne des Reichspropagandaministeriums gezielt (des)informiert und manipuliert werden sollten.

 

III.

Aus dem Bauantrag für Barth-Stein

Am 13. Januar 1940 war eine detaillierte Baubeschreibung für das Bereitschaftslager Barth-Stein beim Landratsamt des Kreises Franzburg-Barth eingereicht worden. Demnach sollte das Lager so angelegt werden, dass es sich um einen „Platz der Gemeinschaft“ gliedert, an welchem die Gemeinschaftsbauten mit dem Gemeinschaftshaus einschließlich der Küchen- und Wirtschaftsräume, Werkstätten, einem Fahrradschuppen, dem Wachgebäude, dem Badehaus, dem Bürogebäude und den Wohnungen für die Verwaltung liegen sollten. Östlich dieses Platzes erstreckte sich in Reihenhausform das Lager für die weiblichen und westlich des Platzes das Lager für die männlichen Insassen. Die einzelnen Haustypen wurden zum größten Teil als Reihenhäuser entwickelt und nur vereinzelt als Doppelhäuser erstellt. Es wurde angestrebt, dass durch die Hofbildung der Reihenhausanlage ein städtebaulich reizvolles Bild entstehen sollte.

Jede Mannschaftswohnung bestand aus einem Wohnraum, einem Wasch- und Abortraum und einem in zwei Räume unterteilten Schlafsaal mit je sechs Betten.

Bei den Wohnungen für die Mitarbeiter in der Verwaltung galt es dann schon höheren Ansprüchen an Wohnkomfort gerecht zu werden. Hier hatte jede Wohnung eine Diele, einen Wohnraum, zwei Schlafräume, Bad und Küche.

Die Mannschften mussten sich mit einem gemeinschaftlich zu nutzenden Brause- bzw. Badehaus begnügen. Auch eine Küche war in diesem Wohnungstyp nicht vorgesehen. Die Leute wurden zentral in dem Großen Gemeinschaftshaus versorgt.

Im Lageplan waren 10 Wohnhaustypen vorgesehen. Doch vorläufig sollten nur 4 Wohnhaustypen als Wohnung für Mitarbeiter in der Verwaltung bestimmt sein. Die übrigen 6 Wohnhaustypen sollten für höhere Angestellte des Werkes erstellt werden. Die Planungen wurden allerdings nicht vollständig so verwirklicht.

In der Mitte des Lagers befand sich eine große Freifläche mit den Abmessungen 66 X 80 Meter. Es war der „Platz der Gemeinschaft“. Um ihn herum gruppierten sich die Gemeinschafts- und Verwaltungsgebäude. Am nördlichen Ende dieses großen Saales befand sich eine Bühne mit den dazu gehörigen Nebenräumen. Auf der Ostseite des Saales an der Nord- und Südecke lagen die Haupteingänge zum Saal, getrennt für Frauen und Männer. In diesen Vorbauten befanden sich die Toiletten, Garderoben und je ein kleiner Spülraum für das nach dem Essen von den Lagerinsassen abzuspülende Besteck.

Das Wirtschaftsgebäude war unterteilt in die eigentliche Küchenanlage mit den Räumen für den Küchenchef, Tagesräume für das Küchenpersonal und den Kühlräumen und in die Vorrats- und Vorbereitungsräume auf der Nord- und Westseite des Gebäudes. Das Gebäude war grundrisslich um einen Hof herum entwickelt, was den Vorteil hatte, dass innerhalb des Hofes Töpfe und Tücher des Küchenbetriebes zum Trocknen ausgelegt werden konnten.

Das Reviergebäude, enthielt auf seiner westlichen Seite Räume für den Sanitätsbetrieb, und zwar nach Norden die Untersuchungs- und Behandlungsräume und nach Süden die Aufenthaltsräume der Kranken. In seinem mittleren Teil gab es eine kleine Postagentur mit einem Schreibraum, mit Briefmarkengeber usw. sowie die Büroräume für den Lagerbetrieb und auf seiner westlichen Seite hatte eine kleine Werkstatt für den Lagerführer ihren Platz.

In einem weiteren Gebäude befand sich das Brausehaus. Auch ein Feuerlöschschuppen sowie der Feuerwehrturm befanden sich dort. Der nördliche Teil enthiellt den Badebetrieb, getrennt nach Frauen und Männern, mit den notwendigen Umkleide-, Bade- und Brauseräumen und je einen Raum für den Haarpfleger.

Der Feuerlöschschuppen befand sich im südlichen Teil. Angebaut an dieses Gebäude war der Turm (Höhe 16,86 m), in dem die Schläuche zum Trocknen aufgehängt wurden und der zu Übungszwecken Verwendung fand.

An dem Haupteingang zum Lager standen zwei Wachhäuser. Eines davon ist noch vorhanden und wird heute bewohnt.Die beiden Wachhäuser flankierten im Osten und Westen die Zufahrt zum Lager. Im östlichen Gebäude hatte die Feuerwache ihren Tagesaufenthaltsraum, einen Schlafraum und einen Toiletten- und Waschraum. Im westlichen Wachhaus saß die Wache für den Sicherheitsdienst.

Auch an einen Fahrradschuppen wurde gedacht. Motorisiert dürfte kaum einer der Lagerinsassen gewesen sein, so dass für Ausflüge in die Umgebung oder auch die Fahrt zum Werk gelegentlich das Fahrrad genutzt worden sein dürfte. Die Anlage für die Unterbringung der Fahrräder war als Winkelgebäude ausgeführt, und zwar anschließend an das große Gemeinschaftshaus. Am südlichen Teil des Ostflügels stand ein Garagengebäude mit Werkstatt. Hier konnten konnten drei Fahrzeuge untergestellt werden.

Im östlichen Flügel des Gebäudes hatte das Kesselhaus seinen Platz mit dem Raum für die Pumpe und die Zentrale, sowie für den Kohlebunker. Die Waschzentrale mit der Annahme und Ausgabe, der Waschküche mit dem Trocken-, dem Mangel-, dem Plätt-, dem Flick- und dem Lagerraum war im westlichen Gebäudeteil angesiedelt.

Auf der Südseite des Wirtschaftsgebäudes war ein Anbau errichtet für einen Schweinestall worden mit einem großen Raum für die einzelnen Buchten für die Sauen und Ferkel. Ein Futtergang trennte den Raum der tragenden Sauen vom übrigen Stall ab. Eine Futterküche war hier ebenfalls vorhanden. Es wurde dafür Sorge getragen, dass innerhalb der Ställe keine Zugerscheinungen auftreten. Die einzelnen Buchten waren unterteilt durch hölzerne Lattenzäune. Der Fußboden des Futterganges war mit einer Ziegelsteinflachschicht belegt. Die Ausläufe für die Tiere befanden sich auf der Südseite.

Für die Versorgung des Lagers mit Elektroenergie wurde eine Hochspannungsleitung von der Hauptleitung beim Gut Planitz abgezweigt und verlief über einen Trafo als Niederspannungsleitung in das Lager. Das Wasser wurde von den städtischen Wasserwerken geliefert, der Anschluss befand sich an der damaligen Reichsstraße 195. Die Abwasserentsorgung erfolgte über ein Kanalisationssystem, das auch heute noch unter den Straßen liegt. Im Norden des Lagers wurde eine mechanische und biologische Kläranlage errichtet. Das geklärte Wasser floss über einen Vorfluter in die Barthe.

Die Heizung der Mannschaftstypen und der Wohnungen für die Verwaltung erfolgte dezentralisiert durch einzeln aufgestellte Öfen, die zum Teil als Luftheizung und zum Teil als normale Kachelöfen arbeiteten. Die Gemeinschaftsbauten, und zwar das Reviergebäude, das Badehaus und das Gemeinschaftshaus mit den Wirtschaftsräumen sowie die Pförtnerstuben wurden vom Kesselhaus aus beheizt.

Das waren die Planungen aus dem Bauatelier Prof. Ernst Neufert, die den zuständigen Ämtern und Behörden vorgelegt und von diesen auch genehmigt wurden. Sicherlich erfuhr die Umsetzung der Planungsunterlagen noch vor Baubeginn und auch noch während der Bauphase die eine oder die andere Änderung. Vorgesehen laut Bauplanung war auch der Bau von Luftschutzbunkern für die Bewohner des Wohnlagers. Dieses geht aus einem Schreiben des Bauateliers Prof. Ernst Neufert vom 25. September 1940 an das Preußische Staatshochbauamt Stralsund hervor.

Der Inhalt besagten Schreibens:

Bauvorhaben Bereitstellungslager Barth-Stein

Baubeschreibung Luftschutzbunker

Die Luftschutzbunker werden in Einzelanlagen für je 250 Mann in der auf dem Lageplan 71 A gekennzeichneten Stelle im Zusammenhang mit der übrigen Planung der Bereitschaftslageranlage errichtet (siehe hierüber Blatt 91).

Den allgemeinen Luftschutzbestimmungen entsprechend wird das Gebäude in Massivbaukonstruktion aufgeführt. Wegen des vorhandenen Grundwassers wird die Sohle der Luftschutzräume auf 10 cm über Höchstgrundwasserstand gelegt. Infolgedessen liegt das Gebäude zum Teil oberirdisch. Die Wandstärken sind dementsprechend 64 cm stark zu mauern. Das Gebäude wird bis zu 1,50 Meter unter vorhandener Erdoberkante gegründet.

Die Decke der Luftschutzbunker wird als Eisenbetondecke mit starken Eisenbetonunterzügen ausgeführt, darüber wird eine doppelte Papplage geklebt. Die Einzelheiten der Baukonstruktion und die Ausführung im Inneren geht aus Blatt 1 hervor.

Im Einzelnen setzt sich die Luftschutzanlage aus 5 Luftschutzräumen für je 50 Mann Belegschaft zusammen. Jeweils 2 solcher Räume werden von einer Gasschleuse aufgeschlossen und erhalten je 2 Toilettenanlagen. Zu jeder Luftschutzbunkereinheit gehört außerdem ein Liegeraum, in dem 6 Personen untergebracht werden können.

Die Anlage erhält außer den notwendigen Gastüren und gas- und spilttersicheren Türen eine elektrische Installation und eine mit Hand betriebene Lüftungsanlage.Die Anlage erhält außer den notwendigen Gastüren und gas- und spilttersicheren Türen eine elektrische Installation und eine mit Hand betriebene Lüftungsanlage.

Offensichtlich wurde diese Planung zum Bau der Luftschutzbunker letztendlich aber nicht umgesetzt.

 

IV.

Der Feuerwehrturm

Das Lagerprojekt sah natürlich auch eine Feuerwache vor, denn schließlich sollten hier einmal mitten im Wald 2000 Menschen leben. Der Standort der Feuerwache war dereinst im heutigen Eschenweg. Die Räumlichkeiten der Wache befanden sich in einem Gebäude, das in seinem südlichen Teil den Badebetrieb für die Lagerinsassen beherbergte, getrennt nach Frauen und Männern, mit den notwendigen Umkleide-, Bade- und Brauseräumen und je einem Raum für den Haarpfleger. Der nördliche Teil enthielt einen Feuerlöschschuppen. Angebaut an dieses Gebäude war der Feuerlöschturm, in dem die Schläuche zum Trocknen aufgehängt wurden und der zu Übungszwecken Verwendung fand, an der Ecke Eschenweg/Kiefernweg.

Auf alten Fotos fällt ganz besonders dieses alles überragendes Gebäude auf, dieser rund sechzehn Meter hohe Turm. Denn alle anderen Gebäude waren lediglich einstöckige, massiv gemauerte Baracken, wie man sie heute noch vorfindet. Der Turm wurde meines Erachtens in einer ansprechenden Architektur entworfen und auch gebaut. Im oberen Bereich hatte man auf der Nordseite eine große Uhr installiert. Vom Turm ist lediglich nur noch die Fundamentplatte vorhanden. Diese Stelle nutzen die Tannenheimer jetzt, um hier die Gelben Säcke zur Abholung bereitzulegen.

Von der Reichsstraße 195 kommend, zum Lager abbiegend, standen einst zwei Wachhäuser an der Zufahrt. Die beiden Wachhäuser flankierten im Osten und Westen diese Straße, den heutigen Eschenweg, zum Lager. Das östliche Gebäude enthielt die Feuerwehrwache mit einem Tagesaufenthaltsraum, einem Schlafraum und einem Toiletten- und Waschraum, das westliche Wachhaus enthielt die Wache für den Sicherheitsdienst, die Aufteilung des Gebäudes ist die gleiche. Dieses ehemalige Wachgebäude diente nach dem Kriege viele Jahre als Konsumverkaufsstelle, bevor der „Konsum“ dann weiter nördlich in ein anders Gebäude verlegt wurde.

Bevor die zuständigen Ämter das Vorhaben „Feuerwehrturm“ absegnen konnten oder wollten, gab es seitens der Kreisverwaltung noch den einen und den anderen Einwand. Am 17. Juni 1940 wurde moniert, dass das Bauvorhaben, ebenso wie das Lager Barth-Holz gegen die Bestimmungen der Bauordnung für die Städte des Regierungsbezirks Stettin (§8 C, Abstand der Gebäude voneinander) verstoße. Wenn auch die Feuergefahr hier nicht so erheblich sei wie bei Barth-Holz, so müsse trotzdem reichliche und wirksame Feuerschutz- und Feuerlöscheinrichtungen bereit gehalten werden und weitgehende Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Bränden getroffen werden.

Weil infolge der geringen Gebäudeabstände sowie der zahlreichen Schornsteine und der leichten Bauweise der Dächer große Feuergefahr bestehe, machte der Landrat am 26. Juli die Bauauflage, deshalb besonders reichliche und wirksame Feuerschutz- und Feuerlöscheinrichtungen in stets gebrauchsfertigem Gebrauchsstande in dem Lager bereit zu halten. Zum Zwecke der Brandbekämpfung seien nach dem Gutachten der Feuerlöschpolizei mindestens drei Hydranten aufzustellen.

Aber dann war man doch am Ende des Ämter-Marathons angelangt. Der Bauschein zur Errichtung des Feuerwehrturmes trägt das Datum vom 20. Oktober 1940, ausgestellt vom Landrat des Kreises Franzburg-Barth. Mit der Bauausführung war die Firma Arnold Kuthe Baugeschäft GmbH beauftragt worden.

Das Fundament wurde in Beton ausgeführt, die Außenwände als 38 cm starke Backsteinmauer, die Innenwände als Schwemmsteinwände. Die Dachkonstruktion in Holz mit Schalung von Pappe. Zur Isolierung wurden Heraklithplatten darunter genagelt. Die Fußböden waren auf massiven Decken, die Innenwände geputzt, die Außenwände mit Dyckerhoff-Weiß geputzt. Die Türen und Fenster waren in einfacher Blendrahmen-Konstruktion ausgeführt.

Zuvor erfolgte die Berechnung der Statik. Dafür zeichnete der Bauingenieur Ludwig Iffländer aus Berlin O 112, Boxhagener Straße 51, verantwortlich. Mit Schreiben vom 10. Oktober erhielt die Montan Barth-Stein die erforderlichen Berechnungen zur Statik für den Feuerwehrturm.

So ganz fehlerlos soll die Angelegenheit aber wohl doch nicht gewesen sein. Am 4. Februar 1941 teilte der Landrat dem Bauatelier Prof. Ernst Neufert mit, dass der Bearbeiter der statischen Berechnung den Turm für Windbelastung nach DIN1056 (Schornsteinvorschriften) behandelt hat. Richtig wäre es gewesen, die Windlasten nach DIN 1055, Blatt 4, vom 2.8.1938 Abs. 20, Spalte 4 anzusetzen.

Von der Forderung einer Nachtragsberechnung wolle er aber absehen, weil die zulässigen Beanspruchungen der Vorschrift nach DIN 1055 nicht überschritten würden.

Jedoch für die umgehende Begleichung der beigefügten Gebührenrechnung über 75,- RM möge bitte Sorge getragen werden.

 

V.

Die Bauerlaubnis.

Der Landrat des Kreises Franzburg Barth, Adalbert Boettcher, fertigte für den Bauherrn den beantragten Bauschein aus (Bauschein-Nr. 271/1940) und teilte mit Schreiben vom 26.Juni 1940 folgendes mit: „Auf Antrag der Verwaltungsgesellschaft für Montanindustrie Berlin-Charlottenburg wird unbeschadet Rechte der Dritter hiermit die Genehmigung erteilt auf dem Grundstück in Barth das in den beiliegenden als zugehörig bezeichneten Bauvorlagen (Baubeschreibung, Zeichnungen und Berschnungen) dargestellte Bauvorhaben „Errichtung des Bereitschaftslagers Barth-Stein“ auszuführen.“

Das könnte als die Geburtsurkunde für das heutige Barth-Tannenheim angesehen werden.

Der Bauherr hatte nun grünes Licht erhalten und konnte mit der Umsetzung des von Prof. Ernst Neufert entwickelten Projekt „Bereitschaftslager Barth-Stein“ beginnen.

Mit der Bauerlaubnis erreichten den Bauhern allerdings auch einschränkene Anordnungen. Denn gleichzeitig mit Erteilen der Erlaubnis wird bestimmt, „die Bauerlaubnis wird nur befristet erteilt. Die Standdauer der Bauwerke wird auf zwei Jahre (vom Datum des Bauscheines an gerechnet) befristet. Nach Ablauf dieser Zeit sind die Bauwerke sofort abzubrechen, sofern nicht vorher auf besonderen Antrag eine Verlängerung der Standdauer baupolizeilich zugebilligt sein sollte.“ Wie wir wissen, stehen die Bauten auch heute nach nahezu 80 Jahren immer noch und werden zum Wohnen genutzt.

Weiterhin ist festgelegt : „Das Lager darf nur mit höchstens 2000 Personen belegt werden“ sowie „Der Saalbau darf nicht zu öffentlichen Versammlungen oder Veranstaltungen benutzt werden.“ [2]

Beauflagungen gab es auch hinsichtlich der Standsicherheit und Tragfähigkeit der Konstruktionen, der Brandmauern, Schornsteine, Prüfungen der Zentralheizungsanlagen, ausreichende und vorschriftsmäßige Luftschutzanlagen für die Belegschaft des Lagers.

In Bezug auf die Ausstattung der Unterkünfte wurde zwischen west- und osteuropäischen Zivilarbeitskräften und russischen Kriegsgefangenen sowie Frauen unterschieden

Fremdarbeiterinnen sollten sich zu zwölft eine Stube teilen. Als Schlafstelle waren sechs Mannschaftsdoppelbetten vorgesehen. Zur Bettwäsche gehörten ein Strohsack, ein

Kopfpolstersack, anderthalb Bettlaken, zwei Decken und zwei Handtücher. In jeder Stube

stand ein Tisch und zwölf Stühle.

 

VI.

Sportplätze und ein Schießstand in Barth-Stein

Projektiert und baubegleitend beaufsichtigt wurden die Wohnlager von den Architekten Ernst Neufert sowie Ludwig Spreitzer. Für die Gestaltung des Umfeldes der von Neufert und Spreitzer entworfenen Lager zeichnete die anerkannte Landschaftsarchitektin Herta Fernanda Conradine Hammerbacher (1900-1985) verantwortlich. Eine Skizze von ihr aus dem Jahr 1940 veranschaulicht, wie die Grünflächen am Bereitschaftslager Barth-Stein nach ihren Vorstellungen aussehen sollten. Leider ist nicht mehr nachvollziehbar, ob jedes Detail in die Tat umgesetzt worden ist. Im heutigen Ginsterweg sollte zum Beispiel nördlich des Reviergebäudes zwischen den Beamtenwohnungen und der Baracke 11 ein Handballplatz angelegt werden. Früher wurde ja Feldhandball gespielt. Daran anschließend war ein großer Fußballplatz vorgesehen, der rechts bis an die Kläranlage gereicht hätte. Die nördliche Begrenzung wäre der Graben gewesen, der auch heute noch vorhanden ist. Am Graben verlief der Zaun, von welchem das Lager umgeben war. An der Kläranlage befand sich das Lagertor Nr. 3, das im Süden sowie in westlicher Richtung von natürlich gewachsenem Kiefernwald eingefasst wurde. Die nördlichen und östlichen Bereiche sollten mit Wildgehölzen aufgeforstet werden.Ein durchgängiger Rundweg umgab das gesamte Lager, in bestimmten Abständen luden Bänke zum Verweilen ein. Außer dem großen, zentral gelegenen Platz der Gemeinschaft (60x80 Meter in den Ausmaßen) finden sich

zwischen der Kläranlage und dem Fußballplatz sowie zwischen dem Reviergebäude und der Baracke 11, unmittelbar vor dem Handballplatz in der Skizze zwei weitere, lediglich als Platz bezeichnete freie Flächen

Des weiteren sind zwischen der Baracke 14 und dem östlichen Lagerrand mehrere größere freie Flächen als Wiesen eingezeichnet. Dieses Gelände hatte Ernst Neufert in seiner Baubeschreibung, die er beim Landrat zwecks Baugenehmigung eingereicht hatte, für einen eventuellen Bau zwei weiterer Baracken reserviert, die letztlich auch errichtet wurden. Und zu guter Letzt: Auch ein Schießstand in Richtung Schilfgürtel an der Barthe ist in der Skizze ersichtlich. Ob dieser tatsächlich angelegt wurde, ist aber nicht belegt. Spuren der dortigen Erdwälle waren 1950 nicht (mehr) vorhanden. Doch das tatsächliche Vorhandensein der Sportanlagen und des Schießstandes ist glaubwürdig.

 

VII.

Die Lehrlinge

Die Lehrlinge der PIW wohnten in Barth-Stein in einem Lehrlingswohnheim am südlichen Rand beim heutigen Ginsterweg. Besonders für die Jugendlichen hatte die körperliche Ertüchtigung einen besonderen Stellenwert. Sie sollten nicht nur beruflich qualifiziert, sondern in erster Linie auch für den Dienst in der Wehrmacht vorbereitet werden.

Der Leiter des Lehrlingswohnheimes, Meinhardt, erläuterte in einem Brief an die Eltern der Lehrlinge, was seiner Meinung nach einen richtigen deutschen Jungmann auszeichnet: „Die Elternwohnungen unserer Jungen befinden sich meistens in der weiteren Umgebung von unserem Heim. Leider macht dieses Tatsache eine persönliche Fühlungnahme sehr schwierig. Ich sage leider, wissen wir doch zu gut, wie wertvoll für die Arbeit, wie fördernd in allen Erziehungsfragen die gegenseitige Unterstützung von Elternhaus und Heimführung sein könnte. Dennoch werde ich mich stets bemühen, Ihre Jungen so zu erziehen, dass aus ihnen anständige und tüchtige Kerle werden. In meinem nun folgenden Bericht will ich Ihnen kurz schildern, wie Ihre Jungen im Hein betreut werden:

Es ist bei einer gemeinsamen Unterkunft notwendig, dass man die Anforderungen, die wir an die Jungen stellen. Allmählich steigert. Um unser gestecktes Ziel zu erreichen, geschieht die Ausbildung im Heim nach folgenden Punkten:

1. Erziehung zu ordentlicher Haltung, sauberer Kleidung und reinem Körper.

2. Eingewöhnen in das Heimleben, Erziehung zur Sauberhaltung des Heimes, Ordnung im Spind und Bettenbau.

3. Weltanschauliche und politische Schulung an Heimabenden durch die HJ. Außerdem wird an diesen Abenden Gesang und Musik gepflegt.

4. Körperliche Ertüchtigung in dem größten Teil der Freizeit, mit Ausmärschen und Sport.

Von ihrem Lehrherrn wurde den Jungens alle möglichen Turn- und Sportgeräte beschafft und so die Voraussetzung zum Abhalten von Turn- und Sportstunden geschaffen.

Für abwechslungsreiche anregende Freizeitgestaltung wird durch die Firma gesorgt. So finden jede Woche Veranstaltungen im Gemeinschaftsraum der Siedlung Barth-Stein statt. Kino, Variete´, Konzert und Vorträge wechseln sich hierbei ab.

Für das leibliche Wohl der Jungen sorgen wir, so gut das in Kriegszeiten möglich ist, vor allem auch durch Beschaffung vitaminreicher feinster Gemüse.

Bei der großen Zahl von Jungen ist es natürlich unausbleiblich, das es hin und wieder Strafen, wie Urlaubssperre, Sonderdienste, Verwarnungen und Verweise gibt. In fast allen Fällen hat solche Zurechtweisung Erfolg gehabt.

Ich hoffe, dass Sie, liebe Eltern, an meinen obigen Ausführungen erkennen können, wie Ihre Jungen im Heim betreut werden. Ich würde mich freuen, wenn dieser Brief dazu beitragen wird, dass auch Sie uns in unserer nicht ganz leichten Aufgabe bei der Führung der Jungen unterstützen werden.“

Mit besten Grüßen

Heil Hitler

der Heimleiter Meinhardt."

Meinhardt betont im Elternbrief, dass die körperliche Ertüchtigung den größten Teil der Freizeit mit Ausmärschen und Sport einzunehmen habe. Daher wohl die Annahme, dass die von Hammerbacher skizzierten Anlagen für Sport und Schießausbildung auch realisiert wurden. In späterer Zeit entstanden hier Gärten, von denen 2019 ein großer Teil einem künftigen Bauvorhaben für etwa 15 einstöckige Einfamilienhäuser weichen mussten. Auch der letzte noch vorhandene ehemalige Luftschutzbunker fiel dieser Maßnahme zum Opfer. Diese Luftschutzanlagen, die in den Dokumentationen des Architektenbüros Ernst Neufert eingezeichnet sind und detailliert beschrieben werden, fehlen in der Skizze von 1940 der Herta Hammerbacher gänzlich.

 

VIII.

1947 - Lager Barth-Stein, die Übergabe

Die Entstehung des Bereitschaftslagers Barth-Stein im Jahre 1940 ist mit dem Rüstungsbetrieb im Barther Stadtholz „Pommersche Industriewerke GmbH“ (PIW) ursächlich verknüpft. Nach den Bauplanungen von 1940 war das Lager für maximal 2.000 Personen vorgesehen. Im Jahr 1944 hatten dort laut Otto-Böckler-Stiftung 1.479 deutsche Arbeiterinnen und Arbeiter der Munitionsfabrik Pommersche Industriewerke PIW ihr Quartier.

Am 30. April 1945 war der letzte Arbeitstag in den PIW. Die Rote Armee rückte am 1. Mai 1945 in die Stadt Barth ein. Da in der Munitionsfabrik nicht mehr gearbeitet wurde, war auch die ursprüngliche Zweckbestimmung für das Bereitschaftslager hinfällig geworden.

Die Bewohner, durchweg dienstverpflichtete Mitarbeiter der PIW und Angehörige des RAD (Reichsarbeitsdienst), mussten nun diese Unterkünfte verlassen und in ihre früheren Wohnorte zurückkehren.

Die beiden Bereitschaftslager Barth-Stein und Barth-Holz standen jetzt also leer und verlassen da und wurde von der Roten Armee besetzt. Ein sowjetischer Kommandant war nun der Herr aller Dinge in der Stadt. Nur er bestimmte und verfügte, was zu geschehen hatte oder auch zu unterlassen war. Obwohl die Rote Armee das Lager besetzt hatte, belegten doch schon einige der nach Barth gekommenen Vertriebene und Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten leerstehende Wohnungen in Barth-Stein. Die Übergabe bzw. Rückgabe an die Stadt Barth geschah 1947. Anlässlich der Übergabe durch die sowjetische Kommandantur erstellte das Barther Stadtbauamt am 25. Januar 1947 je einen Bericht über das Lager Barth-Holz, über das Lager Barth-Stein sowie zum Flakübungsplatz in Zingst.

Oberstleutnant Kossarew von der sowjetischen Kommandant der Stadt Barth, hat dann am 30. Januar 1947 die Verfügungsgewalt über das Lager an die Stadt Barth zurückgegeben. Eine eigens dafür gebildete Kommission erstellte für die Übergabe eine Übersicht zu dem Lager, den Gebäuden sowie deren aktuellem Erhaltungszustand.

Der wörtliche Übergabebericht:

Die Kommission, bestehend aus dem Vorsitzenden der Kommission, verantwortlicher Offizier in militärischen Fragen der KWU der Stadt Barth, Kapitän Kutscherow, einerseits, und den Vertretern der Selbstverwaltung der Stadt Barth, dem Chef der Kommunalabteilung, Herrn Blumenthal und dem Leiter der Bauabteilung, dem älteren Ingenieur, Herrn Schmieder, hat auf Grund von Direktiven des Chefs der UKS des Stettiner Bezirks 652 vom 18.12.1946, folgenden Akt betreffend Übergabe der Kasernen in der Stadt Barth, Lager Barth-Stein, an der Chaussee nach Bodstedt, zusammengestellt.“

Übergeben wurden: Lager Barth-Stein mit einer Gesamtfläche von von 180.000 m²,

an einstöckigen Gebäuden aus Ziegelstein 13 Baracken, 1 Werkstatt, 1 Sanitätsbaracke, 1 Baracke mit Bad, 1 Werkstatt mit Garage, Speiseräume mit 1 Küche und Kesselraum,

1 Wächterhaus sowie 1 Feuerturm, 4-stöckig.

Es wurde angemerkt, dass die Gebäude des Lagers Barth-Stein, die zum Zeitpunkt der Übergabe leerstanden, zu 40% von der deutschen Bevölkerung zerstört worden sind.

Die Menschen aus Barth und den umliegenden Dörfern nutzten bis dahin, aber auch noch in der Zeit danach die Gelegenheit um aus den verlassenen Wohnungen, Verwaltungsgebäuden und Werkstätten so viel wie möglich herauszuholen. Bald darauf wurde ein völlig überforderter Wachdienst damit beauftragt, Vandalismus und Plünderungen zu verhindern. Dass der Wachdienst nicht in der Lage war, die Situation unter Kontrolle zu bringen, zeigen Berichte und Protokolle von 1947 anlässlich der Rückgabe des Lagers. Ein schriftlicher Hilferuf des Treuhandverwalters H. Münten mit Sitz am Schützenwall 1 mag das belegen. Münten hatte unter anderem auch die Aufgabe der Wohnraumbeschaffung in Barth-Stein. Er schrieb am 11. Juni 1947 an den Rat der Stadt Barth:

Durch intensive Bemühungen ist es uns nunmehr gelungen auch auf der rechten Seite des Lagers 20 Wohnungen zu schaffen. Die Wohnungen sind vollkommen hergerichtet und bereits bewohnt.

Den Verfügungen meiner vorgesetzten Dienststelle entsprechend bin ich leider nicht der Lage aus Landesmitteln die Installation der teilweise beschädigten, nicht mehr funktionierenden Licht- und Wasserleitung zu übernehmen.

Ich bitte daher die Stadtverwaltung diese Angelegenheit zu ihrer eigenen zu machen, damit die in Barth-Stein untergebrachten Umsiedler diese dringend erforderlichen Erleichterungen geniessen können.

Bei dieser Gelegenheit weise ich darauf hin, dass ca. 50 Wohnungen noch ausgebaut werden können und ersuche ich das zuständige Dezernat sich umgehend mit der Ausbaumöglichkeit zu befassen. Es geht nicht an, dass durch sinnlosen Raubbau an landeseigenem Gut täglich Verluste an Wohnraum entstehen. Es ist mir in Zukunft leider nicht mehr möglich meine Wachmannschaft von 6 Mann in diesem Lager zu unterhalten.

Wegen der Eigentumsverhältnisse habe ich Schritte bei der Landesregierung unternommen und hoffe, dass der Stadt aus besonderen Mitteln Gelder zur Verfügung gestellt werden können."

 

IX.

Kennst du Barth-Holz?

Bevor näher auf das Lager in der Zeit bis 1945 eingegangen wird, sei dem Bericht die wahre Geschichte eines Kohlenausträgers vorangestellt.
In den Holzbaracken wohnte auch ein junger Mann mit Namen Paul P. Er arbeitete in einer der Kohlehandlungen am Barther Westhafen. Seinen täglichen Weg zur Arbeit und wieder zurück nach Barth-Holz legte er zu jeder Jahreszeit zu Fuß zurück. Ein Fahrrad besaß er nicht, und die Busfahrer hätten ihn mit großer Wahrscheinlichkeit auch gar nicht in ihr Fahrzeug einsteigen lassen. Paul wusch sich nach seiner schweren Arbeit als Kohlenausträger nämlich weder den Kohlenstaub ab, noch wechselte er die Kleidung danach. Man erlebte Paul auf seinem Heimweg nicht anders, als mit schwarzem, staubverschmiertem Gesicht und mit Igelitstiefeln bekleidet. Die Schuljungens passten ihn häufig hinter der Barthebrücke ab um ihn zu hänseln. Paul war zwar ein recht groß gewachsener junger Mann, der sich die Gören problemlos hätte vom Leibe halten können, doch er war in dieser Hinsicht ein völlig hilfloser Mensch, der sich nicht zu wehren wusste.

 

X.

Das Lager Barth-Holz nach Kriegsende

Während in Barth-Stein bis zum 30. April 1945 ausschließlich dienstverpflichtete deutsche Arbeitskräfte und Angehörige des RAD (Reichsarbeitsdienst) wohnten, handelte es sich bei den Insassen im Lager Barth-Holz dagegen um Zwangsarbeiter, Ostarbeiter, italienische Militärinternierte und auch sowjetische Kriegsgefangene.

Das Lager befand sich etwa 3,5 Kilometer westlich der Stadt Barth in der Gemarkung Planitz an der Straße nach Bodstedt. Fährt man von Barth kommend über die Barthebrücke an Tannenheim vorbei in Richtung Bodstedt, sieht man etwa hundert Meter nach dem Abzweig zur Halbinsel Fischland-Darß-Zingst einen alten schmalen Betonweg nach rechts in den Wald abbiegen. Er führt in das einstige, bereits seit Anfang der 1960er Jahre nicht mehr existierende Lager. Nur noch ein einziges bewohntes Gebäude steht dort in aller Einsamkeit, mitten zwischen Kiefern. Dieses wurde vor wenigen Jahren im gleichen Barackenstil auf dem unveränderten Fundament einer Lagerbaracke der ehemaligen Zwangsarbeiter als Wohnhaus errichtet.

Im Gegensatz zum Lager Barth-Stein, das als Wohnsiedlung größtenteils erhalten geblieben ist, deutet heutzutage auf dieses einstige Lager nur noch wenig hin. Man findet lediglich einige vereinzelte, von Sträuchern, Gestrüpp und kleineren Kiefern zugewucherte Zeugnisse früherer Bauten. Und auch diese findet nur derjenige erst nach intensivem und zielgerichteten Suchen, der sich aktiv mit dieser Angelegenheit befasst, oder wenn er vielleicht Barth-Holz noch aus seinen Kindertagen in der Erinnerung hat.

Das Lager hatte eine Gesamtgröße von rund 55.000 m² und war von einem Zaun umgeben. Was den Heimatinteressierten mit der Vergangenheit dieses Lagers beschäftigen lässt, ist das Nebulöse, das diesen Ort auch heute noch umgibt. Ein Geheimnis gibt es dabei jedoch nicht. Denn dort waren Baracken, genau wie in Barth-Stein (Tannenheim). Aber kaum jemand, der befragt werden kann, weiß Genaueres. Als Antwort käme nicht viel mehr zurück, als "da waren Baracken", und das war´s auch schon. Als eine der letzten Bewohner hatte eine Familie Deutschmann hier bis Ende der 1950er Jahre ihr zuhause. Mehrere der einst in Barth-Holz Wohnenden wurden vor dem Abriss der Baracken nach Barth-Stein (Tannenheim) umgesiedelt. Drei dieser Familien, bzw. Personen wohnen bis heute noch in Tannenheim. Bei der Umsiedlung nach Barth-Stein soll es seitens einiger Barth-Holzer Widerstand gegeben haben, was jedoch ohne Erfolg blieb.

Ein Schreiben vom 25. Februar 1947 aus dem Stadtbauamt vermittelt einen Einblick in die Stuation im Lager während der Zeit der Zwangsarbeiter bis zum 1. Mai 1945. Für die dann dort untergebrachten Flüchtlinge und Umsiedler dürfte sich in der unmittelbaren Nachkrieggszeit zunächst an den Gegenheiten nichts Gravierendes geändert haben.

Das eingezäunte Lager hatte eine Größe von 41.587 m². Hinzu kamen weitere 10.187 m², die das Lager als Feldfläche umgaben. Diese Größen werden im genannten Schreiben so angegeben. Die Zufahrt in das Lager ist identisch mit der, die auch heute noch als betonierte Straße von der Bodstedter Straße abzweigend vorhanden ist. Auf der linken Seite des Haupteinganges standen sechs Wohnbaracken. Als deren umbautem Raum wird eine Größe von zusammen 12.000 m³ angegeben. Ferner gab es eine Baracke für die Lagerwache. Statt Toiletten in den Unterkünften gab es in Barth-Holz zwei große Toilettenbaracken, getrennt für Frauen und Männer, womit auch die Diskriminierung der Zwangsarbeiter aus Osteuropa als „slawische Unterrasse“ ihren Ausdruck findet. Man stelle sich vor, die Insassen eines so großen Wohnlagers mussten gemeinschaftlich diese Toiletten benutzen, eine unwürdige Behandlung der betroffenen Menschen damals in Barth-Holz. Hier lebten zeitweilig immerhin bis zu 3000 Menschen.

Östlich des Haupteinganges standen die Baracke der Lagerverwaltung, die Sanitätsbaracke mit Baderäumen, der große Saal mit anschließendem Küchen- und Wirtschaftsteil, eine Wäschereibaracke, zwei Holzschuppen sowie ein Garagengebäude. Sämtliche Gebäude waren Holzbaracken mit Pappdach. Eine Ausnahme bildete das Saalgebäude. Dieses war in Holzfachwerk mit Ziegelsteinausmauerung errichtet worden. Nach Kriegsende wurde das Lager als Quarantäneunterkunft für Umsiedler genutzt. Anfang 1947 war es mit ca. 200 Personen belegt. Die Baracken in Barth-Holz unterschieden sich also ganz wesentlich von denjenigen in Barth-Stein. Dort waren die Unterkünfte massiv gemauerte Gebäude, während die Baracken hier lediglich in Holzbauweise errichtet worden waren.

Nachdem Barth-Holz an die deutsche Selbstverwaltung übergeben worden war, änderte sich das Vokabular. Im offiziellen Schriftverkehr heißt es nun nicht Lager Barth-Holz, sondern es ist von Bereitschaftssiedlung oder Holzlager, auch der Begriff Umsiedlerlager wurde nun verwendet.
Wie nicht anders zu erwarten, traten auch im Lager Barth-Holz betreffs der Erhaltung der Gebäude immense Probleme auf. Hatte man doch schon bei der Planung und Errichtung der Baracken 1940 der Wertigkeit dieser Bausubstanz keine allzu große Bedeutung beigemessen. Hier wird nun ein Dilemma offenkundig, das die DDR während ihres ganzen Bestehens begleitete: Die niedrigen Mieten, die mit Gesetzeskraft auf dem Stand von 1938 eingefroren waren, standen in keinem gesunden Verhältnis zu den Ausgaben für die Instandhaltung und Instandsetzung der Gebäude. Ganz abgesehen von Modernisierung oder Verschönerung der Wohnungen und deren Umfeld.

Selbst wenn dann das erforderliche Geld verfügbar gewesen wäre, hätte es noch ein weiteres typisches DDR-Problem gegeben: Die Frage der Versorgung mit Materialien jeglicher Art.

Es gab unterschiedliche Auffassungen was die Zuständigkeiten in dem Lager anbelangte, insbesondere wenn es um die Beschaffung von Baumaterialien oder um finanzielle Belange ging. Dazu ein Aktenvermerk zu einer Beratung, an der die „Gen. Zornow und Gen. Steinhagen von der Stadtleitung der SED, Gen. Maß und Semlow von der KWU Stadt, Ge. Köppert von der Kreisleitung, Genn. Kladetzke, Bürgermeister“ teilgenommen hatten und folgende Erklärung an den Rat des Kreises Stralsund sandten:

Das Barackenlager stand bis Juli 1950 in Verwaltung des Rates des Kreises Stralsund.

Die Zustände in diesem Lager sind seit Jahren der Kreisverwaltung bekannt. Der szt. Kreisrat Wohlers Abt. Leiter Wegner und Knippert sowie andere Funktionäre der Kreisverwaltung haben es wiederholt besichtigt.

Nach Angaben des Gen. Semlow wurden für Rep. Arbeiten in diesem Lager für das Jahr 1950 6.000 DM eingeplant, die aber nicht für diese Zwecke verwandt worden sind.

Ende Juli hat die KWU Stadt Barth dieses Lager übernommen. Eine ordnungsgemäße Übergabe der Mietverhältnisse ist nicht erfolgt.

Mieteinnahmen bisher 1.050.- DM per 31.10.50

Ausgaben an Reparaturen 3.650.- DM.

In den Finanzplan der KWU für 1951 dürften die Instandsetzungskosten für die Wohnlagen ihren Niederschlag gefunden haben, so dass damit die Verbindung zum Haushaltsplan der Stadt bereits hergestellt und entsprechende Zuschüsse für das KWU bzw. verminderte Überschussablieferungen eingeplant sein dürften. Für das laufende Wirtschaftsjahr sind die gleichen Grundsätze anzuwenden. Sollten beim KWU Verluste ausgewiesen werden, so müssten die dafür erforderlichen Mittel nötigenfalls über- oder außerplanmäßig von der Stadt bereitgestellt werden. Die von uns im Kreishaushalt für 1950 vorgesehenen Unterhaltungskosten für Barth-Holz sind verbraucht, um die dringend notwendigen Reparaturen vorzunehmen. Selbst wenn hiervon noch Mittel vorhanden wären, könnten wir daraus keinerlei Zahlungen leisten, weil mit der Übertragung der Rechtsträgerschaft auch die Unterhaltsverpflichtung auf das KWU übergegangen ist. Mit irgendwelchen außerordentlichen Zuschüssen für die Unterhaltung der beiden Lager von dritter Seite ist nicht zu rechnen. Auch dem Ministerium für Finanzen stehen u.W. keine Gelder zur Verfügung.

Wir bedauern, Ihnen keinen anderen Bescheid geben zu können.

Handschriftliche Anmerkung im Barther Rathaus unter diesem Bescheid: „Damit ist schon eine Befürwortung des Kreditantrages gegeben, das heißt, dass der Kreis seine Zustimmung zu einer Minderabführung der Kreisumlage nicht versagen wird. Bei einem diesbezüglichen Antrag könnte man sich darauf berufen. (Sauter)“

Ob der Kreditantrag letztlich bewilligt wurde konnte nicht verlässlich festgestellt werden. Das große Problem der Material- und Geldbeschaffung wurde nun der Barther Grundstücksverwaltung zugeschoben. Dazu heißt es in einem Schreiben vom 6. November 1950 zu den beiden Wohnlagern Barth-Holz und Barth-Stein:

Laut Änderungsmitteilung vom 31.5.50 wurde uns die Rechtsträgerschaft vom Amt zum Schutze des Volkseigentums mit Wirkung vom 1.7.50 übertragen.

Barth-Holz

Am 15.7. beim Rat des Kreises Stralsund Abt. Sozialfürsorge rückgefragt, wann Übergabe stattfinden soll.

Am 19.7. wurde telefonisch der 21.7. vereinbart.

Die Übergabe wurde jedoch später auf den 28.7. verschoben.

Am 28.7. erfolgte die ordnungsgemäße Übergabe durch Herrn Kreisrat Krüger und den Leiter der Abt. Sozialfürsorge Herrn Wegner.

Es wurde uns u.a. die Überlassung von Freigabescheinen für die Beschaffung von 3.000 m² Dachpappe zugesichert, welche wir später auch erhielten. Auch die Dachpappe wurde im Laufe der nächsten Wochen ausgeliefert. Die Bezahlung erfolgte durch uns. Außerdem wurden uns 1.500 kg Teer ohne Berechnung überlassen.

Durch das gänzliche Fehlen von Klebemasse (auch die Beschaffung von Nägeln machte Schwierigkeiten) und die nur sehr langsame Anlieferung trotz aller Anstrengungen seitens unserer Einkaufsabteilung verzögerte sich natürlich die Ausführung der so notwendigen Dachdeckerarbeiten. Anfänglich sollte unser Baubetrieb diese Arbeiten ausführen. Einige Wochen später wurde aber wegen Mangel an Facharbeitern beschlossen, diese Arbeiten von Dachdeckermeister Kraushaar ausführen zu lassen.

Z.Zt. sind die Dächer der Wohnbaracken bis auf Geringfügigkeiten bereits in Ordnung gebracht.

Erschwerend kam immer wieder hinzu, dass bei dem dauernden Regenwetter in den letzten Wochen die Dachdeckerarbeiten nur sehr langsam vorangehen konnten. Ein besonderes Hindernis bildete immer wieder das Fehlen von Klebemasse.

Am 8.8.: Mein Bericht an die Direktion über die Verhältnisse bezüglich der Instandsetzungsarbeiten in Barth-Holz und über die hierzu erforderlichen Zuschüsse.

5.9.: Kraushaar nochmals schriftlich darauf hingewiesen, dass diese Arbeiten in Barth-Holz außerordentlich dringend sind und beschleunigt zu Ende geführt werden müssen.

29.8.: Unser Schreiben den Rat des Kreises Stralsund. Man möchte uns die hierfür

bewilligten 6.000.DM überweisen, da ja nun nicht mehr sie, sondern wir diese Arbeiten auszuführen haben.

8.9.: Antwort von der Sozialfürsorge Stralsund. Die Landesregierung hat angeblich die Bewilligung der Mittel zur Instandsetzung abgelehnt.

Nach der Übernahme wurden 3.000 m² Dachpappe für die Dachreparaturen freigegeben, jedoch keine Nägel und kein Klebstoff.

Dadurch wurden die Ausbesserungsarbeiten verzögert.

Bis auf eine Baracke ist inzwischen alles gedeckt worden.

Der Rest konnte infolge Materialschwierigkeiten (Beschaffung von Nägeln und Geldmangel) bisher nicht eingedeckt werden.

Im neuen Planjahr wurden uns trotz aller Bemühungen keine Mittel eingeplant für Grundstücksreparaturen der KWU-Betriebe.

Unser Vorschlag: Das Lager hat nur noch kurze Lebensdauer. Es wird notwendig sein, das Lager allmählich zu räumen und abzureißen. Dazu ist es notwendig, dass der Stadt Barth nicht anderweitig Leute zugewiesen werden.

Die Stadt Barth wird in diesem Falle sofort mit der allmählichen Räumung - dringendste Fälle - beginnen, die im Verlauf eines Jahres abgeschlossen sein kann.

Im Falle einer Sofortlösung müssen Mittel bereitgestellt werden und Material für den Ausbau der Steinbaracken in Barth-Stein. Diese Mittel sind bereits vom KWU Barth bei der Abt. Wirtschaft in Schwerin über die Kreisverwaltung Stralsund beantragt.

ca. 40.000 DM.“

Aus dem angestrebten Termin zur Räumung wurde allerdings nichts. Noch Ende der 1950er Jahre wohnten hier noch immer „Umsiedler“ genannte Heimatvertriebene und Flüchtlinge.

Die Stralsunder Kreisverwaltung reagierte und ließ zu den Arbeiten der Instandsetzungen der Baracken in Barth-Holz, aber auch in Barth-Stein, am 9. November 1950 das Rathaus in Barth wissen

... müssen wir Ihnen mitteilen, dass dem Kreise keinerlei Mittel zur Verfügung stehen, um einen Zuschuss zur Instandsetzung der beiden Wohnlager zu bewilligen. Der Zuschussbedarf dieser beiden Objekte muss zunächst aus den Erträgen des KWU bestritten werden.Etwa dadurch bedingte Verluste des KWU sind nach den haushaltsrechtlichen Vorschriften im Haushalt der Stadt Barth einzuplanen.

In den Finanzplan der KWU für 1951 dürften die Instandsetzungskosten für die Wohnlagen ihren Niederschlag gefunden haben, so dass damit die Verbindung zum Haushaltsplan der Stadt bereits hergestellt und entsprechende Zuschüsse für das KWU bzw. verminderte Überschussablieferungen eingeplant sein dürften. Für das laufende Wirtschaftsjahr sind die gleichen Grundsätze anzuwenden. Sollten beim KWU Verluste ausgewiesen werden, so müssten die dafür erforderlichen Mittel nötigenfalls über- oder außerplanmäßig von der Stadt bereitgestellt werden. Die von uns im Kreishaushalt für 1950 vorgesehenen Unterhaltungskosten für Barth-Holz sind verbraucht, um die dringend notwendigen Reparaturen vorzunehmen. Selbst wenn hiervon noch Mittel vorhanden wären, könnten wir daraus keinerlei Zahlungen leisten, weil mit der Übertragung der Rechtsträgerschaft auch die Unterhaltsverpflichtung auf das KWU übergegangen ist. Mit irgendwelchen außerordentlichen Zuschüssen für die Unterhaltung der beiden Lager von dritter Seite ist nicht zu rechnen. Auch dem Ministerium für Finanzen stehen u.W. keine Gelder zur Verfügung.

Wir bedauern, Ihnen keinen anderen Bescheid geben zu können.

Handschriftliche Anmerkung im Barther Rathaus unter diesem Bescheid: „Damit ist schon eine Befürwortung des Kreditantrages gegeben, das heißt, dass der Kreis seine Zustimmung zu einer Minderabführung der Kreisumlage nicht versagen wird. Bei einem diesbezüglichen Antrag könnte man sich darauf berufen. (Sauter)“

Ob der Kreditantrag letztlich bewilligt wurde konnte nicht verlässlich festgestellt werden. Das große Problem der Material- und Geldbeschaffung wurde nun der Barther Grundstücksverwaltung zugeschoben. Dazu heißt es in einem Schreiben vom 6. November 1950 zu den beiden Wohnlagern Barth-Holz und Barth-Stein:

Laut Änderungsmitteilung vom 31.5.50 wurde uns die Rechtsträgerschaft vom Amt zum Schutze des Volkseigentums mit Wirkung vom 1.7.50 übertragen.

Barth-Holz

Am 15.7. beim Rat des Kreises Stralsund Abt. Sozialfürsorge rückgefragt, wann Übergabe stattfinden soll.

Am 19.7. wurde telefonisch der 21.7. vereinbart.

Die Übergabe wurde jedoch später auf den 28.7. verschoben.

Am 28.7. erfolgte die ordnungsgemäße Übergabe durch Herrn Kreisrat Krüger und den Leiter der Abt. Sozialfürsorge Herrn Wegner.

Es wurde uns u.a. die Überlassung von Freigabescheinen für die Beschaffung von 3.000 m² Dachpappe zugesichert, welche wir später auch erhielten. Auch die Dachpappe wurde im Laufe der nächsten Wochen ausgeliefert. Die Bezahlung erfolgte durch uns. Außerdem wurden uns 1.500 kg Teer ohne Berechnung überlassen.

Durch das gänzliche Fehlen von Klebemasse (auch die Beschaffung von Nägeln machte Schwierigkeiten) und die nur sehr langsame Anlieferung trotz aller Anstrengungen seitens unserer Einkaufsabteilung verzögerte sich natürlich die Ausführung der so notwendigen Dachdeckerarbeiten. Anfänglich sollte unser Baubetrieb diese Arbeiten ausführen. Einige Wochen später wurde aber wegen Mangel an Facharbeitern beschlossen, diese Arbeiten von Dachdeckermeister Kraushaar ausführen zu lassen.

Z.Zt. sind die Dächer der Wohnbaracken bis auf Geringfügigkeiten bereits in Ordnung gebracht.

Erschwerend kam immer wieder hinzu, dass bei dem dauernden Regenwetter in den letzten Wochen die Dachdeckerarbeiten nur sehr langsam vorangehen konnten. Ein besonderes Hindernis bildete immer wieder das Fehlen von Klebemasse.

Am 8.8.: Mein Bericht an die Direktion über die Verhältnisse bezüglich der Instandsetzungsarbeiten in Barth-Holz und über die hierzu erforderlichen Zuschüsse.

5.9.: Kraushaar nochmals schriftlich darauf hingewiesen, dass diese Arbeiten in Barth-Holz außerordentlich dringend sind und beschleunigt zu Ende geführt werden müssen.

29.8.: Unser Schreiben den Rat des Kreises Stralsund. Man möchte uns die hierfür

bewilligten 6.000.DM überweisen, da ja nun nicht mehr sie, sondern wir diese Arbeiten auszuführen haben.

8.9.: Antwort von der Sozialfürsorge Stralsund. Die Landesregierung hat angeblich die Bewilligung der Mittel zur Instandsetzung abgelehnt.

Nach der Übernahme wurden 3.000 m² Dachpappe für die Dachreparaturen freigegeben, jedoch keine Nägel und kein Klebstoff.
Dadurch wurden die Ausbesserungsarbeiten verzögert. Bis auf eine Baracke ist inzwischen alles gedeckt worden.
Der Rest konnte infolge Materialschwierigkeiten (Beschaffung von Nägeln und Geldmangel) bisher nicht eingedeckt werden. Im neuen Planjahr wurden uns trotz aller Bemühungen keine Mittel eingeplant für Grundstücksreparaturen der KWU-Betriebe.
Unser Vorschlag: Das Lager hat nur noch kurze Lebensdauer. Es wird notwendig sein, das Lager allmählich zu räumen und abzureißen. Dazu ist es notwendig, dass der Stadt Barth nicht anderweitig Leute zugewiesen werden. Die Stadt Barth wird in diesem Falle sofort mit der allmählichen Räumung - dringendste Fälle - beginnen, die im Verlauf eines Jahres abgeschlossen sein kann.
Im Falle einer Sofortlösung müssen Mittel bereitgestellt werden und Material für den Ausbau der Steinbaracken in Barth-Stein. Diese Mittel sind bereits vom KWU Barth bei der Abt. Wirtschaft in Schwerin über die Kreisverwaltung Stralsund beantragt, ca. 40.000 DM.
Es ist bezeichnend, dass uns von der Kreisverwaltung durch das Amt zum Schutze des Volkseigentums wohl das Lager Barth-Holz und ähnliche Objekte wie z. B. Barth-Stein übergeben wurden während einige neu gebaute Straßenzüge mit Massivwohnblocks, z. B. Lohmühlenweg, Hölzener Kreuzweg und Grüner Weg die Kreisverwaltung behalten hat, da sie rentabel sind."

Die Grundstücksverwaltung für die Wohnlager Barth-Stein und Barth-Holz äußerte im November 1950 in einem Schreiben ihren Unmut über eine unbefriedigende Versorgung mit benötigtem Material für ein Barther Dachdeckerunternehmen, das mit Reparaturen im Lager beauftragt worden war:

Laut Änderungsmitteilung vom 31.5.50 wurde uns die Rechtsträgerschaft für das Lager Barth-Holz vom Amt zum Schutze des Volkseigentums mit Wirkung vom 1.7.50 übertragen.
Am 15.7. beim Rat des Kreises Stralsund Abt. Sozialfürsorge rückgefragt, wann Übergabe stattfinden soll.
Am 19.7. wurde telefonisch der 21.7. vereinbart.
Die Übergabe wurde jedoch später auf den 28.7. verschoben.
Am 28.7. erfolgte die ordnungsgemäße Übergabe durch Herrn Kreisrat Krüger und den Leiter der Abt. Sozialfürsorge Herrn Wegner.
Es wurde uns u.a. die Überlassung von Freigabescheinen für die Beschaffung von 3.000 m² Dachpappe zugesichert, welche wir später auch erhielten. Auch die Dachpappe wurde im Laufe der nächsten Wochen ausgeliefert. Die Bezahlung erfolgte durch uns. Außerdem wurden uns 1.500 kg Teer ohne Berechnung überlassen.
Durch das gänzliche Fehlen von Klebemasse (auch die Beschaffung von Nägeln machte Schwierigkeiten) und die nur sehr langsame Anlieferung trotz aller Anstrengungen seitens unserer Einkaufsabteilung verzögerte sich natürlich die Ausführung der so notwendigen Dachdeckerarbeiten. Anfänglich sollte unser Baubetrieb diese Arbeiten ausführen. Einige Wochen später wurde aber wegen Mangel an Facharbeitern beschlossen, diese Arbeiten von Dachdeckermeister Kraushaar ausführen zu lassen.
Z.Zt. sind die Dächer der Wohnbaracken bis auf Geringfügigkeiten bereits in Ordnung gebracht.
Erschwerend kam immer wieder hinzu, dass bei dem dauernden Regenwetter in den letzten Wochen die Dachdeckerarbeiten nur sehr langsam vorangehen konnten. Ein besonderes Hindernis bildete immer wieder das Fehlen von Klebemasse.“

 Da die Angelegenheit mit fehlender Klebemasse wiederholt auch in weiteren Schreiben erwähnt wird, war das demnach wohl ein grundsätzliches Problem jener Zeit. Hinzu kamen Streitigkeiten, wer denn nun eigentlich für die erforderlichen Finanzen zuständig sei:
„Am 8.8.1950
mein Bericht an die Direktion über die Verhältnisse bezüglich der Instandsetzungsarbeiten in Barth-Holz und über die hierzu erforderlichen Zuschüsse.
5.9. Kraushaar nochmals schriftlich darauf hingewiesen, dass diese Arbeiten in Barth-Holz außerordentlich dringend sind und beschleunigt zu Ende geführt werden müssen.
29.8. Unser Schreiben an den Rat des Kreises Stralsund. Man möchte uns die hierfür bewilligten 6.000.DM überweisen, da ja nun nicht mehr sie, sondern wir diese Arbeiten auszuführen haben.
8.9. Antwort von der Sozialfürsorge Stralsund. Die Landesregierung hat angeblich die Bewilligung der Mittel zur Instandsetzung abgelehnt.“

Und weiter geht es am 9. November 1950 mit folgendem Schreiben vom Rat des Kreises Stralsund an das KWU der Stadt Barth.
"Der Rat des Kreises Stralsund, Dez. Finanzen Tribseer Damm 1 a
An das Kommunalwirtschaftsunternehmen der Stadt Barth in Barth Teergang 2
Betr.: Instandsetzung der Baracken in Barth-Holz und Barth-Stein
Bezug: Dortiges Schreiben vom 27. Oktober1950
auf Ihr obiges Schreiben müssen wir Ihnen mitteilen, dass dem Kreise keinerlei Mittel zur Verfügung stehen, um einen zuschuss zur Instandsetzung der beiden Wohnlager zu bewilligen. Der
Zuschussbedarf dieser beiden Oblekte muss zunächst aus den Erträgen des KWU bestritten werden.Etwa dadurch bedingte Verluste des KWU sind nach den haushaltsrechtlichen Vorschriften im Haushalt der Stadt Barth einzuplanen.
In den Finanzplan der KWU für 1951 dürften die Instandsetzungskosten für die Wohnlager ihren Niederschlag gefunden haben, so dass damit die Verbindung zum Haushaltsplan der Stadt bereits hergestellt und entsprechende Zuschüsse für das KWU bzw. verminderte Überschussablieferungen eingeplant sein dürften. Für das laufende Wirtschaftsjahr sind die gleichen Grundsätze anzuwenden. Sollten beim KWU Verluste ausgewiesen werden, so müssten die dafür erforderlichen Mittel notigenfalls über- oder außerplanmäßig von der Stadt bereitgestellt werden. Die von uns im Kreishaushalt für 1950 vorgesehenen Unterhaltungskosten für Barth-Holz sind verbraucht, um die dringend notwendigen Reparaturen vorzunehmen. Selbst wenn hiervon noch Mittel vorhanden wären, könnten wir
daraus keinerlei Zahlungen leisten, weil mit der Übertragung der Rechtsträgerschaft auch die Unterhaltsvepflichtung auf das KWU übergegangen ist. Mit irgendwelchen außerordentlichen Zuschüssen für die Unterhaltung der beiden Lager von dritter Seite ist nicht zu rechnen. Auch dem Ministerium für Finanzen stehen u.W. keine Gelder zur Verfügung.
Wir bedauern, Ihnen keinen anderen Bescheid geben zu können.
Der Rat des Kreises Stralsund
Dezernat Finanzen“.
(Handschriftliche Anmerkung vom KWU:
"Damit ist schon eine Befürwortung des Kreditantrages gegeben, das heißt, dass der Kreis seine Zustimmung zu einer Minderabführung der Kreisumlage nicht versagen wird. Bei einem diesbezüglichen Antrag könnte man sich darauf berufen. Sauter").
Das Lager wurde erst in den 1960er Jahren abgerissen. So lange wohnten dort Heimatvertriebene und Aussiedler. Einige der Bewohner sollen sich gesträubt haben, nach Barth-Stein umgesiedelt zu
werden, was jedoch keinen Erfolg hatte.

 

XI.

Was Opa Krischan über das Lager zu erzählen weiß

Ein älterer Einwohner Tannenheims ließ sich auf ein Gespräch über Barth-Stein und Barth-Holz ein. Er heißt Christian, von seiner Urenkelin Finja Opa Krischan genannt. Finja spielt in meinem Beitrag „Finja, Trixie und der Kobesstein“ eine Rolle. Da er bis 1953 im Bahnhof Tannenheim wohnte, wusste er so einiges zu erzählen aus jener Zeit, als die beiden Bereitschaftslager von der PIW genutzt wurden und das längst verschwundene „Kurhaus Tannenheim“ noch stand. Inzwischen ist er längst Rentner und wohnt in Tannenheim. Krischan erzählte einiges zur Geschichte der Siedlung. Er wusste über die Menschen zu erzählen, die bis Kriegsende im Mai 1945 in Barth-Holz lebten. Es waren Häftlinge, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus Osteuropa, aber auch Italiener waren darunter. Sie mussten in der Munitionsfabrik Pommersche Industriewerke GmbH (PIW) arbeiten.

Zur Arbeit in der Fabrik fuhren die Beschäftigten, die aus Barth und der weiteren Umgebung kamen, mit der Reichsbahn, auch als Darßbahn bekannt, zunächst bis nach Tannenheim. Hier am Kilometer 16,4 der Darßbahn gab es für die Einheimischen einen Abzweig für die private Werkbahn der PIW. Laut Fahrplan von 1943 fuhren die Züge ab Barth zur Fabrik werktags um 5:28 Uhr und 7:10 Uhr, sowie ab PIW nach Barth-Tannenheim um 12:13 Uhr, 17:16 Uhr und 18:23 Uhr.

Das eigens für die Werkbahn errichtete Bahnhofsgebäude und der Bahnsteig waren von einem Zaun umgeben. Der Bahnsteig reichte bis kurz an den Weg zum Gut Planitz heran. Hier stand bis in die 1960er Jahre ein so genannter Ein-Mann-Bunker. Er diente wohl der Kontrolle und Aufsicht über die Zwangsarbeiter aus Barth-Holz. An dieser Stelle passierten sie nämlich eine in den Zaun eingelassene Pforte, um getrennt von den deutschen Fahrgästen in den Zug einzusteigen. Meinem Einwand, dass in verschiedenen Veröffentlichungen von Fußmärschen der Barth-Holzer zur PIW berichtet werde, widersprach Krischan aber.

Folgt man den Darstellungen in den angesprochenen Publikationen, so waren die Insassen des Lagers Barth-Holz übler dran als die anderen Fahrgäste der Werkbahn. Sie durften den Zug angeblich nicht benutzen, sondern mussten ihren Weg zur Arbeitsstätte PIW zu Fuß zurücklegen, immerhin etwa drei Kilometer. Angaben zu Todesfällen unter diesen Zwangsarbeitern seien nicht zu ermitteln, schreibt zum Beispiel die Bartherin Frau Helga Radau. Doch die miserable Verpflegung und unzureichende Versorgung mit Bekleidung würden es nahlegen, dass es unter diesen Beschäftigten, besonders in der Winterzeit, zu Todesfällen gekommen sein könnte.

 

XII.

Amt zum Schutze des Volkseigentums

Vielleicht noch etwas zum vorgenannten „Amt zum Schutze des Volkseigentums“.

Die SMAD ordnete mit dem SMAD-Befehl Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 und dem Befehl 126 vom 31. Oktober 1945 die Beschlagnahme des Vermögens des Deutschen Staates und seiner Organe, der Amtsleiter der NSDAP, der führenden Mitglieder und Anhänger der NSDAP, der faschistischen Wehrmacht, des Vermögens der NSDAP, ihrer Gliederungen, der ihr angeschlossenen Verbindungen usw. an.

Nach der Beendigung des Sequesterverfahrens durch den SMAD-Befehl Nr. 64 vom 17. April 1948 wurde das Amt für Angelegenheiten der Sequestrierung und Beschlagnahme aufgelöst.

Zur Sicherung und Nutzung der in Volkseigentum überführten Betriebe und Vermögen wurde mit Beschluss der DWK vom 5. Mai 1948 ein Ausschuss zum Schutze des Volkseigentums eingerichtet.“

Unter Punkt 8 des genannten Befehls von Marschall der Sowjetunion G. Shukow ist festgelegt: „Ich mache alle Ämter, Organisationen, Firmen und Unternehmen sowie alle Privatpersonen, in deren Nutzung sich das in den Punkten 1 und 2 aufgezählte Eigentum befindet, darauf aufmerksam, daß sie die volle Verantwortung für dessen Erhaltung und die Sicherung einer reibungslosen Ausnutzung dieses Eigentums, entsprechend seiner wirtschaftlichen Bestimmung tragen.“

 

XIII.

Reichsarbeitsdienst im Kreis Franzburg-Barth

In Barth-Stein lebten nicht nur dienstverpflichtete Männer der Pommerschen Industriewerken PIW, auch junge Frauen lebten hier für eine begrenzte Dauer. Es handelte sich dabei um Frauen, sogenannte „Arbeitsmaiden“, die für den Reichsarbeitsdienst einberufen worden waren. Sie wohnten in den Baracken im östlich des „Platz der Gemeinschaft“ gelegenen Teil des Bereitschaftslagers.

Unmittelbar nach Kriegsbeginn wurde die Arbeitsdienstpflicht für Frauen eingeführt. Das hatte zwei Gründe: Zum einen war es dem Reichsarbeitsführer des RAD, Hierl, gelungen, Hitler vom ideologischen, erzieherischen und auch praktischen Wert des Reichsarbeitsdienstes weibliche Jugend (RADwJ) zu überzeugen, zum andern hatte er darauf verzichtet, alle pflichtjahrpflichtigen Mädchen auch zum RADwJ heranziehen zu wollen, und sich darauf beschränkt, Ledige im Alter von 17 bis 25 Jahren, die nicht voll berufstätig sind, nicht in beruflicher oder schulischer Ausbildung stehen und nicht als mithelfende Familienangehörige in der Landwirtschaft dringend benötigt werden, für arbeitsdienstpflichtig zu erklären. […]

Am 1. Oktober 1939 rückte das erste Kontingent arbeitsdienstpflichtiger Frauen in Deutschland in die Lager des RADwJ ein. Um die Sollstärke von 100 000 möglichst schnell zu erreichen, verschob Hierl darüber hinaus bis auf weiteres die Entlassung der bereits im Arbeitsdienst befindlichen Arbeitsmaiden, die normalerweise am 30. September 1939 stattgefunden hätte.“ (Institut für Zeitgeschichte)

Als das Bereitschaftslager Barth-Stein 1940 auf den Reißbrettern des Berliner „Bauatelier Prof. Ernst Neufert“ Gestalt annahm, waren insgesamt vierzehn Baracken, Mannschaftsbauten genannt, für den Bau geplant. Vorausschauend jedoch wurde am östlichen Rand des Lagers ein Gelände für zwei weitere, eventuell später noch zu errichtende Baracken, reserviert. Diese wurden dann auch gebaut, vermutlich waren das die Unterkünfte für die Arbeitsmaiden des Reichsarbeitsdientes.

Betrug die Dienstdauer im RAD vor dem Krieg noch ein halbes Jahr, so wurde sie nun auf zwölf Monate ausgeweitet. Der Entlassungsschein der Ilse D. belegt das:

Reichsarbeitsdienst-Entlassungsschein. Ilse D., geb. am 3.3.24 in Stargard i.Pommern.

Ilse D. War vom 28.10.42 bis 28.10.43 im Reichsarbeitdienst. Sie wurde am 28.10. nach Stargard i. Pommern entlassen. Sie hat für den 28.10. Taschengeld, sowie bis einschließlich 31.10. Verpflegungsgeld erhalten. Ilse D. Ist im Besitz einer Seifen – Kleiderkarte.

Ausgestellt in Barth-Stein am 28.10.43 durch den Kriegsdienst des Reichsarbeitsdienstes.

Was man sich wohl unter Seifen-Kleiderkarte vorzustellen vermag? Eine Lebensmittelkarte, zu jener Zeit überlebenswichtig, wurde Ilse D. nicht ausgehändigt.

Der Reichsarbeitsdienst (RAD) war eine Organisation im nationalsozialistischen Deutschen Reich. Das Gesetz für den Reichsarbeitsdienst wurde am 26. Juni 1935 erlassen. § 1 (2) lautete: „Alle jungen Deutschen beiderlei Geschlechts sind verpflichtet, ihrem Volk im Reichsarbeitsdienst zu dienen.“ § 3 (1) lautete: „Der Führer und Reichskanzler bestimmt die Zahl der jährlich einzuberufenden Dienstpflichtigen und setzt die Dauer der Dienstzeit fest.“ Zunächst wurden junge Männer (vor ihrem Wehrdienst) für sechs Monate zum Arbeitsdienst einberufen. Vom Beginn des Zweiten Weltkrieges an wurde der Reichsarbeitsdienst auf die weibliche Jugend ausgedehnt. Der Reichsarbeitsdienst war ein Bestandteil der Wirtschaft im nationalsozialistischen Deutschland und ein Teil der Erziehung im Nationalsozialismus.

Michaelsdorf als Vorreiter im Kreis Franzburg-Barth

Die Verwirklichung des Arbeitsdienstes entsprang dem Wollen des Führers: Einmal in seinem Leben soll jeder Deutsche mit seiner Hände Arbeit beweisen und erleben, daß er sich in die Gemeinschaft der Schaffenden fügt. Daß die Ehre und die Arbeit des Handarbeiters nicht minderwertig, sondern gleichwertig mit jeder anderen Arbeit ist. In der Gemeinschaft des Lagers wird der Nationalsozialismus verwirklicht.

Da ein freiwilliger Arbeitsdienst dieses Ziel nicht erreichen konnte, weil er zwangsläufig nicht alle erfasste, schuf Hitler mit dem Gesetz von 26. Juni 1935 den Reichsarbeitsdienst und mit ihm die Arbeitsdienstpflicht.

Der Arbeitsdienst „wurde in Verbindung mit der Weltwirtschaftskrise, insbesondere für Jugendliche beiderlei Geschlechts, als Freiwilliger Arbeitsdienst 1931/32 eingeführt. Im Zuge der Errichtung des NS-Regimes nach 1933 zwang die Reichsregierung mit dem Reichsarbeitsdienstgesetz vom 26. Juni 1935 jeden Jugendlichen - unabhängig vom Geschlecht - zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr gemeinnützige Arbeiten zu verrichten. Dieser Dienst wurde vorläufig auf ein halbes Jahr festgelegt. Ziel des Reichsarbeitsdienstes (RAD) war gemäß Gesetz, die deutsche Jugend im Geiste des Nationalsozialismus zur Volksgemeinschaft und zur wahren Arbeitsauffassung, vor allem zur gebührenden Achtung der Handarbeit erziehen. Ebenso wichtig wie dieser ideologische Anspruch war jedoch die Senkung der Arbeitslosenzahlen und die Aufrüstung. Die deutsche Jugend sollte kriegsfähig gemacht werden. Dazu arbeitete sie an der Urbarmachung von Land, am Straßenbau, in der Landwirtschaft und im Aufbau militärischer (Abwehr-) Anlagen wie dem Westwall. Die Arbeitsmänner und Arbeitsmaiden waren in eigenen RAD-Lagern untergebracht.

Der RAD hatte vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 unter dem Decknamen „Verein für Umschulung freiwilliger Arbeitskräfte“ einen Vorläufer. Im Herbst 1932 wurde Michaelsdorf der erste Ort im Kreis Franzburg-Barth, in dem ein solcher „Verein“ aktiv wurde. Derartige Vereine gab es schon Jahre früher. So wurde zum Beispiel ein solcher bereits im Oktober 1931 in Berlin gegründet. Den Verein in Michaelsdorf hatten altgediente Nationalsozialisten gegründet, die über eine entsprechende Ausbildung, die sie in Hammerstein erhalten hatten,verfügten. Gegen unzählige Widerstände erfüllten diese Männer, die überall auf einsamen Posten standen, die Idee des nationalsozialistischen Arbeitsdienstes mit Leben. Neben der Aufgabe, Deicharbeiten und Entwässerungen durchzuführen, stand die Erziehungsaufgabe, das heißt, die Vermittlung nationalsozialistischen Gedankengutes. Die NSDAP zeigte aber wenig Interesse am Arbeitsdienst.

Die Erfolge der durchgeführten Arbeiten waren aber ganz offensichtlich. Seit Herbst 1932 haben die bei Demmin eingesetzten Abteilungen viele Werte geschaffen. Randsiedlung, Erschließung des Geländes durch Anlegen von Wirtschaftswegen, Entwässerungsarbeiten, Räumungs- und Regulierungsarbeiten sind nur einige der vielen durchgeführten Arbeiten.

Mit der Machtübernahme 1933 verschwanden alle Arbeitslager, um den Gedanken des Arbeitsdienstes zu verwässern. Der Grund dafür war, dass die SA im RAD einen Konkurrenten sah. Die Führung der SA wollte einen eigenen Arbeitsdienst aufbauen, der als Gegenstück zu den bestehenden NSDAP-Lagern des RAD auftreten sollte. Diese schon sehr frühzeitig erkennbare Konkurrenz zwischen der NSDAP und der SA fand letztlich ihren dramatischen Höhepunkt in der Ermordung des SA-Führers Ernst Röhm und der Führungsspitze der SA im Jahr 1934.

Mit dem 1. August 1933 war die NSDAP die allen berufene Organisation, den Arbeitsdienst nach den Weisungen des Führers durchzuführen.

Die zu „Pommern-West“ gehörende RAD-Gruppe 53 mit ihren 7 Abteilungen, bisheriger Sitz in Demmin, verlegte ihren Stab nach Stralsund. Jede Abteilung der Gruppe 53 erhielt einen Ehrennamen, der die Arbeitsmänner an große Männer oder bedeutende Ereignisse der deutschen Geschichte gemahnt. Durch diese lebendige Pflege einer großen Überlieferung und durch das Erlebnis des Arbeitsdienstes, in dem jeder in der Gemeinschaft denkt und fühlt, erkennt der Arbeitsmann seine Aufgabe für die Zukunft seines Volkes. Er wird durch den Arbeitsdienst Kämpfer für Volk und Führer.

Abteilung 1/53 „Major Schill“, Demmin

Abteilung 2/53 „ Schwedenkönig Karl XII.“, Demmin

Abteilung 3/53 „Bertram Wulflam“, Richtenberg

Abteilung 4/53 „Ernst Moritz Arndt“, Lietzow

Abteilung 5/53 „Eduard von Jachmann“, Franzburg

Abteilung 6/53 „Hochkirch“, Ummanz

Abteilung 7/53 „Rudolf Windisch“, Ummanz.

Eine Pflichtarbeit kann niemals aus der Freiwilligkeit eines Menschen entspringen, das macht schon der Begriff „Pflicht“ deutlich. Und dennoch argumentierte die NS-Propaganda mit dem Gegenteil, die Dienstpflicht ließe sich niemals notverordnen, sondern sie müsse aus dem innersten Bewusstsein des Volkes entspringen. „Der Arbeitsdienst ist eine Bewegung!“ behauptete ein führender Mitarbeiter des Arbeitsdienstes, dessen Chef Oberst a. D. Konstantin Hierl war. „Er ist eine Bewegung, entsprungen den Wurzeln wie der Nationalsozialismus und deshalb ein Teil von ihm, ein Glied eines größeren Körpers, das das gleiche Blut durchpulst, mit ihm verbunden auf Gedeih und Verderb.“

Dabei konstatierte Hitler doch, dass ein freiwilliger Arbeitsdienst dieses Ziel nicht erreichen konnte, und er genau deshalb 1935 das Gesetz zum Reichsarbeitsdienst erlassen hatte und damit die Arbeitsdienstpflicht einführte.

 

IVX.

Zwangsarbeit im NS-Staat

Das Reichssicherheitshauptamt veranlasste, dass gleich nach der Besetzung Polens deutsche Dienststellen der Arbeitsämter eingerichtet wurden. In Zusammenarbeit mit der Wirtschaft sollten hier ausländische Arbeitskräfte als Freiwillige angeworben werden. Arbeitskräfte wurden aber auch gewaltsam nach Deutschland gebracht, denn "mit den Kriegsgefangenen allein konnte der durch Einberufungen zur Wehrmacht verursachte Mangel an deutschen Arbeitern nicht aufgefangen und der rasant steigende Arbeitskräftebedarf der deutschen Kriegswirtschaft nicht gedeckt werden.

Durch Verordnungen und Vertragsbedingungen in ihren Rechten beschnitten, durch falsche Versprechungen getäuscht, in schlechten Baracken und Lagern bei vielfach ungenügender Ernährung untergebracht und an der Rückkehr in ihre Heimat gehindert, arbeiteten zwischen 1939 und 1945 mehr als 12 Millionen Frauen und Männer aus allen Teilen Europas im Deutschen Reich. Als Menschenmaterial für die Produktion in der Rüstungsindustrie, der Landwirtschaft und in Versorgungsbetrieben missbraucht, wurden sie zu Zwangsarbeitern der Deutschen.

Die meisten von ihnen kamen aus Polen, Weißrussland, Russland und aus der Ukraine."

Anfangs waren "die Zahlen derjenigen, die sich für den Reichseinsatz freiwillig meldeten, überraschend hoch. Viele ließen sich von der deutschen Propaganda täuschen, die ausländischen Arbeitskräften ein angenehmes Leben ohne Mangel in Deutschland vorgaukelte. Zugleich wurden die Lebensmittelrationen in den Ostgebieten unter das Existenzminimum reduziert, so dass mit der Zeit Hunderttausende in ihren fruchtbaren Heimatländern verhungerten. Für viele war der Transport ins Reich dadurch um so mehr mit der Hoffnung verknüpft, nicht nur selbst zu überleben, sondern auch die Angehörigen von ferne unterstützen zu können. Die ersten Mitteilungen über die Verhältnisse am deutschen Arbeitsort und der Anblick der ersten arbeitsunfähig aus Deutschland Zurücktransportierten ließen jede Euphorie noch während des ersten Besatzungsjahres sehr schnell verfliegen. Ohnehin hatten die zuständigen deutschen Stellen von vornherein die Anwendung von Zwangsmaßnahmen nicht nur für erforderlich gehalten, sondern als angemessen vorgesehen." (1)

Diese Zwangsmaßnahmen sahen teilweise so aus, dass die deutschen Besatzer immer häufiger mit Terrorakten Aushebungen vollzogen. "Es wurden selbst Passanten auf offener Straße, Teilnehmer von Festen und Gottesdienstbesucher ergriffen und zu den Sammelstellen gebracht. Gemeinden, die den Gestellungsbefehlen nicht Folge leisteten, hatten mit drakonischen Strafexempeln zu rechnen, die bis zum Niederbrennen ganzer Ortschaften führen konnten. [... ] Im Sommer 1942 wurde zusätzlich für alle Jugendlichen aus der Ukraine zwischen 18 und 20 Jahren ein zweijähriger Pflichtdienst im Reich eingeführt. Kaum mit dem Nötigsten versehen, wurden die rekrutierten Kinder, Frauen und Männer mit Güterzügen in Durchgangslager im Reich gebracht, von wo sie ihren Einsatzorten und -betrieben zugeführt wurden.

Eines der größten Probleme stellte für die Ostarbeiter ihre in vielen Fällen extrem schlechte Ernährung im Reich dar."

"In den Lager- und Betriebskantinen wurden sie nur äußerst unzureichend verpflegt; ohne Lebensmittelmarken konnten sie von ihrem geringen Lohn nichts zu Essen kaufen und litten ständig Hunger. Die wenigen nach der oft 12-stündigen Arbeitsschicht verbleibenden Stunden Freizeit nutzten sie zunächst, um ihr Überleben zu sichern. Sie versuchten auf dem Schwarzmarkt Brot zu erstehen oder putzten – gegen ein Mittagessen – für eine deutsche Familie. Damit konnten sich auch ärmere Deutsche ein Dienstmädchen oder einen Bauarbeiter ins Haus holen – wortwörtlich für ein Butterbrot. [... ]

Viele Frauen litten unter zusätzlichen Schikanen und Gewalttätigkeiten.

Trotz Repression, Denunziation, Orientierungslosigkeit und der verheerenden Lebensbedingungen in der besetzten und ausgeplünderten Heimat versuchten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter immer wieder zu fliehen; auch gab es Ansätze zu Widerstand und Sabotage. Ohne juristische Einspruchsmöglichkeiten und allein schon bei Verdacht auf diese Delikte konnten sie im Extremfall in Konzentrationslager eingewiesen oder gar hingerichtet werden. Im Falle von "Bummelei" oder Arbeitsverweigerung drohten die berüchtigten Arbeitserziehungslager."

Zur Situation der Ernährung der in den Pommerschen Industriewerken GmbH (PIW) Barth eingesetzten und im Lager Barth-Holz untergebrachten Zwangsarbeiter, Ostarbeiter und Kriegsgefangenen blieben meine Recherchen erfolglos.

"Wie die Polen, wurden auch die Ostarbeiter äußerlich kenntlich gemacht. Auf der linken Brustseite hatten sie ein angenähtes blaues Rechteck mit der weißen Aufschrift "OST" zu tragen."

Doch nicht nur aus dem osteuropäischen Raum rekrutierte man Zwangsarbeiter, auch noch aus zahlreichen anderen europäischen Ländern gelangten Zivilarbeiter und Kriegsgefangene nach Deutschland.

"Eine besondere Stellung nehmen dabei die Italiener ein, deren bevorzugte Behandlung als Gastarbeiter aus einem verbündeten Führerstaat sich ins Gegenteil verkehrte, als Mussolini 1943 gestürzt wurde und Italien kapitulierte. Die im deutschen Einflußbereich stehenden etwa 600.000 italienischen Soldaten wurden, sofern sie nicht auf deutscher Seite weiterkämpfen wollten, als Kriegsgefangene genommen und mit schweren und unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen konfrontiert. Schon bald darauf wurden ca. 450.000 dieser so genannten "Militärinternierten" zwangsweise in den Status von zivilen Arbeitskräften überführt. Dadurch erhielten sie zwar mehr Rechte, fielen aber auch aus dem Schutz der Genfer Konvention für Kriegsgefangene."

VX.

Die Ostarbeiterin aus der Ukraine in Ahrenshagen

Anknüpfend an den obigen Abschnitt "Zwangsarbeit im NS-Staat" hier ein paar ergänzende Zeilen zum Thema Zwangsarbeit im Dritten Reich am Beispiel einer jungen Frau. Sie wurde einst aus ihrem ukrainischen Heimatdorf Jawkino, zwischen dem Asowschen und dem Schwarzen Meer gelegen, nach Franzburg-Barth verschleppt. Das Arbeitsamt Barth hat sie nach Ahrenshagen vermittelt, wo die Jugendliche zwangsweise als Ostarbeiter Dienst tun musste. In ihrem Arbeitsbuch wird als Herkunftsland nicht Ukraine, sondern lediglich "Besetzte Ostgebiete" angegeben. Ihren Namen verschweigt das Arbeitsbuch ebenfalls. Ich nenne sie deshalb "Maria Petrakowa".

Schaut man sich das Passfoto an, so könnte man meinen, Maria sei noch ein Kind. Ihre Augen drücken eine große Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit aus. Wie sollte es auch anders sein, wenn man in so jungen Jahren mit Zwang von den Eltern, Geschwistern, Schulkameraden, Spielgefährten und womöglich von einem geliebten jungen Freund getrennt wurde? Wenn man die vertraute heimatliche Umgebung verlassen musste und in ein völlig fremdes, weit entferntes Land verschleppt wurde?

Bleibt zu hoffen, dass Maria in Ahrenshagen in eine verständnisvolle Familie gekommen ist, die sie nicht nur als billige Arbeitskraft, aus einer minderwertigen slawischen Rasse stammend, verstanden hat.

Die Eintragungen in dem Arbeitsbuch dieser jungen Frau, die zur Zwangsarbeit in Ahrenshagen in einem für sie völlig fremden Land verpflichtet worden war, werfen ein bezeichnendes Licht auf die menschenverachtende Strategie des NS-Systems.
Am 13. März 1943 wichen die deutschen Truppen über den Fluss Ingulez in Richtung Bersnegowatajo zurück. Bei Jawkino, dem Heimatort unserer namenlosen Ostarbeiterin, versuchte das 6. Pionier-Bataillon eine Brücke zu sichern. Dadurch gelang es der Division, die Brücke bei Jawkino zu überqueren. Der Ort Jawkino liegt in der Ukraine, unweit des Asowschen Meeres. Eine bekannte, in der Gegend liegende Stadt ist Saporoshje.

Den Namen dieser Ostarbeiterin sucht man in ihrem Ausweis vergebens. Stattdessen ist auf dem Passfoto lediglich eine Nummer angegeben. Ihr Heimatland? Wird ebenfalls anonym gehalten. Da steht einfach nur „Besetzte Ostgebiete“. Staatsbürgerschaft? In welchem Staat war die junge Frau vor ihrer Verschleppung zu Hause? Da liest man: „Ungeklärt, Ostarbeiterin“. Obwohl dem Stralsunder Arbeitsam sowohl der Geburtsort, als auch der Heimatkreis bekannt war.  

Iwan Petrakow, vermutlich der Vater der jungen Frau aus Jarvkino im Kreis Bastanka, wäre „in besonderen Fällen zu benachrichtigen“ gewesen
Alle Angaben zur Person waren also bekannt, aber für das Arbeitsamt und andere deutschen Behörden war die junge Frau eben kein Mensch sondern nur eine in den Akten zu registrierende Nummer.

Ein Mensch, der einmal zur See gefahren ist, kennt das Gefühl der Heimweh. Er ist aber freiwillig fern der Heimat unterwegs. Meistens sind es Landsleute, mit denen er seinem Dienst nachgegeht. Auch steht ihm die Möglichkeit offen, jederzeit vom Schiff abzumustern und an Land bei seiner Familie zu Hause zu bleiben.

Soziologisch gesehen, richtet sich Heimweh auf verlorene Gemeinschaften, vor allem während der Kindheit. Aber auch im Erwachsenenalter tritt Heimweh auf, wenn der Einzelne sich (‚in der großen Stadt‘, ‚unter lauter Fremden‘ usw.) vereinsamt fühlt. […] Der Verlust vertrauter Umgebung wird als sehr schmerzhaft empfunden, der Betroffene sucht eine Besserung durch die Rückkehr in seine als sicher empfundene Heimat.“ (Wikipedia)

Die „Ostarbeiterin“ war jedoch nicht freiwillig nach Deutschland gekommen. Sie wusste auch nicht, ob und wann sie ihre Heimat und ihre Angehörigen wiedersehen wird. Eine solche Ungewissheit muss für einen jungen Menschen unerträglich sein und ihn verzweifeln lassen. Mancher „Arbeitgeber“ in der fremden Heimat hat sich den „Ostarbeitern“ sicherlich menschlich verhalten, aber es sind leider auch gegenteilige Schicksale bekannt.

Bei der Entlohnung wurde theoretisch von den Lohnsätzen vergleichbarer deutscher Arbeiter ausgegangen, doch wurden die Löhne stark besteuert, sowie Kost und Logis und weitere Kosten abgezogen. Bei den Ostarbeitern wurde eine Abgabe für die Arbeitgeber eingeführt, diese Ostarbeiterabgabe entsprach der Lohndifferenz zu deutschen Arbeitern und sollte Entlassungen von deutschen Arbeitern zugunsten billiger Ostarbeiter verhindern. Die stets in geschlossenen Barackenlagern untergebrachten Ostarbeiter erhielten oft ein nur in ihrem Lager gültiges Lagergeld. Auch Kriegsgefangene erhielten nur Lagergeld, während der eigentliche Lohn ans Stammlager ging.
Das auf der ersten Innenseite des Arbeitsbuches stehende Vorwort des „Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz“ hat folgenden Wortlaut:

Wie der deutsche, so dient auch der ausländische Arbeiter der Stirn und der Faust durch seinen Arbeitseinsatz im Großdeutschen Reich dem Neuaufbau Europas und dem Kampf um die lebenswichtigen Voraussetzungen für eine glückliche Zukunft und Wohlfahrt der Völker im europäischen Raum. Der ausländische Arbeiter muß sich dieser Aufgabe und Auszeichnung stets bewußt sein. Auf diesem Gedanken beruht sein Einsatz, seine Arbeitsleistung und seine persönliche Haltung.“

Das Arbeitsbuch war ein von staatlichen Stellen ausgestelltes Dokument, das einem Arbeitgeber bei der Einstellung verpflichtend vorzulegen war. Ziel war es, die berufliche Mobilität von Arbeitnehmern zu kontrollieren und von der Zusage durch den früheren Arbeitgeber abhängig zu machen. Damit sollte es Arbeitnehmern unmöglich gemacht werden, Lohnunterschiede zwischen Unternehmen oder Branchen mittels eines Firmenwechsels auszunutzen. Das Arbeitsbuch war somit ein Mittel, die Berufsfreiheit grundsätzlich einzuschränken, nach 1935 zudem ein Instrument der wirtschaftlichen Mobilmachung zur Vorbereitung des Vierjahresplans.

In einigen Ländern ist das Arbeitsbuch noch gebräuchlich und für jeden gesetzlich vorgeschrieben. In der DDR wurde das Dokument teilweise bis 1967 geführt.

Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz war eine Funktionsbezeichnung, unter der der thüringische Gauleiter Fritz Sauckel ab dem 21. März 1942 insbesondere für den Einsatz der sogenannten Fremd- und Ostarbeiter im Deutschen Reich sowie in den von der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg besetzten Gebieten zuständig war. Fritz Sauckel wurde im Morgengrauen des 16. Oktober 1946 im Militärgefängnis in Nürnberg hingerichtet.

Eigens für den Vierjahresplan wurde bei Göring eine Behörde mit der Bezeichnung „Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz“ geschaffen. Diese Behörde erhielt 1941 die Befugnisse für den „Russseneinsatz“ unter dem Ministerialdirektor Werner Mansfeld aus dem Reichsarbeitsministerium. Dabei ging es zunächst um den Einsatz der Kriegsgefangenen. Im Zuge einer Umstrukturierung der deutschen Kriegswirtschaft im Zweiten Weltkrieg schuf Adolf Hitler ein neues Amt, das die möglichst schnelle und umfangreiche Mobilisierung von Arbeitskräften für die deutsche Wirtschaft organisieren sollte. Den Bedarf an Arbeitskräften legte die "Zentrale Planung" unter der Leitung von Hans Kehrl fest.

Ziele der Zwangsarbeit waren unter anderem: Arbeitsersatz der durch den Kriegseinsatz in der Wehrmacht in Deutschland fehlenden Männer, Einsparungen für deutsche Firmen, da Zwangsarbeiter günstiger als reguläre Arbeiter waren, Erhöhung der Staatseinnahmen, durch von der Industrie zu übernehmende Verleihgebühren und Ausländersonderabgaben.

Im Januar 1942 befahl Göring mit Erlass vom 19. Dezember 1941 die Anwerbung von Ostarbeitern und unterstellte alle Bewohner der besetzten Ostgebiete der öffentlichen Arbeitspflicht, da der Krieg zu einem dramatischen Arbeitskräftemangel in Deutschland geführt hatte. Die Anwerbung sollte in großem Umfang in allen besetzten russischen Gebieten erfolgen, wobei vormalige ideologische und volkstumspolitische Erwägungen in den Hintergrund gerieten.

Die deutsche Kriegswirtschaft, Industrie und Landwirtschaft wären ohne das Millionenheer deportierter Fremdarbeiter und Kriegsgefangener zusammengebrochen. Deren Zahl stieg von 1,2 Millionen im Jahr 1941 auf 7,8 Millionen im Jahr 1944 – davon knapp fünf Millionen Russen und Polen.

 

XVI.

Der Kräutergarten DACHAU

Deutsche Versuchsanstalt

für Ernährung und Verpflegung GmbH. Werk Dachau

Dachau 3 Postschließfach 11 / Ruf 1151, 1167, 1168

Empfangsschein No 684

für die Verwaltung Siedlung Barth-Stein & Gemeinschaftslager Barth-Holz

Barth-Stein / Pommern

Meine Bestellung vom 4.3.42 über

je 10 Hsp. - Bohnenkraut, gem.

- Koriander

- Liebstöckel

- Petersilie

- Weinraute

- Pmpinelle

5 Hsp. - Dillkraut

- Estragon

- Kümmel

- Salatwürze

- Waldmeister

8 Hsp. - Rosmarin

Leider konnten wir Ihnen nicht das gewünschte Quantum zukommen lassen,sowie z.Zt. Beifuß

heute erhalten durch Boten – Postpaket – Expreß – Eilfracht – Fracht bestätigt

 

......................., den 17.3.42 …....................................

Erledigt durch: 25.3.

Unterschrift

 

Ein simpler Lieferschein aus dem Jahr 1942 mit dem unverfänglichen Absender „KRÄUTERGARTEN Dachau“. Klingt doch richtig gut, das mit dem „Kräutergarten“. Man denkt dabei sofort an gesunde Öko-Ernährung vom Wochenmarkt. Und das sogar mitten im Zweiten Wltkrieg und nicht nur für die deutschen Bewohner im Bereitschaftslager Barth-Stein, sondern auch für die Ostarbeiter, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangenen und Militärinternierten im Lager Barth-Holz. So viel Fürsorge für die dienst- bzw. zwangsverpflichteten oder verschleppten Mitarbeiter der Munitionsfabrik Pommersche Industriewerke Barth (PIW) konnte bislang wohl niemand vermuten.

Doch steckte da wirklich reine nationalsozialistische Menschlichkeit dahinter? Zumal man bei dem Ortsnamen Dachau hellhörig werden muss. Dachau in der NS-Zeit? War da nicht was mit Konzentrationslager und schlimmen Massenmorden an Juden und anderen verfemten Menschen? Auch der Begriff „Versuchsanstalt“ jener Jahre klingt recht anrüchig. Und in der Tat, der Kräutergarten gehörte zum KZ in Dachau. Die „Deutsche Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung GmbH“ gehörte zur Amtsgruppe W des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes des Reichsführers SS. Der „Kräutergarten“ war so groß, wie der gesamte Stadtteil Dachau Ost heute (2015) ist. In riesigen Beeten wuchsen Thymian, Pfefferkraut, Ringelblumen und Gladiolen und all die anderen Kräuter heran.

Die Anlage „wurde am 23. Januar 1939 mit einem Gründungskapital von 35.000 RM aus Mitteln der Deutsche Erd- und Steinwerke als GmbH gegründet. Der Gründer war der SS-Führer Oswald Pohl, Chef des WVHA. Finanziert wurde das Unternehmen durch einen Kredit des Roten Kreuzes in Höhe von 8 Millionen Reichsmark“, ist bei Wikipedia nachzulesen. Leiter der Anlage war Emil Vogt.

Zu den Aufgaben der Anstalt gehörten der „Anbau und die Erforschung von Gewürz- und Heilkräutern, die Versorgung deutscher und ausländischer Märkte mit „deutschen Drogen“, die Herstellung und Mischung neuer Drogen, die Unterhaltung von Laboren, der Grundstückserwerb sowie der Vertrieb der erstellten Produkte. Der „Kräutergarten“ im KZ Dachau (Name des Arbeitskommandos: „Plantage“) und die Plantage im Außenlager Heppenheim (Name des Arbeitskommandos: „Dachau“) waren die bekanntesten Projekte.“ (Wikipedia)

Zu dem Kommando „Plantage“ stellte Daniella Seidls, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Volkskunde/Europäische Ethnologie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) Forschungen an, die am 29. April 2008 unter dem Titel „Zwischen Himmel und Hölle“ publiziert wurden. Demnach war der „Kräutergarten“ eines der Vorzeigeobjekte des Reichsführers SS Heinrich Himmler, wozu noch ein Labor für eine ganzheitliche Naturheilkunde im Dienste für eine Volksmedizin.gehörte. Daniella Seidl stellt in ihren Betrachtungen fest, die Arbeit in der „Plantage“ sei eine Art Todeskommando gewesen.

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG befasste sich in einem Beitrag vom 1. April 2015 zum Thema NS-Ernährungspolitik mit dem „Bio-Gemüse im Zeichen des Hakenkreuzes“. Autor ist Gregor Schiegl. Diesem Beitrag ist zu entnehmen, dass sich Heinrich Himmler schon früh mit dem Plan befasste, das deutsche Volk sollte allmählich auf eine Verpflegung, ähnlich der römischen Soldatenverpflegung oder der Verpflegung der ägyptischen Sklaven kommen, die alle Vitamine enthalte und billig sei. Dazu rief er die "Deutsche Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung" ins Leben. Sie unterstand ihm „persönlich und war die Dachorganisation für die Lehr- und Forschungsanstalt, die der Plantage in Dachau angeschlossen war. Ihr Forschungsauftrag: Wege abseits der naturwissenschaftlichen finden, die als jüdisch verdächtigt wurden, und Modelle entwickeln, wie man die deutsche Volksgesundheit verbessern könne - Bio im Zeichen des Hakenkreuzes. […]

Wie bei vielen NS-Projekten war auch der Kräutergarten, Kommandoname "Plantage", bereits ein Baustein für den geplanten Angriffskrieg. Die in Dachau angebauten Gladiolen werden pulverisiert und zu Vitamin C verarbeitet, die Päckchen an die Ostfront geschickt. […] Zugleich sollte das Reich von der Einfuhr ausländischer Medikamente und Gewürze unabhängig werden. So diente eine Mischung aus gemahlenem Basilikum, Thymian, Bohnenkraut als deutscher Pfeffer-Ersatz, das Regime wollte Devisen sparen. Es wittert sogar selbst ein lukratives Geschäft durch den Export "deutscher Drogen". Wirtschaftlich war das nur machbar mit billigsten Arbeitskräften. Das Konzentrationslager lieferte sie. [...]

Auf der Rückseite des Wirtschaftsgebäudes hatte die SS eine Verkaufsstelle eingerichtet, an der Bewohner aus Dachau und dem Umland Gemüse einkaufen konnten.“

Von dem Kräutergarten ist heute zwischen Gewerbebauten nur etwas mehr eine Fläche in der Größe eines Fußballfeldes übrig geblieben.

Auch ein Symbol der Verdrängung, des Nichtwissen-Wollens. Und das weit über die Nachkriegszeit hinaus bis in die 1990er Jahre“, wie Gregor Schiegl abschließend bemerkt.

Und die F.A.Z. Ließ schrieb am 6. September 2013 in einem ganzseitigen Artikel von Jan Grossart über den „Kräutergarten Dachau“:

Im Kräutergarten arbeiteten viele Kommandos, 12 Capos und 25 Untercapos besorgten die Aufsicht und die Arbeitszuweisung. Die Abteilungen hießen: „Tee- und Gewürzebau“, „Lehrkultur“, „Gemüseland“, „sechs Gewächshäuser“, „Freiland I und II“ usw.
Die Plantage entwickelte sich zu einem wichtigen Produzenten eines Ersatzgewürzes, des Deutschen Pfeffers, und eines Vitamin-C-Konzentrates, das nach einem in Dachau entwickelten Verfahren aus dort angebauten Gladiolen in relevanten Mengen gewonnen wurde.
Die Höchstzahl der Arbeiter betrug im Sommer 1.300 und im Winter 400 Häftlinge. Ab März 1942 gab es dort auch Arbeitskommandos der Priester. Plantagearbeit gehörte offiziell zu den leichteren Arbeiten. In Wirklichkeit aber war die Arbeit außerordentlich schwer, gerade im Jahr 1942, dem furchtbaren Hungerjahr.“

So also verschleierte man damals mit harmlos klingenden Begriffen schlimme Dinge. Ein weiteres Beispiel für diese Praxis liefert ja auch der Firmennamen „Pommersche Industriewerke Barth“.

Wer vermutet schon hinter „Kräutergarten“ eine mörderische Maschinerie? Bei einem harmlosen Industriewerk im Pommerschen denkt man auch nicht unbedingt sofort an Bomben, Granaten und chemisches Giftzeugs.

Nicht festgestellt werden konnte, für wen die Küchenkräuter in Barth-Stein und Barth-Holz bestimmt waren. Verfeinerte man damit die Speisen in der Gemeinschaftsküche für die dienstverpflichteten Arbeiter und Angestellten? Das wäre noch glaubhaft, aber es ist im Lieferschein auch vom Lager Barth-Holz die Rede. Dort wurden den Insassen, die schließlich „nur“ Zwangsarbeiter und zum Teil Gefangene waren, mit Sicherheit keine mit extravaganten Zutaten garnierte Suppen serviert.

 

XVII.

DIE KORBFLECHTEREI

Doch auch nach dem Krieg musste das Leben hier ohne die PIW nun mit friedlicher Arbeit weitergehen. Zunächst nahm die MTS (Maschinen- und TraktorenStation) den „Großen Saal“ der ehemaligen Gemeinschaftsbauten der dienstverpflichteten Mitarbeiter der PIW in Beschlag und richtete eine Werkstatt ein, in welcher landwirtschaftliche Geräte und Maschinen instandgehalten sowie repariert wurden. Als in der DDR in den 1960er Jahren die Meliorationsgenossenschaften und -kombinate entstanden, übernahm eine solche Einrichtung die Anlagen und Werkstätten von der ehemaligen MTS/MAS. Doch hier soll die Rede von einem Unternehmen sein, das zu einem fast schon ausgestorbenen Gewerbe zu zählen ist:1947 baute man in Barth-Stein eine Korbflechterei auf, zunächst noch als so genannte Heimarbeitsgenossenschaft/Heimarbeitsindustrie. Später ging sie in eine andere Rechtsträgerschaft als VEB (Volkseigener Betrieb) über. Die Korbflechterei warb in der Festschrift zum 700. Stadtjubiläum 1955 als „VEB (K) Korbflechterei Barth Korb- und Flechtwaren aller Art“. VEB (K) Korbflechterei Barth Ich hatte die Gelegenheit, entsprechende Unterlagen, die Korbflechterei betreffend, im Archiv der Stadt Barth einzusehen. Auch konnte eine ehemalige Mitarbeiterin der Korbflechterei, Frau Knaack, ausfindig gemacht werden. Die Gespräche mit Frau Knaack vermittelten Einblicke in die mir bis dahin völlig fremden Arbeitsabläufe, die bei der Herstellung von Korb- und Flechtwaren erforderlich sind. So dass ich mich in den weiteren Ausführungen bei der Schilderung des Arbeitslebens in diesem Barth-Steiner Nachkriegsbetrieb auf Fakten aus berufenem Munde stützen darf. Vermutlich war der Umstand, dass ich von Sommer 1954 bis zum Frühjahr 1956 noch im Schulalter selbst in Barth-Stein wohnte mit von Bedeutung, dass mir die Dame das notwendige Vertrauen entgegen brachte. In der ersten, zufälligen Begegnung vor ihrer Wohnung im Kiefernweg erfuhr ich, dass Frau Knaack schon im Jahr 1947 nach Barth-Stein kam und noch bis heute dort wohnt. Sie gehörte somit zu den ersten Bewohnerinnen der Siedlung, die ja erst in jenem Jahr von der sowjetischen Militäradministration an die deutsche Selbstverwaltung zurück gegeben worden war. Mit Frau Knaack kamen bald nach unserer Begegnung Gespräche per Telefon zustande. Dabei erfuhr ich, dass sie bis zur Einstellung der Produktion durchgängig in dieser Korbflechterei gearbeitet hat. Auch dass man seit etwa 1957 nicht mehr Lager Barth-Stein sagt, sondern die Wohnsiedlung Barth-Tannenheim nennt teilte sie mir mit. Und Anfang der 1970er Jahre gingen in der Korbflechterei endgültig die Lichter aus, wie man so sagt. Wo genau war nun dieser Betrieb? An der Hauptzufahrt von der L 21 geht es nach BarthTannenheim in den heutigen Eschenweg rein. Rechterhand stehen Garagen. Auf diesem Gelände stand früher ein größeres Gebäude, das bis an den Kiefernweg heranreichte. Im südlichen Teil befand sich das „Brausehaus“, im nördlichen Bereich war das „Feuerlöschhaus“ untergebracht. An der Ecke Eschenweg / Kiefernweg stand der „Feuerwehrturm“ (Höhe: rund 17 Meter). Gegenüber, neben der Wache (später Wohnung der Familie Böhm), steht das ehemalige Werkstattgebäude. Der südliche Teil dieses Gebäudes war einst die „Konsumverkaufsstelle“. Im nördlichen Bereich des Werkstattgebäudes wurden die Produktionsräume der Korbflechterei eingerichtet. Dazu gehörte auch eine Tischlerei mit

Herrn Böhm als deren Chef. Seine Ehefrau, Frau Böhm, war übrigens die Verkaufsstellenleiterin des „Konsum“ in Barth-Stein. Was wurde nun hier überhaupt produziert? Das Sortiment hatte eine relativ überschaubare Vielfalt. Gefertigt wurden entsprechend des Bedarfs an Konsumgütern und der damaligen Mode Wannen für Kinder- bzw. Babywagen. Wofür es ja auch derzeit wieder Bedarf zu geben scheint. Weiterhin stellten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Tragekörbe und kleine Körbchen her. Ich entsinne mich, dass die Körbe und Körbchen als Modeartikel der 60er und 70er Jahre sehr stark nachgefragt waren. Um überhaupt an solche Dinger zu kommen, sind wir nach Stettin gefahren. Dort gab es sie zu kaufen. Ein weiteres Produkt in der Barth-Steiner Palette waren Wäschekörbe. Diese wurden in verschiedenen Größen, aber auch in verschiedenen Formen hergestellt. Es gab sie als runde Ausführung, als ovale Ausführung, als große oder auch als kleine Wäschekörbe. Eine Besonderheit waren die sogenannten „Mecklenburger Wäschekörbe“. Die Besonderheit bestand darin, dass sie, im Gegensatz zu den üblichen Korbformen, weder rund noch oval waren. Sie hatten eine eckige Ausführung. Aber nicht nur modische Ansprüche sollten befriedigt werden, auch die Industrie, der Handel und die Landwirtschaft benötigten Korbflechtwaren. In den Büros und in sonstigen Amtsstuben waren diese Dinge ebenfalls unentbehrlich. Man denke nur an die Kartoffelernten, dort ging auf dem Acker ohne Kiepen nichts. Es wurde bis Ende der 1950er Jahre noch mit dem Kartoffelroder mit einem Pferd davor gearbeitet, Erntemaschinen heutiger Art gab es dann erst später, so dass die von Hand aufgeklaubten Kartoffeln in Körbe gesammelt wurden und zu einem Anhänger getragen werden mussten. Dafür waren natürlich diese Körbe aus Weidengeflecht vonnöten. Ebenso bei dem damals noch hochaktuellen Kohlehandel war die Arbeit ohne Weidenflechtkörbe schier undenkbar. Und, nicht zu vergessen, in den Büros, Schreibstuben und Klassenzimmern der Schulen waren Papierkörbe aus schlichtem, aber dennoch schön wirkendem Flechtwerk noch ein übliches Utensil. Welches Material fand Verwendung? Das Material, das beim Korbflechten verwendet wird, ist allgemein bekannt: Es ist ein Naturprodukt. Weidentriebe oder Weidengerten, auch Weidenruten ist eine übliche Bezeichnung dafür. Die in Barth-Stein benötigten Mengen an Material konnten allerdings nur zu einem kleineren Teil aus eigener Ernte gewonnen werden. Am Fuchsberg nahe des Borgwalls betrieb die Korbflechterei Barth eine eigene Weidenplantage. Der größte Teil des benötigten Materials jedoch kam als Lieferung per Bahn von außerhalb. Wie wurde dieses Material aufbereitet? Wurden die Weidengerten angeliefert, waren sie natürlich zunächst ausgetrocknet und somit zur sofortigen Weiterverarbeitung nicht geeignet. Sie mussten erst einmal weich und geschmeidig gemacht werden. Dazu gab man sie in ein großes Wasserbassin aus Beton, das im Betriebsgelände noch als ehemaliges Feuerlöschbecken des Bereitstellungslagers Barth-Stein vorhanden war. Hier wurden die Weiden gewässert, sie grünten dadurch wieder aus, was sie weich, geschmeidig und biegsam machte. So dass sie den Ansprüchen der Verarbeitung entsprachen. Anschließend erfolgte der Arbeitsgang des Schälens. Das geschah maschinell. Um bei dem Material die helle Färbung, welche nach der Schälung entstanden war, zu erhalten, kam es nach dem Schälen ins Freie an die Sonne. Wenn diese mal gerade nicht schien, tat das dem Vorgang aber keinen Abbruch. Da dieses Naturprodukt Weidenholz infolge der aufgenommenen Feuchtigkeit während des Wässerns von Schimmel befallen werden kann, wurden die Weidenruten abschließend noch geschwefelt. Der Prozess der Fertigung in der Endphase erfolgte in zwei Arbeitsgängen. Dabei war die eine Arbeitsgruppe mit der Fertigung der Bögen befasst, während eine zweite Gruppe von

Mitarbeitern die Endfertigung vollzog, also die einzelnen Teile bzw. Baugruppen zum Endprodukt montierte. War dann alles fein säuberlich zusammengefügt, konnte es in den Versand gebracht werden. Die Kundschaft wartete bereits. Im Zusammenhang mit der Gewinnung von Weiden für den VEB (K) Korbflechterei Barth habe ich im Archiv ein Schreiben vom 25. April 1950 des KWU (Kommunalwirtschaftsunternehmen) an die Landesregierung gefunden, das uns einen interessanten Einblick in damalige Befindlichkeiten gibt: „An die Landesregierung Mecklenburg, Ministerium des Innern, Hauptabteilung Staatl. Verwaltung KWU Betr.: Errichtung eines Produktionsbetriebes innerhalb des KWU Barth der eigenbetrieblichen Weidenernte Mit Errichtung des KWU in Barth wurde von der Stadtverwaltung eine 6 ha große Korbweidenkultur übernommen. Diese ist laut Schachverständigem Gutachten des von der Landesregierung Hauptabteilung Erfassung und Aufkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse benannten Herrn Matthes in Schwaan überaltert und nicht mehr voll ertragsfähig.“ Ein Bericht an obige Regierungsstelle vom 27.3.50 stellt besonders heraus, dass die Weidenkultur folgende Zuschüsse benotigte: 1947/48 746 DM 1948/49 966 DM 1949/50 682 DM Es wurde daher der Antrag an das Ministerium eingereicht, „einem Pachtverhältnis an hiesige Korbmacher zuzustimmen, um zu erzielen, dass diese die Aberntung und die Verarbeitung durchführen. Die HA Erfassung und Aufkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse erklärt sich unter Schreiben vom 14.4.50 damit einverstanden, verpflichtet uns jedoch nach wie vor die Ernten abzuliefern. Unsere gesamte Ernte von rund 300 Dezi-Zentner jährlich wurde der Korbweiden-Anbau und Verwertungsgenossenschaft zur Verfügung gestellt. Der Leiter dieser GmbH, ein Privatunternehmer Falk in Rostock bezog davon 153 dz für eigene Rechnung. Der oben angeführte 'Zuschuss kann und muss vermieden werden, wenn der Rohstoff in unserem eigenen Betrieb verarbeitet wird. Die Voraussetzungen dafür liegen günstig, da Fachkräfte, Räume usw. vorhanden sind. Wir bitten daher: In Verbindung mit der HA Erfassung und Aufkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse das bisher der Korbweidenanbau und Verwertungsgenossenschaft, Rostock, August-Bebelstr. 3, zugesprochene Kontingent von 300 dz aus unserer Erzeugung auch auf unseren Betrieb zu übertragen. In Verbindung mit der HA Wirtschaftsplanung uns für das 4. Quartal 1950 und weiterlaufend einzuplanen.“ Ob die für das Bearbeiten der Weidenruten erforderlichen Werkzeuge immer und in der entsprechenden Qualität zur Verfügung standen? Es herrschte ja nicht nur unmittelbar nach Kriegsende Mangel an fast allem, dem Bedarf konnte auch in der späteren sozialistischen Planwirtschaft nicht zufriedenstellend nachgekommen werden. Denn für die Werkzeuge, wie Weidenspalter, Korbmachermesser, Schlageisen, Pfrieme oder auch Weidenscheren mussten hochwertige Stähle verwendet werden. So ist zum Beispiel für die Weidenschere, welche auch als Baumschere Verwendung finden kann, ein Stahl in schwerer und geschmiedeter Qualität erforderlich. Es soll ein Stahl sein, der eine große Langlebigkeit garantiert und scharfe, glatte Schnitte ermöglicht.

Auch an den Pfriem, ein an und für sich unscheinbares Werkzeug, wird ein gewisser Anspruch an Güte gestellt. Er sollte aus einem Qualitätsstahl (Chrom-VanadiumLegierung) gefertigt sein. Den Pfriem braucht der Weidenflechter zum Vorstechen des Geflechts. Dass Flechtware eine solche Vielfalt umfassen kann, wurde mir erst bewusst, als Frau Knaack, die einstige Korbflechterin aus Barth-Stein, das alles sehr anschaulich schilderte. Es schwangen ihrerseits auch Emotionen mit. Aus einem langen Berufsleben jemandem erzählen zu können, das schien Frau Knaack richtig Freude zu bereiten. Aber auch ich hatte auch meine Freude bei dem, was ich da an mir bislang Unbekanntem zu hören bekam. Zumal es sich hier auch um ein recht seltenes, inzwischen beinahe schon in Vergessenheit geratenes Handwerk, mit so vielen unbekannten Arbeitstechniken handelt. Da bekanntlich viele Wege nach Rom führen, wie der Volksmund so sagt, beschaffte ich mir auch weitergehende Erkenntnisse zum Thema Korbflechterei Barth-Stein. So konnte ich nämlich im Archiv der Stadt Barth entsprechende Informationen sammeln. In diesen tauchen in dem Schriftverkehr zwischen den damaligen Ämtern zunächst die Begriffe „Heimarbeit“, dann „Heimindustrie“ und schließlich „Heimarbeitsgenossenschaften“ auf. Eine der schlimmen Kriegsfolgen war, dass die Wirtschaft in Deutschland am Boden lag. Doch Arbeit musste her. Fachkräfte waren aber rar. Millionen deutscher Männer und Frauen waren als Kriegstote zu beklagen, Millionen deutscher Männer waren für mehrere Jahre in Kriegsgefangenschaft geraten. Der Neubeginn der Wirtschaft in Deutschland war eine komplizierte Angelegenheit, doch es musste gelingen, wieder auf die Beine zu kommen. Der beabsichtigte Aufbau der Heimindustrie erforderte den Zusammenschluss zu Produktivgenossenschaften, was in Barth-Stein zur Gründung dieser Korbflechterei geführt hatte. Was hatte es mit der Heimindustrie auf sich? In den Schriftstücken, die ich im Archiv einsehen und fotokopieren konnte, ist viel Interessantes zu lesen. Interessant auch deshalb, weil uns Heutigen das Vokabular häufig doch recht fremd erscheint, andererseits aber auch wieder gar nicht so fremd ist. Manche Maßnahme, zu der die Politik in jenen Jahren gezwungen war, könnte auch aus heutigen Arbeits- bzw. Sozialministerien aus Bund und Ländern stammen. Hier einige Kostproben: „9. September 1948, Landesregierung Mecklenburg, Ministerium für Sozialwesen, Hptabtlg. Arbeit und Sozialfürsorge Betr.: Fürsorge für Heimarbeiter, die infolge der Währungsreform arbeitslos geworden sind. „Im Juni / Juli d.Jhrs. hat die Heimindustrie in Mecklenburg 6.000 Menschen (davon 4.000 Frauen) Arbeit gegeben, während im Laufe der letzten Wochen zahlreiche Entlassungen vorgenommen werden mussten, weil es sowohl den Genossenschaften als auch Privatunternehmen und den Gemeinschaftsbetrieben der Volkssolidarität vielfach nicht möglich war, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Der Heimindustrie in Mecklenburg, die im Laufe des letzten Jahres einen recht guten Anfang genommen hatte, ist durch die Währungsreform ein empfindlicher Schlag versetzt worden. Nicht nur, dass die auf den Banken liegenden Betriebsgelder nur mit 1:10 umgewertet worden sind, sondern durch die allgemeine Verknappung des Geldes machen sich auch Absatzschwierigkeiten bemerkbar, insbesondere für solche Artikel, die nicht dem praktischen Verbrauch dienen. Es wird Aufgabe der Ämter für Arbeit sein, die Produktion der Heimindustrie zu überprüfen, die Herstellung von solchen Bedarfsartikeln zu fördern, die die beste Materialverwendung ergeben und die Heimarbeiter zu Genossenschaften zusammenfügen, die die Gewähr bieten, dass planmäßig das Ziel verfolgt wird, die Produktion zu verbessern und zu verbilligen. Um zu verhindern, dass die bisherigen Heimarbeiter, zumeist handelt es sich um nicht voll

einsatzfähige Frauen, hilfsbedürftig werden, ist zu prüfen, auf welche welche Weise vorbeugend durch die Sozialämter eingegriffen werden kann. In vielen Fällen wird durch Gewährung einer einmaligen Beihilfe von 100 – 300 DM, die durch den Heimarbeiter zur Zeichnung von Genossenschaftsanteilen oder zur sonstigen Finanzierung verwendet werden könnte,eine bessere Hilfe geleistet werden, als durch Zahlung einer laufenden Fürsorgeunterstützung an den arbeitslosen Heimarbeiter. Vor Gewährung solcher Beihilfen muss jedoch festgestellt werden, ob die Verschuldung des Betriebes nicht bereits so groß ist, dass die Beihilfe nur in die Konkursmasse wandern würde. Voraussetzung für die Bewilligung derartiger Unterstützungen muss deshalb sein: a) dass das Geld einer bereits bestehenden Produktionsgenossenschaft für Heimarbeiter zufließt, die eine gesunde Grundlage hat und die Gewähr bietet, dass sie weiterhin ihren Mitgliedern Verdienst und Arbeit sichert, b) dass die Mitglieder bestehender Arbeitsgemeinschaften sich zu einer Produktionsgenossenschaft zusammenschließen oder einer bereits bestehenden Genossenschaft beitreten und durch Schaffung klarer Verhältnisse eine neue Arbeitsgrundlage sichern. Die Prüfung der Betriebe nach den unter a) und b) gekennzeichneten Gesichtspunkten kann nur in Zusammenarbeit mit den Ämtern für Arbeit geschehen. Sweit bereits Stilllegungen vorgenommen worden sind, ist beschleunigte Hilfeleistung notwendig. Eine Überprüfung der einzelnen Heimarbeitsbetriebe wird im Laufe der nächsten Zeit auch durch das Ministerium für Sozialwesen erfolgen. Die Sozialämter werden um Bericht in dieser Angelegenheit gebeten.“ Die geschaffene Heimindustrie hatte den Zweck, „alleinstehenden Umsiedlerfrauen, hausgebundenen Müttern und kriegsversehrten, nicht mehr voll einsatzfähigen Personen eine Existenzgrundlage zu ermöglichen.“ Durch die von der Landesregierung hierfür ausgegebenen Mittel und durch die Gewährung sogenannter Anlernbeihilfen wurde die Heimarbeit stark gefördert. So war es möglich, die in den einzelnen Dorfgemeinschaften geschaffene Heimarbeit zu unterstützen. Die ersten Arbeitsgemeinschaften wurden im Februar 1947 geschaffen. Das hat doch viel Ähnlichkeit mit den uns bekannten ABM der Nachwendejahre? Am 1. Juli 1950 erreichte die Heimarbeits-Genossenschaft Barth-Stein des KWU (Kommunalwirtschaftsunternehmen) Barth folgendes Schreiben: „An die Heimarbeits-Genossenschaft, z.Hd. von Herrn Schwan, Barth-Stein, Direktion Nachdem Herr Minister Starosson entschieden hat, dass die Nutzung der Weidekultur ohne Auflagesoll dem KWU der Stadt Barth verbleibt, ist eine Lage geschaffen, welche die Weiterentwicklung zu überlegen zwingt. Ich bitte Sie, wenn die schriftliche Bestätigung vorliegt, einen Arbeitsplan aufzustellen, welcher die Weiterentwicklung der Korbflechterei eventuell Eingliederung in das KWU und ähnliche Fragen beantwortet. Zur Besprechung dieser Angelegenheit wäre Ihr Besuch in den nächsten Tage uns erwünscht.“ Liquidierung der Genossenschaft Alfred Starosson, gelernter Frisör, war Mitglied der Rostocker Bürgervertretung und hatte nach dem Zweiten Weltkrieg das Amt des Ministers für Handel und Versorgung im Land Mecklenburg inne. In diesem Schreiben ist die Richtung zu erkennen, wohin der Hase künftig zu laufen hat. Aus den anfänglichen Erfordernissen, der Wirtschaft mit kleingliedrigen Maßnahmen, wie Heimarbeitsindustrie, wurden im Laufe der Zeit dann Heimarbeits-Genossenschaften. Die allgemeine Zentralisierung von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft deutet sich hier in den Anfängen bereits an. Denn im August 1950 Wird die Heimarbeitsgenossenschaft darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Korbflechterei am 15. August 1950 vom KWU übernommen wird. Die bislang eigenständige Genossenschaft wurde liquidiert und dem kommunalen Unternehmen KWU als Betriebsteil zugeordnet. Hier der Inhalt des entsprechenden Schriftstückes vom 10. August 1950 an die Direktion der Heimarbeitsgenossenschaft Barth-Stein: „Am 15.8.1950 wird die Korbflechterei als Betriebsteil im KWU Barth übernommen. Das Mobiliar, das Material und die Geräte nach der Aufstellung vom 31.7.1950 werden zum Schätzpreis von 1.012 DM übernommen. Der Betrag ist an die Kreissparkasse KontoNummer 1000 zu überweisen. An Personal werden übernommen: Geschäftsführer Herr Otto Schwahn, Barth-Stein, Joseph Greschner, Bart-Stein, Heinz Franke, Barth, Eduard Leba, Pruchten. Vereinbarungsgemäß wird eine Forderung von DM 283,65 an die Heimarbeitsgenossenschaft für gelieferte Weiden niedergeschlagen, weil das KWU die bestehenden Geschäftsbeziehungen übernimmt. Die Liquidierung der Genossenschaft ist eine interne Angelegenheit derselben.“ Doch die Korbflechterei produzierte weiter. Was nach dem Krieg als Heimarbeitsbetrieb begann, dann Heimarbeitsindustrie genannt, vom KWU liquidiert und übernommen wurde hatte schließlich als VEB (K) Korbflechterei Barth bis in die 1970er Jahre hinein seine Daseinsberechtigung